An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Traditionen, Innovationen und Erfolge: Das Familienweingut Glaser-Himmelstoss in Franken
6. Juni 2017
Nordheim ist mit über fünfzig Weingütern der größte Weinbauort des Anbaugebiets Franken. Er liegt auf der beim Bau des Main-Donau-Kanals entstandenen "Weininsel", inmitten der Mainschleife zwischen Volkach und Sommerach. Nordheim ist umgeben von einer Landschaft, die sich flussaufwärts des Mains an sanfte Hügel schmiegt und wo seit Jahrhunderten an den Hängen der Wein wächst. Der Muschelkalk liefert hier die Grundlage für den Anbau unverwechselbarer, gehaltvoller Weine.
Siegfried Glaser war im Weinbaubetrieb seiner Eltern Alois und Elsa aufgewachsen. Er sicherte mit der Berufswahl Winzer den Erhalt des Betriebs, nachdem sein Bruder Willi im Krieg gefallen war. Siegfried Glaser heiratete 1959 Marianne, die 1935 geborene Tochter der Winzerfamilie Josef und Barbara Fröhlich. Mit ihr gründete er 1960 ein eigenständiges Weingut und animierte viele fränkische Winzer dazu, ihre Weine selbst zu vermarkten. Nach drei Jahrzehnten übergaben sie 1991 das Weingut an ihren Sohn Wolfgang.
Wolfgang hatte 1981 im Alter von 21 Jahren eine ein Jahr jüngere Winzertochter aus Dettelbach geheiratet, die er schon seit der Schulzeit kannte und mit der er gemeinsam die Weinbau-Fachschule in Veitshöchheim besucht hatte: Monika Himmelstoss. Sie übernahm später das elterliche Weingut in Dettelbach und beide vereinigten die Betriebe zum Weingut Glaser-Himmelstoss. Zum Nordheimer Betriebsteil gehören der Keller und eine Vinothek, im historischen Dettelbacher Haus gibt es neben der Vinotek noch ein Restaurant und Gästezimmer.
Zum Weingut Glaser-Himmelstoss gehört ein wunderschönes Fachwerkhaus mit angeschlossenem Restaurant und Gästezimmern in der historischen Altstadt. Im idyllischen Innenhof kann man im Sommer so manches Glas genießen und hervorragend speisen – dazu weiter unten noch mehr.
Ob Nordheim oder Dettelbach, im Weingut Glaser-Himmelstoss sind beide Orte gleichsam zusammengewachsen. Und nicht nur die Orte, sondern auch die drei Generationen, die Glaser-Himmelstoss zu einem echten Familienweingut machen, in dem ständig Bewährtes und Bekanntes auf neue Ideen trifft. Von der jüngsten Generation der Zwillingstöchter strebt Theresa zwar danach, Volljuristin zu werden, doch Julia ist in Sachen Wein schon durchgestartet: Sie hat eine Ausbildung im Studiengang Weinbau in Neustadt an der Weinstraße abgeschlossen, in Kalifornien und Neuseeland praktische Erfahrung gesammelt und setzt im elterlichen Weingut seit dem Jahrgang 2015 eigene Ideen und Kreationen um.
Wie es der Arbeitsteilung in vielen Winzerfamilien entspricht, managt Ehefrau Monika alles, was den Familienbetrieb jenseits der Weinerzeugung ausmacht. Also ist Monika Glaser neben der nahezu üblichen Betreuung von Haushalt und Büro sozusagen betriebswirtschaftlich für das Weingut verantwortlich und muss hier enormem Einsatz bringen. Immerhin gilt es, den Überblick zu behalten angesichts einer Weinliste mit 51 Positionen und einer Jahresproduktion von rund 100.000 Flaschen.
Wolfgang Glaser mochte es schon immer, sich im Weinsortiment breit aufzustellen. Das steht aber nicht für ein Bestreben, es jedem recht machen. Vielmehr will er die Vielfalt und die Hochwertigkeit zeigen, die möglich ist, wenn jede Rebsorte, jede Lage und jeder Jahrgang im Keller so gewürdigt wird, wie sie oder er es verdienen. Weil er das mit seinen Weinen seit Jahren erreicht, sieht man Wolfgang Glaser an, dass er zufrieden ist mit der Welt seiner Weine, mit der Welt seiner Familie und vielleicht sogar der Welt an sich. Die hat er zusammen mit Monika drei Jahrzehnte hindurch gerne und neugierig bereist und unter anderem die Weinhorizonte von Frankreich, Italien, Spanien, Argentinien, Chile, Neuseeland und Kalifornien ins fränkische Weinland gebracht.
Die 14 Hektar Rebflächen des Weinguts liegen in den Lagen Berg-Rondell und Sonnenleite in Dettelbach, Vögelein in Nordheim und Katzenkopf in Sommerach. Das Klima hier zählt zu den trockensten und wärmsten in Deutschland. Fast überall herrscht im Boden ein Verwitterungsgestein aus Muschelkalk vor, zum Teil mit Lehm und Flugsand angereichert. Es sind Strukturen, die im Trias entstanden sind, also vor eben mal 240 Millionen Jahren. Die Erdgeschichte hatte sich damals rund 50 Millionen Jahre Zeit gelassen, um Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper in Mitteleuropa zu verteilen und der Mainschleife den aroma- und geschmacksprägenden, sedimentreichen Muschelkalk zu spendieren.
Seit 1974 ist das Weingut Glaser-Himmelstoss Mitglied im Verband der Prädikatsweingüter VDP und hat der Klassifikation des VDP gemäß die Weine in die Qualitätspyramide einsortiert mit der Basis Gutsweine, Ortsweine aus Dettelbach und Nordheim und Weine der Ersten Lage vom Berg-Rondell, Vögelein und Katzenkopf. Weine aus einer Großen Lage, die in Franken als trocken ausgebauter Riesling, Silvaner, Weißer Burgunder oder Spätburgunder als Großes Gewächs bezeichnet werden, sollen künftig aus der kleinen, aber sehr feinen historischen Lage Berg im Berg-Rondell kommen, die Wolfgang Glaser als geschützte Ursprungsbezeichnung erfassen lassen möchte.
Die vielfältigen Dessertweine des Weinguts rangieren alle auf der gehobenen Stufe der Ersten Lage. Die Edelsüßen waren schon immer das spezielle und erfolgreiche Aushängeschild des Weinguts und der Stolz und die Vollendung der Kellermeisterkünste von Wolfgang Glaser. In Zeiten des ideologisierten Trockentrinkens fanden hier Kenner und Liebhaber eine zuverlässige Quelle für hochwertige Weine, die ausdrucksstark belegten, dass hohe Fruchtsüße weder den Ausdruck des terroirs noch der Rebsorte ersticken muss, sondern in der Balance mit Säure und Mineralik viel Raum für einen eigenen Charakter belassen kann.
Bei Familie Glaser bekommt man etliche Weine in der Boxbeutelflasche, ganz wie es der fränkischen Tradition entspricht. Die Süßweine werden in der edlen, kleinen Schlegelflasche abgefüllt. Daneben gibt es Weine in der Bordeauxflasche, was immer eine Erklärung in der Art oder Sorte des Weins findet und keine Demonstration als Ergebnis der Teilnahme an der unergiebigen Diskussion um das Flaschendesign. Auf jeden Fall prangt auf der Flasche das Logo des Weinguts, der Feuer speiende Drache, den Siegfried Glaser einst auserkoren hat
Wir konnten neun Weine des Weinguts Glaser-Himmelstoss verkosten.
2015 Nordheimer Silvaner, VDP.Ortswein
Im Glas haben wir einen goldgelben Wein, der sein herrliches Bukett von Limonen und Äpfeln gerne vorzeigt. Es weht ein anziehender Hauch von Frische aus dem Glas, das geradewegs zum ersten Schluck animieren will. Im Mund werden die Limonenaromen durch starke Nusstöne begleitet, eine beim Silvaner keineswegs regelmäßige, dafür umso schönere Vermählung. Sie wird durch einige Kräuter- und Apfel-Birnennoten ergänzt und von der vorausgesagten zarten, duftigen Mineralität und einer freundlichen Säure umspielt – vor allem im saftigen Abgang. Als trockener Silvaner passt der Wein natürlich zu den üblichen Verdächtigen wie Forellen oder Saibling. Sie sollten ihn aber auch einmal zu kalten Platten hinstellen mit klassischem Kochschinken Pariser Art, Hähnchenbruststreifen, Putenbrustscheiben und einem feinen Gemüsesalat aus grünen Erbsen, Mini-Karotten, Prinzessbohnen und Mais in sanfter, heller Marinade. Abgesehen davon sollte man bei Beginn der Spargelsaison auf jeden Fall einige Flaschen dieses Silvaners im Keller haben.
2016 Nordheimer Spätburgunder blanc de noir, VDP.Ortswein
Blanc de Noir nennt man bekanntlich einen Weißwein von blauen Trauben, in Franken fast immer vom Spätburgunder. Die Möglichkeiten der Einflussnahme sind bei einem weiß gekelterten Spätburgunder begrenzt, mit Maischestandzeit geht beim Blanc de Noir nichts, schließlich will man keinen Rosé machen. Oftmals wird durch eine gezielte Traubenselektion, eine Auswahl der Hefen und eine sorgfältige Kellerarbeit ein Wein mit eigenem Charakter erreicht.
Weil Wolfgang Glaser hier auf solide Erfahrung setzen kann, haben wird eben keinen schlaffen rosa Wasserersatz vor uns, sondern einen ungemein lebendigen Wein, der einmal mehr für die heiß diskutierte Daseinsberechtigung des Blanc de Noir spricht. Der 2016 Nordheimer Spätburgunder blanc de noir duftet nach reifen Stachelbeeren, Papaya und einigen Gartenkräutern. Im Mund verbindet sich eine wunderbare Struktur und Finesse, die von einer geheimnisvollen, steinigen, salzigen, ja fast etwas rauchigen Mineralik gestützt wird. Hier stören keine Gerbstoffe den Genuss einer seidigen Frische, die im Finale von einem Hauch Bittermandeln gekrönt wird. Reichen sie den Wein zu einem in italienischen Kräutern gedünsteten frischen Lachsfilet mit Apfel-Senf-Soße an gedünstetem Fenchelgemüse.
2015 Sommeracher Katzenkopf Silvaner trocken, VDP.1. Lage
Das ist ein Lagenwein, dessen Trauben aus dem hochberühmten und vom VDP als Erste Lage klassifizierten Katzenkopf in Sommerach stammen. Anders als in Nordheim liegen jedenfalls in den Parzellen des Weinguts Glaser-Himmelstoss auf dem Muschelkalk an Stelle von Sand Kalk und Kalkmergel mit Tonanteilen. Das ist übrigens ein Boden, mit der eine italienische Nebbilo-Rebe restlos glücklich wäre. Doch zurück zum Silvaner. Der wächst hier oberhalb der Mainauen und gleichsam über dem Ort auf nach Süden und Südwesten sanft ausgerichteten Hängen. Wenn man vom Aussichtsturm Fränkische Weinberge schaut, breitet sich die ganze Lage in einer traumhaften Landschaftskulisse aus. Sie gehört zu den Spitzenlagen Frankens, die Weinberge wurden schon im 11. Jahrhundert urkundlich erwähnt.
Der Silvaner aus dem Katzenkopf von Glaser-Himmelstoss – in der VDP-Klassifikation eine Erste Lage – entspricht dem Prädikat Spätlese trocken. Käme er aus einem parzellenmäßig noch enger begrenzten Bereich der Lage, einer Großen Lage, dürfte er sich Großes Gewächs nennen. Auf jeden Fall ist hier der bewährte Franke im klassischen Silvaner-Stil mit 14 Volumenprozent Alkohol im Glas, der ausdrucksstark zeigt, dass die Rebsorte bei sorgfältigem Ausbau in faszinierender Weise das terroir widerspiegelt. Die handgelesenen Reben stammen aus dem zweiten Erntedurchgang Anfang Oktober 2015. Der Most ist im Edelstahl vergoren, der Wein blieb bis zur Abfüllung auf der Hefe liegen.
In der Nase und am Gaumen kommen dichte, fruchtige Aromen in einer salzigen Muschelkalknote an, darunter große, reife gelbe Pflaumen und Quitten, ein Hauch Paranuss und ein Hauch Birne. Seine Restsüße ist in die Säure harmonisch eingebunden und trifft auf eine feine Würze und eine kleine Hefenote. Der Abgang schmilzt überraschend cremig weich dahin und ist dank der präzisen Mineralik saftig und konzentriert. Dabei wird der Extrakt keineswegs vom Alkoholgehalt erschlagen. Es ist richtig spannend, mit solch einem kraftvollen Silvaner speisenmäßig im Rotweinbereich auf Entdeckungen zu gehen und regelrecht zu wildern: Mit einem Fasan im Speckmantel oder einem langsam geschmorten Rinderbraten.
2015 Dettelbacher Berg-Rondell Silvaner trocken, VDP.1. Lage
Die Lage Berg-Rondell liegt südwestlich von Dettelbach, reicht in der Exposition von Südwest nach Südost und weist große Unterschiede in der Hängigkeit auf, die hier bis in die Steillage geht. Auch die Bodenstruktur ist nicht ganz einheitlich, wenn auch überwiegend durch pures Muschelkalkverwitterungsgestein geprägt, zuweilen aber mit einem Lehmanteil. Wolfgang Glaser ringt seit längerem um die Anerkennung der historischen Lage Berg
Jeder Schluck des grandiosen Silvaners aus dieser Ersten Lage macht Lust auf das nächste Glas. Das ist Power-Franken mit 14 % Alkohol und einem interessanten Verhältnis von 3,7 g/l Restzucker und 6,5 g/l Säure. Das Erfolgsgeheimnis ist nicht zuletzt, dass der Alkohol geschmacklich zurücktritt gegenüber der klaren Fruchtigkeit und einer fulminanten, salzig-pikanten Mineralik, die dem Wein zusammen mit einem frischen Säurezug die kraftvolle, extraktreiche Substanz vermittelt. Aus dem energisch goldgelben Glas klettern Aromen von Limonen, Mirabellen und reifen roten Äpfeln. Im Geschmack ergänzen sich die süffige Frucht, einige Kräuter- und Stachelbeernoten sowie eine sichelscharfe mineralische Präsenz, die wie schon im Katzenkopf-Silvaner an Feuersteinfunken erinnert. Der ewige Nachhall kann eigentlich nur durch den nächsten Schluck gebremst werden. Mehr Silvaner-Musik kann man kaum im Glas haben. Servieren Sie diesen Wein zu einem gebratenen Kalbsrücken mit Morchelrahm und grünem nebst weißem Spargel. Wenn Sie ihn solo verkosten, sollten Sie ihn mit einer Starttemperatur von 10 Grad für etwa 30 Minuten in einer Karaffe ruhig stellen. Sie werden ein faszinierendes Aromen- und Geschmackserlebnis haben.
Wolfgang Glaser empfiehlt interessanterweise für seine Silvaner eine Trinktemperatur von 10 bis 13 Grad. Tatsächlich werden die meisten Silvaner viel zu kalt getrunken, nämlich frisch aus dem Kühlschrank. Testen Sie selbst – den 2015 Dettelbacher Berg-Rondell Silvaner trocken, VDP.1. Lage erst direkt aus dem Kühlschrank und dann auftemperiert auf 13 Grad, es kann auch ein Grad mehr sein: Sie werden kaum glauben, dass es sich um ein und denselben Wein handelt.
2015 Dettelbacher Berg-Rondell Riesling trocken, VDP.1. Lage
2015 Dettelbacher, Orangewein, Silvaner trocken, VDP.Ortswein
2015 Dettelbacher, Orangewein, Grauburgunder trocken, VDP.Ortswein
Vielfach wird der Begriff des Orange Wine mit dem des Naturweins zusammengeworfen. Indes bezieht sich die Bezeichnung Orange Wine allein auf die Herstellungsmethode: Nämlich Weißweine wie Rotweine herzustellen. Vereinfacht gesagt, bleibt dabei der Traubenmost sehr lange mit den Beerenschalen in Kontakt: Es wird ausschließlich mit Hilfe von Weinberghefen spontan und ganz oder teilweise auf der Maische vergoren. Durch den langen Schalenkontakt und die Art der Weinherstellung bekommt der Wein einen mehr oder weniger starken Schimmer von Orange über Kupfer- bis Bernsteinfarben. Das kann beim Grauburgunder besonders reizvoll sein, weil er eine rötliche Beerenhaut schon mitbringt. In Deutschland wird mit allen Rebsorten experimentiert, die ideale Rebsorte für einen Orange Wine gibt es nicht. Wie im Weingut Glaser-Himmelstoss der Orangewein gemacht wird, ist im Info-Kasten dargestellt.
Wie das Weingut Glaser-Himmelstoss Orange Wine macht
Nach der Lese, Anfang Oktober wurden die Trauben möglichst schonend und ganzbeerig entrappt, anschließend mit Trockeneis gekühlt. Neben den Kühleffekt stellt Trockeneis auch einen zuverlässigen Oxidationsschutz dar, da es zu CO2 entgast. Die Vergärung fand in einem geschlossenen Bottich statt. Bis die Gärung nach ca. 1 bis 2 Wochen einsetzte, war die Maische durch den andauernden Trockeneiseinsatz also vor Oxidation geschützt. Abgepresst wurde am 28.10.2015 bei ca. 10% verbleibenden Zucker. Der Saft wurde anschließend ohne Vorklärung in mehrfachbelegte Barriques überführt. Die Endvergärung fand also im Holz statt, um entstandene Tannine durch Mikrooxidation besser einzubinden. Die reduktiv wirkende Hefe wurde aber regelmäßig aufgerührt.
Mit den 2015 Dettelbacher Orangeweinen, Silvaner trocken und Grauburgunder trocken, haben wir rötlich angefärbte Weißweine im Glas. Der Silvaner lässt sich schwer erschnüffeln oder erschmecken, weil die typischen Silvanernoten fehlen. Dem Grauburgunder kommt man nach dem Ausschlussverfahren schon eher auf die Spur, denn dass man einen Burgundertyp vor sich hat, bleibt nicht verborgen. Für diese Irritationen sorgen in erster Linie die für den Orange Wine so charakteristischen Tannine aus der Maischegärung der kompletten Traube, die zwar gebändigt sind, beim Weißwein aber eben als außerirdische Begegnung erlebt werden. Statt jedoch einem typischen Silvanergeschmack oder dem gewohnten Grauburgundertouch hinterher zu trauern, sollte man besser die Gelegenheit schätzen, ein völlig neues Weinerlebnis genießen zu dürfen.
Im langen Finish begegnet uns bei beiden Weinen die lagentypische, beim Silvaner geradezu extrovertierte Mineralität wieder, wenigstens an dieser Stelle können die Silvanerfreunde aufatmen. Wir sind sowohl beim Silvaner als auch beim Grauburgunder angetan von der neuen Stilistik körperreicher und energiegeladener, abgerundet ausbalancierter, aromatischer Weißweine, die erwartungsgemäß komplex auftreten, aber trotz ihrer dichten Textur zugleich erstaunlich elegant wirken.
Alle Orangeweine sollte man zunächst als Solisten wahrnehmen, genießen und Fantasien entwickeln. Spannend ist dann sicherlich die Frage der Begleitung von Speisen, bei der wir uns zu einigen gewagten Vorschlägen verstiegen haben: Der Silvaner passt zu einem milden Südtiroler Bauernspeck oder ganz konträr zu Jakobsmuscheln in Kokos-Currysauce. Den Grauburgunder sollten Sie ganz verwegen zu einem Gänsebraten aus dem Rohr probieren. Es gilt, selbst zu experimentieren nach dem Motto, erlaubt ist, was schmeckt.
2013 Dettelbacher Berg-Rondell Müller-Thurgau Beerenauslese VDP.1. Lage
Jetzt also eine Beerenauslese aus der neoklassischen Frankenrebsorte Müller-Thurgau. Es ist ein Lagenwein aus dem Nordheimer Kreuzberg. Die Trauben wurden in zwei Durchgängen gelesen, zuletzt am 21. Oktober 2013 mit wahnsinnigen 150 Grad Öchsle. Schon das Bukett des Weins ist betörend lieblich und erscheint von Honigsorten und getrockneten Aprikosen umhimmelt zu sein. Im Mund entfernt sich die Süße ein Stück weit vom Honig und verhält sich bemerkenswert vornehm. Erfreulicher Weise landen wir am Gaumen nicht im Marmeladenregal, sondern in der Weihnachtsbäckerei: Zimt, Kardamom, Karamell und getrocknete Feigen sind angesagt, dazu eine vorsichtige Prise Muskat und eine kleine Löffelspitze Mokka. Die vielfältigen Aromen werden von 13 % Alkohol, die durch den längeren Aufenthalt im kleinen Barrique entstanden sind, locker umspült. Die Säure tritt beim Herumschmatzen an die Süße etwas später heran und verhält sich sortentypisch dezent. Ein exquisiter Weingenuss, der auch noch in zehn bis zwanzig Jahren einen glücklichen Abend oder ein festliches Essen einleiten oder abschließen kann. Wenn Sie die Beerenauslese gerne zur Begleitung von Speisen zwingen möchten, erscheint es fast banal, ihn zu einer Foie Gras de Canard Entier, also Entenleberpastete, zu empfehlen, überzeugt dann aber mit einem unendlich köstlichen Genuss.
2013 Dettelbacher, Rebell Spätburgunder trocken, VDP.Ortswein
Im mittelrot erleuchteten Glas schnüffeln wir an prägnanten Aromen von heller Kirschfrucht, Brombeeren und Röstaromen mit einem Hauch von Schokolade, blonden Tabaks sowie Zimt & Nelken. Der Wein ist am Gaumen verführerisch weich und rund, mit jedem Schluck entdecken wir neue Nuancen. Mal sind es Nelken, mal eine Prise Zimt, mal Mandeln. Die Säure ist sortentypisch verhalten und wegen der dünneren Beerenschalen des Spätburgunders müssen wir nicht unter harten Tanninen leiden. Im Abgang schmiegt er sich samtig an und hüllt die Zunge in die wohlige Wärme eines körperreichen Burgunders ein. Die milde Säure lässt ihn sich weich und fruchtig-pikant verabschieden. Der Wein ist komplex und elegant zugleich. Er ist ganz klassisch ein Top-Escorte zu Osso bucco oder Entrecôte vom Grill. Wer es rebellischer möchte, bietet ihn zu gegrilltem Lachs oder noch regelwidriger zu einem alten, eiweißgepunkteten holländischem Gouda an, ein Pairing, das hier weder von Milcheiweiß noch von Tanninen gestört wird.
Im Hörerlebnis stellt Monika Glaser das Weingut und die Weine vor.
Fotos: © Weingut Glaser-Himmelstoss
Flaschenfotos: © D.R.
HÖRERLEBNIS mit Monika Glaser