An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Christoph Bauer im Retzer Land in Niederösterreich: Mit Fröhlichkeit und neuen Ideen zur Spitzenqualität
18. November 2016
Das Weinviertel in Niederösterreich ist das nördlichste Weinanbaugebiet Österreichs. Im Nordwesten des Gebiets nahe der Grenze zu Tschechien, rund eine Autostunde von Wien entfernt, liegt die kleinste Weinregion des Weinviertels, das Retzer Land. Sie ist eine von 71 Kleinregionen in Niederösterreich.
Das Retzer Land ist bekannt für die sanft-hügeligen Weinberge und das milde und trockene Klima, in dem sich nicht nur die Weinreben, sondern auch Kürbisfelder wohl fühlen. Berühmt sind die weiß getünchten Kellergassen mit ihren Presshäusern und Weinkellern, von denen die schönsten in Zellerndorf, Platt oder Pillersdorf zu finden sind. Aber auch im Haugsdorfer „Köllatrift“ reihen sich Dutzende weiß gekalkte, von Weinreben umrankte unterkellerte Häuser aneinander. Sie alle stehen heute unter Denkmalschutz und können oft mit einem Kellergassenführer besichtigt werden. Angelegt wurden die Kellergassen, die auch „Dörfer ohne Rauchfang“ genannt werden, im 18. Jahrhundert, nachdem Kaiserin Maria Theresia den Weinbau freigegeben hatte. In der Literatur hat der Autor Alfred Komarek der Kultur der Kellergassen im Weinviertel in seinen Kriminalromanen mit Gendarmerie-Inspektor Simon Polt ein literarisches Denkmal gesetzt.
Südwestlich von Retz in der Gemeinde Haugsdorf liegt der kleine, idyllische Weinort Jetzelsdorf. Zwar ist das Weinviertel als Weißweingebiet bekannt, aber in der warmen Kessellage des Flüsschen Pulkau reifen neben den gebietstypischen weißen Sorten traditionell auch rote Reben und machen die Gegend zu einer berühmten Rotweininsel. Inmitten von Jetzelsdorf befindet sich das Weingut Christoph Bauer.
Gegründet wurde der Betrieb 1935 von dem Weinhändler Hans Bauer. Sein Sohn Hans Bauer jun. erweiterte das Weingut von 1970 bis 2000 in Richtung der heutigen Größe. Seit 2003 wirkte Christoph Bauer im elterlichen Weinkeller mit und übernahm das Weingut 2008 in dritter Familiengeneration gemeinsam mit seiner Frau Heidi. Damals bekamen alle Weine auch ein neues Etikett. Das Weingut ist inzwischen ein echtes Groß-Familien-Weingut, denn Vater Hans und Mutter Christine helfen hauptsächlich draußen in den Weingärten und Schwester Brigitte bei der Buchhaltung mit. Auch Christoph und Heidis Kinder Simon und Adele üben sich schon fleißig im Winzerdasein. Bei Veranstaltungen und Festen vergrößert sich der Kreis der Familienhelfer oftmals noch um die Brüder Stephan und Hannes samt ihrer Familien. Dass Christoph Bauer während seiner Ausbildungs- und Praxisjahre viel herumgekommen ist, bemerkt man an seiner Pflege auch internationaler Rebsorten. Nach Abschluss der Weinbauschule in Klosterneuburg 1992 war er in Südtirol in der Kellerei Kurtatsch, in Südafrika bei Saxenburg Stellenbosch und in Australien bei BRL Hardy und dann einige Zeit im Weinhandel tätig.
Dort, wo die Rieden zur Laaer Formation gehören, sind die Böden leicht quarzsandig und haben Tonschichten, ansonsten besteht das Ausgangssubstrat aus schluffig-tonigen Ablagerungen und einer dünnen Meeressandlage, dem sogenannten Schlier. In etlichen Parzellen gibt es auch Lössböden. In den besten Lagen des Weinguts sind die Böden noch mit Kalk angereichert. Das malerische Tal der Pulkau ist windgeschützt und hat ein ideales Mikroklima: Die Sommer sind heiß und trocken, die kühlen Nächte des Spätsommers und des Herbstes begeistern die Reben und bringen zuverlässig Frucht und Würze in die Trauben.
Angebaut werden zu rund 60 % weiße und 40 % rote Rebsorten. Bei den weißen sind es Grüner Veltliner, Rivaner, Welschriesling, Neuburger, Grauburgunder und Sauvignon Blanc, bei den roten Blauer Portugieser, Zweigelt, Pinot Noir, Cabernet Sauvignon und Merlot.
Christoph Bauer ist ein Winzer, der ebenso wie seine Frau bescheiden und fröhlich seine Weine kredenzt, im Keller und im Weinberg aber immer agil herumturnt. Er hat stets neue Ideen und ist bereit für Experimente. So ist er häufig schon durch seine einfallsreichen Schöpfungen aufgefallen: 1993 füllte er den ersten reinsortigen, im Barrique ausgebauten Zweigelt in der Gemeinde ab. 1994 war er einer der ersten Betriebe mit dem Jungwein Rivaner. 1997 kreierte er mit „Vintage“ einen der ersten österreichischen Portweine. 2004 führte er als erster im Pulkautal im Weinberg den Minimalschnitt ein. Das ist eine aus Australien mitgebrachte Reberziehung des minimal pruning, die auf nahezu jeden Schnitt der Rebstöcke verzichtet und bei der sich die Rebstöcke nach anfänglicher Überproduktion selbst in der Menge beschränken. 2006 schuf Christoph Bauer die Privatlinie mit Grünem Veltliner und Zweigelt aus dem neuen Barrique. Seit 2015 stellt Christoph Bauer auf organisch-biologischen Anbau und Ausbau um, für die es voraussichtlich im nächsten Jahr die Zertifizierung gibt. Dann werden alle Flaschen-Etiketten das EU-Bio-Logo erhalten.
Dass Christoph Bauer hochwertige, charaktervolle und regionaltypische Weine macht, ist schon mit zahlreichen Sternchen (2 bei Falstaff), Kronen (3 bei Vinaria), Punkten und anderen Auszeichnungen bestätigt worden. Insofern müsste es in seinem Keller vor Kellerkatzen nur so wimmmeln: Früher hatten die Winzer – in Österreich Weinhauer – das Fass, in dem sie ihren besten Wein aufbewahrten, mit einer hölzernen Katzenfigur gekennzeichnet.
Wer bei den Bauers zu Gast ist, staunt über das gelungene architektonische Ensemble des Weinguts: Das Stammhaus war früher eine alte Mühle, die trotz der umfassenden Renovierung noch die alten Lehmmauern und Kastenfenster vorzuweisen hat. Vor allem aber schließt sich als passender Kontrapunkt ein Anbau aus Glas an, von dem man einen ungehinderten Blick auf den romantischen Innenhof mit den alten Obstbäumen und den Sommerblumen hat. Zentrales Element in dem Glasanbau ist ein imposantes Raum-Regal, geplant von Andi Breuss. Ein Blick in den traditionellen Sandkeller mit der Kellerröhre gibt nicht nur die geologischen Gesteinsschichten preis, sondern vermittelt auch eine Ahnung von der Geschichte des Weinbaus im Weinviertel.
Wir konnten fünf Weine und eine Frizzante vom Weingut Christoph Bauer verkosten.
Gemischter Schatz 2015
Im Glas funkelt der Wein mal hellgelblich, mal grünlich und entfaltet vielschichtige Aromen. Im Vordergrund stehen grüne und gelbe Äpfel, leichte Zitrusdüfte, etwas Litschi, Papaya und ein kleiner Blumenstrauß. Am Gaumen fällt die frische Fruchtigkeit auf, die das Bukett mit kleinen Noten von weißen Pfirsichen, überreifen roten Stachelbeeren und einer schönen Würze ergänzt. Die Säure ist knackig erfrischend und spielt mit der feinen Fruchtsüße Ping-Pong, so dass wir ein saftiges und fülliges Finish erleben. Saftigkeit und Frische geben dem Wein eine interessante Eleganz. Das ist der klassische Begleiter einer Bachforelle oder einer Brettljause, bei der er besonders gut den Geschmack des Schweinsbratens unterstützt.
Grauer Burgunder 2015
Im Glas explodieren süßliche Fruchtnoten aus Mandarinen, Mirabellen, roter Grapefruit, Birnen, getrockneten Datteln, Ananas und etwas Akazie, dazu fein gehackte Kräuter. Wir erinnern uns auch an die kandierten Weintrauben, die es traditionell auf Jahrmärkten gab. Mit einiger Luftzufuhr gewinnt der Wein an mineralischer Tiefe und gibt auch nussige Töne frei. Am Gaumen breitet er sich füllig und mit einem betörend zarten Fruchtschmelz aus, der sich noch mehr in Richtung Honig entwickeln dürfte. Er deckt seine 14,5 % Alkohol erstaunlich gut zu, zumal ein aktiver Säuretouch der Rundung gut tut und dem Wein im Abgang einen zärtlichen Biss verschafft. Er ist ungemein geschmeidig, animierend und strahlt eine gradlinige Größe aus, ohne überextrahiert zu wirken. Natürlich hat dieser Wein noch drei oder vier Jahre Zeit, aber Sie bestimmt nicht, also machen Sie ihm und sich eine Freude und öffnen Sie eine Flasche zu einer mit Laugenknödel, Kalbsleber und Liebstöckl gefüllten Kalbsbrust.
Ein Weinviertel DAC ist immer ein Grüner Veltliner. Im Retzer Land ist er nicht nur sortentypisch wie überall, sondern zeigt auch das regionale terroir. Das beginnt bei Christoph Bauers DAC Veltliner mit herrlichen, intensiven Aromen von gelben und grünen Äpfeln, Mirabellen, Grapefruit, grünen Birnen und überreifen weißen Johannisbeeren. Um die Zunge herum verteilt sich eine fruchtig-spritzige Saftigkeit, die von der knackigen Säure und einer dezenten Mineralik umspielt werden. Erst im Finish bemerken wir die sortentypischen Noten von weißem Pfeffer und die vegetabile Würze, die sogar noch von einigen Zitrusnoten begleitet wird. Das ist der klassische Grüne Veltliner ohne Schnörckel und ohne Versteckspiel: Der adrette Wein von nebenan, der fast jede Speise eindrucksvoll eskortieren kann.
Grüner Veltliner Alter Schatz 2015
Wir erschnüffeln aus dem Glas dichte Fruchtnoten, exotisch wie Papaya und Mango plus einem hellen Gewürzsträußchen. Den Mund kleidet der Wein mit reifer Fruchtigkeit aus: Galia-Melonen, gelbe Birnen, Grapefruit, etwas Karamell und eine Spur blonder Tabak nebst Cayenne. Im langen Abgang erfrischen wir uns an einem würdigen Schmelz und vornehmer mineralischer Würze. Eine lebendige Säure verleiht ihm eine aufrechte, wunderschön ausbalancierte Struktur mit weicher Dichte und schmelziger Präsenz. Ein Wein, der das Retzer Land authentisch abbildet. Er hat einen kraftvollen Trinkfluss und eine raffinierte, hochkarätige Leichtfüßigkeit. Es ist ein Schatz, an dem Großvater Hans seine Freude gehabt hätte. Genießen Sie ihn als Solisten an jedem schönen Abend und schmecken Sie das Retzer Land im Glas. Die kräftigen und asiatischen Gerichte überlassen Sie mal ruhig den anderen und beleidigen Sie damit nicht den Schatz von Familie Bauer.
Rosinante 2015 Perlwein
Im Glas perlt ein einladendes Lachsrosa, das herrlich leuchtend strahlt. Das Bukett prahlt mit weißen und roten Johannisbeeren, Walderdbeeren, rotbäckigen Mangos, etwas Cassis und einigen Rosen. Am Gaumen tummeln sich eine feinsaftige Frucht, eine animierende Säure und dezent stützende Gerbstoffe. Ein fröhlicher, trinkfreudiger, griffiger Frizzante, der jeden Sommerabend, den er einleitet, unvergesslich machen wird.
Zweigelt 2015
Im schwarzdunkel ausgeleuchteten Glas entwickelt der Zweigelt 2015 Aromen, die in der Nase nur so herumtoben. Es duftet nach Brombeeren, Sauerkirschen, schwarzen Johannisbeeren und dunklen Gewürzen. Im Mund kommen zur prägnanten Aromatik noch echte Waldheidelbeeren, Hagebutten, Kirschen in Cognac, ein kleines Stück grüner Paprika und eine winzige karamellige und muskatmäßige Note hinzu. Es ist ein erstaunlich stoffiger, manchmal pikanter und leicht tanninhaltiger Wein, über dessen Reifepotenzial man gerne lamentieren kann. Hier und heute ist er präsent, süffig, primärfruchtig und bietet die Gelegenheit, einem ordentlichen Abgang nachzuschmatzen. Servieren Sie diesen Zweigelt zu jenen heimseligen, geschmorten Fleischrouladen, die es gab, wenn man früher am Sonntag bei Oma zum Mittag war – also gigantische Fleischseiten aus der Oberschale der Keule, in die Gewürzgurke und Speck mit reichlich Senf eingerollt sind.
Christoph Bauer stellt im Hörerlebnis das Weingut Christoph Bauer und seine Weine vor.
Fotos: © Weingut Christoph Bauer
Flaschenfotos: © D.R.
HÖRERLEBNIS mit Christoph Bauer