An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Die Maibachfarm an der Ahr: Bioland-Weingut und Landwirtschaft
7. November 2016
Früher tobten hier die Hühner, muhten die Kühe und nebenan im Gasthaus „Zum Rotfuchs“ saßen die Bauern des Tals am Abend zum quasele zusammen. 1999 verschwand das Hühnerfarmgebilde und ein ganz besonderer Bauernhof mit einem biologisch bewirtschafteten Musterweingut zog in die idyllische Lage ein: die Maibachfarm. Sie liegt in dem von tiefem Wald umgebenen Wingsbachtal, einem Seitental des Ahrtals, das im oberen Abschnitt Maibachtal heißt. Es hat seinen Namen von dem Bach, der das sumpfige Tal bis zur Schneeschmelze im Mai feucht hielt. Die Maibachfarm befindet sich zwei Kilometer südlich von Ahrweiler oberhalb des Ursulinen-Klosters Calvarienberg. Es ist ein Betrieb im Stil der historisch gewachsenen Mischbetriebe der Urproduktion, die zugleich Landwirtschaft und Weinbau betrieben. Neben den Rebstöcken als wirtschaftliche Grundlage des Betriebs gibt es Ackerbau, Streuobstwiesen, Obst- und Gemüseproduktion, Käserei und Brennerei sowie Schafe und Esel.
Wie überall in den deutschen Anbaugebieten haben sich die Winzer im Ahrtal weitgehend von der Massenproduktion verabschiedet und setzen auf sortentypische und herkunftsgeprägte Weine von hoher Qualität. Dementsprechend haben sich über die letzten 20 Jahre die Spätburgunder von der Ahr zu den besten Rotweinen Deutschlands entwickelt.
Die Maibachfarm ist eines der wenigen zertifizierten Betriebe im Ahrtal, die biologisch-ökologischen Weinbau betreiben. Es nennt sich selbst biologisches Weingut und ist Mitglied im Verband der Bioland-Winzer, die sich strenge Bewirtschaftungs-Richtlinien gegeben haben. Hier redet man nicht nur von Bio-Wein, hier macht man welchen. Obwohl die Bezeichnung Bio-Wein nicht ganz korrekt ist: Wegen einer komplizierten Gemengelage im EU-Recht muss es noch immer heißen: Wein aus Trauben aus ökologischem Anbau.
In dem 2002 komplett erneuerten Kellerkomplex mit einem Lagervolumen von mehr als 100.000 Litern wird mit modernster Technik, wie Maischetaucher und Überfluter, Maischetanks mit separater Kernaustragung, Holzgärständern und computergestützter thermischer Gärsteuerung gearbeitet. Die großen Lagenweine werden alle im Barrique ausgebaut und zwar mit Vorliebe in Erstbelegung. Die Abfüllung erfolgt möglichst unfiltriert. In dem 2006 fertiggestellten Barrique-Keller wird der Weingenuss zwischen Bruchsteinmauern und Eichenfässern an einer langen Eichenholztafel stimmungsvoll in Szene gesetzt, während im Hintergrund Wasser über grob geschichtete Schieferplatten in ein klares Becken plätschert.
Das Weingut füllt in guten Jahren 45.000 Flaschen ab, es können, wie beim Jahrgang 2012, aber auch nur 25.000 Liter sein – Wetter und Bio-Anbau haben manchmal ihren Preis. Die Weine kommen aus einer bewirtschafteten Rebfläche von 9,5 Hektar, die auf mehr als 100 Parzellen in diversen Lagen zwischen Ehlingen und Rech verteilt sind. Die Lagenliste liest sich wie einmal quer durch das Ahrtal: Burggarten und Kapellenberg in Heimersheim, Schieferley in Neuenahr, Silberberg, Rosenthal, Forstberg und Daubhaus in Ahrweiler, Rosenberg in Marienthal, Steinkaul, Karlskopf und Sonnenschein in Bachem, Alte Lay, Pfaffenberg und Domlay in Walporzheim, Schieferlay, Pfarrwingert, Hardtberg und Burggarten in Dernau und Herrenberg in Rech. Fast zwei Drittel der Parzellen liegen in Steillagen, die schwierig zu bewirtschaften sind. In den Weinbergen wachsen Spätburgunder, Frühburgunder, Portugieser, Regent und Dornfelder und die Weißweinsorten Müller-Thurgau, Riesling und Weißburgunder.
Obwohl wir uns nördlich des 51. Breitengrades befinden, wo bis zur Erderwärmung vom Anbau roter Rebsorten glattweg abgeraten wurde, begünstigen Böden und Mikroklima im Ahrtal nicht nur den Anbau roter Rebsorten, sondern in gewisser Weise auch die biodynamische Bewirtschaftung der Rebflächen. Denn wenn den Rebstöcken über 1.350 Sonnenscheinstunden, eine Jahresmitteltemperatur von 9,8°C und etwa 650 mm Jahresniederschlag gefallen, lassen sie ohne Wasserstau und ohne Feuchtigkeitsnester trockene, gut durchlüftete Reben wachsen. So sind die Trauben seltener von Pilzen befallen und benötigen weniger Pflanzenschutzmittel. Was das Mikroklima im Übrigen angeht, so speichert das oberirdische Schiefer- und Basaltgestein am Tage die Wärme und serviert sie des Nachts den Rebstöcken. Die enge Tallage mit zum Teil steilsten Hängen und Terrassen trägt weiter dazu bei, ein ordentliches Wärmepolster aufzubauen. Obendrein schützen Ahrgebirge und Eifel vor den kalten Westwinden, während vom Osten die warme Luft aus dem Rheintal willkommen ist.
Wir konnten acht Weine von der Maibachfarm verkosten.
Die weiße Cuvée ist aus Trauben der Rebsorten Riesling, Grauburgunder und Müller-Thurgau komponiert. Er plätschert aus der grün-transparenten Flasche mit einem Frische-Blick ins Glas, wo er sich in einem leuchtenden Gelb mit grünlichem Zwinkern sofort zu entfalten beginnt. Er verströmt diese gewisse Frische-Kühle mit kleinen Noten von Minze und Eisbonbons. Darüber hinaus offeriert er aber auch die Riesling-typischen Bukett-Eindrücke von Pfirsichen und Zitrusfrüchten. Geschmacklich steht trotz des trockenen Charakters und 12,5 % Alkohol seine gefällige Fruchtigkeit im Vordergrund – grüne Äpfel, Litschis und weiße Pfirsiche. Von einer kräftigen Säure und einer diskreten Mineralität gestützt, stürzt er sich mit saftigem Schwung und einem überraschend filigranen Körper in einen ordentlichen Abgang. Das ist der trockene Allrounder für hier und jetzt und für ein selbst gekochtes Hühnerfrikassee – aber vergessen Sie nicht die kleinen Champignons, die kurzen Spargelstückchen, die Fleischbällchen und die Kapern.
Rotwein Cuvées können ja bekanntlich nicht nur wohlschmeckend, sondern auch richtig wertvoll sein, schließlich sind die teuersten Weine der Welt ganz überwiegend Cuvées, beispielsweise Bordeaux oder Champagner. Die rote Begrüßungscuvée von der Maibachfarm hat jedenfalls ihren geschmacklichen Wert. Sie will gar nicht erst leicht und einstiegsam sein, sondern gestützt auf die ausgewiesenen 13 % Alkohol gleich in der Kraftklasse mitspielen. Es ist eine Cuvée aus Dornfelder, Regent, Portugieser und Spätburgunder. Der Wein fließt voluminös, dunkel und dicht ins Glas. Er duftet und schmeckt nach Erdbeeren, roten Pflaumen, Brombeeren, roten Johannisbeeren und etwas Kirsche. Dazu kommt er leicht vegetabil und ein klein bisschen pikant-pfeffrig herüber, aber wiederum auch voller süßlicher Würze und einer Spur Edelbitter-Schokolade. Bei diesem Zusammentreffen wird man irgendwie die Assoziation mit Mon Chérie nicht los. Der Wein füllt den Mund mit weicher Säure und kräftigen Tanninen energisch aus. Im saftigen und aromatischen Abgang kommt sogar eine kleine, holzgefärbte Eleganz hervor. Servieren Sie die Cuvée Rouge trocken 2014 den verwöhnten Rotweintrinkern auf einem Empfang oder stellen Sie ihn zu einem gut gewürzten Wildschweinragout hin.
Frühburgunder trocken 2014
Im Glas entwickelt der Gutswein Frühburgunder trocken 2014 schöne und intensive Aromen von Brombeeren, Walderdbeeren, blauen Pflaumen und schwarzen Kirschen. Dazu gibt es schon mal einen Hauch dunkler Schokolade und ein winziges, duftiges Rauchsignal. Am Gaumen treffen Schwarze Johannisbeeren, Brombeeren, Heidelbeeren und Erdbeeren auf Kräuter vom herben Typ wie Lorbeer, aber auch auf florale Töne. Eine süßliche, weiche Lakritzrichtung ist ebenso präsent wie ein wenig blonder Tabak. Die Säure tritt eher dezent auf, die Mineralik etwas deutlicher. Das Holz, das der Wein im Fuder- und Stückfass abbekommen hat, ist in die griffigen Tannine gewandert und stützt ein derzeit noch recht herbes Finish, das an frischen Waldboden erinnert. Der Wein macht einen fruchtig-süffigen Gesamteindruck mit einer dichten Textur aus blauem und rotem Samt und einem unwiderstehlichem Charme. Das ist schon jetzt ein interessanter Begleiter zu einem echt retro Schaschlik-Spieß. Wer der Mode gern etwas voraus sein will, der probiert den Wein zu einer großen Schüssel gut gewürzter Miesmuscheln.
Spätburgunder trocken 2014
Das ist der klassische Pinot Noir aus der Gutsweinlinie, der an der Ahr neuerdings überwiegend in der modernen, kraftstrotzenden Ausbau-Varietät vorkommt, hier mit 13,5 % Alkohol. Es ist eine Lagen-Cuvée, die über acht Monate im großen Holz reifte. In der Nase drängeln sich florale Zärtlichkeit und kräftige Frucht. Reife Brombeeren, reife Kirschen, reife rote Johannisbeeren, alles ist reif an der Aromatik, die kleine peaks von rotem Pfeffer und Mokka bereit hält. Er schmeckt sowohl süßlich als auch herb und verblüfft mit seiner vielschichtigen Komplexität. Wir nehmen Nuancen von grünen Pflanzen wahr, kleine Röstnoten und freuen uns über eine gut ausbalancierte Säure und die ziemlich gebändigten Tannine. Stellen Sie dem Wein eine gefüllte Kalbsbrust aus der Röhre hin oder einen geschmorten Ochsenschwanz.
Ahrweiler Spätburgunder trocken 2014
So, jetzt gibt es eine Art Ortswein aus den Parzellen nördlich und südlich von Ahrweiler in den steilen bis hängigen Lagen Rosenthal, Forstberg, Daubhaus und Silberberg. Hier bestimmen Lehm, Löß und Sand die Böden. Deshalb präsentiert sich der Ahrweiler Spätburgunder trocken 2014 als PS-starker Geländewagen, der einen versiert austarierten Vierradantrieb hat aus Aromatik, Säure, Tanninen und Alkohol. Er reifte zehn Monate lang in überwiegend neuen Eichenholzfässern, teilweise auch in Zweit- und Drittbelegung.
Das Bukett ist wie ein Gang über den Jahrmarkt mit all seinen süßlichen und exotisch-geheimnisvollen Gerüchen und Geschmäckern. Wir erinnern uns wohl, dass es auf den Jahrmärkten immer den kandierten Apfel gab, die gebrannten Mandeln, die Crêpes mit Zucker und Zimt oder Pflaumenmus, die Schokoladen und die würzigen Fleischspieße. Am Gaumen ist das Angebot etwas reduzierter. Hier treten sowohl eine feine Würze hervor als auch dunkle Kirschen, Mokka und Karamell. Die trockenen Tannine tragen ein langes, wild-würziges Finish, in dem auch Spuren von grünem Pfeffer und Expresso vorkommen. Dieser Wein ist ein nobler Begleiter eines edlen Rehrückens.
Die etwa 17 ha große Lage Herrenberg erstreckt sich auf dem gegenüber von Rech liegenden Ufer der Ahr mit Ausrichtung nach Süd-Südwest bis Südost. Die Böden auf den steilen und terrassierten Hängen bestehen vorwiegend aus lehmigem Gestein mit Grauwacke und Schieferverwitterungsgestein, in einigen Parzellen gibt es überwiegend Ton und Sandlöß. Der Herrenberg liegt in 130 bis 260 m Meereshöhe und erreicht Hangneigungen zwischen 25 bis 70 %. Die Lage ist vom VDP als Erste Lage klassifiziert, so dass andere Weingüter hier Große Gewächse abfüllen. Der Wein hat, wie alle Lagenweine der Maibachfarm, über ein Jahr lang in neuen Barriques gelegen.
Wir hängen unsere Nasen ins Glas und erleben subtil-blumige Aromen von Gewürzen wie Kerbel, von roten Beeren wie Johannisbeeren, von Himbeeren und nelkig-zimtigen Pflaumen, von etwas Lakritze und etwas Schokolade. Es sind auch einige Erdbeer-Aromen dabei, die das Holz beigesteuert haben dürfte. Beim ersten Schluck schon schmiegen sich rote Früchte an den Gaumen zusammen mit Wildkräutern, Mandel-Röstaromen und einer kleinen Prise Salz. Alles strömt einem nachhaltigen, kraftvollen Abgang entgegen. Der Wein hat eine leicht minzige, von viriler Säure gestützte Frische und eine aristokratische Eleganz. Es ist schon jetzt ein harmonischer Wein mit geschliffenen Tanninen und süßherber Frucht. Öffnen Sie die Flasche drei Stunden vor dem Genuss und erleben Sie diesen Wein als Solisten. Er umrahmt aber auch gerne eine Hirschkeule aus dem Ofen.
Terrassen Spätburgunder trocken Barrique 2014
Mit dem Spätburgunder kann man an der Ahr in manchen Jahren allerdings schon seine Not haben. Zwar bevorzugt die Rebsorte ein kühleres bis gemäßigt warmes Terrain, so wie es an der Ahr vorkommt. Bei zu niedrigen Temperaturen reifen die Trauben aber nicht aus; ist es zu warm, müssen sie gelesen werden, bevor sich ihre gesamte aromatische Vielfalt entfalten kann. Die Lagen, die Böden und das Mikroklima bieten den Reben um Walporzheim herum ein attraktives terroir, das sich im Terrassen Spätburgunder trocken Barrique 2014 authentisch abbildet. Er ist einer der modernen Spätburgunder – kräftiges Rot, gezügelte Säure, aber volle Kraft voraus.
Erst einmal möchten wir unsere Nasen gar nicht mehr als dem Glas nehmen, so intensiv ist das Bukett: Frisch gemahlene Gewürze, Brombeeren, Erdbeeren und Himbeeren aus dem Wald, reife Hedelfinger Knorpelkirschen, etwas Kaffee und Mokka, etwas smoky und ein Hauch von Vanille-Zimt-Duft. Wir lassen den kraftvollen Körper um die Zunge toben, die Barriques haben Sauerstoff und Röstaromen gut dosiert weitergegeben. Die Tannine sind recht gefügig gemacht, vertragen sich gut mit der Frucht und gleiten präsent, aber verträglich am Gaumen vorbei. Das ist ein großer, harmonischer, komplexer Wein mit extraktreichem Körper, dessen merklicher, aber nicht fetter Alkoholgehalt von 14 % eigentlich schon in der no-go-Area liegt. Erfreuen Sie sich und diesen Wein mit einer österlichen Lammkeule, aber bitte nicht mit Minzsoße. Sie können den Wein aber auch einmal im Käsegang zu einem ururalten Greyerzer verkosten.
Die Lage Silberberg liegt in Ahrweiler nördlich einer 2.000 Jahre alten Römervilla, in der Silbererz geschmolzen wurde. Möglicherweise stammt daher der Name der Lage. Sie umfasst 29 ha, von denen aktuell 14 ha bestockt sind. Es ist eine VDP-Erste Lage, die nach dieser Klassifikation zu Grand Cru-Weinen berechtigt. Die Weinberge sind nach Süden und Südosten ausgerichtet und steigen in Meereshöhe auf bis zu 180 m mit maximal 60 % steil an. Das Terrain besteht überwiegend aus Grauwacke, nur am Fuß gibt es sandigen Gehängelehm und vereinzelt Schieferverwitterungsboden nebst Löß.
Kellermeister Alexander Weber hat den Most in offener Maischegärung verarbeitet, bevor der Wein dann etwa 17 Monate lang in Barriques mit Erstbelegung reifte. Er duftet im Glas wie ein kleiner Obst- und Kräutergarten, aber mit feinen und noch nicht so reifen Früchten. Alle schwarzen und dunkelroten Beeren sind dabei, einige Kirschen der Sorte Morellenfeuer, etwas Tabak, ein Hauch Leder und Rauch. Wir schmatzen lange auf Poweraromen und einem strammen Body herum. Kirschen und Rosen, könnte man salopp sagen, auch wenn die Blumigkeit nicht unbedingt an einer einzigen Blumensorte festgemacht werden muss. Zu den Kirschen kommen noch rote Johannisbeeren, Cassis und Süßholz hinzu. Er hat ein integrierendes, aktives Säurespiel, das dem noch jungen Wein eine duftige Frische verpasst. Hinzu kommen eine süßlich-herbe Frucht und sandige, sanfte Tannine. Er ist extraktreich, dicht und komplex und lässt sein Holz nicht übermäßig heraushängen. Ein Wein, der schon jetzt mit einer würdigen Reife imponiert, die sich noch locker fünf bis acht Jahre entwickeln wird. Ganz großes Burgunderkino.
Erleben Sie die Maibachfarm und ihre Weine mit Kellermeister Alexander Weber im Hörerlebnis.
Fotos: © Maibachfarm
HÖRERLEBNIS mit Kellermeister Alexander Weber