An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Nick Köwerich – Süße Magie von der Mosel
25. Juli 2016
Leiwen ist ein kleiner, idyllischer Ort inmitten von Weinbergen an einer der schönsten Moselschleifen zwischen Bernkastel und Trier. Es liegt moselaufwärts hinter Trittenheim und vor Köwerich, Klüsserath und Schweich. Man kann die Aufzählung der klingenden Namen berühmter Weinorte noch lange fortsetzen. Schließlich sind wir an der Mosel, wo der Wein nicht nur die Landschaft, sondern seit Jahrhunderten auch die Menschen und deren Leben prägt. Leiwen soll von der Gattin des Kaisers Augustus gegründet worden sein, die Örtchen Leiwen und das benachbarte Köwerich sind mit dem Weinbau jedenfalls seit dem Jahr 704 dabei, als die Äbtissin Irmina dem Echternacher Klostergründer Willibrord ererbte Weinberge in der Steillage Köwericher Laurentiuslay schenkte. So klein Leiwen mit seinen rund 1.600 Einwohnern auch ist, mit 267 Hektar bestockter Rebfläche ist es eine der größten Weinbaugemeinden an der Mosel.
Seit Jahrhunderten ist die Familie Köwerich hier ansässig, belegt ist das seit 1548, ein Jahr, das sonst nur noch aufgrund der Zulassung der Priesterehe für Protestanten in Erinnerung ist. Im 18. Jahrhundert wurde Familie Köwerich dadurch auffällig, dass Maria Magdalena, eine geborene Keverich, der Welt den wohl berühmtesten Komponisten aller Zeiten schenkte - Ludwig van Beethoven.
Das Weingut bewirtschaftet insgesamt 10,5 Hektar Rebflächen unter anderem in den erstklassigen Einzellagen Laurentiuslay in Leiwen, Laurentiuslay in Köwerich und der Bruderschaft in Klüsserath. Nick Köwerich outet sich mit seinen Weinen und auf seinen Flaschen mit den Lagen Leiwer Laurentiuslay und in einem Untertitel mit der Klüsserather Bruderschaft, ansonsten hat er seinen Weinen beziehungsreiche, teils poetische Fantasienamen gegeben. Die Weinberge, in denen verbreitet über 30 Jahre alte Rebstöcke stehen, sind allesamt Steillagen mit mindestens 30% Hangneigung, manchmal bis zu 70%. Hier wird die Arbeit zum Abenteuer und der Winzer ist im wahrsten Sinne des Wortes Hand-Werker mit Arbeitsstunden, die sich betriebswirtschaftlich nicht mehr vernünftig rechnen. Den Rebstöcken gefallen die Steillagen, können sie sich doch ausgiebig sonnen und im Wechsel zwischen der Wärme am Tag und der Kühle der Nächte im Frühherbst die Aromen in den Beeren anfeuern. Die Böden in den Weinbergen von Nick Köwerich sind wie aus dem Mosel-Bilderbuch: Einige bestehen überwiegend aus karbonhaltigem Sedimentgestein aus Urmeeren, die meisten sind jedoch bedeckt mit Devon-Schiefer, eine geologische Besonderheit von Bullay bis zur Saar, auf die so manche Könner von der Unter- und Obermosel verzichten müssen.
Dennoch ist Nick Köwerich weder ein Relikt der Vergangenheit, noch zielt er auf Export-Süßlinge für Japan oder Kanada. Er hat vielmehr erkannt, dass die Rieslingfrucht und sein Terroir am besten durch fein austarierte, leichte Weine zum Ausdruck kommen, die einen guten Teil unvergorener, natürlicher Süße stolz vorzeigen. Von ihm sind keine Säurebömbchen zu befürchten, er lässt die geliebten Öchsle seiner Moste weder im Alkohol verschwinden noch die Säfte durchgären bis die Hefen krepieren. Seine Weine sind auch nicht schnoddrig für die Terrasse einzustufen und nicht dazu da, um Allerwelts-Fälle jederzeit bedienen zu können. Sie sind für den bewussten und sinnlichen Genuss gemacht, sei es als Solist, gerne aber auch zu einer adäquaten Speise.
Im Keller geht es bei den Köwerichs durchaus innovativ zu. Er hat die Traditionen der Mosel verinnerlicht und praktiziert trotz seiner wissenschaftlichen Ausbildung das Weinmachen als Handwerk. So gehörte Nick Köwerich zu den Pionieren, als er von 1992 bis 2002 den Riesling der malolaktischen Gärung unterzog, um die aggressive Äpfelsäure in gefällige Milchsäure umzuwandeln – was an der Mosel schon vor hundert Jahren praktiziert wurde, bei Weißweinen heute jedoch selten angewandt wird – auch nicht mehr von Nick Köwerich. Seine Weine reifen im Edelstahl, einige auch noch im Holzfass, auf jeden Fall ohne Zeitdruck. Er wartet mit der Unterbrechung der Gärung zur Erhaltung der Restsüße geduldig ab, bis sich genügend feine Rieslingaromen entwickelt haben und die Säure gebändigt ist. Das kann er im Edelstahl gezielter als im Holz steuern, um die Frische und die Leichtigkeit der Mosel zu bewahren.
Wir konnten sechs Weine von Nick Köwerich verkosten.
Das ist der Wein, der den Blick freigibt auf die Philosophie des Weinguts Nick Köwerich: Luftig leicht mit strahlenden Fruchtaromen und einer belebenden Frische, der Wegweiser in den beschwingten und unbeschwerten Genuss des Moselweins.
Der Ausbau im Edelstahl macht den feinherben Wein zum authentischen Abbild des Terroirs der Weinberge rund um Leiwen. Er liefert einen deutlichen Säurewert von 8,0 g/l. Dank der Winzerkünste von Nick Köwerich bekommt man indes keineswegs einen Säureschock. Das liegt am Zusammenspiel mit dem Restzucker von 15 g/l. Es ist ein eindrucksvoll harmonischer Wein, der auf Samtpfoten daherkommt. Im Glas verbreitet er extrovertiert intensive Aromen: Es treffen sich weiße Pfirsiche, gelbe Äpfel, Zuckeraprikosen und Limonen. Wir staunen über die Leichtigkeit, mit der der Wein trotz seiner 11 Volumenprozent Alkohol im Mund herumschwebt. Die lebendige Säure und die kraftvolle Mineralität stützen einen richtig langen Abgang der sanft und harmonisch ausklingt. Die wunderbare Fruchtigkeit des 2015 Einblick N° 1 vermittelt eine Fülle und Saftigkeit, die ihn zum süffigen, erfrischenden Charmbolzen für jede Art der Gastlichkeit an traumhaften Sommerabenden macht. Er würde aber auch einen Cesars Salad mit seiner Eleganz verzaubern.
2014 Köwericher Laurentiuslay Riesling
Der Köwericher Laurentiuslay liegt auf dem Köwerich gegenüber liegenden Moselufer nördlich von Leiwen. Die Bezeichnung Schieferlay setzt sich zusammen aus Schiefer und „Lei“, was soviel wie Fels bedeutet. Mundartlich ist in „Lai“ mit der Bedeutung Dachschiefer dann gleich beides zusammengeführt. Wir schnüffeln an zart süßlichen Aromen von reifen Äpfeln, weißen Pfirsichen und einigen Zitrusdüften. Dazu kommen eine gewisse Blumigkeit und eine prächtige Würze. Am Gaumen brandet ein klarer, frischer Wein an, süßlich-feinherbe Frucht aus Äpfeln, Pfirsichen, überreifen Weißen Johannisbeeren und etwas Passionsfrucht. Wir diskutieren sogar über Töne, die von superreifen, schon weichen, rötlich-grünen Stachelbeeren ausgehen, wohlwissend, dass diese Richtung für einen Riesling äußerst ungewöhnlich ist. Die Fruchtsüße wird von einer ordentlich dressierten Säure und einer raffinierten Mineralität begleitet. Beides ist auf dem Level von 11,5 Volumenprozent Alkohol gut abgestimmt und verschafft dem Wein ein langes, würzig-aromatisches und saftiges Finish. Ein dichter, eleganter Tropfen, der mit seiner feinherben Frucht-Säure-Mineralik perfekt an die Mosel passt bzw. der perfekte Mosel-Botschafter ist. Eine Bachforelle aus der Pfanne bekommt durch ihn den flüssigen Schwung für einen vollendeten Genuss.
2014 Leiwener Laurentiuslay Riesling Kabinett
Die Lage Leiwener Laurentiuslay ist eine der absoluten Spitzenlagen der gesamten Mosel. wo auch „Große Gewächse“ des VDP wachsen. Die Weinberge sind durchzogen von kunstvoll errichteten Trockenmauern und bestockt mit teilweise uralten, wurzelechten Reben, die mit Sonne aus Süden und Südwesten verwöhnt werden. Auf dem gleißenden, verwitterten, öligen, blauen Devonschiefer hat Nick Köwenig – verteilt auf eineinhalb Hektar in 90 Parzellen – die Riesling-Stöcke zu stehen, mit denen er Weine in dem Stil macht, der einst den Ruhm der Moselweine begründet hat. Von hier haben wir laut Rücketikett einen lieblichen Kabinett mit 7,5% Alkohol vor uns. Das vordere Flaschen-Etikett ist gleichsam das Label-Markenzeichen von Nick Köwerich für seine angestammte Laurentiuslay-Linie. Es erinnert im Gesamteindruck von Schrift und Farbe an die 50er Jahre, obgleich die damals üblichen Wappen, Weinreben oder Moselblicke fehlen. Sein Etikett gleitet gewissermaßen retro durch die Zeiten und hat damit vieles gemeinsam mit seinen Weinen.
Ein betörender Kandisduft strömt einem aus dem Glas entgegen, dazu etwas Honig von der Wildblumenwiese und einige Macadamianüsse. Auf der Zunge tanzen Früchte, Säure und Mineralik keinen wilden Tango, sondern ein zärtliches Menuett. Pfirsiche, Honig, Maracuja sind dabei, eine leichte Säure verneigt sich, in alle Mundwinkel schaut eine süffige Schiefer-Mineralität. Vornehm, edel und schön cremig schmatzen wir noch lange an einem sehnsuchtsvollen Abgang herum. Der Wein klebt nicht am Gaumen, er umspielt ihn mit einer leichtfüßigen, schmelzigen Würde. Ein süßer Moseltraum, der süchtig macht. Genießen Sie ihn an einem schönen Sommerabend oder im Winter am Kamin zusammen mit getrockneten Früchten. Oder paaren Sie ihn mit einer thailändischen Hähnchenbrust an süßlich-scharfer Mangosoße.
2004 Leiwener Laurentiuslay Riesling Spätlese
Mit diesem Wein hat Nick Köwerich seine Schatzkammer geöffnet und einen Wein aus dem Mosel-Spitzenjahrgang 2004 hervorgeholt. Nach dem tropisch-heißen Jahr 2003 war das Wetter 2004 ausgewogener und bot mit einem sonnigen und trockenen Herbst die Chance für vollreife und aromatische Rieslinge, die im Oktober vehement die Fruchtsäure abbauten. Das war genau die Moselklassik, die Nick Köwerichs Stil entgegen kam.
Und so haben wir einen moderat gealterten, noch sehr rüstigen und keineswegs zerbrechlichen Wein im Glas. Er hat kein Firnis angesetzt und verleugnet seine Säure auch noch nicht. Ein Moselmonument mit einer genialen Brillanz in Frucht und Gradlinigkeit. Er duftet nach Süße, Honig, Nüssen und ein wenig Aprikose. Schlückchenweise nähern wir uns dem goldgelben Schätzchen im Glas. Im Mund kommen zum Honig jetzt Pistazien und Mandeln hinzu, auch Mangos, getrocknete Zitronenschalen und nasser Feuerstein, obendrauf ein kleiner Hauch von Malz und Expresso. Es ist ein erstaunlich entspannter und zugänglicher Wein, der mit seinen 8.5% Alkohol süßfruchtig und hochkomplex ist und uns immer wieder über neue Aromen- und Geschmacksrichtungen plaudern lässt. Einen Riesling über 12 Jahre zu bringen, ist für manche Winzer schwierig, für Nick Köwerich eine Kleinigkeit. Dank einer schonenden, naturnahen und kompromisslos auf Qualität ausgerichteten Erzeugung haben seine fruchtsüßen Weine soviel Aromen und Extrakt und dazu die passende Säure, um auch nach zehn oder vielleicht gar zwanzig Jahren noch zu beeindrucken.
Man wird schwerlich auf die Idee kommen, diesen Wein zu einem Essen zu servieren, es sei denn als Dessert für sich. Dennoch könnte der 2004 Leiwener Laurentiuslay Riesling Spätlese an einer schicken Tafel nicht nur Sie und Ihre Gäste, sondern auch ganz klassisch und schlicht einen Apfelstrudel mit Vanillesoße erfreuen. Wer es schräg und innovativ mag, reicht ihn als Überraschung zu einem Pollacks Mändelchen-Pudding.
Das ist die richtige Bezeichnung für einen Wein, der selbst sture Trolle und Zwerge mit Trockenfimmel in seinen Bann schlagen kann. Er rangiert wie die Fabelwesen irgendwo zwischen den Menschen und Göttern und verführt mit magischen Kräften Nase und Gaumen, ein Naturgeist eben aus besten Leiwener Lagen und keineswegs so unnahbar wie jene mystischen Geschöpfe.
Aus dem hellgelb ausgeleuchteten Glas klettern fabelhafte, süßliche Aromen von zartblättrigen rosaroten und gelben Blüten, weißen Pfirsichen, roter Grapefuit, grünem Rasen. Im Mund schmeichelt er sich spontan ein mit einer prägnanten Restsüße, lieblich verspielt und tänzerisch im Reigen mit einer frischen Säure und integrativen Mineralik und 10 Volumenprozent Alkohol. Er kommt rund, süffig und frisch herüber, im Abgang zeigt er neben seiner klaren Frucht auch Anklänge von süßlichen Weintrauben und Kräutern. Er ist keineswegs so flatterhaft wie eine seiner mythologischen Namensschwestern, teilt aber am Gaumen ihre Freude am Tanzen und Baden und ist so floral, so filigran, so gewandt und charismatisch wie sie. Mit dem 2015 Für Feen und Elfen hat man die Verbundenheit mit der Natur und der Mosellandschaft direkt im Glas und kann sich Zauberkräften aussetzen. Das ist fast so schön, so ästhetisch und so zärtlich wie die Begegnung mit einer leibhaftigen Fee.
2015 Für Träumer und Helden, Klüsserather Bruderschaft Riesling Spätlese
Die meisten von uns sind ja eher Träumer als Helden, dennoch hat Nick Köwerich die Zielgruppe höflich und poetisch zusammengefasst und ermöglicht immerhin der besagten Mehrheit der Träumer über den gemeinsamen Trunk den Aufstieg in den Heldenrang.
Jedenfalls haben wir einen Wein zum Anschnallen vor uns, so umwerfend ist er. Eine wuchtig-fruchtige Edelsüß-Spätlese von hochreifen und handselektierten Trauben aus der Spitzenlage im benachbarten Klüsserath. Hier reckt sich die nach Süden geneigte Lage Bruderschaft mit ihren Böden aus steinigem Tonschiefer und sandigem Lehm steil empor. Die Lagenbezeichnung "Bruderschaft" geht auf die Gebetsverbrüderungen im Mittelalter zurück. Im Jahr 1681 gründete der in Klüsserath amtierende Pastor Johann Gerhard von Manderscheid eine Rosenkanzbruderschaft. Er stiftete ihr 9 Weinberge, deren Erträge der gemeindlichen Seelsorge zu gute kamen. Für Träumer und Helden kommt übrigens nicht in jedem Jahr aus der Klüsserather Bruderschaft wie der Jahrgang 2015. In anderen Jahrgängen eignen sich auch die Laurentiuslay in Leiwen oder die Laurentiuslay in Köwerich zur Kreation des starken Tropfens.
Das Bukett schwebt mit intensiven Pfirsichnoten aus dem Glas. Wir denken an Charentais-Melonen, Mangos, reife rote Äpfel und Aprikosen und an einen Dash Limone. Dann schmatzen wir auf konzentrierten Fruchtaromen mit 8,5 Volumenprozent Alkohol herum, serviert mit Honig, reifer Sweet-Ananas und einer winzigen Prise Zimt und Kardamon. Umrahmt wird die süße und konzentrierte Geschmacks-Explosion von einer stabilen schieferigen und eleganten Mineralität, einem selbstbewussten, schönen Botrytis-Touch und vor allem einer prägnanten Säure, die sich wie bei Eisweinen gegen ihren Untergang in der Restsüße erfolgreich gewehrt hat. Der lange Abgang betont noch einmal die süßen Akzente und bleibt saftig und süffig in Erinnerung. Träumer und Helden erfreuen sich also an einem filigranen, kraftvollen und lebendigen Stück Mosel, neben dem am Tisch jedes Dessert die Flucht ergreift.
Im Hörerlebnis stellt Nick Köwerich das Weingut, seine Philosophie und seine Weine vor.
Fotos: © Weingut Nick Köwerich
HÖRERLEBNIS mit Nick Köwerich
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