An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Kechris Winery in Nordgriechenland: Mit Tradition und Innovation – weltberühmte Retsina-Weine und mehr
20. Juni 2018
Vergessen Sie alles, was Sie über Retsina gehört haben und alle Geruchs- und Geschmackseindrücke aus Ihren bisherigen Begegnungen mit dem, was sich so Retsina nennt. Obgleich Retsina in Griechenland seit über drei Jahrtausenden Ausdruck einer ganzen Kultur ist, blieb er zumeist in einem Teufelskreis gefangen: Man verwendete Trauben minderer Qualität, weil im Geschmack des Weins ohnehin das Harz dominierte. Damit wurde jeder Gedanke an ein Terroir erstickt, von der Wahrnehmung rebsortentypischer Aromen ganz zu schweigen. Retsina war der Billigwein, der an den Griechenland-Urlaub erinnerte, der ironisch als weinhaltiges Getränk eingestuft wurde, und den die einen liebten und die anderen verabscheuten. Gruselige Geschmäcker wurden ihm nachgesagt, Terpentin war da noch einer der salonfähigsten.
Dass Retsina auch anders kann, zeigt das Weingut Kechris seit Jahrzehnten mit Weinen von Weltrang. Hier huscht das Pinienharz nur einschmeichelnd über den Gaumen und lässt dem Wein alle Möglichkeiten, das Terroir, die Eigenschaften der Rebe und das handwerkliche Können des Winzers wahrzunehmen.
1954 gründete Familie Kechris in Kalochori unter dem Namen „Kechris Bros“ (Gebrüder Kechris) ein Weingut mit einem Verkaufsgeschäft. Die Gemeinde Kalochori ist ein Vorort von Thessaloniki in der nordgriechischen Region Makedonien. Noch heute wird auf diesem Weingut der Wein KECHRIBARI erzeugt, aber auch der in jener Zeit populäre Wein KONAKI, dazu kommen Ouzo, Weinbrand und Obstliköre. Anfang der siebziger Jahre begannen die Brüder mit dem Export der Weine. 1974 übernahm Stelios Kechris, der älteste von 10 Cousins, in dritter Generation den Familienbetrieb. Er hatte in Thessaloniki seinen Chemieingenieur gemacht und erlangte 1978 in Dijon das Önologie-Diplom. Als Einstand im Weingut kreierte er die hausgemachten Liköre DORIKI, die zwei Jahre später auf der Lebensmittel- und Getränkemesse SIAL eine Goldmedaille bekamen. Im selben Jahr begann er mit dem Export der Erzeugnisse von Kechris nach Deutschland.
Wer das Weingut besuchen möchte – etwa im Rahmen des Tourismus- und Kulturprogramms "Weinstraßen von Nordgriechenland“ –, wird mit griechischer Gastlichkeit empfangen. Es beginnt mit einer Einführung in die Weinbautradition und die Geschichte und Philosophie der Kechris-Familie und geht weiter mit der Führung in den Bereichen Weinherstellung, Alterung und Abfüllung. Der Rundgang folgt dem Produktionsablauf, die Verkostungszonen im Freien sind vor den starken Nordwinden geschützt. Die Besucher erwartet zudem eine Sammlung von Objekten aus dem Produktionsprozess.
Stelios Kechris bestimmt heute als Kaufmännischer Direktor die unternehmerische Leitlinie des Weinguts. Seit 2012 ist er Vorsitzender des Verbands Nordgriechischer Weine, den er 1993 als Winzerverband von Makedonien mitgegründet hatte. Die Leitung des Betriebs inklusive Entwicklung und Marketing liegt in den Händen seiner Tochter Eleni Kechris, die 2009 ihr Önologiestudium in Bordeaux abgeschlossen hatte. Nikos Konstantinides leitet die Produktion. Alle zusammen bilden das Team, das die önologischen Entscheidungen trifft. Inzwischen wirken auch Stelios Töchter Maria und Zoe im Weingut mit. Natürlich funktioniert alles so optimal, weil seit Jahrzehnten Stelios Ehefrau Konstantia den Hintergrundbetrieb Familie in Schwung hält, abgesehen davon, dass sie auch bei den finanziellen Dispositionen im Betrieb mitentscheidet.
Was ist Retsina?
Der griechische Begriff Retsini – im Griechischen übrigens ein Wort mit weiblichem Genus – lässt sich mit „Baumharz“ übersetzen. Es ist ein trockener, aromatisierter Weiß- oder Roséwein. Die Aromatisierung erfolgt traditionell und dem Gesetz nach erst zu Beginn der Gärung, indem man dem Most Stückchen des natürlichen Harzes der Aleppokiefer Pinus Halepensis zufügt, die später wieder entfernt werden. Alter des Baumes und Zeitpunkt der Ernte sind Faktoren bei der Auswahl des Harzes, das Gesetz schreibt Mengengrenzen und Methodik vor. Die Quantität ist genau festgelegt, damit eine Oxidation des Weins verhindert wird, sie lag früher bei bis zu 7,5 %, heute eher bei 1 bis 2 %.
Die Rebsorte Savatiano stellt die Hauptrebsorte des Retsinas dar, allerdings muss diese Sorte grundsätzlich assembliert werden, um die nötige Säure zu erreichen. Retsina wird aber – wie bei Kechris Winery – auch aus der Assyrtiko oder Roditis-Traube oder als Rosé aus der Xinomavro gemacht, sogar roten Retsina von der Mandilaria Rebe gibt es vereinzelt. Retsina-Weine können die Bezeichnung OKP (Onomasia kata Paradosi) (ursprungsgeschützt und mit traditioneller Keltermethode) tragen. Als „Retsina“ bezeichneter Wein darf ausschließlich in Griechenland produziert werden. Der Anteil an der griechischen Weinproduktion beträgt mit 600.000 Hektoliter rund 15% mit steigender Tendenz. Retsina wird in der Regel jung getrunken, besonders wertige Qualitäten wie die TRÄNE DER PINIE von Kechris können bis zu 20 Jahre altern. Der Jahrgang darf laut Gesetz nicht auf dem Etikett erscheinen, er wird manchmal etwas versteckt angegeben, etwa als „R17“.
Ein qualitativ hochwertiger Retsina wie ihn Familie Kechris herstellt, braucht einen guten Most von sorgfältig selektierten Trauben, ein sehr frisches Harz von angemessener Qualität und die besonderen Fähigkeiten eines perfekten Winzerhandwerks. Stelios Kechris war einer der ersten Winzer in Griechenland, der geradezu visionär an den Retsina geglaubt und mit Hingabe an seiner qualitativen Aufwertung gearbeitet hat.
In der feinen Küche erfrischt die prägnante Säure der Retsina-Weine und nimmt frittierten oder öligen Gerichten die Fettigkeit. Retsina behauptet sich neben Knoblauch und neben sauren Geschmacksrichtungen und ist ein perfekter Speise-Begleiter weit über die mediterrane Gourmet-Küche hinaus.
Familie Kechris möchte Weine machen, die das Charakteristische der Rebsorte in der Nase und am Gaumen komplex und vielschichtig, ja elegant erleben lässt. Die Ausbaumethode soll geschmacklich nur als Mittel zum Zweck im Hintergrund schweben, aber niemals die Eigenart des Weins verändern. Die Tradition wahren, sie als Quelle der Inspiration begreifen und stets innovativ modernste Technik auf internationalem Niveau einsetzen, das sind bei Stelios Kechris keine Gegensätze. „Tradition in Bewegung“ nennt er die Symbiose, mit der er stets versucht hat, zu den scheinbaren Grenzen des Retsinas vorzudringen und sie zu überschreiten. Sein Wahlspruch hat über die Jahre den Erfolg immer vorangeführt. Wein ist für ihn und sein Team ein Kulturgut, das die Region der Herkunft und das Leben der Menschen dort interpretiert. Der Wein soll authentische Werte und gedankenvolle Emotionen vermitteln, sowohl auf Seiten der Winzer aber auch im Zeitpunkt des Genusses beim Weintrinker.
Auch wenn alljährlich über 1,2 Millionen Flaschen abgefüllt werden, von denen 30% in 21 Länder exportiert werden, so stellt man keine Industrieweine her, im Gegenteil: Die trockenen Weiß- und Rotweine sind von hoher Qualität, die Retsinas von Kechris Winery stehen nicht nur an der Spitze des Weins in Griechenland, sondern sind überall auf dem Globus berühmt und werden mit Auszeichnungen nur so überhäuft. Sie sind weltweit zur Referenz des modernen Retsina-Weins geworden und der Beleg, dass Retsina ein Wein höchster Qualität sein kann. Es ist der für Griechenland und für die gesamte Weinwelt unschätzbare Verdienst von Stelios Kechris, dass er dem Retsina sowohl zur landesweiten als auch zur weltweiten Anerkennung als Wein in der Spitzenliga verholfen hat. Und zwar nicht durch Marketing, sondern durch Leistung. Der Kreis von über 3.500 Jahren schließt sich: Heute wie im Altertum macht Retsina den griechischen Wein populär – andere große griechische Weine folgen seinen Spuren in die Welt hinaus.
Die Geschichte des Retsinas
Der Retsina-Wein ist ein traditionelles griechisches Erzeugnis mit einer jahrtausendealten Geschichte: In früherer Zeit wurde der Wein in Schläuchen aus Ziegenfell oder in porösen Ton-Amphoren aufbewahrt, die mit Kiefernharz abgedichtet oder auf der Oberfläche mit einer Harz-Öl-Schicht bedeckt waren, um in dem heißen Klima eine schnelle Oxidation zu vermeiden und die Haltbarkeit zu verlängern. Dabei gab das Harz sein Aroma ab. Über die Jahrhunderte verbreitete sich die Methode vor allem von Attika aus nach Makedonien und in die Ägäis und begründete in Griechenland ein Trinktradition, die sich noch nicht einmal veränderte, als bereits die Römer Holzfässer einführten. Die Rebsorte für den Retsina war übrigens meist einerlei, der Retsina war der Wein der Armen und der einfachen Tavernen und wurde schließlich mit einem zweifelhaften Ruf zu dem Wein, der von den Touristen in aller Welt als griechischer Wein bekannt gemacht wurde. Erst Ende der 70er kam er als allgegenwärtiger Tischwein aus der Mode, zumal bei der industriellen Herstellung durch das Harz oftmals die Minderwertigkeit der Weine kaschiert wurde. Die Griechen bevorzugten nunmehr Flaschenweine: Den Retsina gab es fortan in den beliebten kleinen bauchigen Tropfenflaschen, die mit Kronkorken verschlossen wurden. Zunehmend wandten sich die Griechen jedoch von den geharzte Weinen ab, weil sie entdeckten, welche großartigen weißen und roten Weine das Land zu bieten hatte und wie die einheimischen Rebsorten wirklich schmeckten und das Terroir zum Ausdruck brachten.
Wir konnten vier Retsina-Weine und einen Rotwein des Weinguts Kechris verkosten.
Kechribari Retsina, Appellation by Tradition
Im Glas zeigt er sich in einem weißlich-hellen Strohgelb. Aromen von grünen Delicius-Äpfeln, grünen Birnen, Futura-Melonen und Limetten beeilen sich, die ersten in der Nase zu sein. Sanft umwehen vielversprechende Pinien-Noten von frischem Harz die fruchtigen Komponenten, ohne aufdringlich oder plump zu wirken. Es entsteht vielmehr ein Eindruck der Frische und der Würze, der neugierig macht. Der Geschmack geht in die Richtung der Aromen und wird ergänzt durch weiße Nektarinen, Kräuter und einen kleinen Mandeltouch. Während die Frucht über die Zunge tröpfelt, unterstützten die Harzaromen die Struktur des Weins dezent und saftig. Eine aktive Säure bindet die lockere Fruchtsüße harmonisch ein und sorgt zusammen mit einer schönen Fülle für einen intensiv frischen, langen Abgang. Komponieren Sie für sich und für den Wein einen großen griechischen Salat mit Feta-Käse, Olivenöl und viel Oregano oder reichen Sie ihn zu frisch frittierten Sardinen oder auch zu einer Zucchini-Auberginen Pfanne oder zu einem Lammspieß vom Grill – kurz gesagt, ein frischer, junger Retsina ist vielfältig einsetzbar und ermöglicht ein geradezu unendliches Speisenpairing.
Afros Retsina, Appellation by Tradition
Der Afros Retsina in der gut durchschaubaren glasklaren Flasche ist nicht aufdringlich trübe, überrascht aber sofort durch eine animierende Frische. Die ganze bekannte Aromatik aus Frucht und Pinie verbindet sich mit einigen Quitten, viel Birnen, Zitrus und viel Kräutern. Er perlt leicht und lustig vor sich hin und zeigt sich gradlinig und dank der ordentlich ausbalancierten aktiven Säure absolut elegant. Den Gaumen erreicht ein vibrierender Hauch des Pinienharzes und lässt den Fruchtnuancen von Zitrus, Orangenschale und Birnen, aber auch Kräuterwellen und einer kleinen Vanillespitze durchaus den Vortritt. Ein Leichtfuß, der bei jeder Sommerparty Aufmerksamkeit auf sich zieht und mit Genuss für jeden punkten kann. Er macht sich auch schmackhaft zu Meeresfrüchten oder frittiertem Oktopus und ist köstlich zu geräuchertem Lachs.
Roza Retsina, Appellation by Tradition
Das ist ein reinsortiger Rosé von der Xinomavro, der hochwertigsten griechischen Rotweinrebe. Er reifte fünf Monate in vorbelegten Barriques.
Im Glas schimmert er im hellen Rot von frühreifen Kirschsorten und blitzt rubinrot zum Rand hin. Er entfaltet ein breites Fruchtbukett von roten und dunklen Beeren, also Erdbeeren, Himbeeren, roten und schwarzen Johannisbeeren und Brombeeren. Dazu kommen Noten von gelb-roten Rainier-Kirschen und etwas Zimt. Im Mund schmatzen wir auf einer betörenden Fruchtigkeit herum, die von roten Äpfeln noch bereichert wird. Die distinguierten Harztöne sind imposant ausbalanciert und vermählen sich mit samtigen Holznoten zu einem Finish, das von einer markanten Säure, gut gezähmten Tanninen und einer leicht mineralisch-pikanten Würze gestützt wird. Ein herrlich belebender, süffiger, kraftvoller Wein, keiner dieser Plätscher-Rosés, die nur noch auf der Terrasse vergossen werden können. Das ist ein edler Wein mit Profil und Charakter, den seine Hochwertigkeit auch nicht verlässt, wenn man ihn zu einer getrüffelten Poularde aus dem Rohr oder zu einem gegrillten Thunfischfilet serviert.
Tear of the Pine Retsina R17, Appellation by Tradition
Der TRÄNE DER KIEFER wird aus der autochtonen Rebsorte Assyrtiko gemacht, die im Weinanbaugebiet Goumenissa angebaut wird. Nach der eher kühlen Vergärung reift der Wein wie er jahrhundertelang produziert wurde in Eichenfässern unterschiedlicher Art und Herkunft für 6 Monate auf der Hefe.
Im Glas blitzt der TRÄNE DER KIEFER in einem feinen, grün-weißlichen Gelb mit silbernen Reflexen. In der Nase brilliert eine intensive florale Duftigkeit, verstärkt von Zitrusnoten, Rosmarinwürze, feinsten Nuancen von Kiefernharz und Vanilletönen vom Holz. Nach längerer Öffnung fällt es uns immer schwerer, die Nase aus dem Glas zu nehmen. Am Gaumen geht dann der Vorhang auf für eine ganz große Bühne von Grapefruit, gelben Äpfeln, Melone, Vanille, blondem Tabak, Haselnüssen, Kokosnuss, Rosmarin, Koriander, Thymian, Wacholder – alles harmonisch abgestimmt mit Röstaromen, Biskuit- und Butteraromen und winzigen pikanten Ingwerstückchen. Die lebendige Säure sorgt für einen langen, würzig-fruchtigen und griffigen Abgang, in dem sich herrlich salzig-mineralische Anklänge bemerkbar machen. Das ist kein schwerer, sondern gut strukturierter, komplexer und eleganter Wein – energisch, aromatisch und frisch: ein ganzer Griechenland-Urlaub in einem Glas. TRÄNE DER KIEFER ist ein außergewöhnlicher Retsina-Botschafter und ein Weltklasse-Wein, einfach grandios. Er kann ohne weiteres weit länger als zehn Jahre lang gelagert werden. Lassen Sie diesen Wein zuerst ausgiebig ein Solo in der Nase und am Gaumen tanzen, bevor sie ihn – wenn überhaupt – mit einer Speise bekannt machen. Dann kann es eine Languste oder anderes Krebsgetier sein, gerne aber auch ein traditionell gewürztes griechisches Lamm vom Grill oder ein Gericht von fettreichen Fischen wie Makrele oder Lachs.
Xinomavro 2015 PGI Macedonia ROT
Der im Glas leicht transparente, leuchtend rubinrote Wein entwickelt ein fulminantes Bukett von Kräutern, Oliven, getrockneten Tomaten, Tabak und roten und schwarzen Beerenfrüchten, dazu einige erdig-pflanzliche Züge und ein Hauch Espresso. Im Mund breiten sich Kraft und Fülle aus. Eine herbe rot-schwarze Fruchtigkeit mit Zwetschgen, aber auch Erdbeeren und Stachelbeeren, trifft schwarze Oliven, getrocknete Tomaten, Backpflaumen, Kräuter, dunklen Tabak und Feigen. Die tanninreiche Struktur und die prägnante Fruchtsäure markieren die Richtung in einen starken, komplexen Abgang – Nebbiolo lässt grüßen. Ein robuster, vollmundiger Wein, der sich über die Jahre zwar nicht unbedingt zu einem Samtpfötchen entwickeln wird, dem aber eine Zukunft von noch eleganterer Harmonie bevorsteht. Erfreuen Sie sich und diesen beeindruckenden Kraftprotz mit einem gigantischen Porterhouse-Steak oder ganz einfach mit einer würzigen Bolognese aus griechisch angemachtem Hackfleisch.
Im Hörerlebnis stellt Export Sales Manager TASSOS NIKOLERIS anlässlich der Präsentation Wines of Greece 2018 in Berlin das Weingut und die Weine vor.
Fotos: © Kechris Winery
HÖRERLEBNIS mit Export Sales Manager TASSOS NIKOLERIS