An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut am Vögelein in Franken: Familientradition, Leidenschaft und geschmackliche Innovationen im Glas
20. Dezember 2019
Nordheim ist die größte Weinbaugemeinde Frankens und gehört zum Weinbaubereich Maindreieck. Es hat seinen Namen von der durch den geschwungenen Lauf des Mains gebildeten Landschaft in Form eines auf der Spitze stehenden, nach oben hin offenen Dreiecks zwischen Schweinfurt, Ochsenfurt und Gemünden. Nordheim ist flussaufwärts umgeben von sanften Hügeln, wo seit Jahrhunderten Reben an den Hängen wachsen. Vor allem der Muschelkalk liefert hier die Grundlage für unverwechselbare, gehaltvolle Weine.
Familie Schneider bewirtschaftet eine Anbaufläche von rund 12,5 Hektar in den Lagen Nordheimer Vögelein und Escherndorfer Fürstenberg und besitzt Weinberge in Volkach und Sommerach an der Mainschleife sowie in Iphofen und Gerolzhofen im Steigerwald. Die fränkischen Böden sind bekanntlich geologisch sehr abwechslungsreich und ermöglichen kräftige und kernige aber auch elegante und komplexe Weine: Während am Untermain zwischen Miltenberg und Sulzbach Buntsandsteinböden vorherrschen, findet man an der Mainschleife ebenso wie um Würzburg herum verwitterten Muschelkalk mit Auflagen von Lettenkeuper und Flugsanden, teilweise auch von sandigen Lehm, während bei Iphoven und zum Steigerwald hin die Gipskeuper-Stufe beginnt.
An den Wochenenden im Frühjahr und im Herbst zur Bremserzeit öffnet das Weingut am Vögelein seine zünftig traditionelle Häckerwirtschaft. Darüber hinaus stehen das ganze Jahr über gemütliche Doppelzimmer mit Dusche, WC und Kochnische zur Verfügung, um eine ausgiebige Weinverkostung entspannend ausklingen zu lassen oder einen schönen Urlaub zu machen: Man kann das Fränkische Weinland auf Rad- und Wanderwegen entdecken, eines oder mehrere der über 250 Weinfeste besuchen oder in den Strandkörben am Inselstrand des Altmains faulenzen.
Wir konnten zehn Weine des Weinguts am Vögelein verkosten.
2018 bassd scho
Im Glas haben wir eine raffinierte, allseits gefällige Cuvée aus Müller-Thurgau und Bacchus, also den Sorten, die viele Winzer woanders längst rausgerissen haben. Eine prägnant süßlich-süffige Fruchtigkeit wird von einer umgänglichen Säure eskortiert. Seine Leichtigkeit, Frische und die Apfel-, Johannisbeer- und Aprikosennoten hat er dem Müller-Thurgau zu verdanken, die fruchtige Duftigkeit und den blumigen Einschlag dem Bacchus. Der Hauch von Muskat dürfte von beiden Rebsorten resultieren. Frankenfeeling zum Durchfeiern, ein Wein, der auf jeder Party rockt. Und immer daran denken: Auch wenn es sprachlich für den Franken heißt „weniger ist mehr“ – beim Wein gilt das nicht.
2017 Silvaner Nordheimer Vögelein trocken
Der Name der berühmten Lage leitet sich vom außergewöhnlichen Artenreichtum der hier beheimateten über 100 Vogelarten ab. Sie verläuft entlang des Altmains mit einer Hangneigung von zehn bis fünfzehn Prozent und ist überwiegend nach Südwesten bis Nordwesten ausgerichtet. Sie ist eine der größten Einzellagen Frankens mit unterschiedlichen Bodenstrukturen und einem differenzierten Mikroklima, was nicht zuletzt dem Höhenunterschied von 190 bis 290 Metern über dem Meer zu verdanken ist. In Zeiten der Klimaveränderung zählt bekanntlich jeder Höhenmeter, so dass sich die Reben in den obersten Abschnitten auch bei brennender Sonne an kühlenden Winden erfreuen können. Der Muschelkalkuntergrund mit der wärmenden Sandauflage befördert reichlich Mineralität in die Trauben. Ganz oben an der Hangspitze wiederum ist die Auflage weniger sandig als vielmehr vom typischen Nordheimer Lettenkeuper dominiert. Das ist eine Mischung aus festländischen Ablagerungen und Meeressedimenten im Übergang von den grauen Meeresablagerungen des Muschelkalks zu den bunten Land-, Fluss- und Salzsee-Ablagerungen des Mittleren Keupers. Die stetige Luftzirkulation in der Höhe fördert die bilderbuchmäßige Reifung edelfauler Trauben, während der zeitige Frost die Möglichkeit von Eisweinernten eröffnet. Die Parzellen des Weinguts am Vögelein erstrecken sich entlang des Altmains und nehmen die ganze Exposition von Südwest bis Nordwest mit, so dass sowohl energiereiche, tiefe als auch frische, fruchtbetonte Weine ausgebaut werden können.
Wir haben einen durch und durch fränkisch trockenen und bemerkenswert markanten Wein im Glas. Schon im Bukett verlässt er die beaten Tracks und setzt auf feine Düfte von grünen Äpfeln, Birnen, Limetten, Nüssen und aus vegetabilen Richtungen. Im Geschmack treffen wir diese Aromatik wieder, sie steigert sich jetzt zu einer von knackiger Säure gestützten schmackhaften Fruchtigkeit, die von Würze und klarer Mineralität umrahmt wird. Im Nachhall kommen Aromen und Frucht noch einmal deutlich zum Ausdruck und erhalten eine kleine Gerbstoffspitze. Alles hält sich in einem ordentlichen Gleichgewicht, aber nicht auf der weichgespülten Ebene, sondern mit flottem Drive und vitaler Spannkraft. Ein ganz besonderer fränkischer Silvaner mit sehr eigenem Charakter. Der bleibt übrigens perfekt erhalten neben einer Forelle aus der fränkischen Pegnitz.
2018 Silvaner Nordheimer Vögelein Spätlese
Die Silvaner Spätlese entwickelt im Glas ein feines Bukett von Aprikosen, weißen Johannisbeeren, Stachelbeeren und Quitten mit leicht floralem und nussigen Hauch, wobei auch frische Kräuter mitswingen. Am Gaumen korrespondiert die saftige Gelbfruchtigkeit harmonisch mit der erdigen Mineralik. Zu den Aromafrüchten kommen sanfte Töne von Äpfeln, weißer Melone und Ananas hinzu nebst einem pikanten Touch von Nüssen. Im nachhaltigen Finale verbündet sich die lebendige, aber milde Säure noch einmal innig mit der leichten, mürben Gerbstoffspur und der dezent salzigen Mineralik. Ein stoffiger, griffiger Wein, der saftig und animierend ein frisches Mundgefühl vermittelt. Er beeindruckt neben einem Kalbsrücken mit Rahmsoße ebenso wie zu einem Perlhuhn aus dem Rohr.
2018 Chardonnay Nordheimer Vögelein Kabinett trocken
Der strohgelbe Kabinett lockt mit einer kühlen, tropisch-fruchtigen Nase in der sich Zitrusvariationen an den nussigen und vegetabilen Nuancen vorbei nach vorne drängeln. Auf der Zunge verpassen der feine Säurebiss und die mineralischen Anklänge dem schönen Fruchtgefüge von Apfel über Limette bis Mango eine schlanke coole Frische, die nicht zuletzt dem reduktiven Ausbau zu verdanken sein dürfte. Zugleich imponiert der dichte und pointiert strukturierte Auftritt im langen Finale, was den Wein substanzreich und zugleich fast filigran erscheinen lässt. Ein trinkfreudiger burgunderhafter Chardonnay für vormittags, nachmittags, abends und nachts.
2018 Sauvignon blanc trocken
Der 2018er Sauvignon blanc trocken wurde nach einer 24stündigen Maischestandzeit reduktiv im Edelstahl mit langem Hefelager ausgebaut. In der Nase reflektiert sich das grüne bis gelbe Fruchtspektrum mit kühlen pflanzlichen Tönen und einem winzigen Touch Zuckerschoten. Im Mund faszinieren die gut bekannten Noten von Kiwi, grüner Paprika und Wachsbohnen. Wir schmecken aber auch interessant aufgestylte Anklänge von Ananas und roter Grapefruit, einige frühreife Stachelbeeren, ein wenig grüne Birne und feine frische Kräuter. Die Säure tritt nicht verschlafen und banal auf, sondern gestaltet die Fruchteindrücke zusammen mit den dezenten mineralischen Komponenten aktiv mit, auch noch im lang anhaltenden saftigen Finish. Der Wein hat eine schöne straffe Struktur mit Saft und Kraft, ohne in Richtung Opulenz breit auszuufern. Ein stilsicherer, gut abgestimmter Sauvignon blanc als kleiner oder großer Appetizer und zu einem Salatgang.
2018 Scheurebe feinherb
Die Scheu, wie sie salopp genannt wird, wurde 1916 aus Riesling und Silvaner von Georg Scheu in Alzey geboren. Es gefällt ihr gut, wenn sie halbtrocken ausgebaut wird, damit sie schon in der Nase als potenzielle Fruchtbombe ticken kann. Das kommt auch bei Trockentrinkern, die zur Wahrung ihres Images alles Süße heimlich trinken, ganz offiziell trendy an. Die Trauben für diesen Wein lagen 24 Stunden auf der Maische und wurden im Edelstahl bei kühlen Temperaturen langsam vergoren, um die Fruchtigkeit für den halbtrockenen Ausbau zu erhalten. Der Wein lag dann bis April 2019 auf der Feinhefe.
Tatsächlich lässt er aus dem Glas ein Feuerwerk an Fruchtaromen los mit schönen Nuancen von Ananas, Grapefruit und Zitrus plus einem Hauch von schwarzer Johannisbeere. Auf der Zunge tobt eine extrovertierte, gradlinige Fruchtigkeit, während das gut strukturierte Säuregerüst und die Mineralik eine vereinnahmende Frische und Saftigkeit vermitteln. Die Süße tritt mit feinem Schmelz auf und ist weder klebrig noch nervt sie im Abgang mit einem endlosen Zuckerschwänzchen. Ein wunderbarer Sommerwein mit elegantem Glanz. Er begleitet auch gerne ein thailändisch gewürztes Red Snapper Ragout.
2018 Weissburgunder Nordheimer Vögelein Kabinett trocken
Zarte Aromen von weißen Blüten machen sich aus dem funkelnden goldgelben Glas frei. Noten von Ananas, gelben Honigmelonen und frühreifen gelben Birnen schweben heran. Geschmacklich geht es weiter im fränkischen Obstgarten mit roten Äpfeln und grünen Birnen, aber auch mit exotischen Berührungen von Aprikosen und Mangos. Die saftig sanfte Säure fasziniert in Abstimmung mit der feinfruchtigen, leicht würzig-süßlichen Extraktdichte in einem frischen, gradlinigen, zart cremigen Finale. Welch verspielter, eleganter Essensbegleiter, der gerne ein Pastagericht mit Schweinemedaillons oder Jakobsmuscheln auf einem Salatbett erfreut.
Die Spätlese ist im Gegensatz zum Weissburgunder Kabinett im 500 Liter großen Holzfass spontan vergoren und verbrachte 9 Monate im großen Holz auf dem Vollhefelage, bevor sie im August 2019 in die Flasche kam. Die Rebstöcke wurden ertragsreduziert gepflegt und erbrachten 50 Hektoliter pro Hektar.
Ein fülliger Duft breitet sich langsam und nachhaltig aus, unterlegt von reifen exotischen Früchten mit Maracuja und Litschi, aber auch Mirabellen und Aprikosen, dazu erfrischende Cassisblätter und eine prägnante Mineralität. Am Gaumen eine cremige, saftige Dichte in einer rigoros trockenen Auskleidung, die hohe Eleganz beschert. Die seidig-süffige Vollmundigkeit profitiert von dezenten Fruchtnoten, einer frischen Würze und gut eingebundenen, dezenten Holzaromen mit Spuren von Mandel und Vanille. Eine genussvolle Begleitung zu Wachteln mit Spargelspitzen oder zu Penne mit Auberginen und Thunfisch.
2018 Riesling Sommeracher Katzenkopf Spätlese trocken
Aus dem Glas klettern neben den sortentypischen Zitrus- und Aprikosenrichtungen auch deutlich blumige Nuancen insbesondere von Holunderblüten und Wiesenkräutern. Über die Zunge tänzelt der Wein nicht etwa zierlich balletthaft, sondern strömt mit energischer Rieslingfrucht von Weinbergpfirsich und Aprikosen extrovertiert kraftvoll und mineralisch dahin. Die feine Fruchtsüße wird von einer knackigen Säure in Schach gehalten und trägt den Abgang in die Unendlichkeit. Ein vibrierender Wein von kühler Mineralität und singulärer Frische mit Kraft, aber ohne jegliche Schwere. Mit diesem Riesling haben Sie ein großes Stück fränkischer Seele im Glas.
2013 Pinot Noir Escherndorf Fürstenberg trocken
Pinot Noir oder Spätburgunder lebt von seiner Frucht, Säure, Finesse und Eleganz und von alledem hat dieser Fürstenberg-Pinot jede Menge. Er ist nicht mit Holz überfrachtet, sondern zeigt stolz seine Raffinesse vor. Im Glas präsentiert er sich mit einem herrlichen Duftpotpourri von Cassis, Sauerkirschen, Brombeeren, Auberginen und edlen Gewürzen wie Kardamom. Dazu gesellen sich sanft und unaufdringlich einige röstig-holzwürzige Töne in Richtung Vanille. Am Gaumen kommt die handwerkliche Winzerkunst von Michael Schneider charakterstark zur Geltung: Wertige Bitterschokolade, wohliger Waldboden, getrocknet-florale und herbfruchtige Aromen, Mandeln und Nuancen von Mokka – all das tummelt sich um die Zunge herum, angefeuert von einer griffigen Säure. Die würzig-cremige Tanninstruktur gibt dem Abgang eine besondere Note. Ein ganz und gar nicht opulent schwerer Spätburgunder, sondern ein erfrischend distinguierter Typ französischen Stils, hinter dem man Leidenschaft und Innovationsfreude erkennt. Genießen Sie ihn mit allen Sinnen als Solisten – er hat es verdient, sein Weinleben nicht als schnöder Galan zu Antipasti, einer Vesperplatte oder zu einem vermeintlich verwegenen Fischpairung beenden zu müssen.
Im Hörerlebnis stellt Michael Schneider bei einer Präsentation in der Bayerischen Landesvertretung in Berlin sich und das Weingut am Vögelein ganz persönlich vor.
Fotos einschließlich Flaschen-Fotos: © : Weingut am Vögelein,
Etiketten-Fotos: © D.R.
HÖRERLEBNIS mit Michael Schneider