An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Die Bergsträsser Winzer eG – Vielfalt von der Hessischen Bergstraße
Am Rande des Odenwalds und westlich von Worms am Rhein liegt eines der kleinsten deutschen Weinanbaugebiete: die Hessische Bergstraße. Bis 1971 gehörte der nördliche Teil von Heppenheim bis Darmstadt zu Hessen, der südliche Teil bis Heidelberg zu Baden, zuvor war das Gebiet Teil der Kurpfalz. In dem nur 450 Hektar großen Weinanbaugebiet, das mit etwa 0,3% zur deutschen Weinproduktion beiträgt, gibt es noch immer viele kleine Winzerbetriebe, die traditionell im Nebenerwerb ihren Wein anbauen und oftmals auf die Hilfe professioneller Betriebe zurückgreifen, wenn es um die Ernte, den Kellerausbau oder das Abfüllen geht. Sehr verbreitet ist auch die Selbstvermarktung an Käufer aus der Umgebung. Zunehmend werden die Rebflächen aber von bedeutenden Berufswinzerbetrieben bewirtschaftet. Die größten Anbauflächen befinden sich zwischen Zwingenberg und Heppenheim in der Region Starkenburg, die ihren Namen von der über Heppenheim gelegenen Starkenburg hat. Die Region erstreckt sich vom Norden von Seeheim-Jugenheim und Alsbach bis zur Hessisch–Baden-Württembergischen Landesgrenze südlich von Heppenheim.
Die 470 Mitgliedswinzer bewirtschaften mit 260 Hektar rund 60 % der gesamten Anbaufläche des Gebiets. Die Weine kommen vor allem aus der Region Starkenburg, die drei Großlagen und 23 Einzellagen aufzuweisen hat – in 17 davon wachsen Weine der Bergsträsser Winzer. Die besten Lagen findet man in den zum Rheintal hin geneigten Hängen oft in größerer Höhe. Am Melibokus bei Zwingenberg, dem höchsten Berg der Region, sind die oberen Teile der Lagen terrassiert. Die Steillagen in dem zerklüfteten Gebiet machen den Anbau kostenintensiv, bieten aber auch die Chance herausragender Weine. Zu den Spitzenlagen der Bergsträsser Winzer eG gehören der Heppenheimer Steinkopf und Stemmler, Bensheimer Kalkgasse, Auerbacher Höllberg und Zwingenberger Steingeröll.
Die Hessische Bergstraße ist bekannt für ihre herausragenden Rieslinge. Die Weinberge der Mitgliedswinzer der Bergsträsser Winzer eG sind zur Hälfte mit Riesling bestückt gefolgt von 8% Müller-Thurgau (Rivaner), 9% Grauer Burgunder (Ruländer), 2% Silvaner sowie Kerner. Der Riesling findet mit seinen hohen Ansprüchen an das Terroir hervorragende Bedingungen in den Wärme speichernden, steinigen südwärts gerichteten Steillagen entlang der Bergstraße. Bei den roten Trauben überwiegt der Spätburgunder auf 49 Hektar (18%) der Gesamtrebfläche gefolgt von Saint Laurent, Dornfelder, Frühburgunder und Merlot.
Wie viele Genossenschaften in Württemberg oder Franken hält auch die hessische Bergsträsser Winzer eG ihre Winzer an, die Erkenntnisse des Mengen-Güte-Gesetzes schon in den Weinbergen umzusetzen und auf Klasse statt Masse zu setzen. Dazu dient ein rigoroser Rebschnitt, aber auch die kontinuierliche Überprüfung der Vegetations- und Rebenentwicklung in den Weinbergen, die zunehmend begrünt sind. Wo Wert auf Qualität gelegt wird, bemüht man sich, auch außerhalb der Steillagen von Hand zu lesen.
Über 85% der Weine werden dem Publikumsgeschmack gemäß trocken ausgebaut. Gleichwohl loben Weinkenner die berühmten Bergsträsser edelsüßen Weine von Auslese über die Trockenbeerenauslese bis zum Eiswein. Bei der „Spirit and Wine Competition“ in London gab es 1998 die Auszeichnung für den weltbesten Eiswein.
Wir konnten acht Weißweine und zwei Rotweine der Bergsträsser Winzer eG verkosten.
2011 Weißer Burgunder feinherb
Weißburgunder wird gewöhnlich gepflanzt, wo es dem Riesling zu heiß ist. Doch die Bergsträsser Winzer haben sich in den letzten Jahren davon überzeugt, dass der Weißburgunder generell wegen seiner gewissen Eleganz eine attraktive Rebsorte sein kann und haben ihn vorwiegend in Heppenheimer Lagen angepflanzt. Der 2011 Weißburgunder stammt aus der Bergsträsser Burgunderserie, deren Flaschen durch die Künstleretiketten auffallen. Im Glas blinzelt dieser frisch abgefüllte Weißburgunder mit zurückhaltend hellgelber Farbe. Sein Bouquet ist vornehm unaufdringlich, wir dringen gleichwohl vor zu Nuancen von Ananas, Haselnüssen und frischen grünen Äpfeln. Die leicht süßlichen Äpfel ergänzt durch zarte Aprikosen kommen am Gaumen herrlich fruchtig und leicht mineralisch umspielt an. Sie zappeln in sortentypisch dezenter, aber präsenter Säure, die dem Wein Eleganz und saftige Frische vermittelt. Der 2011 Weißburgunder ist auf 10° gekühlt ein universeller Frühlingswein mit Charakter, der auch zu anderen Jahreszeiten nicht schlapp macht. Besonders nicht, wenn sie ihn zu Spargel, Fisch, weißem Fleisch oder den üblichen Weißwein-Verdächtigen reichen. Probieren Sie ihn aber auch mal zu einem Bleu d’Auvergne.
Das Jahr 2010 nahm für die meisten Rieslinge der Hessischen Bergstraße angesichts der extremen Wetterschwankungen einen chaotischen Verlauf und führte dazu, dass sich die Säure vielfach erst im Oktober auf akzeptable Werte abbaute, so dass sehr spät geerntet wurde. Dem selbstverständlich im Edelstahl ausgebauten 2010 Heppenheimer Schlossberg Riesling Kabinett merkt man die Klimaprobleme des Jahres 2010 nicht an. Gelblich-grünlich im Glas entfalten sich verhaltene Apfel- und Pfirsichdüfte. Geschmacklich ist der Wein recht tough in der Säure, die wird aber von einer überzeugenden breiten Fruchtigkeit aufgefangen – Löß-Terroir sei Dank. Der Wein hat übrigens gleich zwei Auszeichnungen errungen: Gold gab es sowohl bei der Landesweinprämierung als auch bei Mundus vini. 2010 Heppenheimer Schlossberg Riesling Kabinett macht sich im Sommer gut im Garten, doch auch einem gegrillten Red Snapper würde ein Gläschen gut gefallen.
2010 Heppenheimer Maiberg Riesling Kabinett lieblich
Jetzt haben wir einen Wein zum Süffeln vor uns. Wer lieblich nicht scheut, hält sich den ganzen Abend an einer Flasche und vielleicht noch einer fest. Der Wein kommt aus einer Spitzenlage, in der Lehm und Löß mit Buntsandstein aufgefüllt sind und die nach Süden schaut. Herrlich mineralische Noten und ein kraftvoll fruchtig abgerundetes Säurespiel machen regelrecht Spaß. Auch Trocken-Trinker können sich dem Wein nicht verweigern, wenn Sie ihn mit einer nicht zu süßen Roten oder Gelben Grütze nach Berliner Tradition genießen.
2011 Heppenheimer Steinkopf Sauvignon Blanc trocken Terra Starkenburg
Schon der Weingelehrte John beschrieb 1842 den Steinkopf mit seinen nach Süden und Südwesten ausgerichteten Weinbergen als beste Heppenheimer Lage. Sie umfasst rund 17 Hektar und liegt immerhin rund 200 m hoch. Die Weinberge haben hier bis zu 50% Neigung. Viel gelbe und rote Sandsteine findet man über und unter der Erde, sie transportieren generell eine sanfte Mineralität in den Wein, so auch in diesen 2011 Sauvignon Blanc. Der lüftet sich mit pflanzlichen Noten, Stachelbeeren und Gemüsepaprika, umhüllt von gelben Zitrusfrüchten. Im Mund erleben wir eine leicht Zitrus-angehauchte pflanzliche, zuweilen erdige, zuweilen süßliche Fruchtigkeit. Die Säure ist klar, aber schon jetzt nicht mehr aufdringlich gegenüber der herrlichen Mineralität. Beides treibt die Frucht dieses Weines in einen extrovertierten Sauvignon Blanc-Abgang. Der 2011 Heppenheimer Steinkopf Sauvignon Blanc Terra Starkenburg schlürft sich gut zu Austern. Wenn Sie es ziviler mögen, ist er auch ein starker Kumpel zu einem Lauch-Quiche, mancherorts auch Porree genannt.
2010 Auerbacher Fürstenlager Riesling Spätlese feinherb Terra Starkenburg
Ebenfalls aus der Bergsträsser Linie Terra Starkenburg kommt diese feinherbe Spätlese. Das Auerbacher Fürstenlager ist eine Einzellage in der Großlage Auerbacher Rott. Seinen historischen Ursprung hatte die Einzellage in einem Hang hinter dem Herrenhaus im Fürstenlager, wo die Großherzöge von Hessen-Darmstadt einen Weinberg angepflanzt hatten. Der hellgelbe Wein duftet aromatisch nach Grapefruit, grünen Äpfeln und Limonen. Wenn Sie ihn in den Mund schlürfen, fällt sofort die herrliche Mineralität auf, die wir den Gesteinsverwitterungsböden Auerbachs zu verdanken haben. Hinzukommt eine wahnsinnige Fruchtigkeit, die einen nachhaltig frische Abgang garantiert. Das ist der passende Wein für ein bodenständiges Hühnerfrikassee oder einen Heilbutt, den Sie erst mit eingelegtem Sushi-Ingwer dicht belegen und dann dünsten sollten.
2011 Heppenheimer Steinkopf Chardonnay Spätlese trocken Terra Starkenburg
Noch ein Wein aus der Linie Terra Starkenburg. Wenn diese Linie ohnehin darauf ausgerichtet ist, das Terroir abzubilden, dann ist dieser Chardonnay einer der besten Profiler seiner Lage, die zu den Spitzenlagen an der Hessischen Bergstraße gehört. Immerhin zählt diese Rebsorte eher zu den Raritäten des Gebiets. Der Chardonnay leuchtet uns im Glas mit einem strohigen Gelb entgegen und zieht mit einer fruchtig-frischen Kräuterfahne in die Nase. Wir erschnüffeln aber auch die Melonen-, Papaya- und breite Stachelbeernuancen. Diese Spätlese tritt mit einer dichten, extraktreichen und doch lebendigen Frische auf. Früchte aus Südostasien und Walnüsse verwöhnen die Geschmacksknospen. Die kräftige Fruchtsäure verpasst dem Weine neben der Nachhaltigkeit eine überraschende Eleganz an Stelle der üblichen Stoffigkeit. Zeigen Sie Hummerschwänzen oder Krebsen lieber einen getoasteten Power-Chardonnay aus der Neuen Welt – der 2011 Heppenheimer Steinkopf Chardonnay Spätlese freut sich über eine feine Poularde mit Trüffelsauce oder über ein mild gewürztes Steinpilzgericht. Noch besser genießen Sie ihn gewissermaßen um seiner selbst Willen als ein frisches, fruchtige, starkes Bergstraßenerlebnis.
2010 Heppenheimer Stemmler Riesling Spätlese, trocken, Terra Starkenburg
Die gesamte Rebfläche dieser einzelnen Spitzenlage des großen Heppenheimer Schlossbergs beträgt ca. 105 ha und erstreckt sich rund um die Bergkuppe der „Hubenhecke“. Die Reben wachsen teilweise auf granithaltigem Untergrund mit Löß- und Lehmböden sowie Sand. Seine Aromen reichen von Kräutern und Pflanzen über frühreife Aprikosen bis zur Grapefruit. Über allem schwebt eine erstaunliche Mineralität und straffe Säure. Seine ausgeglichene Fruchtigkeit bezieht der Wein von den Heppenheimer Lößböden. Wir bemerken einen bunten Obstkorb im Mund unter anderem Pfirsiche, Himbeeren, Zitronen. Ein überzeugender Riesling mit solidem Abgang. Natürlich sollten sie zu diesem Riesling einen Fisch hinstellen, er darf durchaus einen kostbaren gedünsteten Seeteufel beanspruchen. Für Fleischliebhaber passt er hervorragend zu einem Wachtelgericht.
2010 Heppenheimer Schlossberg Grauburgunder Spätlese, trocken, Terra Starkenburg
Im Glas glitzert ein gut gemachter kraftvoller Aromatiker: Mandeln, Birne, Ananas und Zitrusfrüchte wirbeln in die Nase, dazu gibt es Töne aus dem Garten, etwa grüne Paprika oder grüne Bohnen. Geschmacklich schmilzt der Wein mit einem eingebundenen Säurekörper burgundermäßig weich und mild am Gaumen dahin. Wir schmecken süßliche, tropische Früchte, nussige, vegetabile Noten und genießen den schönen, langen Abgang. Gehen Sie mit diesem Grauburgunder mal raus aus der feinen Küche und servieren Sie ihn zu einer Berliner Erbsensuppe mit Würstchen oder ersetzen Sie mit ihm ganz mutig das Bier zum Berliner Eisbein mit Sauerkraut.
2009 Heppenheimer Schlossberg Spätburgunder trocken Terra Starkenburg
Jetzt sind wir bei den Rotweinen angekommen. Der hellrot purpurn im Glas stehende Spätburgunder aus der Großlage Schlossberg ist ein gut ausbalancierter, harmonischer und mit 14% Alkohol strammer Vertreter seiner Rebsorte. Er duftet würzig und rotbeerig und verrät seine Reifung im großen Holzfass. Im Mund schlängelt er sich mit einer leichten Holzwürze und einem gewissen Alkoholtupfer an Brombeeren und roten Johannisbeeren entlang. Die Tannine sind ordentlich zurechtgeschnitzt , so dass er schon jetzt Spaß macht, wobei seine solide Gerbsäure ihm noch ein langes Leben verspricht. Seine Kraft und Opulenz passen gut zu einem klassischen Osso bucco oder zu einem gebratenen Fasan. Auch dieser Wein hat gleich zwei Auszeichnungen bekommen: Gold gab es bei der Landesweinprämierung und Silber bei der International Wine Challenge in Wien.
2009 Cuvée Cabernet Sauvignon + Cabernet Mitos trocken Terra Starkenburg, im Barrique gereift
Dank der Farbkünste des Cabernet Mitos haben wir einen herrlich dunkelviolettroten Wein im Glas. Er strotzt mit einem üppigen Körper, bei dem der Cabernet Sauvignon geschmacklich dominant ist. Es entfaltet sich ein breites Bouquet aus vielfältigen dunklen Beeren wie Heidelbeeren, schwarzen Johannisbeeren und Brombeeren, dazu eine Prise Minze, ein Touch Veilchen und verheißungsvolle Barriquedüfte. Auch im Mund beeindrucken die feinen Barriquenoten und die kräftigen, aber gut ausgesteuerten Tannine, eingebunden in ein pikantes Säuregerüst. Das Cuvée zeigt eine aromatische Fruchtigkeit vor, angereichert mit Cassis und Paprika. Ein eindrucksvoller Wein, der komplex ist und Körper hat, ohne schwerlastig zu sein. Gönnen Sie sich zusammen mit einem Côte de Boeuf diesen Wein oder begleiten Sie damit einen weihnachtlichen Gänsebraten.
24.05.2012
alle Fotos: Copyright Bergsträsser Winzer eG
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Frühling an der Bergstraße
Cabernet Mitos
ist eine 1970 vorgestellte Rotwein-Neuzüchtung von Dr. Schleip aus der staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt in Weinsberg. Gekreuzt wurde Blauer Lemberger (Blaufränkisch) und Cabernet Sauvignon. 2001 hat das Bundessortenamt die Rebsorte in Deutschland zum Anbau zugelassen. Bei guter Winterhärte verlangt Cabernet Mitos warmes Klima und fruchtbare Böden. Er bevorzugt die besten Standorte und bringt meist nur geringe Erntemengen. Der Cabernet Mitos hat extrem kleine, blauschwarze Beeren, die nicht nur in der Schale, sondern auch im Saft eine bläulich-schwarze Farbe hervorbringen. Die Beeren werden sehr spät reif und es besteht die Gefahr der Schrumpfung bei Überreife. Da andererseits kaum die Gefahr der Botrytis besteht, könnten die Trauben gut zur Herstellung von Weinen des Amarone-Typs verwendet werden. Die dunklen Farbpigmente finden sich übrigens im gesamten Pflanzengewebe wieder, wodurch die Blätter der Rebe sehr früh leuchtend rot. Die Rebsorte wird in der Praxis gerne als tanninbetonter Cuvée-Partner eingesetzt.
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