An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Ankermühle im Rheingau
Im 14. Jahrhundert plätscherten am Elsterbach entlang der neun Kilometer von seiner Quelle im Rheingaugebirge bis zu seiner Mündung in den Rhein fünfzehn Mühlen. Über Jahrhunderte wurde die Ankermühle als Wassermühle zum Mahlen von Getreide betrieben, heute ist sie ein Weingut. Das liegt im Elsterbachtal in der Gemeinde Oestrich-Winkel inmitten von Weinbergen am Fuße des über dem Ort und in vielerlei Hinsicht auch sonst über dem deutschen Anbaugebiet Rheingau thronenden Schloss Johannisberg. Seit 1891 war die Wassermühle im Besitz der Familie Eiser, die den Weinbau erst nebenbei betrieb, seit 1928 den Winzerberuf dann in den Mittelpunkt stellte. Axel Eiser verkaufte den Betrieb 2008 an Birgit Hüttner, eine Oberschwäbin vom Bodensee, die das Weingut zusammen mit dem Betriebsleiter Jörn Goziewski leitet, der einst in Thüringen Rennsportler war und erfolgreich Geisenheim absolviert hat.
Der Betrieb bewirtschaftet fünf Hektar Rebfläche in den besten Rheingauer Einzellagen Schönhell, Jungfer, Würzgarten (Hallgarten), Hölle und Klaus (Johannisberg) sowie Hasensprung und Jesuitengarten (Winkel). Zu 80% baut man hier Riesling an, die übrige Fläche ist mit Spätburgunder bestockt.
Das zum Weingut gehörende Gutsrestaurant wurde 2009 komplett renoviert und präsentiert sich seitdem hell und mit freundlichen Pastelltönen modern eingerichtet neben dem Fachwerk der Ankermühle. Hier wird nach Slow Food Kriterien gekocht. Überwiegend bietet man eine ganzheitliche Heimatküche mit regionalen Produkten, bei der fast vergessene Traditionen und Gerichte sowie alte Gemüse und Obstsorten im Mittelpunkt stehen.
Wir konnten vier Gutsweine als Basisweine des Weinguts und einen der sieben Lagenweine verkosten. Die Ankermühle-Weine sind übrigens alle durch Namen gekennzeichnet, die an eine gewisse Bibelfestigkeit der Kundschaft appellieren, die sich dann mit Leichtigkeit an Weine und Sekte wie Joseph, Maria, Gabriel, Luzifer, Adam usw. erinnern dürfte. Der andere Teil der Kundschaft muss mit den profanen Sorten wie Liebling oder Hase oder Klaus auskommen.
Das Preis-Leistungsverhältnis ist bei den Gutsweinen, die maximal 10 € kosten, überragend. Die Lagenweine fangen bei rund 10 € und die Winzersekte bei rund 15 € an.
Josef 2011 Riesling trocken
Der komplett im Edelstahl ausgebaute und im letzten März abgefüllte Einstiegswein ist als universeller Klassiker für Trockentrinker konzipiert. Er duftet nach Garten, Äpfeln und Zitronen. Im Mund kommt er dann doch eher süffig-fruchtig mit einer leichten Hefenote und vorsichtiger Mineralität rüber – keine Angst also vor einem knochentrockenen Riesling des Typs 2010. Joseph ist der etwas unkonventionelle Wein, der selbst für Weinmotzer jederzeit und überall aus dem Kühlschrank oder dem Picknickkorb geholt werden kann – und zwar noch in diesem Sommer.
Gabriel 2010 Riesling trocken
Der Erzengel hat schon mehr zu bieten als der Tropfen des Zimmermännchens Joseph. Er stammt aus dem schwierigen und säuretriefenden Jahrgang 2010. Was Jörn Goziewski eine „Spielerei“ nennt, hat die Säurekatastrophe 2010 ganz gut in 12 Volumenprozent Alkohol hinübergerettet, nämlich der geniale Ausbau zur Hälfte im Edelstahl und zur Hälfte im Holzfass und eine leichte Filtration, aber wohl keine Entsäuerung. Ein vegetabiler, feinwürziger Duft mit Zitrus und Kräutern entsteigt dem Glas. Überraschender Weise haben wir geschmacklich keineswegs mit einem Säuretier zu kämpfen, vielmehr sind die 8,5g/l Säure fein in die 7,3 g/l Restzucker verpackt und von einer gewissen Komplexität getoppt. Dabei kommen neben Ananas und grünem Gras sogar süßliche Karamellnoten raus, die dem Wein und den Säure- und Mineralik-gestützten Abgang cremig dahinschmelzen lassen.
Maria 2011 Riesling feinherb
Hier kommt ein ordentlicher Rheingau-Riesling aus der vorderen Qualitätsreihe. Er entwickelt die klassischen Zitrus-Pfirsich-Aromen mit herrlichen mineralischem Duft- und Geschmacksspiel. Marias Frucht erschlägt nicht, obwohl sich der Restzucker gegenüber dem Erzengel verdoppelt hat, womit es Maria gelingt, die markante Säure zu kaschieren. Am Gaumen kommen wieder Zitrus und Pfirsiche an, schlank, aber in bestem Saft mit etwas Pflanzengrün und frisch-fröhlicher „Rest-Säure“. Lassen Sie sich den lauen Sommerabend auf der Terrasse von dem seriösen Riesling-Klassiker Maria verschönern.
Liebling 1011 Spätburgunder Rosé
Neben dem Edelstahl hat Liebling sogar das Barrique genossen, so wie es alter Tradition im Rheingau entsprach, im Halbstückfass auszubauen. Er sieht so rosé aus wie man es von einem Rosé erwartet und schmeckt angenehmer Weise auch nach etwas Rotem: Erdbeeren sind es bei diesem Sommergenuss, abgerundet mit würzigen Röstnoten, einer Prise Muskat, einem Schuss Sahne und einer spaßigen Säurefrische, die ansprechend harmonisch integriert ist. Wechseln Sie auf der Terrasse ganz einfach mit Maria und Liebling zwischen feinherben und rosigen Abenden.
Schönhell 2009 Hallgartener Schönhell Spätlese feinherb
Ein Wein, der aus der insgesamt 58 Hektar großen Einzellage Schönhell der Ortschaft Hallgarten am Rand des Taunusgebirges kommt. Die Vinifikation erfolgte im Holzfass mit Spontanvergärung. Er imponiert – abgesehen von seinen 14% Alkohol – vor allem mit einem fruchtigen Bouquet aus Charente-Melone sowie tropischen Rambutan- und Passionsfrüchten. Am Gaumen ist er nicht wuchtig, sondern trotz seines Alkoholgerüsts erstaunlich ausgewogen mit fruchtiger Süße, Kräutern und Säure. Lassen Sie ihn einen abgelagerten Blauschimmelkäse begleiten oder ein pikantes chinesisches Schweinefleischgericht im Jiangsu-Stil.
29. Juni 2012
alle Fotos: Copyright Ankermühle
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