An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Ökologisch im Weinberg und im Keller: Goldenits‘ Weingut im Burgenland
Nur rund 5 km sind es Richtung Osten bis zur ungarischen Grenze und rund 10 km Richtung Westen zum Neusiedlersee, so liegt der kleine burgenländische Weinanbauort Tadten im österreichischen Burgenland. In Tadten, in der „Oberen Hauptstraße“, haben Anita und Richard Goldenits ihr Weingut.
Es existiert schon seit 1899. Noch die zweite Generation mit Susanne und Paul Goldenits führte einen gemischtlandwirtschaftlichen Betrieb, was der Tradition des Burgenlands entsprach. Erst die dritte Generation, Edeltraud und Richard Goldenits, beschränkte den Betrieb auf den Weinbau.
Anita und Richard Goldenits übernahmen das Weingut 2001 in vierter Familiengeneration. Sechs Jahre später begannen sie mit der Umstellung auf den biologischen Anbau, in der Überzeugung, die Grundlage für Weine zu legen, die Ihre Herkunft und ihr terroir auf natürliche Weise erlebbar machen. Hinzu kamen die Neugier und der Ehrgeiz, sich auf die neue Art der nachhaltigen Landwirtschaft und des nachhaltigen Weinbaus einzulassen und aus dem Lesegut nach den Gesichtspunkten der biologischen Kellerwirtschaft neue Charaktere herauszubilden.
Die biologische Ausrichtung des Weinguts erfordert besonders schonende Techniken im Weinberg und im Keller. Das fängt zum Beispiel mit dem Rebschnitt im Winter an und geht über die Triebreduktion im Frühjahr bis zur umweltschonenden Tropfbewässerung während der Vegetationszeit. Die qualitätssteigernde Ertragsreduktion erfordert eine rechtzeitige Trieb- und später Traubenausdünnung. Bei den Goldenits wird in großen Kisten geerntet, um äußerst schonend mit dem Lesegut umzugehen, bevor es im Betriebsablauf an die nächste Station übergeben wird. Das streckt bei Weißweintrauben die Oxidation, und lässt bei den roten die Beerenhaut unverletzt, was die Maische erfreut. Im Keller landen weiße und rote Trauben gleichermaßen in computergesteuerten Edelstahl-Gärtanks, die gekühlt und geheizt werden können. Bei Rotwein wird nach der Beschreibung des Weinguts zusätzlich die Maische überflutet, um eine schonende Farb- und Gerbstoffauslaugung zu erhalten. Anschließend wird der biologische Säureabbau durchgeführt.
Mit dem Biologischen haben sich der Weinbauingenieur und Önologe Richard und seine Ehefrau nicht im ideologischen Tunnelblick festgefahren, sondern versucht, ein modernes Weingut einzurichten, in dem auch die Traditionen nicht zu kurz kommen. Die generelle Modernisierung des Betriebs ist in einem neuen Barriquelager und einem neuen Verkostungsraum zu besichtigen, nicht zuletzt aber auch im geänderten und einheitlichen Design der Etiketten und der Ausrichtung der Linien nach Art der Qualitätspyramide.
Man ist mit den etwa 15 Hektar Rebfläche relativ bescheiden geblieben, lieber 15 Hektar Qualität als die doppelte Fläche mit charakterloser Masse. Ohnehin stellen 15 Hektar im Burgenland, wo es noch 1-Hektar-Kleinstbetriebe gibt, schon einen mittelgroßen Betrieb dar. Die eigenen Rebstöcke des Weinguts stehen in den Rieden (vergleichbar den Einzellagen) Hutweide-Winkel, Oberzick und Unterjoch. Die Goldenits wollen dem Flächenwachstum auch keinen absoluten Vorrang einräumen, weil sie mit Stolz, Selbstbewusstsein und mit aller Konsequenz das Weingut als echten Familienbetrieb führen. Dazu gehören auch die Töchter Sarah und Christina, die sich im Idealfall dem familiären Weinreich zuwenden werden. Die betrieblichen Familienfotos jedenfalls verströmen Harmonie, sowohl im Generationenaustausch als auch im Verhältnis zur familiären Existenzgrundlage.
Bei der Vielseitigkeit der Rebsorten sind Anita und Richard Goldenits geblieben: Sie bringen als weiße Trauben Welschriesling, Sauvignon Blanc, Chardonnay, Muskat Ottonel, Goldburger, Sämling 88 – bei uns Scheurebe genannt – und als rote Trauben Blauen Zweigelt, Blaufränkisch, St. Laurent und Cabernet Sauvignon auf die rund 60.000 Flaschen Jahresproduktion.
Dass das Sortiment nach wie vor ein bemerkenswertes Preisleistungsverhältnis bietet, gehört wie bei vielen Familienbetrieben zur Philosophie und erlaubt den Goldenits, sich weiter an der Lust des Weinmachens auszutoben. Damit bleiben sie sich selbst eher verbunden als die Überflieger, die schon die ersten bedeutenden Auszeichnungen zum Anlass nehmen, nicht nur beim Preis abzuheben. Jene leiden dann unter dem nationalen oder sogar internationalen Rechtfertigungsdruck jedes neuen Jahrgangs, anstatt mit der Kreativität spielen zu können. Lieber haben sich die Goldenits einen verlässlichen Kundenstamm geschaffen und stehen auf vielen Weinkarten renommierter Restaurants und Hotels. Sie haben erkannt, dass raisonable Preise einerseits den Umsatz, andererseits die Zufriedenheit der Kunden und die Bekanntheit ihres Weinguts fördern. Dass ihre Weine im Weinmagazin Falstaff inzwischen sämtlich mit 92 oder 91 Punkten versehen sind, hat zu Recht Stolz und Freude für die Bestätigung ihres Qualitätsstrebens ausgelöst und keine eitle Überheblichkeit, geschweige denn einen Preiszuschlag.
Die Tradition und der Erfolg des Weinguts Goldenits über mehr als hundert Jahre profitiert vom besonderen pannonischen, subkontinentalen Klima im östlichsten Teil Österreichs mit trockenwarmem, oftmals heißen Sommern und überwiegend mäßig kalten, schneearmen Wintern. Der Herbst ist lang und mild, was die Reben besonders mögen. Der Neusiedlersee mit seiner riesigen Wasseroberfläche beeinflusst das Klima in Richtung südländischer Milde und langer Sonnenscheindauer, was den maritimem Verhältnissen der französischen Medoc-Region ähnelt. Gerade der Seewinkel gehört zu den Teilen des Burgenlands, das sich in der höchsten Sonnenscheindauer sonnt. Andererseits bekommt das Gebiet in östlicher Nähe des Neusiedlersees genügend Portionen Niederschlag ab, um die Trauben mit dem vollen, sortengerechten Volumen auszustatten. Die schwüle Feuchtigkeit im Seewinkel begünstigt schließlich die Bildung der Edelfäule (Botrytis) und damit den Ausbau edelsüßer Weine.
Pannonisches Klima
Die Bezeichnung „pannonisch“ kursiert im Burgenland als vielfältige geografische Bezeichnung und taucht beispielsweise auf in „pannonisches Flachland“, „pannonisches Meer“, „pannonisches Einbruchsbecken“ usw.. In der Welt des Weins ist das pannonische Klima der Glücksfall für die Weine des Burgenlands.
Was heißt „pannonisch“? Die Bezeichnung wird zurückgeführt auf die Römer. Pannonia hieß von 9 bis 433 n. Chr. die Provinz des Römischen Reichs, wo das Volk der Pannonier lebte und zu der unter anderem das Burgenland gehörte. Nach den Römern kamen übrigens die Hunnen und dann die Langobarden.
Das Pannonische Tief- und Hügelland, zu dem Teile des Burgenlands, insbesondere der Seewinkel, gerechnet werden, ist die zweitgrößte österreichische Leitlandschaft, nach den Alpen selbstverständlich. Das für den Weinbau so wichtige pannonische Klima zeichnet sich durch sommerliche und winterliche Trockenheit und kontinentale Mäßigung aus.
Das terroir, auf dem die Goldenits ihre Rebstöcke zu stehen haben und das den Charakter ihrer Weine bestimmt, besteht hauptsächlich aus schotterartigen Sedimentgesteinen, die je nach Lage von sandig-lehmigen bis lößigen Böden überlagert sind und kalkreich sein können. Dort liefert das terroir einen ordentlichen Schuss Mineralität, die man beim Weinausbau tunlichst erhalten sollte.
Wir haben uns auf dem Workshop „Zweigelt, Blaufränkisch und Cuvées“ 2013 in Berlin für die Weine der Familie Goldenits begeistert und konnten anschließend einen Weißwein und fünf Rotweine verkosten.
Muscat Ottonel 2012
Die gelbgrüne Farbe der Trauben funkelt auch im Glas, wobei der Schimmer zusätzlich an weißgoldenen Schmuck erinnert. Das Bukett powert in der Nase erstaunlich vielschichtig und intensiv. Neben den Muskatrichtungen bilden Blumen den Duftrahmen, weiße Rosen, blaue Veilchen, weiße Hyazinthen. Im Mund bekommen die Blümchenaromen noch eins drauf, wir bleiben bei der Muskatnuss und spüren am Gaumen Würze und Grapefruit. Über allem schwebt eine markante Mineralität, die das Säuregerüst auf Abstand hält und dem Wein ein herrliches Suchtpotential beim Konsumenten verschafft. Ein universeller Gute-Laune-Wein, mit dem Sie sich zu einem festlichen Anlass per Aperitif einstimmen können. Er macht sich aber auch klassisch zu einem edlen Bachsaiblingsfilet an Gurkenschaum oder ganz verwegen und garantiert original österreichisch zu einer Linzer Torte.
Blauer Zweigelt SELECT 2012
Die Zweigelt-Rebe ist einst von der österreichischen Bundeslehranstalt in Klosterneuburg gezüchtet worden als Kreuzung zwischen Blaufränkisch und St. Laurent. Der Zweigelt ist heute gleichsam die Hausrebsorte der Region Neusiedlersee, wo er die leichten Böden und das pannonische Klima mag. Der Blaue Zweigelt SELECT 2012 schaukelt dunkelrubin im Glas und blitzt wie Granatschmuck mit lila Rändern. Schon im Glas erfreuen wir uns am Duft reifer Hedelfinger Kirschen und Cassis. Wir schnuppern daneben Kräuter und Gewürze, und ab und zu zieht ein Kirschlüftchen in die Nase. Schon der erste Schluck transportiert auch diese Aromen an den Gaumen, dazu Brombeeren und Heidelbeeren plus deutliche, aber elegant eingebundene Holzaromen aus einer einjährigen Fasslagerung. Der Wein ist harmonisch süffig und erstaunlich komplex. Er hat mit 14 Volumenprozent Alkohol ein ordentliches standing in den Punkten Mineralik, Tannine und integrierte Säure. Das verschafft ihm einen schönen, langen, kirsch-aromatischen Abgang.
Blaufränkisch Prädium 2011
St. Laurent Prädium 2010
Während in Deutschland der Anbau der nur bei rigoroser Ertragsreduzierung hochwertigen Rebsorte St. Laurent zurückgeht, hat er in Österreich vor allem im Burgenland und in der Thermenregion in den letzten Jahren einen gewissen Boom erlebt. Beim St. Laurent müssen die Winzer zumeist alljährlich um den Ertrag zittern. Die Goldenits sehen das aber bestimmt cooler, weil sie ihm ein kuschliges Mikroklima und einen freundlichen Boden bieten können. Im Glas zeigt der St. Laurent eine kräftig karminrote Transparenz. Wir erschnüffeln ein zartherbes Weichselbukett, aufgehellt von Holunderblüten. Geschmacklich werden wir nicht enttäuscht: Sortentypisch kommen am Gaumen die Sauerkirschen an, Typ Morellenfeuer. Wir spüren aber auch einige rote Johannisbeeren und sogar Brombeeren auf. Der solide Extrakt mit der fröhlichen Säure des Jahrgangs 2010 gibt dem Wein eine für einen St. Laurent nicht selbstverständliche Substanz. Der frisch-säuerliche Kirscheinschlag des Prädium 2010 stellt die Rebe perfekt dar, man sollte im Blaufränkisch-Wein nicht ständig nach der Pinot-Typik der Rebsorte suchen. Noch das Wort zur Speise: Wie wäre es zum St. Laurent denn mit kräftig gewürzten Weinbergschnecken oder einem schnöden, aber leckeren Käsefondue?
Blauer Zweigelt Neusiedlersee DAC Reserve 2011
Wir haben einen Wein in Dunkelpurpur im Glas, der sich mit süßlich-mineralischer Kirschfrucht bemerkbar macht. Im Mund genießen wir natürlich die fruchtbetonte Kirschstilistik, die mit Brombeeren und Holunder abgerundet ist. Die Würze und gewisse Mineralität sind feinsinnig kombiniert mit angemessenen Tanninen. Saftig, fruchtig, strukturiert fällt uns ein, ein langes fruchtschmelziges, tanningestütztes Finish bleibt noch lange am Gaumen schmeckbar. Dass der Reserve selbstverständlich im Barrique gut geholzt wurde, drängt nicht in den Vordergrund, sondern verbindet sich vollendet mit dem Fruchtkontrast. Insofern möchten wir dem Wein gerne ein Eleganz-Prädikat bescheinigen. Nebenbei gesagt, dürfte dieser Wein auch noch 2020 eine gute Figur im Keller und in Nase und Mund machen. Das ist der ordentliche Tropfen zu einem solide aufbereiteten Rinderschmorbraten oder der eindrucksvolle Tropfen zu edlen Lammlachsen oder der wilde Tropfen zu einem gebratenen Karpfenfilet, idealer Weise mit Zweigeltsoße.
Best of '09
Der Name sagt es ja schon, alles war raus musste aus dem Jahrgang 09, ist in dieser Flasche. Denkste, alles, was 09 gut war, wurde hier cuviert. Nämlich Zweigelt, Syrah und Cabernet Sauvignon. Deshalb funkelt es auch granatschmuckartig im Glas mit Rubinblitzen. In die Nase drängen sich reife schwarze Johannisbeeren. Wir schmecken herrliche Aromen von reifen Pflaumen und herzigen Kirschen, etwas Nougat, etwas Kaffee arabica, einige Kokosfasern. Der Wein ist muskulös mit einem ausgewogenen Körper, aber erstaunlich samtig, seine Fruchtkraft hält die Tannine gut in Schach. Ein richtig leckerer Saft. Ein gigantisches Porterhouse-Steak wäre schwer beeindruckt von dem Best of 09.
22.03.2014
Foto: © Manfred Kaufmann, A-7162 Tadten, Angergasse 16
Flaschen-Fotos: © D. Rosenbaum