An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Vielfalt im Remstal: Das Weingut Dobler in Württemberg
War es der Eiswein oder der Sauvignon Blanc? Egal. Mit beiden ist das Weingut Dobler endlich bundesweit auffällig geworden. Ist ja auch nicht einfach, sich in einer Region zu behaupten, in der noch immer die Genossenschaften das traditionelle Sagen haben; hier, im Remstal, eine der bekanntesten Weinlandschaften in Württemberg.
Bei lediglich 10 Prozent der Anbaufläche sind im Remstal 45 Prozent der baden-württembergischen Spitzenbetriebe zu Hause. Von den 780 Hektar Rebfläche im Remstal wird der überwiegende Teil in Feierabendarbeit bewirtschaftet; die Nebenerwerbswinzer sind in der Regel in einer der beiden großen Genossenschaften Remstalkellerei oder den Fellbacher Weingärtnern organisiert.
Heißt es doch auch heute noch: Württemberg ist Genossenschaftsland. Wohl wahr, denn immerhin werden rund 74% des Anbaugebiets von Genossenschaften mit über 15.000 Mitgliedern bewirtschaftet. Natürlich ist es ein Erfolgsmodell, das auch kleinen Betrieben die Existenz sichert. Doch wer es schafft, seinen Weinanbau und die Vermarktung auf die eigenen Füße eines Weinguts zu stellen, hat in Württemberg und auch im Remstal allerbeste Chancen, mit großen Weinen die Weinwerbung zu bestätigen: „Kenner trinken Württemberg“. Und tatsächlich gibt es im Remstal einige Winzer, die mit herausragenden Qualitäten aus dem Angebot des deutschen Weins nicht mehr wegzudenken sind.
In der Großen Kreisstadt Weinstadt liegt der Stadtteil und frühere Gemeinde Beutelsbach. Hier residiert nicht nur mit der Remstalkellerei eine der größten deutschen Winzergenossenschaften, sondern hier, in der Eberhardstraße, ist auch der traditionelle Sitz der Weingärtnerfamilie Dobler mit ihrem Weingut. Was Tradition und Geschichte angehen, so hat Familie Dobler weniger eine Beziehung zu Johann Conrad Wölflin, dem hier im 18. Jahrhundert aufgewachsenen Urgroßvater in sechster Generation von Präsident Obama, aber immerhin tragen ein Rotweincuvée und ein Schillerwein den Namen „Armer Conrad“ – so nannte sich ein Bürger- und Bauernbündnis, das hier 1514 den Aufstand probte.
Das Weingut Dobler bewirtschaftet rund 7 Hektar Rebfläche. Dort wächst eine schier unglaubliche Vielzahl von Rebsorten, was in Württemberg nicht total selten, aber grundsätzlich weniger ausgeprägt als etwa in der Pfalz ist. Bei den Doblers stehen in den Weinbergen als weiße Rebsorten Riesling, Kerner, Silvaner, Sauvignon Blanc, Weißburgunder, Chardonnay, Muskateller, Müller-Thurgau, Muscaris, und als Rote neben dem obligatorischen Trollinger der Lemberger, Dornfelder, Schwarzriesling, Muskat Trollinger, Spätburgunder, Merlot, Syrah, Cabernet Sauvignon, Cabernet Mitos, Frühburgunder, Zweigelt, Regent, Cabernet Cortis und Cabernet Cubin.
Die betriebliche Einbindung von Sohn und Tochter, die beide im Winzerberuf ausgebildet sind, und deren Lust, die erlernten und in den Praktika erfahrenen neuen Ideen im Weinbau einzubringen, haben im Weinberg und im Keller der Doblers einiges verändert: Man setzt absolut auf Qualität und stellt sich konsequent auf all die kleinen und großen Notwendigkeiten sowohl draußen wie drinnen ein.
Im Keller geht es weiter mit den neumodischen Wohltätigkeiten wie stressfreier Behandlung der Trauben, endlos langem Hefe-Rendezvous oder dem Angebot von Edelstahl, großem Holz oder gerne auch kleinem Barrique. Weiß wird in den kühlen Morgenstunden gelesen und lange auf der Maische belassen, um alle Aromen der Trauben mitzunehmen. Rot wird komplett auf der Maische vergoren. Damit folgt man glücklicherweise nicht der unschönen württemberger Tradition, den Most zusammen mit den Schalen zu erhitzen, um aus den Beeren noch die letzten Farb- und Extraktstoffe herauszukitzeln, und anschließend die Maische abzupressen und nur noch den Most zu vergären. Diese Methode stammt aus hoffentlich vergangenen Zeiten der flinken Massenproduktion, für die vor allem der als Qualitätsmörder verrufene Trollinger stand.
Die Weine vom Weingut Dobler werden ausschließlich als Gutsweine in einem sterngeschmückten Qualitätssystem ausgebaut. Die Basis bilden mit einem Stern die Standardweine, wie z.B. Trollinger oder Riesling. Zwei Sterne tragen die gehobenen Weine mit einem Ertragsniveau um die 60 hl/ha: Chardonnay, Lemberger oder Muskateller. Die besten Gewächse tragen drei Sterne oder werden im kleinen Eichenfass zu hochwertigen Barriques ausgebaut und als solche gekennzeichnet. Hier liegt der Ertrag unter 40 hl/ha: Es sind aktuell Merlot, Spätburgunder oder Zweigelt.
Den bisher größten Erfolg hat das Weingut Dobler mit dem Muskat Trollinger Eiswein 2011 auf der Berliner Wein Trophy errungen: Unter den 5.000 eingereichten Weinen wurden nur acht mit Großen Goldmedaillen geehrt. Der Muskat Trollinger Eiswein 2011 errang „Berliner Großes Gold“. Den Muskat Trollinger haben die Doblers im Dezember 2011 in den frühen Morgenstunden mühsam bei minus 8°C mit 135° Öchsle geerntet, mit einer Gesamtmenge von nur 120 Litern. 2012 erreichten auf der Berliner Wein Trophy übrigens der 2012er Syrah 2 Stern die Gold-Auszeichnung und 2013 der 2013er Chardonnay 2 Stern die Silbermedaille.
In Eisweinen sind die Doblers sensationell leistungsstark und qualitativ vorne. Während immer weniger Winzer das Risiko eingehen, die Trauben hängen zu lassen und auf Hoffnung der notwendigen Wetterkonstellation setzen, drängeln sich auf der aktuellen Weinkarte des Weinguts Dobler tatsächlich fünf Eisweine, eine Trockenbeerenauslese und eine Beerenauslese. Das sind keineswegs die üblichen Eiswein-Rieslinge, sondern neben dem Muskat Trollinger noch Lemberger, Cabernet Cubin, Früh- und Spätburgunder oder Kerner. Selten haben wir ein Weingut kennen gelernt, das so viele edle edelsüße Raritäten offeriert.
Es fängt schon damit an, dass unten im Tal die Reben überwiegend auf Gipskeuper stehen, während mit zunehmender Höhe feiner Schilfsandstein und der dunkelrotbraune, kalkige Bunte Mergel vorherrschen. Dabei schummelt sich oft noch eine feldspatreiche Kieselsandsteinschicht dazwischen. Ganz oben ist der Boden mit Stubensandstein bedeckt. Der heißt übrigens so, weil die Schwaben ihn früher als Fegesand beim Kehren im Haus benutzten. Die einzigartige Schichtung der Keuperverwitterungsstufen wird übrigens „Stuttgart-Folge“ genannt. Keuperböden mit dem hohen Gehalt an Kalk und Ton haben für die Winzer immer eine gute und schlechte Nachricht. Die gute ist der verlässliche Mineralgehalt, die schlechte ist die hohe Neigung zur Verdichtung einerseits und andererseits die gering ausgeprägte Fähigkeit, Wasser und Luft zu halten. Als Trost bietet das Remstal ein überdurchschnittlich mildes Mikroklima, insbesondere in den vielen geschützten Hanglagen und Seitentälern.
Im Weingut Dobler findet man außer den 48 gelisteten Weinen auch urig-schwäbische Gemütlichkeit vor. In der Besenwirtschaft werden gut bürgerliche, saisonale Gerichte mit täglich wechselnden Tagesessen serviert, häufig als regionale Speisen, wie Grünspargel aus eigenem Anbau. Natürlich können Sie sich auch zu einer fachlich kommentierten Weinprobe mit selbstgebackenem Brot, Salzkuchen und Käse im rustikalen Probierstüble anmelden. Wer gerne als Gruppe einfallen möchte, sollte gleich ein komplettes Essen buchen und selbstverständlich bei den Doblers nächtigen, zumal man es bei dem Angebot außerordentlicher Weine schwerlich noch woanders hin schaffen würde. Es gibt im Weingut drei neu ausgestattete Doppelzimmer und zwei geräumige Ferienwohnungen. Anlass zum Aufenthalt könnte auch die Teilnahme an einem 5-Gang-Menü sein, das die Familie neuerdings zu festen Terminen anbietet.
Wir konnten sechs Weine des Weinguts Dobler verkosten.
2013 Riesling trocken
2014 Muskat Trollinger Weissherbst
2014 Lemberger trocken
2014 Cuvée SC im Holzfass gereift
Das Weingut Dobler hat den Cabernet Blanc nicht nur an- und ausgebaut, sondern gleichsam experimentell in einer hochinteressanten Cuvée mit Sauvignon Blanc zusammengeführt und zwar im großen Holzfass. Das ist ebenso naheliegend wie spektakulär, weil die beiden Rebsorten aromatisch und geschmacklich nahe beieinander liegen und eine Vermählung ein spannendes Erlebnis ist.
Im Glas schimmert der Wein in einem deutlich hellen Strohgelb. Schwaden von kräftigen Aromen wollen heraus aus dem Glas in die neugierige Nase. Ganz klar, mit der Würzigkeit, den Kräutern, den Stachelbeeren schiebt sich er Sauvignon Blanc nach vorne, die weißen Johannisbeeren, die Zitrusfrüchte und vor allem die Paprikaspuren gehen auf das Konto des Cabernet Blanc. Eine sehr duftige Aromen-Kombination aus Frucht, Kräutern und feinen Holznuancen. Im Mund wird der Wein dann zum Geschmacksliebling. Ausschlaggebend dafür sind nicht einmal die interessanten Begegnungen mit den einzelnen Noten und Richtungen wie grüne Äpfel, grüne Paprika, frisches grünes Gras, Kiwis oder Litschis. Vielmehr überzeugt der kraftvolle Gesamteindruck eines abgerundeten und überaus extraktreichen, dichten und fülligen Weins. Der 2014 Cuvée SC hat Würze, Energie, Mineralik und eine im Holz gut abgestimmte Säure, die Frische und Klarheit vermittelt. Ein Wein, der am Gaumen und in der Erinnerung noch lange nachhallt. Genießen Sie ihn als Solisten oder zu einem vorsichtig thailändisch gewürzten Zitronenhähnchen.
2011 Merlot Barrique
2011 Cabernet Sauvignon im Barrique gereift
22.12.2015
Fotos © Weingut Dobler
Flaschenfotos © D.R.
Beutelsbacher Weinberge
Markus Dobler mit Sohn Andreas