An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Bernhard in Rheinhessen: charakterstarke, innovative biodynamische Weinerlebnisse höchster Qualität von einem familiären Herz & Seele-Team
5. Mai 2025
Es gibt nicht viele Weingüter in den deutschen Anbaugebieten, die so unermüdlich, tatkräftig, konsequent und überzeugend die Liebe zur Natur, den Schutz der Umwelt und die Bewahrung der einzigartigen natürlichen Ressourcen umsetzen – von der Pflege der Reben über den Ausbau der Weine im Keller bis zur Abfüllung in die Flasche. Und das mit überragendem Erfolg.
Inzwischen hat Familie Bernhard den großen Sprung vom biologischen Weinbau nach ökologischen Richtlinien zum biodynamischen Weinbau als Corporate Identity vollzogen und ist seit dem Jahrgang 2020 auch entsprechend zertifiziert – und zwar nicht mit einem der vielfach käuflichen Greenwashing-Siegel, sondern seriös mit dem EU-Biosiegel und vor allem den Siegeln von ECOVIN, NATURLAND und DEMETER, die alle strenger und genauer kontrolliert Anbau und Verarbeitung und das Produkt selbst regeln.
Das ist ein gemeinsamer Weg gewesen, der ohne eine tolerante und aufgeschlossene Familie nicht möglich gewesen wäre. Die Liebe der Eltern, die sich im Betrieb anfangs mit Sonderabfüllungen wie der Edition Martina oder dem Wein-Mixgetränk Isch für Dich ausdrückte, traf auf die außergewöhnlichen sensorischen Fähigkeiten der ältesten Tochter. Die schnüffelte und schmeckte schon als Teenie im Fasskeller herum und überzeugte spätestens mit 16 Jahren ihren Vater, dass sie im Keller den treffenden, wenn nicht übertreffenden Geschmack hat. Inzwischen ist Martina der eindrucksvolle Beweis, dass man es mit der Faszination für den gewählten Beruf, einem visionären Talent und dem energischen Zupacken im Weinberg und Keller weit bringt.
Die Folgen von Martinas engagierter Mitwirkung im Weingut blieben nicht aus: So adelte schon 2013 das Magazin Der Feinschmecker das Weingut als "eines der besten Weingüter in Deutschland" und das österreichische Weinmagazin Falstaff zählte es 2016 zu den 100 besten Weingütern Deutschlands.
Mit ihrer Begeisterung für die Natur und den Weinbau füllt Martina inzwischen etliche Ämter und Funktionen aus, in die sie mit familiärem Rückhalt auch das Weingut einbringt.
Schon früh profitierte sie als Mitglied in der Jungwinzerbewegung GENERATION RIESLING vom Erfahrungsaustausch mit anderen Winzertöchtern und Winzersöhnen. Ihr bedeutendstes Engagement wurde dann das Netzwerk SISTERS IN WINE CLUB, der die Solidarität unter Winzerinnen voranstellt, um den Zusammenhalt der Frauen in der noch immer männerdominierten Weinwelt zu stärken. Das Netzwerk leistet auch finanziellen Beistand für Organisationen, die sich für Frauen stark machen. An sie geht jeweils ein Euro für sechs verkaufte Flaschen. Erlebbarer Ausdruck der Bündelung von Frauenpower ist die vom SISTERS IN WINE CLUB inspirierte Linie des Weinguts Bernhard, in der die Weine Namen starker Frauen tragen. Sie sollen etwas bewegen und das nicht nur beim Etikettengucken, sondern auch geschmacklich-charakterlich anregen und voranbringen. Der SISTERS IN WINE CLUB steht übrigens nicht nur Frauen offen, sondern Mitglieder können auch Brothers werden. Schließlich wollen die Sister, was Diskriminierung und Gleichberechtigung angehen, nicht mit gleicher Münze heimzahlen…
Ein weiteres Engagement im Sinne von Frauen für Frauen ist die langfristige Partnerschaft mit dem Projekt LAND-GRAZIEN, einer Beratungsstelle für Frauen, die Gewalt erfahren. Des Weiteren hat Martina Fazzi auch das Projekt WEIN FÜR EINE GRÜNE ZUKUNFT initiiert, das sich den erweiterten Schutz und die Stärkung der Natur vorgenommen hat. Damit sollen alle, die in ihrer wirtschaftlichen Existenz von der Natur profitieren und sie gewinnbringend nutzen, angeregt werden, das Land so lebendig zu gestalten und zu hinterlassen, dass zukünftige Generationen es noch in voller Schönheit unversehrt erleben und genießen können.
Das Weingut Bernhard ist darüber hinaus Mitglied in den Bioverbänden ECOVIN, BIOLAND, NATURLAND und DEMETER. Der Bundesverband ökologischer Weinbau ECOVIN ist aus dem Aufbruch der Umwelt-, und Naturschutzbewegung der 70er und 80er Jahre entstanden und heute der größte Zusammenschluss ökologisch arbeitender Weingüter weltweit. Über 200 zertifizierte Mitgliedsbetriebe bewirtschaften derzeit mehr als 1.400 Hektar Rebfläche in 11 deutschen Anbaugebieten. Die Produkte der Mitglieder, die das Warenzeichen ECOVIN tragen, garantieren durch strenge, ständig aktualisierte und über die EU-Vorgaben hinausgehende Verbandsrichtlinien besondere Qualität und ökologische Konsequenz. BIOLAND ist der größte Bio-Anbauverband in Deutschland, außerhalb gibt es ihn nur noch in Südtirol. Ziel ist es, einen vollständigen Umbau der Land- und Lebensmittelwirtschaft nach strengen ökologischen Kriterien zu erreichen, damit sie uns langfristig ernährt, die Natur schützt und wir so die Lebensgrundlagen auf unserer Erde bewahren. NATURLAND wurde 1982 von Landwirten und Wissenschaftlern gegründet, zu einer Zeit, als Öko-Landbau und artgerechte Tierhaltung nur wenige interessierten. Ziel des Verbands ist es, weltweit auf verträgliche ökologische Art miteinander zu wirtschaften und die Gesellschaft gemeinsam auch sozial zum Besseren zu verändern. DEMETER ist der älteste Bioverband in Deutschland. Schon seit 1924 bewirtschaften DEMETER-Landwirte ihre Felder biodynamisch. DEMETER steht heute für konsequente Bio-Lebensmittel, die im Einklang mit der Natur erzeugt werden.
Gemäß der regionalen Tradition war das Weingut zu Zeiten von Max Bernhard noch ein Mischbetrieb, den Weinbautechniker Jörg Bernhard in den 90er Jahren auf den Weinanbau konzentrierte. Er wollte auch weg von der rheinhessischen Massenmentalität und setzte auf die kontinuierliche Steigerung der Qualität, auch wenn er die Fassweinproduktion anfangs noch nicht ganz strich. Für seine Flaschenqualität turnte er schon mal in der Nacht um die Gärfässer herum, um die Temperatur seine „Babys“ im Blick zu behalten. Jörg Bernhard hat auch frühzeitig erkannt, wie entscheidend die Arbeit im Weinberg ist: Was man dort nicht in die Natur investiert, rückt sie im Keller nicht heraus.
Die Arbeit an den Rebstöcken wird noch zugespitzt durch Laub- und Unterstockarbeiten und selektive Lese per Hand. Wo andere noch über die schonende Behandlung der Trauben lamentieren, packen die Bernhards mühevoll zu: Der Traubentransport auf die Kelter erfolgt ohne Pumpen oder Schwerkraft, sondern per Muskelarbeit und Eimer. Im Keller ist alles auf höchste Qualität eingerichtet. Man setzt auf Spontangärung mit natürlichen Hefen, großes und kleines Holz und im Übrigen auf Gelassenheit. Erst mal schauen, was der Most so macht und will, und nicht gleich wild herumpumpen. Den Weinen merkt man es an, wenn sie sich stressfrei selbst verwirklichen durften und die meisten sich lange auf der Feinhefe entspannten.
Dem Weingut gehören 25 Hektar Rebfläche, unter anderem in den Einzellagen Wolfsheimer Osterberg und Wolfsheimer St. Kathrin, die beide zur Großlage Abtey im Weinanbaugebiet Rheinhessen gehören. Die Böden beider Lagen sind durch nährstoffreichen, aber schwer durchwurzelbaren mehr oder weniger ton- oder lehmhaltigen Kalkmergel gekennzeichnet. Kalkmergel ist ein verfestigtes Sedimentgestein, das zu etwa 65 % aus Kalk und 35 % Ton zusammengesetzt ist. Den Weinbergen droht hier kein saurer Boden, sie können das Wasser gut halten, wenn auch nicht tiefgründiger speichern. Der Kalkgehalt des Bodens ist generell eine sehr wichtige Einflussgröße auf den Geschmack und den Charakter des Weins. Bei den zum Weingut gehörenden Parzellen in den Vendersheimer Weinbergen können die Bernhards hingegen auf fruchtbare Löß-Boden und in den St. Johanner Weinbergen auf Sand- und Lehmmergel mit Kalkstein und Löss setzen.
Die Weine der Jahresproduktion von etwa 150.000 Flaschen sind bei Familie Bernhard in sechs Linien eingestellt, daneben sind derzeit zwei Sekte im Sortiment. Die Gutsweine spiegeln die ganze Bandbreite und Leistungsfähigkeit des Weinguts wider und sind die Visitenkarte im Einstiegsbereich. Hier kommt das Typische der Sorte und des Weinanbaugebiets zum Ausdruck. Es sind universelle Trinkweine für alle Fälle mit einem animierenden Preis-Leistungsverhältnis. Die Ortsweine sollen ganz spezifisch das Terroir ihrer Herkunft zum Ausdruck zu bringen, also Boden, Klima, Rebstöcke. Es sind reinsortige Weine, deren Komplexität und Energie schon im Weinberg mit Ertragsreduzierung und Traubenselektion vorbereitet wird. Sie kommen aus Wolfsheimer, St. Johanner und Vendersheimer Weinbergen, ganz nach Vorliebe der Rebe für den jeweiligen Boden und die mikroklimatischen Bedingungen. Trockene Lagenweine und Prädikatsweine aus verschieden Rebsorten bilden die Spitze der Qualität. Die Weine der Linie Sisters in Wine drückt die weibliche Vielfalt nicht nur im Weinbau aus. Schließlich gibt es noch eine kleine Cuvée-Kollektion und Naturweine, die als Naturkind-Serie ein besonders inniges Verhältnis zur Natur abbilden.
Gleichwohl sind Martina und Jörg nicht darauf dressiert, ständig Neuheiten anzubieten, aber man nutzt gerne die künstlerische Freiheit aus, das Spektrum, das die Natur mit Rebe, Boden und Mikroklima bietet, zu nutzen, um die Vielfalt des Terroirs von Wolfsheim und Umgebung mit verlässlicher und unverwechselbarer Stilistik in immer interessanteren Qualitäten authentisch auszudrücken. Das genießt der eine verzückt mit verdrehten Augen und der andere trinkt einfach drauflos. Schließlich darf jeder einen Wein ganz persönlich und subjektiv erleben. Loriot hat es vorgemacht – wenn der eine im Rosé die an einem Dienstag um 21.15 Uhr geerntete Hedelfinger Knorpelkirsche schmeckt, ist das beim anderen die Erdbeere und beim Dritten eine Himbeere. Bei Martinas Weinen sind jedenfalls alle irgendwann einmal in der Feststellung vereint, dass der Wein einfach lecker schmeckt – was man in Fachkreisen ja auch nicht mehr so einfach mal sagen darf.
Auf etlichen Veranstaltungen im Weingut kann man die Weinherstellung besichtigen und die Weine verkosten. Man kann aber auch eine der Weinwanderungen buchen, bei denen man auf eigene Faust durch die faszinierende rheinhessische Weinberglandschaft zieht. Es gibt nichts Schöneres und Inspirierenderes als mit einem Glas Silvaner inmitten der Rebzeilen zu stehen und dankbar und demütig auf die Reben zu blicken, die dieses Erlebnis und den vollendeten Genuss jedes Jahr von Neuem ermöglichen. Das Weingut bereitet alles Organisatorische perfekt vor. Die kleine Weinwanderung führt über rund 4 km, für die man mit einem Silvaner, einem Rosé und einem Sauvignon Blanc ausgestattet wird. Die große Runde erstreckt sich über gute 6 km, auf denen man mit vier bis fünf Weinen unterstützt wird, um die 10 Wegepunkte mit Infos und die vier bis fünf Pausenpunkte zu erreichen. Man braucht keine besondere Fitness, nur eben Spaß am Wein, an der Natur und an spektakulären Aussichten mit dem Glas in der Hand.
Wir konnten zwölf Weine des Weinguts Bernhard verkosten.
Wir stellen die Sister-Weine voran, denn sie stehen für ein besonderes Anliegen und setzen die vielfältigen stilistischen und innovativen Richtungen des Weinguts um, während sie eine gemeinsame Handschrift erkennen lassen – die von Martina und Jörg. Vor allem aber trinkt man mit ihnen Glas für Glas nicht nur Wein, sondern verkostet Erinnerungen an Frauen, die jede auf ihre Weise große und kleine Welten bewegt haben.
2024 Anna You can do it Weißwein trocken
Der Wein ist eine Cuvée aus Chardonnay und Weißburgunder. Die Rebstöcke stehen auf dem ortstypischen Kalkmergel. Die selektiv gelesenen Trauben wurden im Edelstahl und großen Holzfass vinifiziert.
Das goldgelb ausgeleuchtete Glas verschickt feine Duftnoten von roten Äpfeln und gelben Birnen, aber auch von exotischen Früchten wie Papaya und Ananas. Über die Zunge strömt ein gefälliger, frisch-saftiger Wein mit Anklängen an Äpfel, reife Stachelbeeren und Honigmelone sowie eine winzige Nussigkeit und eine leichte Würze von Typ Wiese im Morgentau. Die herrliche Mineralität bildet einen stabilen Rahmen, ist aber nicht überdimensioniert. Das ist eine vollmundige, sehr harmonische und elegante, aber nicht überhebliche Cuvée, die ihre Energie auch im cremigen Finish noch lange fühlen lässt. Ganz im Sinne seines Namens powert dieser Weißwein gerne ein Broccoli-Gratin oder ein Pfifferlingrisotto auf.
2024 Hilde Go wild for a while Rosé trocken
Die ungezügelte, mitreißende Hilde: „Eins und eins, das macht zwei, ein Herz (Wein) ist immer dabei und wenn du Glück hast, dann sind es zwei” – das war Hildegard Knef, die diesem lebendigen Rosé den Namen gab.
Die Cuvée aus St. Laurent und Portugieser wurde im Doppelstückfass ausgebaut. Die St. Laurent Rebe ist eine sehr alte Sorte aus der Burgunderfamilie, die lange Zeit in Vergessenheit geriet, längst aber wegen ihrer hochwertigen, langlebigen und eleganten Weine ihre Beliebtheit wiedererlangt hat. Sie braucht immer eine gute Lage mit tiefgründigen Böden und ein nettes Klima. Mit den Kalkmergelböden bei Wolfsheim ist sie ausweislich des Flascheninhalts bestens zufrieden.
Der Wein lockt im Glas mit seiner himbeerroten Tönung und löst spontan Erwartungen an das Bukett aus, die dann auch gehalten werden. Intensiv weht der Sommer aus dem Glas mit fruchtigen Richtungen von Himbeeren und Erdbeeren und einem Kick frischer Kräuter. Selten zeigt ein Rosé obendrein feine Holzaromen vor, die hier mit ihrem angemessen zarten, aber keineswegs schüchternen Auftritt den Hauch des Sommers nicht im Geringsten stören, sondern eher einen romantischen Grillabend herbeisehnen lassen. Geschmacklich präsentiert sich die Rosé-Cuvée mit herrlich saftiger Frische, Harmonie und einer differenzierten und nicht etwa kitschigen Fruchtbetonung, die alle roten Beeren aus dem Bukett und dazu noch einige Kirschen nebst einigen sehr dezenten Holztönen erleben lässt. Der Wein geht geschmeidig ab mit einer schönen Mineralität und einem swingenden Schmelz. Die lebendige, aber gut untergebrachte Säure signalisiert, dass hier keine Zuckerwatte nachgeahmt wurde, sondern ein höchst lebendiger Rosé dasteht, der als wilde Hilde in jeder Hinsicht herumwirbelt. Dieser Wein hat mit seiner Flasche und im Glas auf jeder sommerlichen Party nicht nur einen Hingucker-Auftritt, sondern animiert Schluck für Schluck zu glücklichen Momenten: „Mal bleibt's für's Leben und mal bleibt es eben, nur Liebelei.“
2023 Marie Time to sparkle Perlwein trocken
Es ist eine im im Edelstahltank ausgebaute Cuvée aus Morio-Muskat und Rivaner, die mit einer feinen Mousse markante Aromen aus dem Glas katapultiert. Muskataroma und Holunderblüten wollen die ersten sein, exotische Richtungen mit Anmutungen von Weinbergspfirsichen, Weintrauben und ein winziger Hauch von Zitronenmelisse folgen. Am Gaumen sind alle wieder vereint und treffen sich mit einigen Goldkiwis und Trockenfrüchten, einer gewissen Blumigkeit und einer leicht herben, fast orientalischen Würze. Im Finale tanzen die Aromenvielfalt und die süßlich-süffigen Fruchtigkeit mit einer glänzend ausbalancierten Säure noch lang auf der Zunge herum, der Wein zeigt Körper vor und geht mit einer klaren, mineralischen Frische ab. Dabei wird jeder Schluck von der feinen Perlage mit prickelnder Energie versorgt. Wann immer Zeit zum Sparkeln ist, bringt diese Marie Power und Schwung in den Genuss – unkompliziert, lässig, unterhaltsam. Auch ein Geflügelsalat oder ein Ziegenfrischkäse mit Feigenchutney dürften stolz auf eine Begleitung durch Marie sein.
Diese Cuvée aus Riesling und Rivaner vom Kalkmergel-Playground begeistert durch eine animierende frische Spritzigkeit – Lust und Laune am Ende jeden Tages. Er hat den Namen von Frida Kahlo, der mexikanischen Malerin, die mit ihren Werken Fantasie und eigenes Leben verband und dabei ihre Identität als Frau in der mexikanischen Gesellschaft hinterfragte. Nicht nur in dieser Hinsicht widersetzte sie sich den Normen und hat damit viel von der Popkultur vorweggenommen – “If you’re going to San Francisco, be sure to wear some flowers in your hair.”
Die im Edelstahltank ausgebaute Weißweincuvée aus Trauben vom Kalkmergel schickt aus dem Glas fruchtige und blumige Aromen in die Nase mit einem enormen Frischeeindruck. Es geht um grüne Äpfel, Weintrauben, gelbe Pflaumen, weiße Pfirsiche und rote Grapefruit. Das geht im Mund so weiter, doch die Fruchtfülle macht den Wein nicht aufdringlich voluminös, denn sie ist durch die präzise Säure in eine coole Frische und eine geniale Leichtigkeit verpackt – Frida barfuß im Park. Das ist der gefällige Wein, der immer ein Lächeln aufs Gesicht zaubert – vormittags, nachmittags, abends und nachts, egal, ob mit oder ohne etwas zum Beißen.
Käthe Be your own muse Rotwein trocken
Merlot in Rheinhessen, das ist eine interessante Plazierung, die seit einigen Jahren auch in anderen Anbaugebieten in die Weinberge einzieht. Der Aufwand für die Merlot-Rebe ist immerhin beträchtlich, eine dichte Kontrolle der Reifung unerlässlich, strenge Selektion bei der Lese unbedingt erforderlich. Das alles lohnt sich allerdings nur, wenn auch Boden und Klima stimmen. Beim Klima helfen eine ideale Himmelsrichtung, beim Boden die Kalkmergelböden, durch die sich die Wurzeln in die nährstoffreichen Tiefen durchboxen. Im Hochsommer herrscht bekanntlich zunehmend Hochofen-Hitze, was die Merlot Rebe geradezu liebt.
Im Glas funkelt der Wein in einem tiefdunklen Rubinrot und verbreitet mit zunehmender Belüftung eine fast geheimnisvolle Melange aus stark würzig unterlegten Beerenfrüchten, Röstaromen und Mokka. Der Wein hat aromatische Intensität und Tiefe, einen attraktiven Körper und feine holzwürzig-cremige Tannine. Kein Holzmonster, sondern Waldfrucht, Finesse und Mineralität. Die saftige Fruchtstruktur, die angenehm leichte Säure und die würzige, zart rauchige Mineralität schwingen noch lange auf der Zunge nach. Käthe ist ein Roter, der gerne mal zwei Stunden vor dem Genuss den Sauerstoff einatmet. Er ist der künstlerische Animator zu sonntäglichen Fleischrouladen oder zu Omas Hasenbraten. Sie können sich aber auch der Experimentierfreude und Unangepasstheit der originalen Käthe anschließen und sich richtig kreativ eine leckere Platte verschiedener Schokoladensorten zusammenstellen.
2024 Silvaner trocken
Der Gutssilvaner von Martina und Jörg imponiert als Einstiegswein mit einer überraschenden Eleganz, wie sie einem sonst wesentlich höher auf der Pyramide begegnet. Er duftet aus dem Glas wie jene schon einmal erwähnte Blumenwiese im Morgentau. Dazu schweben Nuancen frischer Kräuter und Töne von Birnen, gelben Äpfeln und einige kleine Nussigkeit vom großen Holzfass herum, eine weitere, schwer definierbare kleine Spur erinnert wohl an die spontane Vergärung. Wir schmecken die feine Mineralik des Kalkmergels, die die Fruchtigkeit des Silvaners umrahmt und ihm zusammen mit der angenehmen Säure Frische und Leichtigkeit verschafft. Der Wein legt sich locker, aber mit einer gewissen Spannung an den Gaumen und generiert einen kristallklaren, anhaltenden Abgang voller junger Früchte, Kräuter, Blumen und einer geschliffenen Tiefe, die im Gutsweinranking eher selten anzutreffen ist. Ein Gutssilvaner, der bei Frucht, Säure und Mineralik immer eine gefällige Rundung mitbringt, die dann zu einer herrlichen Saftigkeit und Süffigkeit führt. Das ist ein interessantes, leichtfüßiges Angebot an die weiße Fraktion auf der Sommerparty. Auf dem Buffet könnten dann kalte Platten stehen mit klassischem Kochschinken Pariser Art, Hähnchenbruststreifen, Putenbrustscheiben und einem feinen Gemüsesalat aus grünen Erbsen, Mini-Karotten, Prinzessbohnen und Mais in sanfter, heller Marinade und, und, und. Aber der Wein bleibt die Hauptsache.
2024 Riesling trocken
Das ist ein Gutswein für vielfältige Geschmäcker, der jeden schönen Abend vor allem auf der Terrasse begleiten kann. Die Rebstöcke stehen auf Kalk- und Kalkmergelböden, der Wein wurde im Edelstahltank und im großen Holzfass ausgebaut.
Im Glas bietet er gelbfruchtige Aromen an von fruchtig-frischen gelben Äpfeln wie etwa dem Südtiroler Gelben Fritz. Daneben gibt es Zitrus- und Pfirsicharomen zu schnüffeln, alles korrekt sortentypisch. Im Geschmack kommen zu den Früchten eine leichte Kräuterwürze und eine winzige Nussigkeit hinzu und vor allem eine feine, leicht salzige Mineralität. Der Wein scheint viel vom St. Johanner Terroir mitzubringen. Die markante, ordentlich ausbalancierte Säure überzeugt mit einem fruchtigen, süffig-herben Charme und burschikoser Herzlichkeit. Im Finale strahlt seine kühlen Stilistik mit einer anhaltenden Frische. Das ist ein kraftvoller Sofortwein – sofort trinkbar und auch im Sturztrunk noch heftig geschmackvoll.
Auch dieser Ortswein basiert auf Trauben aus Wolfsheimer Lagen mit Kalkmergel. Er wurde ähnlich vinifiziert wie der Riesling-Ortswein. Dank einer kurzen Maischestandzeit extrahierte der Saft eine konzentrierte Aromatik aus der dicken Beerenhaut.
Wir haben einen durch und durch trockenen und bemerkenswert markanten Silvaner im Glas. Schon im Bukett verlässt er die beaten tracks und setzt auf feine Düfte von grünen Äpfeln, Birnen, Limetten, tropischen Früchten, Nüssen und frisch gemähter Blumenwiese. Im Mund treffen wir diese Aromatik wieder, sie steigert sich jetzt zu einer von der knackigen, lässigen Säure gestützten, überaus schmackhaften Fruchtigkeit, die von Würze und ausgeprägter Mineralität begleitet wird. Im herrlich schmelzigen Abgang kommen Aromen und Frucht noch einmal deutlich zum Ausdruck und erhalten eine kräutrige Anmutung und eine feine Holzspitze. Alles hält sich in einem ordentlichen Gleichgewicht, aber nicht auf der weichgespülten Ebene, sondern mit flottem Drive, energischer Fülle und vitaler Spannkraft. Reichen Sie diesen selbstbewussten Silvaner nicht wie üblich zum Spargel, er hat einen Kalbsrücken mit Waldpilzen oder ein edles Gericht mit Krebsen verdient. Gerne legt er aber auch einen dann vielbewunderten Auftritt als Solist hin.
2021 St. Johanner Scheurebe trocken
In den Fünfzigern und Sechzigern wurde die Scheurebe, die im rheinhessischen Alzey in der Landesanstalt für Rebzüchtung, der Wirkungsstätte von Georg Scheu, gezüchtet wurde, gerne und reichlich lieblich ausgebaut. Inzwischen entdeckt man die exotischen Aromen der Weine eher in einem trockenen Ausbau, der die hohe Aromatik nicht in der Fruchtsüße untergehen lässt.
Diese Scheurebe ist bei den weißen Ortsweinen des Weinguts der einzige, der nicht aus Wolfsheimer Lagen stammt, sondern aus dem weiter östlich gelegenen Sankt Johann mit seinen Einzellagen Klostergarten Steinberg und Geyersberg sowie der Großlage Abtey. Hier kommt zum Kalkmergel vielfach auch Löss, leichter Lehmboden oder toniger Schluff hinzu. Die Rebstöcke des Weinguts wurden seinerzeit von Martinas Urgroßeltern angepflanzt und gehören damit zu den sogenannten alten Reben, die aus den hochkonzentrierten Trauben die Aromen nur so herausschleudern. Martinas Neuinterpretation einer trockenen Scheurebe mit einem eigenwilligen Ausbau im Holzfass ist gleichsam eine Symbiose aus Tradition und Moderne und verschafft tatsächlich ein ganz besonderes Scheurebe-Erlebnis.
Demgemäß flirtet der St. Johanner Scheurebe trocken mit Aromen exotischer Früchte, zu denen die hellgoldene Farbe im Glas gut passt. Mangos und Passionsfrüchte sind dabei, reife Williamsbirnen, und immer wieder nehmen wir duftige Johannisbeer-Noten wahr, Weiße und sogar etwas Schwarze Johannisbeere. Dazu gesellen sich ab und an feine schüchterne Lüftchen von Holz und Röstaromen. Im Mund verbreitet sich eine vielfältige Fruchtigkeit und eine überraschende, aber interessante und keineswegs aggressive Holzaromatik. Honigmelonen und Sternanis sitzen am Gaumen in der ersten Reihe. Die angenehme Säure unterstützt ein lebhaftes Finish. Der Wein präsentiert sich mit einem trocken-verspielten, dichten Körper, der sich aber nicht unflätig breit macht, sondern in die Tiefe geht und durch Frucht und eine enorme Saftigkeit punktet. Sie können diese trockene Scheurebe als weißen Überraschungsgast präsentieren, sie dürfte aber auch neben einem thailändischen Shrimp-Curry ein besonderes Gesprächsthema werden.
2020 Wolfsheimer Osterberg Riesling trocken
Bedankt hat er sich mit einer interessanten Holznote, die sich in der Nase, am Gaumen und im Finish immer wieder meldet, ohne übergriffig zu wirken. Das ist ein Ergebnis der glücklichen Hand des Teams Bernhard und nicht so einfach hinzubekommen, zumal jeder Weintrinker beansprucht, gut und oftmals besser zu wissen, wie ein Riesling zu schmecken hat. Glücklicherweise lassen sich Martina und Jörg nicht irritieren und entlocken aufgrund ihres handwerklichen Könnens mutig und experimentierfreudig mit einer individuellen, unverwechselbaren und höchst erfolgreichen Handschrift sowohl den Rebsorten ihre Eigenarten als auch dem Terroir sein Potential.
Der Wein duftet schon nach einigen Minuten Beatmung aus dem Glas kräftig nach Pfirsichen, reifen Birnen und Äpfeln mit einem entschwebenden Hauch von Zimt. Im Mund unterstützt die lebendige Riesling-Säure die feinsüßlichen, von Zitrus, Wildblütenhonig, Exotik und etwas Holz umhüllten Fruchtnuancen und lässt herrlich mineralische Anklänge durch. Das ist ein körper- und finessenreicher, tiefgründiger, eleganter Voll-Riesling, dem man im Abgang noch gerne und lange nachschmatzt. Er hebt abwechslungsreich einen mineralischen Aspekt hervor und imponiert zugleich mit seinem harmonischen, sanften und coolen Gesamteindruck. Belassen Sie bei der Wahl der passenden Speise diesem vorzüglichen Riesling seinen Charakter und erschrecken Sie ihn nicht mit den üblichen Verdächtigen. Erfreuen Sie sich und den Wein lieber einmal außerhalb des Protokolls mit einem edlen Hummercocktail auf Orangen-Chicoréesalat.
2024 Bormeo Verd Kabinett lieblich
Der 2024 Bormeo Verd ist im Weingut Bernhard ein Jungfernwein, der erstmals auf die Flasche kommt. Es war eine geniale Idee, den Wein gemäß der traditionellen historischen Verwendung der Rebsorte lieblich auszubauen.
Der Bormeo Verd Kabinett erfreut die Nase mit einem komplexen Aromenbündel voll vielfältiger Fruchtnuancen, vorneweg Maracuja und Papaya, dann kommen Weinbergspfirsiche, Zitrusfrüchte, Litschis, reife gelben Birnen und eine Spur Mandeln. Dazu erleben wir eine kleine, feine Würze und eine großartige Mineralität. Über die Zunge fließt eine herrlich süßliche Fülle, obwohl der Wein stets auf der spielerisch-transparenten Seite verbleibt. Extrovertiert drängeln sich Töne von Maracuja nach vorne in ein Bühnenbild mit vielfältigen tropischen Früchten und einem spritzigen Zitrusrahmen. Ihre Kraft erhält die saftige Frische dieses Weins aus dem feinen Säuregerüst, das den Wein weit weg vom Marmeladentopf hin zur eleganten Richtung eines edlen Burgunders führt. Seine saftige Fruchtfülle und die kernige Mineralität lassen uns im Finish noch lange nachschmatzen. Ein großartiger Wein, der Köpfe verdreht. Sie können sich mit ihm auf Entdeckertour begeben und irgendwo zwischen Riesling und Weißburgunder eine neue Dimension erforschen. Dieser Kabinett hat es sich verdient, im Mittelpunkt eines neugierigen Genusserlebnisses zu stehen und alle Sinne auf sich zu ziehen. Er begleitet aber auch gerne mexikanische Enchiladas oder einen altdeutschen Käsekuchen.
2018 Vendershelmer Sonnenberg Spätburgunder trocken
Die Trauben gärten im Keller zwei Wochen in traditionellen Bütten offen auf der Maische mit Bâtonnage, die sorgfältig manuell durchgeführt wurde, um insbesondere Temperaturunterschiede aufzuspüren und den Fortgang der Gärung zu kontrollieren und gegebenenfalls beides auszugleichen. Die Trauben wurden eine weitere Woche nachmazzeriert, damit der entstandene Alkohol noch mehr Aromen und Gerbstoffe aus der Schale extrahiert, was beim rheinhessischen Spätburgunder durchaus ein innovativer Ansatz ist. Der Wein reifte zwei Jahre in vorbelegten Barriquefässern.
Rubin- bis ziegelrot fließt der Spätburgunder mit flüchtigen Granatreflexen ins Glas. Seine facettenreichen Aromen strömen offensiv und lebendig in die Nase: Darunter sind Erdbeeren und Himbeeren aus dem Wald, Brombeeren, dunkle Kirschen und etwas Cassis plus ein kleiner Touch von Mokka und Vanille. Am Gaumen zeigt der Wein ordentlich Muskeln, bleibt aber mit einer freundlichen Säure und einer seidigen Textur der Tannine geschmeidig und lebendig, vor allem fruchtig. Wir nehmen geschmacklich intensiv dunkle und rote Beeren mit Mokka- und Schokotönen wahr, nicht plump, sondern immer mit ausgewogener Kraft. Im langen, schmelzigen Finish, das von Zedernuancen begleitet wird, kommt seine eindringliche kühle Mineralität ebenso zur Geltung wie die reifen Tannine, die dicht und intensiv, aber gut poliert sind.
Das ist ein Wein, der als Jahrgang 2018 erstaunlicherweise selbst Jahre nach der Abfüllung nicht unbedingt fertig ist. Ähnlich wie bei einem Barolo geht seine Entwicklung ausnahmsweise in der Flasche weiter und wird jedes Jahr den Eindruck deutlich verändern. Es wird immer ein vollmundiger, eleganter und komplexer Spätburgunder bleiben mit außerordentlichem Lagerungspotenzial, mit urwüchsiger Kraft und feinster Struktur, der selbstbewusst die Zunge streichelt. Diese, durch die Mineralität und die Vinifikation geprägte Finesse macht diesen Wein einzigartig. Erfreuen Sie sich und diesen spektakulären Spätburgunder mit einer aufregenden Verkostung unter Freundinnen und Freunden oder mit einem energischen Wildschweinbraten vom Grill oder aus dem Rohr.
Im Hörerlebnis stellt Martina Fazzi das Weingut, die Familie und ihre Ideen vom Weinmachen vor.
Fotos: © Ines Barwig/Weingut Bernhard
Flaschenfotos: © Weingut Bernhard
HÖRERLEBNIS mit Martina Fazzi auf der ProWein 2025