An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Fränkische Weinbautradition über Jahrhunderte: Das Weingut Schloss Sommerhausen
Irgendwie hat das etwas von einem Märchen: Ortsnamen wie Sommerhausen und Winterhausen, ein fränkisches Renaissance-Schloss mit einem Schneckenturm und Treppengiebeln an einem dreigeschossigen Satteldachbau. Dazu ein Winzer, der eine fast 500 Jahre alte Weinbautradition fortführt, und der untrennbar mit einem Schlapphut als Kopfbedeckung verbunden ist. Obendrein ein Adelsgeschlecht, das seit dem 10. Jahrhundert bei den Krönungen der Könige und Kaiser oder bei feierlichen Anlässen am Hof der Stauferkaiser in Vertretung des Königs von Böhmen das bedeutsame Amt des Reichsschenken ausübte, das der Familie durch die Goldene Bulle 1356 konstitutiv gesichert wurde. All das sind im Gegensatz zu einem Märchen jedoch nicht frei erfundene, wundersame Begebenheiten mit fantastischen Elementen, sondern Tatsachen rund um das Weingut Schloss Sommerhausen.
Sommerhausen liegt, getrennt durch den Main, gegenüber von Winterhausen, rund 10 Kilometer südlich von Würzburg zwischen Ochsenfurt und Randersacker. Die simplen Namen der beiden Ortschaften hängen mit den beiden Kirchenpatronen zusammen. So hat der Sommerhäuser Kirchenpatron Bartholomäus seinen Geburtstag im Sommer, der Winterhäuser Kirchenpatron Nikolaus im Winter.
Die adlige Vergangenheit von Schloss Sommerhausen
Das Schloss Sommerhausen wurde in seinen ältesten Teilen von Schenk Konrad IV. im 15. Jahrhundert gebaut, das heutige Herrenhaus kam im 16. Jahrhundert dazu. Vollendet wurde es unter der verwitweten Adelheid Wild- und Rheingräfin, die mit Karl I. Schenk v. Limpurg-Speckfeld in dessen zweiter Ehe verheiratet gewesen war. Sie stammte von dem Adelsgeschlecht der Limpurg ab, das zuvor nach mehreren ihrer Burgen, unter anderem von Schüpf hieß und sich Ende des 13. Jahrhunderts endgültig nach ihrer Burg von Limpurg bei Schwäbisch Hall nannte. Auch der Schenkentitel wurde zum Bestandteil des Namens. Ludwig Uhland schilderte in seiner Ballade Der Schenk von Limpurg in freier Dichtung, wie das Geschlecht der Limpurg zu dem zeremoniellen Hofamt des Reichsschenks gekommen sein könnte.
Durch Erbschaft und Kauf bekam die Familienlinie Limpurg-Gaildorf die beiden fränkischen Orte Sommerhausen und Winterhausen als Teil der Herrschaft Speckfeld mit ihren großen Weingütern. Eigentlich herrschte hier das Hochstift Würzburg, doch nachdem die Familie schon 1540 zur Reformation übergetreten war, reformierte Schenk Carol des Heiligen Römischen Reichs Erbschenk und Semperfrei 1555 auch Sommerhausen wie Winterhausen, die damit als Enklave im fürstbischöflichen Gebiet protestantisch wurden.
Die Linie zur Familie Rechteren wurde 1711 hergestellt, als die Erbtochter Amalia Alexandrina Friderica den Grafen Joachim Heinrich Adolph Graf v. Rechteren heiratete. Die Linie Speckfeld starb 1705 und das Geschlecht der Limpurg im männlichen Stamm 1713 aus. Die Grafen von Rechteren nannten sich fortan Grafen von Rechteren-Limpurg. Sommerhausen kam nach Gebietsbereinigungen 1810 an das Großherzogtum Würzburg und mit diesem 1814 an das Königreich Bayern. Die Letzte der Familie, die in Schloss Sommerhausen wohnte, war die 1973 verstorbene Hildegard Gräfin v. Rechteren.
Es bewirtschaftet heute 25 Hektar Rebfläche. Dazu gehören Weinberge in berühmten Lagen wie Sommerhäuser Steinberg und Reifenstein, Eibelstadter Kapellenberg und Mönchsleite (auch als Altenberg bekannt), Randersacker Sonnenstuhl sowie Weinberge im Bereich Steigerwald bei Iphofen. Die Böden bestehen im Maindreieck typischerweise neben Keuper aus Millionen Jahre altem, mineralienreichen Muschelkalk, der die Trauben mit konzentrierten Mineralstoffen erfreut und dem Wein einen unverwechselbaren Charakter mitgibt. Franken ist übrigens das einzige Anbaugebiet Deutschlands, in dem bei der amtlichen Qualitätsprüfung auch an den Mineralstoffgehalt des Weins bestimmte Anforderungen gestellt werden.
Auch wenn die Lagen von Schloss Sommerhausen hinsichtlich des Mikroklimas unterschiedlich sein mögen, so sind sie klimatisch doch alle den für Franken typischen kontinentalen Wettereinflüssen ausgesetzt, die heiße, trockene Sommer und kalte Winter bis zu minus 30 Grad bringen, die vor allem aber im Frühjahr und Spätherbst durch die überraschenden Nachtfröste unberechenbar sind. Mit weniger als durchschnittlich 550 mm Niederschlägen pro Jahr ist Mainfranken ein regelrechtes Trockengebiet in Deutschland, weil sich die meisten Tiefdruckgebiete in den umliegenden waldreichen Höhenzügen des Spessarts im Westen, der Rhön im Norden und des Steigerwalds im Osten abregnen. Angesichts der aktuellen Erderwärmung dürfte Martin Steinmann sich glücklich schätzen, hier in Franken auf ein eher kühleres terroir setzen zu können, das nach wie vor alle Möglichkeiten im Anbau und Ausbau frischer und eleganter Weine sichert.
Die Rebflächen von Schloss Sommerhausen sind bestockt mit den weißen Rebsorten Silvaner (25%), Riesling (20%) sowie Müller-Thurgau, Bacchus, Grauer Burgunder und Weißer Burgunder (zusammen 30%), aber auch mit Rieslaner, Chardonnay, Sauvignon Blanc, Gewürztraminer und Auxerrois. Hinzu kommen als rote Rebsorten Frühburgunder, Domina, Spätburgunder, Portugieser, Schwarzriesling, Dornfelder, Zweigelt und Blauburger. Pro Jahr werden derzeit von Weiß und Rot zusammen rund 150.000 Flaschen abgefüllt.
Martin Steinman hat mit dem nachhaltigen Weinbau inzwischen die EU-Bio-Zertifizierung erlangt, mit der er seine Weine siegeln kann. Er hat immer schon großen Wert auf Handarbeit im Weinberg und einen zurückhaltenden Ausbau im Keller gelegt, damit nicht nur die Aromen der Trauben, sondern auch der Charakter und die Authentizität des terroirs bewahrt werden. Als Kellermeister bekommt er inzwischen Verstärkung durch Matteo Strasser. Beide streben grundsätzlich nach den trockenen Weißweinen, die in der ausgeprägten Frucht, der lebendigen Säure und der markanten Mineralität ihre fränkische Herkunft erkennen lassen. Martin Steinmann experimentiert aber auch gerne mit Weißweinen im Barrique-Fass oder mit uralten Reb-Raritäten wie der Gelben Orleans, die einst vor der Rieslingrebe verbreitet war und aus der er 2015 einen ersten Wein gemacht hat. Die roten Rebsorten bekommen neben der Maischegärung teilweise auch eine zweite, malolaktische Gärung, vor allem, wenn eine allzu wilde Säure auf natürliche Weise gezähmt werden soll.
Familie Steinmann hat den Weinbau über Jahrhunderte nicht nur als reinen Anbau und Kelterbetrieb gesehen, sondern sich auch gehörige Verdienste um die Rebveredlung erworben. Berücksichtigt man, dass der Silvaner in Franken nachweislich seit 1659 heimisch ist, hat Familie Steinmann die Entwicklung der Rebsorte von Anfang an begleitet. 1947 führte die Beschäftigung mit der Rebzucht zur Gründung einer Rebschule, in der die wichtige Klonenselektion mit großem Erfolg betrieben wurde. Aus unzähligen alten Weinbergen wurden jeweils die besten Weinstöcke ausgelesen und gezielt vermehrt. Die europaweit bekannte Rebschule ist seit etlichen Jahren ein eigener Betrieb von Martin Steinmanns Schwester, Petra Steinmann-Gronau. Seit dem Jahrgang 2007 gibt es von Schloss Sommerhausen die Weinlinie Selektion Steinmann, deren Weine von selbst gezüchteten, über Jahrzehnte den regionalen Verhältnissen angepassten Reben stammen, die auch in kühleren Jahren zur Vollreife gelangen.
Wir konnten sieben Weine und einen Sekt von Schloss Sommerhausen verkosten.
2015 Grüner Silvaner Quaderkalk Gutswein
Der Wein funkelt im Glas grünlich-gelblich in einem satten Strohgelb. Das Bukett variiert zwischen einer zart blühenden Wiese im Tau des Frühlings und den reifen Herbsttönen gelber Birnen mit frisch gemähtem Heu. Dazwischen drängeln sich pralle Früchte wie gelbe Melonen, gelbe Äpfel, junge Mirabellen und ein Hauch von Hefe. Am Gaumen kommen Früchte und Pflanzen an, auch Paranüsse und Zitrusnoten. Eine schöne, kühle Mineralität und eine ordentlich verpackte Säure machen den Abgang frisch und saftig. Die sorten- und regionaltypischen Anklänge einer herben Erdigkeit und dezenter Gerbstoffe geben dem Wein eine jugendliche Substanz, die ihn zum Begleiter eines leckeren Kaninchenbratens aus dem Ofen oder einer Auswahl junger und mittelalter Brie- und Camembert-Sorten macht. Ganz verwegen können Sie ihn zu einem geräucherten Heilbutt versuchen.
2015 Silvaner trocken Sommerhäuser Steinbach VDP Erste Lage
Wir nehmen in der Nase den erfrischenden, kühlen Duft einer kraftvollen, erdigen Mineralik wahr. Sie wird ausgefüllt von fruchtigen Aromen von Birnen, gelben Äpfeln, jungen Nüssen plus Spuren von nassem Feuerstein. Wir schmatzen auf der grandiosen Mineralik des Muschelkalks herum, die in diesem Wein nussige und vegetabile Komponenten hat. Es kommen auch Assoziationen auf an getrocknete Blumenkränze und frische grüne Gewürzkräuter. Der Wein legt sich dicht an den Gaumen und beeindruckt durch einen üppigen, frisch-herben, anhaltenden Abgang voller reifer Früchte, Kräuter und einer geschliffenen Tiefe. Er hat ein aktives, gut harmonisiertes Säurespiel, das seinen Charakter als fränkisch trocken unterstreicht. Das ist klassisches Franken mit Muskeln, einer gewissen Eleganz und feiner Saftigkeit. Er begleitet gerne eine gebackene Forelle aus fränkischen Bächen oder auch ein Pilz Risotto.
2015 Dinarazade Muskatsilvaner & Muskateller trocken
Im Glas entwickelt sich schnell ein muskatreiches, nussig-würziges Bukett mit Noten von überreifen Mirabellen, von Litschis, roter Grapefruit und herben, roten Äpfeln. Die Zunge wird von einer kraftvollen, mineralischen Aromatik und der saftigen Frucht des Sauvignon umrahmt, die von der präzisen Säure des Muskatellers gestützt wird, ein Ergebnis klar und rein wie der Palast der Eiskönigin. Es tummeln sich reife Geschmacksrichtungen von gelben Früchten, roten Johannisbeeren, einigen Stachelbeeren, wiederum Litschis und von grüner Melone. Hinzu kommt ein floral-pikanter Touch von Rosen. Im fruchtig-frischen Finish taucht eine feine Süße auf, die dem energisch-trockenen Auftritt einen geheimnisvollen, orientalischen Schleier umlegt. Das ist der imponierende Willkommenswein für einen romantischen, vorweihnachtlichen Empfang von Gästen, aber auch der saftige Freund eines mediterran gewürzten Wolfbarschs aus dem Ofen.
2015 Auxerrois Quaderkalk trocken
Der in einem leuchtenden Weißgold schimmernde Wein sendet füllige Duftnoten aus von frischen Birnen, etwas Ananas, etwas Mango und einigen Limetten plus einer Baby-Banane. Am Gaumen wirkt er weich und anschmiegsam und bringt viel Schmelz mit. Eine kleine Apfel- und Holundernote und einige Mandeln gibt es als Zugabe. Er hat eine superzarte Säure, die vermutlich durch einen kalkhaltigen Boden nochmals abgepuffert wurde. So zeigt er einen anhaltenden, samtigen, cremigen Abgang. Er ist filigran und erfreut mit seiner sanften Frische und seinem federleichten Körper sowohl neugierige Kenner als auch genusshungrige Weinanfänger. Zu dem Wein brilliert klassischer Spargel mit grob gesalzenen Kartoffel-Drillingen oder ein köstlicher Hauptgang mit zarten Wachteln.
2015 Scheurebe Sommerhäuser Steinbach VDP Erste Lage
Die 2015 Scheurebe Sommerhäuser Steinbach VDP Erste Lage kommt aus dem Steinberg und konnte sich an den Mineralen des Muschelkalks bereichern. Erwartungsgemäß protzt der Wein mit einem herrlich frischen, nach exotischen Früchten duftenden Aromenwirbel, der mit Luftzufuhr noch an aromatischer, vielfältiger Expression gewinnt: Süßliche Passionsfrüchte, reife Flugpapayas, Grapefruit und schwarze Johannisbeeren, sogar einige Limonen. Sie alle treffen auf florale Nuancen mit einer kleinen Lavendelspur. Der Wein überrascht im Mund mit einer leicht salzigen, spannenden Säure, die einen mineralisch erfrischenden Kern umgibt. Wir schmecken dezent minzige Kräuter, die von einer ordentlich eingebundenen Süßlichkeit aus Kandis und Kokosblütensirup eskortiert werden. Das leitet in einem aromatischen, sinnlichen Schmelz im Finish über. Der Wein hat Volumen, ohne anstrengend zu wirken. Er kommt frisch und saftig herüber und schmeichelt sich spontan als eine elegante, komplexe Scheurebe ein: Öffnen und mit Wohlgefühl genießen. Er pairt sich hervorragend mit einem leicht gewürzten thailändischen Hühnergemüse mit frischem Koriander und Kokoscreme.
2013 Frühburgunder Quaderkalk trocken
Auch die Reben dieser Sorte stammen aus Steinmanns Rebkindergarten, nämlich aus dem eigens gezüchteten Klon ST 180. Seit 1991 selektierte Johann Kaspar Steinmann die Rebsorte, bis er 2003 den Klon amtlich anmeldete. Er trimmte die virusfrei vorgezüchtete Rebe auf Qualität: Seine Reben brachten noch geringere Erträge als es bei der ertragsarmen, weil kleinbeerigen Sorte ohnehin üblich ist, daher war die Qualität höher. Außerdem verschaffte er dem Rebstock eine längere Vegetationsperiode, die Trauben reiften voller aus, was das relativ hohe Mostgewicht des Frühburgunders noch steigerte. Steinmanns Klon unterstützte maßgeblich die Frühburgunder Renaissance in Franken. Er passt besonders gut in das grundsätzlich etwas kühlere Mikroklima in Franken, weil er die Auswirkungen geringerer Temperaturen im Verlauf der Vegetationsperiode mit einer längeren Reifestandzeit und mit einem höheren Zuckergehalt ausgleicht.
In die Nase schickt der Wein eine intensive Aromatik von Brombeeren, echten Waldblaubeeren, aber auch roten und schwarzen Johannisbeeren, Sauerkirschen und Cranberries. Geschmacklich erkennen wird das dunkle Beerenspektrum wieder, dazu etwas Zartbitterschokolade, Töne von Maronen, Mokka und Rumtopfpflaumen und viel Würze. Im langen Finish tauchen wiederum feine Kirschnoten und eine dezente Süße auf. Der Wein hat einen bemerkenswert vollen Körper mit einem gut strukturierten Säure- und Extraktgerüst, mit seidigen Tanninen, komplexen Aromen und einer angenehmen Würze, in die das Holz gut eingebunden ist. Er ist kein Tiger im Tank, sondern eine elegante, samtige Sonntagsfreude – die richtige Wahl zu einem Rehrücken oder einem Wildschweinragout.
2013 Domina ST 49 Selektion Steinmann
Im Glas sehen wir einen tief dunkelroten Wein, gerade noch transparent. Er entwickelt ein komplexes, intensives Bukett von Waldbeeren, Sauerkirschen, Brombeeren und Zwetschen. Im Mund legt sich eine vollmundige, dichte Energie um die Zunge mit einer feinrassigen, aber gut ausbalancierten, keineswegs aggressiven Säure. Die präsenten Tannine sind vom Holz erstaunlich abgerundet. Die vielfältigen Aromen des Buketts bestimmen auch den Geschmack, der durch Töne von getrockneten Feigen und dunklem Tabak gesteigert wird. Das ist ein wärmender, vieldimensionaler und griffiger Wein, der Sie und ein feines Essen wie Rindersaftbraten oder Fasan erfreuen dürfte.
2010 Rose brut
02.12.2016
Fotos: © Schloss Sommerhausen
Flaschenfotos: © D.R.