An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
300 Jahre Chianti: Top-Weine aus dem Chianti Classico
Die traumhafte Landschaft des Chianti Classico strömt eine romantische Harmonie aus: Sanfte Hügel mit Rebstöcken und Olivenhainen, kleine gut erhaltene mittelalterliche Dörfer und Pfarrkirchen, Straßen und Plätze in den Städten der Kunst, wie Siena, San Gimignano oder Pienza. Die Köstlichkeiten der Gastronomie werden von edlen Weinen umrahmt. Das Chianti Classico ist ein Reiseziel für Entdecker und Genießer.
Es war vor 300 Jahren, als Großherzog Cosimo III. von Medici, ein berühmter Weinkenner, am 24. September 1716 das Gebiet des Chianti als eine der Zonen für die Erzeugung hochwertiger Weine in der Toskana umgrenzte, definierte und damit das erste geschützte Weinanbaugebiet der Welt festlegte. In den 1870er Jahren legte der adlige Staatsmann Bettino Ricasoli die einfache, hauptsächlich auf Sangiovese-Trauben basierte Formel für den Chianti fest. 1924 wurde das Konsortium zur Überwachung der Regularien gegründet, das 1932 den Zusatz Classico einführte und damit das Gebiet zwischen Florenz und Siena als eigene Produktionszone eingrenzte. Allein die hier erzeugten Weine dürfen und müssen das Symbol des schwarzen Hahns, des Gallo Nero, tragen.
Die Basisrebsorte des Gebiets Chianti Classico ist die regionale, autochthone Rebe Sangiovese, die mindestens zu 80% im Wein sein muss. Als Komplementärreben sind verschiedene regionale Sorten wie Colorino oder Canaiolo Nero zugelassen, aber auch Cabernet Sauvignon, Merlot, Shiraz und andere sogenannte internationale Rebsorten. Im Gegensatz zum Chianti sind im Chianti Classico schon lange keine weißen Trauben mehr zugelassen.
Die bewirtschaftete Rebfläche im Chianti Classico beträgt rund 10.000 Hektar, wovon laut Weinbergsregister 7200 Hektar zugelassen sind für die Produktion des Chianti Classico – eine Fläche, die etwas größer ist als das deutsche Weinanbaugebiet Franken. Zum Konsortium Chianti Classico gehören aktuell 580 Produzenten, davon füllen 367 Flaschen selbst ab. Die Jahresproduktion beträgt 270.000 Hektoliter. Fast 80% der Weine werden exportiert, wovon 31% in die USA und 12% nach Deutschland gehen. Längst hat man auch China ins Visier genommen, wo es gilt, den Bordeaux zu verdrängen. Als Reaktion haben kurzerhand einige Chinesen Weingüter im Chianti Classico gekauft, was das Konsortium mit gemischten Gefühlen betrachtet. Die meisten Weingüter sind indes nach wie vor in der Hand von ganz großen, großen und kleinen Familien, die sich den Traditionen verpflichtet fühlen.
Der Chianti Classico hat allerdings auch eine dunkle Seite, die nicht aus der Diskussion gerät. Das hat nur teilweise mit dem starkem Fusel aus Korbflaschen auf karierten Tischdecken zu tun, der auch heute noch für unwirkliche 2 bis 3 € im Supermarktregal steht. Immer wieder unternimmt das Konsortium daher Anstrengungen, zu erklären und auf Verkostungen zu demonstrieren, welch hochwertige Qualitäten die Weine aus dem Chianti Classico haben können. Selbstverständlich müssen sie nach betriebswirtschaftlicher Kostenrechnung auch deutlich höhere Preise haben. Doch nach wie vor nagt das durch Panschereien und Tricksereien selbst geschaffene Imageproblem am Chianti Classico, der bedauerlicher Weise national wie international nach wie vor weit entfernt ist von dem Ruf eines Brunello oder Barolo.
Dabei ist es ganz einfach: Bei aller Akribie des Disziplinare des Chianti Classico mit seinen Mindestanforderungen und bei aller Überwachung nützt eine bürokratische Strenge dem Weingenuss wenig: Letztlich muss der Wein im Glas zeigen, was er ist und was er kann. Da hat der Chianti Classico alle Chancen, seine Legende weiter zu leben.
Wir stellen Ihnen zwei der ganz großen Spitzenweingüter des Chianti Classico vor:
Das Weingut Cecchi
Die Geschichte der Winzerfamilie Cecchi reicht zurück bis in das Jahr 1893. Damals wurde in der Toskana Weinbau allenfalls im Mischbetrieb mit der Landwirtschaft betrieben. Als Luigi Cecchi aus der Landwirtschaft ausstieg und sich als Weinhändler und „palatista“, Weinverkoster, in der Region Poggibonsi selbstständig machte, war das nicht gerade ein verbreiteter Beruf in Italien. Rund zehn Jahre später schufen er und sein Sohn Cesare die Weinmarke Cecchi und begannen in den 30er Jahren, die Weine zu exportieren. Seit den 50ern führten Enkel Luigi und seine Frau Anita den Weinbaubetrieb fort. Man begann das Weingut in Castellina in der Region Chianti auszubauen, in die Technik zu investieren und das Spektrum der Produktion um Flaschenweine von hoher Qualität zu erweitern. 1962 kauften die Cecchis das 120 Hektar große Anwesen Villa Cerna und siedelten sich mit 83 Hektar bestockter Rebfläche im Gebiet des Chianti Classico an.
Das im Gebiet des Morellino di Scansano nur 10 km von der Küste entfernt gelegene Val delle Rose mit seinen 180 Hektar Rebfläche, wo unter anderem ein außergewöhnlich konzentrierter Sangiovese und Vermentino angebaut werden, wurde seit 1996 aufwändig renoviert und ist inzwischen als Weingut mit biologischem Anbau zertifiziert. Hier wurde ein künstlicher Sumpf angelegt, dessen Ökosystem die für die Reben schädlichen Stoffe durch Bakterien und bestimmte Pflanzen deutlich verringerte. Hinzu kam eine Wasser-Recycling Phyto-Kläranlage für die Regeneration von Abwasser auf dem Gelände.
Heute ist Cecchi einer der führenden Produzenten in der Toskana und darüber hinaus. Es ist ein Betrieb, der sich nicht auf die Supertuscans verlassen hat und lieber charaktervolle Weine aus autochthonen Rebsorten macht, die an Komplexität und Energie den Mixturen aus internationalen Rebsorten nicht nachstehen. Die Cecchis haben auch die umbrische Rebsorte Sagrantino wiederbelebt, die im Zusammenspiel mit Holz außerordentlich fruchtige und würzige Aromen entwickelt. Seit 2004 führen die Brüder Cesare und Andrea Cecchi das Familienweingut zusammen mit ihrer Mutter Anita im Geist und mit allen guten Vorgaben des Vaters Luigi, der ihnen den unternehmerischen Elan, die Leidenschaft für den Wein, die Liebe zur Tradition und die Begeisterung für Innovationen – nicht nur im Keller, sondern auch in der Stilistik der Weine – mitgeben hat.
Wir konnten die beiden Riservas von Cecchi aus dem Chianti Classico verkosten.
Chianti Classico DOCG Riserva 'Riserva di Famiglia' 2013
Der Famiglia dürfte wie kein anderer Cecchi-Wein die innige Verbundenheit der Familie mit der Region der Toskana und der Tradition des Chianti Classico Gebiets widerspiegeln. Mit diesem Wein dokumentiert die Familie das Verständnis von Tradition als Grundlage für eine Weiterentwicklung des Weinmachens. Es ist eine Cuvée aus Sangiovese und Canaiolo Nero. Die Weinberge liegen im Castellina-Gebiet des Chianti Classico in etwa 250 Meter Meereshöhe. Er gärt drei Wochen im Edelstahl und reift über zwei Jahre in Eichenholzfässern und nochmals drei Monate auf der Flasche.
Chianti Classico DOCG Riserva Villa Cerna 2012
Wir haben einen reinsortigen Sangiovese vor uns, der von Rebstöcken stammt, die in den besten Weinlagen auf eine hochwertige Qualität hin gepflegt wurden. Er reift 14 Monate in Barriques und Barrels und weitere 10 Monate in der Flasche. Im Gambero Rosso wurde er mit den begehrten drei Gläsern der Spitzenkategorie ausgezeichnet.
Der Chianti Classico DOCG Riserva Villa Cerna 2012 hat eine rubin- bis granatrote Farbe und duftet frisch und fröhlich nach Sangiovese wie nur ein Sangiovese duftet: rote Früchte, Sauerkirschen, sogar Erdbeeren, Gewürze und ein großer Blumenstrauß voller Veilchen, Iris und blauer Gladiolen. Wir schmatzen auf saftiger Frucht und knackiger Frische herum. Gerade geerntete blaue Pflaumen und getrocknete Backpflaumen, dunkle, reife Kirschen, getrocknete Blüten, rauchige Holznoten, Tabak – alles vereint sich im einem gemütlichen Finale. Er erscheint schon jetzt bemerkenswert ausgeglichen mit einem gradlinigen Verhältnis von runder Frucht und aktiver Säure, das durch die festen, aber keineswegs bitteren Gerbstoffe keineswegs gestört wird. Das ist kein Wein, der unbemerkt über die Zunge fließt, sondern der kernig und vollmundig als echter Sangiovese auftritt. Eine Chianti Classico Riserva mit einem traditionellen, aber nicht altmodischen Profil. Servieren Sie ihn zu einer mit Maronen gefüllten Kalbsbrust oder zu einem italienischen Saltimbocca.
Das Weingut Borgo Scopeto
Die Weinberge von Borgo Scopeto liegen weit verstreut in Misciano, Cagliano, Fornacino und La Vittoria und bringen aus dem individuellen terroir unterschiedliche Charaktere und Qualitäten hervor, zumal gezielt verschieden geklonte Sangiovesereben auf unterschiedlichen Unterlagen aufgestockt sind. Die durchschnittliche Rebstockdichte beträgt 6000 Pflanzen pro Hektar. Angebaut wird ganz überwiegend Sangiovese, dazu Canaiolo, Colorino, Merlot, Cabernet Sauvignon und Syrah. Neben den roten Trauben werden auch weiße Trebbiano und Malvasia für die Erzeugung des Vin Santo geerntet. Immer wird Wert gelegt auf den perfekten Erntezeitpunkt, wenn die Reben das richtige Gleichgewicht zwischen technischer und phenolischer Reife erreicht haben. Demgemäß reicht die Weinlese von Mitte September bis zur ersten Oktoberwoche. Die Trauben für die Qualitätsweine werden möglichst per Hand gelesen. Im Keller werden die Trauben einem sanften Press- und Abbeerungsverfahren unterzogen und dann in Edelstahlbehältern bei kontrollierter Temperatur vergoren. Die Kellerkapazität beträgt 7.000 Hektoliter. Der Reifungskeller hat ein Fassungsvermögen von etwa 1600 Hektolitern, wo unterschiedliche Hölzer verwendet werden.
Zusammen mit ihrem Sohn Igino und ihrer Tochter Alessandra nimmt Elisabetta Gundi-Angelini nach wie vor Einfluss auf die Führung des Unternehmens und die Art der Weinherstellung, für die Simone Giunti als Kellermeister fungiert. Substanz statt Show lautet die Unternehmensphilosophie, mit der in leisem Understatement große Weine entstehen.
Wir konnten den Vigna Misciano Chianti Classico Riserva DOCG 2011 verkosten.
Im Glas zeigt er sich in einem dunklen Rubinrot mit granatroten Reflexen. Er duftet intensiv und vornehm nach dunklen Kirschen, Brombeeren, Wacholderbeeren, Veilchen und gebrannten Mandeln. Dazu kommt ein kräftiges Kräuterbukett, abgerundet mit etwas Vanille und dunkler Schokolade. Am Gaumen imponiert seine gut strukturierte und saftige Energie, die nicht mit einem Knall, sondern mit Finesse auftritt. Hier spielen Aromen von Roten und schwarzen Johannisbeeren, Brombeeren, Hedelfinger Kirschen, Paranüssen sowie vanillig-karamellige Holztöne mit, die ein Hauch dunkler Tabak umweht. Er ist auf eine gewisse Art süßlich bis herb würzig, auf jeden Fall trocken und vollmundig. Die ordentlich untergebrachten Tannine streicheln kuschlig und pelzig über die Zunge und stützen zusammen mit einer gewissen Mineralik und gut kaschierten Säure das lange Finish. Das ist ein Wein, der sein terroir in der Toskana authentisch abbildet und Substanz und Extrakt in den Mund bringt. Es ist der Edeltropfen, mit dem Sie jedes Pasta-Fleisch-Gericht bestens bedienen können, gerne aber auch ein Ragout vom Wildschwein oder Reh.
12.10.2016
Titel-Foto: © D.R.
Fotos zum Weingut Cecchi: © Cecchi
Fotos zum Weingut Borgo Scopeto: © Borgo Scopeto
Foto: © Borgo Scopeto
Foto: © Cecchi