An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Lebensfreude und Leidenschaft: Das Weingut Kurz-Wagner in Württemberg
22. Juni 2015
Es ist wohl das fröhlichste Weingut im Anbaugebiet Baden-Württemberg: Das Weingut Kurz-Wagner bei Heilbronn. Rauschende Feste werden hier gefeiert, Geburtstage, Hochzeiten, Familien- und Firmenjubiläen und vieles mehr. Das Weingut ist eine fast noch als Geheimtipp gehandelte Event-Location. Und was für eine.
Es liegt oben auf der Anhöhe Haigern an der Straße zwischen Talheim und Flein und überblickt die ganze Gegend den Neckar entlang. Es ist tatsächlich ein Weingut, das umzingelt ist von Weinbergen. Wenn man den Torweg entlangblickt, sieht es aus wie die noblen Herrenhäuser der Weingüter in Südfrankreich, Spanien oder Portugal. Bei der einzigartigen Aussicht und dem mediterranen Ambiente kann man gar nicht anders, als gut drauf zu sein. Gerade richtig, um die hervorragenden Weine von Kurz-Wagner zu verkosten. Es empfiehlt sich, zuvor die angebotene Ferienwohnung zu buchen, um dem Weingenuss neben dem open end auch den passenden Rahmen der unvergesslichen Gastfreundschaft von Familie Kurz-Wagner zu geben. Dass das Weingut Kurz-Wagner so ein lebensfrohes ist, liegt natürlich auch an der Familie und der offensichtlichen Freude, Liebe und Leidenschaft, mit der Oliver und Anja Weine machen und das Weingut betreiben.
Familie Kurz-Wagner bewirtschaftet rund 15 Hektar Rebfläche, hauptsächlich im Talheimer Schlossberg mit seinem vielfältigen terroir aus Muschelkalk, Keuper, Löß und Sandstein. Rund 4 Hektar Reben stehen im Heilbronner Stiftsberg mit seinen Lößböden. Alle Trauben, die im Weingut verarbeitet werden, stammen aus eigenen Weinbergen. Es werden nicht nur die traditionellen Württemberger Rebsorten angebaut, sondern auch einige Neuzüchtungen, mit denen Oliver Kurz sich in den Cuvées austobt.
Weißweinsorten sind überwiegend Riesling (23 %) gefolgt vom Grauburgunder (3 %), Weißburgunder (3 %), der Scheurebe (2 %) und dem Kerner (2 %). Dazu kommt etwas Chardonnay und Gewürztraminer. Die roten Sorten werden angeführt vom Schwarzriesling (23 %), dann kommt Samtrot (11 %), Spätburgunder (10 %), Trollinger (7 %), Dornfelder (3 %), und Lemberger (6 %) nebst etwas Merlot. Von den Neuzüchtungen stehen in den Weinbergen Acolon (1,31 %), Cabernet Mitos (1,17 %) und Cabernet Dorsa (0,76 %).
Wie viele junge Winzer seiner Generation hat Oliver Kurz verinnerlicht, dass qualitativ hochwertige Weine im Weinberg entstehen und die richtig großen Weine nur mit Geduld, Ausdauer und mit Freude am Experimentieren entstehen. Im Weinberg wird von Familie Kurz-Wagner alles praktiziert, was nach heutigen Erkenntnissen einen naturverbundenen und auf Qualität ausgerichteten Weinbau ausmacht, ganz überwiegend übrigens in Handarbeit. In der Saftruhe im Winter werden die Reben zu 80-90 % gekürzt, im Frühjahr noch einmal die überschüssigen Triebe entfernt. Im Frühsommer werden im Grünschnitt die Geiztriebe weggeschnitten. Im Hochsommer wird eventuell noch die sogenannte Grünernte vorgenommen, insbesondere bei den weißen Burgunderreben. Dabei wird ein Teil der grünen Trauben abgeschnitten, damit die restlichen Trauben auf einen höheren Nährstoffanteil zurückgreifen können und die physiologische Reife günstig beeinflusst wird. Außerdem wird Laubwerk entfernt, damit die Sonne die Trauben besser erreicht und Aromen und Mostgewicht steigert. Geerntet wird im Weingut Kurz-Wagner ausschließlich per Hand, damit die überaus wichtige Selektion den Grundstein für einen guten Wein legt.
Von den Aktivitäten der Familie Kurz-Wagner rund um den Weinbau herum sind die Weinfeste legendär in der Region. Vor allem das kultige Weinfestival, das am letzten August-Wochenende von Freitag bis Montag stattfindet. Der Gutswein fließt in Strömen, der Sekt perlt im Sektzelt. Dazu gibt es regionale Spezialitäten und heiße Livemusik mit wechselnden Bands. Der Festival-Sonntag ist Familientag, an dem die Eltern ihre Kinder betreuen lassen können, so dass sie sich unbeobachtet dem Wein hingeben können. Ideal ist für das Festival die ausgebaute historische Scheune („Weinstadl“), in der bis 100 Personen in Stimmung kommen können. Ab Mitte Mai ist jeden Donnerstag bei passablem Wetter von 19 Uhr bis 23 Uhr die gemütliche Weinterrasse geöffnet für den lauschig-romantischen Verkostungsabend mit einzigartigem Ausblick.
Die Ferienwohnung auf dem Weingut ist im Landhausstil eingerichtet und bietet 4 Personen Platz. Vom Balkon aus kann man den berühmten Blick ins Ländle ganz individuell genießen, in der Hand natürlich ein Glas Wein von Kurz-Wagner. Außerdem bietet das Weingut Wohnmobilstellplätze mit Strom- und Wasseranschluss.
Wir konnten drei Weißweine und drei Rotweine aus dem Weingut Kurz-Wagner verkosten.
Weißburgunder trocken Talheimer Schloßberg 2014
Oliver Kurz ist den Burgunderreben besonders zugetan und so hat er mit dem Weißburgunder trocken Talheimer Schloßberg 2014 einen Wein gezaubert, der zu jeder Stunde des Tages passt. Er ist unkompliziert, wie man so seltsam sagt, schmiegt sich frisch und lebendig an den Gaumen und geht doch als eleganter Wein durch.
Im Glas entwickelt sich aus dem starken Extrakt ein Duft von gelben und roten Pflaumen, Birnen, Zitrusrichtungen und Pflanzen. Er kommt deutlich nussig in die Nase, was auf die Lese von vollreifen Trauben schließen lässt. Die Nussigkeit bleibt im Geschmack erhalten und gesellt sich zu feinen Fruchtnoten von Zitrusfrüchten, Äpfeln und Ananas, durchsaftet von nicht so süßen französischen Aprikosen, ja sogar Bananen wurden in unserer Verkostungsrunde entdeckt. Der Wein ist ohne Holz ausgebaut und wurde teilweise dem biologischen Säureabbau unterzogen. Die leichte Mineralität und verhaltene Säure stehen der Frucht außerordentlich gut und verstärken die Nachhaltigkeit des Weins, den man auch im Abgang noch lange süffeln kann. Ein lebendiger Tropfen für alle Fälle, ein tadelloser Begleiter für die Partylaune, der zudem mit 5,50 € einen günstigen Einstieg in den Abend erlaubt. Wenn Sie Ihn einem Essen beifügen möchten, so macht er sich hervorragend mit einem klassisch italienischen Pennegericht mit Rucola. Der Jahrgang 2013 wurde mit der Goldenen Preismünze 2014 bei der Landesweinprämierung ausgezeichnet.
Grauburgunder trocken Talheimer Schloßberg 2014
Im Glas erscheint der Grauburgunder trocken Talheimer Schloßberg 2014 hellgelblich mit einem grünlichen Schimmer. Er verschleudert großzügig seine fruchtigen Obstaromen. Zitrus ist dabei, eine gelbe kanarische Melone, Gellerts Butterbirne und Nüsse. Wir schmecken einen Wein, der einen präzisen Fruchtstil hat, der etwas Erdigkeit mitbringt und erstaunlich mineralisch rüberkommt. Die burgundermäßige Nussigkeit ist auch da, wir erinnern Haselnuss, aber auch Kokosnuss. Der Wein lässt immer wieder Zitrusnoten und junge Aprikosen durch, aber auch die großen gelben Pflaumen, wie wir sie früher schon gemopst haben, bevor sie reif waren. Die Reben dürften eher früh gelesen worden sein, denn der Wein hat trotz teilweisen biologischen Säureabbaus noch ein angenehmes Säurespiel, wie es bei Grauburgunder nicht selbstverständlich ist. Es gibt der Fruchtigkeit auch ohne Holz einen weiten, eindrucksvollen Rahmen und fördert einen stabilen Abgang, der mit etwas Flora angereichert ist. Im Zusammenspiel von Frucht, Mineralität und Säure ergibt sich ein dichter, lebendiger, auch würziger Sommerwein. Wenn Sie einen Begleiter für ein echtes Wiener (Kalbs)-Schnitzel suchen, dann greifen Sie zu. Er wäre aber auch nicht beleidigt, wenn Sie ihn im Käsegang zu einem reifen Camembert oder einem abgelagerten burgundischen Chaource anbieten.
Gewürztraminer Spätlese 2013
Kaum ist der Gewürztraminer Spätlese 2013 goldgelb im Glas, schon explodieren die Aromen: Ein Strauß Rosen und Veilchen, dazu ein Korb heimischer und exotischer Früchte mit Aprikosen, Maracujas, malaysischen Rambutan-Früchten bis hin zu süßsaftigen Mandarinennuancen. Wir erahnen auch Marzipan und Bittermandeln und irgendwie denkt man an den Orient. Das Aromengemälde setzt sich im Mund fort, jeder will ihn dort behalten, niemand will der Erste sein, der diesen Wein aus dem Mund entlässt. Seine Restsüße von 21g/l ist deutlich, aber keineswegs aufdringlich, zumal glücklicherweise Botrytisakzente fehlen. Er ist konzentriert rein-fruchtig, intensiv, wuchtig, aber auf keinen Fall marmeladig oder übersatt. Mit nachhaltiger aromatischer Intensität tritt er ab, getragen von einer aromatischen Würze und einer üppigen Fruchtigkeit, zumal er sortentypisch nur eine milde Säure hat. Er macht sich gut als einschmeichelnder Aperitif oder als traumhafte Ergänzung zu Polaks „Mändelchen“-Pudding, den Sie sich dazu unbedingt beschaffen sollten. Demgegenüber erscheint die standartmäßige Begleitung von Blauschimmelkäse sicher, aber langweilig. Dann schon eher thailändisch zu einem scharfen Hähnchenbrustfilet in Zitronensoße.
Dass für den Gewürztraminer Spätlese 7 € aufgerufen werden, ist ein Beleg für das Bemühen um angemessene Preise. Man muss ausdrücklich anerkennen, dass Familie Kurz-Wagner zu den glücklicherweise noch zahlreichen Qualitäts-Winzern gehört, die sich hysterischen Preiskapriolen verschließen und nicht an obszönen Preisblasen mitwirken, sondern den genießenden, qualitätsbewussten Weinfreund und dessen finanzielle Leistungsfähigkeit im Blick haben, ohne ihrerseits eine vernünftige Gewinnkalkulation zu vernachlässigen.
Baron Rotweincuvée 2012 Baron
1971 wurden die Acolon- und die Cabernet Dorsa-Trauben in der Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg gezüchtet. Erst 2002 bekamen der Acolon und 2003 der Cabernet Dorsa vom Bundessortenamt eine Zulassung und den Sortenschutz als Neuzüchtung. Acolon ist eine Kreuzung aus den Rebsorten Lemberger und Dornfelder, Cabernet Dorsa aus Dornfelder und Cabernet Sauvignon.
Die Acolon-Rebe beansprucht eine sehr gute Lage und wird bei Kurz-Wagner mit den Kalkverwitterungs- und Lößböden des Thalheimer Schlossbergs bestens bedient. Im Weinberg färben sich die Trauben noch vor dem Dornfelder. Die Reben erhalten eine dichte Farbintensität und können ordentlich Fruchtzucker sprich Mostgewicht aufbauen. Der Cabernet Dorsa bringt ebenfalls die Farbintensität vom Dornfelder mit, erzielt aber noch höhere Mostgewichte. Wie alle Cabernet-Sorten läuft er erst im Holz zu Höchstleistungen auf und kann Cuvées einen internationalen Charakter verleihen.
Cabernet Mitos kommt ebenfalls aus Weinsberg; hier wurden Lemberger und Cabernet Sauvignon gekreuzt. Nur wer über beste Lagen verfügt, hat mit dieser Sorte die Chance, die erforderliche Spätreife zu erreichen. Auch diese Sorte liefert tiefroten Most, zumal auch das Fruchtfleisch der Reben rot ist. Cabernet Dorsa und Mitos wachsen bei Familie Kurz-Wagner auf dem Heibronner Stiftsberg mit seinen Gipskeuperböden. Vater Otto Kurz hatte vorausschauend und experimentierfreudig Cabernet Mitos schon 1989, Cabernet Dorsa 1995 und Acolon 1999 angebaut.
Die Bezeichnung Baron für die Cuvée ist keine bloße Feierabendschöpfung von Oliver Kurz, sondern knüpft ebenso wie das familiäre „Weinschlösschen“ an den Freiherrn von Gemmingen an, der im 18. Jahrhundert auf dem Haigern Berg ein Schloss zu errichten begann, vor der Fertigstellung aber verstarb. Wir sehen erwartungsgemäß einen tief dunkelroten Wein im Glas. In der Nase turnen die schönen Kirscharomen des Acolon herum, aber auch Brombeeren, Heidelbeeren, Wacholder, Waldkräuter und das große Holz. Am Gaumen wirkt er überraschend samtig und wunderschön harmonisch trotz seiner markanten Tanninstruktur. Die herb-dunklen Früchte sind allesamt präsent, dazu einige Rauchnoten wie von Tabak und dazu noch Kakao. Frucht, Röstaromen und Gerbstoffe sind tiefgründig gebündelt und sammeln sich zu einem unendlichen Abgang. Die Kraft des Baron wird das Weinerlebnis auch noch in vier bis fünf Jahren zum Vergnügen machen. Genießen Sie ihn jetzt als vollen, saftigen Powerwein zu einem mediumrare T-Bone-Steak. Der Baron Jahrgang 2011 wurde im letzten Jahr bei der Landesweinprämierung mit Gold ausgezeichnet.
Cuvée Othello "P" 2012
Der Othello ist aus 60% Merlot und 40% Cabernet Mitos – den wir ja schon beim Baron kennengelernt haben – assembliert. Die Reben sind spät und vollreif gelesen, natürlich manuell selektiert. Diesen Wein baut Oliver Kurz mit Bedacht und Sorgfalt aus. Er wird rund zwei Wochen lang auf der Maische vergoren und bekommt dann eine gezielt gesteuerte Holznote: So liegt der Wein 18 Monate im Barrique, wobei 1/3 in neue Fässer kommt und 2/3 als Zweit- und Drittbelegung. Das hat dem tiefroten, leicht bläulich schimmernden Wein dann tatsächlich sehr feine und leicht vanillige Röstaromen eingebracht, die sich keineswegs in den Vordergrund drängeln. In der ersten Reihe spielt vielmehr die Fruchtmusik aus reifer Hedelfinger Knorpelkirsche, Schwarzen Johannisbeeren, reifen Bühler Pflaumen, dazu eine Prise dunkle Schokolade. Die Pflaumen, die auf das Konto des Merlot gehen, und die Schokolade prägen auch das Aroma, abgerundet von dunklen Beeren und einer schon jetzt deutlich wahrnehmbaren schönen Kräuterkomponente. Die robuste Tanninstruktur des Cabernet Mitos ist durch den Merlot angenehm abgebremst, stützt aber noch locker einen ordentlichen Abgang. Mit 2,5g/l Restzucker ist es ein durch und durch trockener Wein, der als eine geschmeidige, ja fast süffige und konzentrierte Kreation gefällt. Zu Recht wurde der Jahrgang 2011 in der Landesweinprämierung 2014 mit der Goldenen Preismünze bedacht. Auch wenn gleich über den mainstream genörgelt wird, so empfiehlt es für diesen Wein allen kulinarischen Experimenten voraus eine perfekte Kombination: Lammlachse in Senfkruste.
Noch ein meisterlich gemachter Rotwein, diesmal reinsortig ausgebaut aus 49 Jahre alten Reben. Auch er ist mit einem hoffnungsvollen „P“ liebevoll Paulchen gewidmet. Die Reben stehen auf dem vielschichtigen terroir des Schlossbergs, wo sie sich am Muschelkalk richtig erfreuen und den Lößlehm, Keuper und Mergel auch noch geduldig ertragen. Da die Anbaubedingungen auf dem Schlossberg recht ordentlich sind, sind die Reben zu allerlei Geschenken im Keller bereit. Nach drei Tagen Kaltmazeration und neun Tagen Maischegärung hat ihnen Oliver Kurz 20 Monate im kostbaren Barrique spendiert, ohne dass daraus ein Holzmonster geworden ist. Vielmehr bedanken sich die Reben als Wein mit reifer, schmelziger Fruchtigkeit und einer pfeffrigen Robustheit ohne Schärfe. Wir erfreuen uns an einem duftigen Beerenkorb mit viel Schwarzen Johannisbeeren, dazu etwas getoastetes Holz, etwas getrocknete Kräuter. Am Gaumen schmilzt die Frucht in einem Schokoladenmantel dahin, pikant getoppt von Mandel-, Zimt- und Erdbeererinnerungen. Der leicht süßliche Einschlag lässt vermuten, dass für die Barriques Eiche aus dem Limousin verwendet worden ist. Insgesamt notieren wird eine durchaus auffällige Geschmacksvielfalt, die den Wein so richtig interessant macht. Da er sich mit Gerbstoffen und Säure zurückhält, beschwingt seine nicht hitzige, aber wärmende Vollmundigkeit aus 14,7 Volumenprozent Alkohol. Trinken Sie diesen Kraftprotz nicht unter 18 Grad Temperatur und stellen Sie ihn ganz bescheiden zu einer Ochsenschwanzsuppe hin oder ganz normal zu einer gebratenen Ente mit einer Backpflaumen-Beifuß-Apfel-Schwarzbrot-Füllung. Mit vollendeter Eleganz begleitet er auch großartig ein Bœff Bourgignon.
Im Hörerlebnis stellt Winzer Oliver Kurz das Familienweingut vor, berichtet über seine Weinberg- und Kellerarbeit und über die Lagen, aus denen seine Weine kommen.
Fotos: © Weingut Kurz-Wagner
HÖRERLEBNIS mit Oliver Kurz