An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Jakob Schneider an der Nahe
30. September 2011
Seit 1971 gehört die Nahe zu den gesetzlich festgelegten deutschen Weinanbaugebieten. Das Weingut Jakob Schneider befindet sich seit seiner Gründung 1575 in Familienbesitz. Heute arbeiten drei Generationen im Betrieb: Großmutter Liesel betreut mit ihren 74 Jahren noch munter die Kunden und arrangiert legendäre Weinverkostungen. Monika Schneider obliegt die Finanzwirtschaft, sie bearbeitet Bestellungen und kümmert sich um die Ausstattung der Flaschen. Jakob Senior ist der „Außenchef“ im Weinberg und sorgt für die Lieferung der bestellten Weine. Jakob Junior ist der „Innenchef“, er richtet den Betrieb seit rund drei Jahren als Kellermeister jung und modern aus. Er hat in Geisenheim studiert und 2007 als Diplom-Önologe abgeschlossen.
Der Betrieb hat sich in den letzten Jahren vergrößert: er misst jetzt 18 Hektar Rebfläche, davon sind 85 % mit Riesling bestückt und 10 % mit Burgunder-Reben. Die Rebstöcke stehen in fünf verschiedenen Lagen auf 52 verschiedenen Gesteinsformationen, überwiegend vulkanische Gesteinsarten, aber auch auf Schiefer- und Sedimentböden.
Die Lagen Niederhäuser Hermannshöhle und Niederhäuser Klamm sind in den nachstehenden Verkostungsnotizen beschrieben.
Die 6 Hektar großen Weinberge in der Lage Norheimer Dellchen sind weitgehend als Terrassenlage mit Trockensteinmauern ausgestaltet. Hier wachsen die Reben auf Vulkangestein mit hohem Eisenanteil und auf grauem Schiefer sowie lehmigen Bodenpartien, die alle hervorragend zu bewässern sind. Norheimer Dellchen liegt direkt an der Nahe auf rund 150 m Meereshöhe. 50 bis 70% ist die Hangneigung, umgeben von steil aufragenden Felsen. Hier wird ordentlich gewärmt und zeitig gereift.
Die 6 Hektar Fläche in der Lage Niederhäuser Felsensteyer zwischen Niederhausen und Norheim bestehen aus verwittertem Melaphyrgestein und erdigen Böden, die angrenzenden Felsen speichern die Wärme.
Die Weinberge in der Lage Niederhäuser Rosenheck mit rund 17 Hektar sind nach Südwesten ausgerichtet, zu 70% als Steilhang. Der Untergrund besteht aus Schiefer und etwas Tongestein, teilweise auch aus graubraunen Sandsteinen der Disibodenberger Schichten. Hier gedeihen Spätburgunder und trockene ausdrucksvolle Lagenrieslinge optimal.
Im Weingut Jakob Schneider hat sich längst der Vorrang der Qualität durchgesetzt. Schon im Weinberg wird entsprechend geschnitten und gepflegt, bei der Ernte wird manuell selektiert, da greift auch der Junior auf das Förderband in der Steillage. Die eingebrachten Trauben werden mit niedrigem Druck gekeltert, um den ursprünglichen Geschmack des Weinbergs zu erhalten. Vergärt wird etwa drei bis vier Wochen lang in kleinen temperaturgesteuerten Edelstahltanks und in alten großen Eichenholzfässern im gekühlten Keller. Die Schneiders besitzen sowohl Eichenholzfässer als auch Edelstahltanks mit einem Volumen von jeweils rund 100.000 Litern, so dass sie bei der Entscheidung über die Ausbaumethoden völlig frei sind. Die Lagerung erfolgt auf der Feinhefe. Mit 120.000 bis 150.000 Flaschen pro Jahrgang zählt das Weingut zu den größten Betrieben der Region. Im Weinführer Gault Millau hat es inzwischen 3 Trauben und gehört damit zu den besten Weingütern Deutschlands. 2009 errang das Weingut unter 450 Mitbewerbern den zweiten Platz des Deutsche Riesling-Erzeugerpreises.
Jakob Schneider Jun. legt sehr großen Wert auf einen naturverbundenen Weinbau. Es will die Weine authentisch ausbauen, sie sollen erlebbar machen, woher sie kommen, von welchem Weinberg, von welchem Kellermeister. Seine Ideen, durch die er mit der Initiative „Generation Riesling“ verbunden ist, drücken sich in einer großartigen Leidenschaft für den Riesling aus. Kein anderer Wein als der Riesling schaffe es in Deutschland, das terroir der Böden im Wein so transparent zu machen. Dass gehe so weit, sagt Jakob Schneider Jun., dass jede der 52 Gesteinsarten in seinen Weinbergen im Wein nachvollzogen werden könne. So sind seine Weine stets ausdrucksstark, persönlich und zeigen den Charakter der Weinberge, aus denen sie stammen. Auch Rotweine kommen im Weingut Jakob Schneider nicht zu kurz: Es gibt aus dem Jahrgang 2009 einen trockenen und einen milden Dornfelder, einen Barrique-Dornfelder und von 2008 für 11 € einen rassigen Spätburgunder trocken, der im Barrique ausgebaut ist. Selbstverständlich werden auch flaschenvergorene Riesling-Sekte als brut und trocken aus dem Spitzenjahr 2009 für jeweils 8,50 € angeboten.
Wir konnten sechs Weißweine des Jahrgangs 2010 vom Weingut Jakob Schneider verkosten: Vier trockene und zwei lieblich-edelsüße Weine:
2010 GRAUSCHIEFER, Riesling trocken
Wenn man zu dieser Flasche greift, muss man sich erst einmal klarmachen, dass die Rebstöcke auf 300 Millionen Jahre altem Schiefergestein stehen. Die Wärme, die das Schiefergestein tagsüber speichert, gibt es nachts an die Rebstöcke ab. Das stellt einen ausgeglichenen Wärmehaushalt sicher und führt zu langsam ausreifenden Trauben, die ihre erfrischende Säure bewahren und nicht selten dazu einladen, es bis zur Edelsüße zu treiben. Hier aber steht ein trocken ausgebauter Riesling vor uns, der mit seinen deutlichen, lang anhaltenden mineralischen Düften schon vorab verspricht, was der Geschmack dann auch hält. Grüngelblich schimmert er im Glas, wir schnüffeln Grapefruit, Stachelbeere, auch grüne Äpfel werden empfunden. Ein herrlich mineralischer und tiefer Körper entfaltet sich im Geschmack, die kraftvolle Säure hält mit 12 Volumenprozent Alkohol eine markante Fruchtigkeit in Atem, feine Kräuteraromen und leichte Noten weißer Bergpfirsiche schwingen mit. Ein süffiger Wein für alle Fälle, ein tadelloser Begleiter für die Partylaune, der zudem mit 5,50 € einen günstigen Einstiegspreis bietet.
2010 MELAPHYR, Riesling trocken
Auch dieser Wein trägt seine geologische Herkunft im Namen: Seine Reben wachsen auf Melaphyr, einem schwarzen Vulkangestein. Im Glas schimmert er hellgelb mit grünlichen Blitzen. In der Nase entwickelt sich eine frische Mineralität; sie umhüllt Aromen von weißen Blüten, von Sommerwiesen mit wilden Kräutern, aber auch von getrockneten Orangeschalen. Wir schmecken einen Wein mit großer Eigenständigkeit, die verströmte frische Mineralität kommt auf der Zunge gut zur Geltung, durchgesaftet mit Pfirsichen oder auch mit weniger süßen französischen Aprikosen. Die leichte Säurebetonung steht der Frucht und Schlankheit außerordentlich gut und verstärkt die Individualität und Nachhaltigkeit des Weins, den man auch im Abgang noch lange süffeln kann. Mit 5,90 € ein echter Preis-Leistungs-Tipp!
2010 Niederhäuser Hermannshöhle, Riesling trocken
Die berühmte Lage Niederhäuser Hermannshöhle ist eine reine Südlage mit Steilhängen und gilt verbreitet als die beste Lage an der Nahe. So hat auch der VdP diese Lage als „1. Lage“ klassifiziert, aus seiner Sicht also eine der besten Lagen in ganz Deutschland. Sie ist an der Nahe die steuerlich am höchsten bewertete, ihre Weine genießen inzwischen in aller Welt einen legendären Ruf. In dieser Premiumlage findet man Schwarzgraue Schieferverwitterungsböden durchmischt mit einem Konglomerat vulkanischen Eruptivgesteins, Sandstein, Kalkstein, Porphyr und steinig-grusigem Lehm sowie viel Feinerde. Die Schneiders haben einen Wein daraus gezaubert, der mit einer Eleganz und Harmonie beeindruckt, die vielfach einem Nahe-Wein nicht zugetraut wird. Man muss immer wieder schnüffeln im Glas, der lange mineralische Duft vom Schiefer-Lava-Basalt-Terroir hält an, verflüchtigt sich kaum, lässt Aromen von grünen Früchten aufsteigen. Im Geschmack erwartet uns eine dezente Säure und saubere Frucht von weißen Pfirsichen und reifen Mirabellen mit einer zurückhaltenden Zitrusaromatik. Säure und Frucht sind ordentlich und tiefgründig integriert, halten sich im Abgang und sorgen für einen soliden, eleganten und herrlich langen, würzigen Ausklang. Der Wein bringt 12,5 Grad Alkohol mit 7,75 g Säure und 6,5 g Restzucker auf den Liter gerechnet ins Glas. Für 8 € bekommt man einen Supertropfen, der mit seinem Potenzial noch locker zwei bis 3 Jahre protzen kann. Er war köstlich zu genießen zu einem Rote Beete Salat mit Sauerrahm und Meerrettich oder einem gebackenen Ziegenkäse im Kräutermantel.
2010 Niederhäuser Hermannshöhle, Riesling trocken MAGNUS
Die trockenen Rieslinge von Jakob Schneider sen. und jun. können sich sogar noch steigern. Wir sind bei einem Spitzenwein angekommen, der an der ganzen Nahe eine Referenz setzt und bundesweit glänzen kann. Er stammt aus einer 70%-Steillage, die nach Süden ausgerichtet ist und reife Rieslinge garantiert. Hellgelb fließt er ins Glas und versprüht grüne Reflexe. Es entfalten sich Zitrusaromen, gelbe Früchte, Quitten, weiße Johannisbeeren. In den Mund bekommen Sie Power, getragen von 13 Volumenprozent Alkohol: Kraft und Gradlinigkeit sind angesagt, eine knackige Säure, eine selbstbewusste Restsüße, das Ganze körperreich und ausgewogen, ohne durchzuknallen. Ein Wein, der frisch rüberkommt und mit einer geheimnisvollen Komplexität und mitreißenden Dichte imponiert. Lange, lange schmatzt man auf Aromen gelber Pfirsiche, überreifer grüner Pflaumen und getrockneter Aprikosen herum. Ein wirklich großes Gewächs, das kein groß geschriebenes Adjektiv braucht, um seine Großartigkeit auszudrücken. Dass hierfür 14 € aufgerufen werden, ist ein Verdienst um angemessene Preise. Man muss ausdrücklich anerkennen, dass die Schneiders zu den glücklicherweise noch zahlreichen Qualitäts-Winzern gehören, die sich hysterischen Preiskapriolen verschließen und nicht an obszönen Preisblasen mitwirken, sondern den genießenden, qualitätsbewussten Weinfreund und dessen finanzielle Leistungsfähigkeit im Blick haben, ohne ihrerseits eine vernünftige Gewinnkalkulation zu vernachlässigen.
An dieser Stelle der Verkostung muss ausdrücklich hervorgehoben werden, dass die Schneiders allen Grund haben, auch ihre halbtrockenen, feinherben und edelsüßen Weine groß herauszustellen. Wer als modischer Trocken-Trinker diese Weine aus Prinzip auslässt, weiß nicht, wozu Rieslingtrauben fähig sind, wenn man sie lässt und das Weingut Jakob Schneider sie zähmt.
2010 Niederhäuser Klamm, Riesling Kabinett
Auch die Niederhäuser Klamm öffnet sich als Steillage nach Süden und produziert mit seinem Vulkangestein in einem besonderen Mikroklima in einer Bodensenke vollreife Trauben, deren Botrytis-Eignung man als Chance für edelsüße Weine ansehen kann. Der hellgelbe Kabinettwein signalisiert mit seinen 9 % Alkohol, dass er zu den lieblichen Rieslingweinen gehört. Er entfaltet leichte Zitrusklänge, eine vollreife Viktoriapflaume schwebt aus dem Glas, Papayas und asiatische Rambutan werden entdeckt. Im Geschmack feinfruchtig, deutlich mineralisch und mit einer überraschenden Eleganz. Ein Wein, der die Mineralität des Bodens authentisch abbildet und dem das feine Säurespiel einen starken Abgang verschafft. Wer 6,50 € ausgibt, bekommt den idealen, fruchtigen Sommerwein für die liebliche Fraktion. Servieren Sie ihn bei wohlgekühlten 11 Grad zu einem Gänseleberparfait oder zu einem betont mild gewürzten indischen Gemüsecurry oder mit wohltemperierten 14 Grad zu einem mindestens 18 Monate gereiften Gouda.
2010 Niederhäuser Hermannshöhle, Riesling Auslese JUNIOR
Jetzt kommt ein Wein, der regelrecht Spaß macht. Die Riesling Auslese aus der Niederhäuser Hermannshöhle war 1999 der erste Wein, den Jakob Schneider Jun. gemacht hat. Der JUNIOR ist auch heute noch ein sehr persönlicher Wein, den man nicht zur Seite stellt bevor die Flasche leer ist. Unsere Verkostungsrunde war sich einig: ein edelsüßes Energiebündel, das an der Nahe nur aus einer Grand Cru-Lage wie der Niederhäuser Hermannshöhle kommen kann. Das ist der Wein, der dem Weingut Jakob Schneider im Gault Millau die dritte Traube gebracht hat. Und das zu einem geradezu angenehmen Preis von 10 € für die kleine Edelsüßen-Flasche. Der Wein leuchtet uns mit einem hellen Gelbgrün entgegen und schon explodieren die Aromen: Exotische Früchte von Maracujas über Mangos bis zu süßsaftigen Mandarinennuancen. Jemand erwähnt überreife Bananen und französische Charente-Melonen. Das setzt sich im Mund fort, jeder will ihn dort behalten, niemand will der erst sein, der diesen Wein aus dem Mund lässt. Seine junge Edelsüße ist keineswegs aufdringlich, vor allem nicht mit Botrytisakzenten versehen, sondern konzentriert rein-fruchtig, intensiv, wuchtig, aber auf keinen Fall klebrig oder übersättigt. Das Säurespiel erinnert an Eiswein – wer weiß, wann diese Trauben gelesen wurden. Mit nicht Enden wollender aromatischer Intensität tritt er ab, noch lange schmeckt man diesem außergewöhnlichen Weinerlebnis nach. Schon jetzt ist das ein richtig schöner, edler Tropfen, der sich aber weiter entwickeln und auch in vielen Jahren noch ein exquisiter Genuss sein wird – sofern dann noch eine Flasche da ist. Probieren sie ihn zu Polaks „Mändelchen“-Pudding oder einem Mirabellenparfait oder bieten Sie ihn als Aperitif an und bleiben beim Menü bei den Weinen vom Weingut Schneider: Ihre Gäste werden die vollendete Weinharmonie genießen. Und noch etwas: Wenn das Jakob Schneiders Auslese ist, dann müssen seine Beerenauslesen oder der Eiswein, den er 2010 der Hermannshöhle bei minus 16 Grad abgetrotzt hat, Träume erfüllen können.
Lassen Sie sich im Hörerlebnis mit Jakob Schneider Jun. begeistern von der Leidenschaft für seine Weine, für das terroir, seine Familie und die „Generation Riesling“.
alle Fotos: Copyright Weingut Jakob Schneider
Hörerlebnis mit Jacob Schneider Jun.