An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Weine aus dem Cool Climate: Das Weingut Dürnberg im Weinviertel
Der traditionsreiche Weinort Falkenstein bei Poysdorf liegt im nordöstlichen Teil des österreichischen Weinviertels, etwa 20 km von der Grenze zu Tschechien und Südmähren entfernt, Brünn liegt rund 60 km nördlich und Wien rund 80 km südlich. Falkenstein war bereits im Mittelalter ein Zentrum des Weinbaues. Im sogenannten „Bergtaidingbuch“ aus dem Jahr 1309 wurde das Falkensteiner Bergrecht festgelegt und vom hiesigen Berggericht alle Weinbauangelegenheiten zwischen Wien und Brünn entschieden. Die einst mächtige Burg zur Verteidigung gegen Slawen und Awaren wurde im 18. Jahrhundert bis auf die heutige Ruine als Baumaterial abgetragen. Der Weinbauort mit der malerischen Kellergasse und ihren 65 in den Muschelkalk getriebenen Stollen, den zahlreichen uralten Kellergewölben und der Umgebung aus Weinbergen und Wäldern ist ein idyllisches Ausflugsziel.
Verpassen Sie in Falkenstein am Wochenende nicht den Besuch von Dürnbergs SCHMITT’N in der Kirchengasse, ein Top Heuriger in den Räumen der ehemaligen Dorfschmiede, mitten im Dorf. Im SCHMITT’N können Sie sich auch einen Picknickkorb mit regionalen Spezialitäten plus Dürnbergs Weinen zusammenstellen lassen, in den schönen Kirchbergweingarten ziehen und den atemberaubendem Ausblick über die Rieden und den romantischen Weinort genießen.
Über dem Ort erheben sich weithin sichtbar die Falkensteiner Klippen. Sie entstanden vor 17 Millionen Jahren im Zuge der Auffaltung der Alpen aus dem Urmeer „Thetys“, die als geologische Besonderheit tiefe Bodenschichten nach oben kehrte und hier den Kalkstein ablegte, der heute teilweise von einer Lehmschicht mit Humusauflage abgedeckt ist. Neben den Besonderheiten des Bodens zeichnet sich die Gegend durch ein Mikroklima aus, dessen herausragende Bedeutung für den Weinbau im Zeitalter des Klimawandels noch gar nicht vollständig erkannt worden ist.
Mit Christoph Körner fing die Erfolgsstory des Weinguts Dürnberg an: Er wuchs auf dem elterlichen Bauernhof in Falkenstein auf – viele Äcker, das liebe Vieh und Weinberge von Oma und Opa. Während seines Wirtschaftsstudiums in Wien zog es ihn immer mal auf den elterlichen Hof, wo er aus Spaß ein bisschen mit Wein rummachte. Das Thema Wein blieb für ihn auch nach dem Abschluss des Studiums aktuell: Zusammen mit dem Vater gründete er einen Importhandel für französische und italienische Luxusweine, den er später verkaufte. Die steigenden Einkünfte daraus wurden Grundlage seines Winzerspiels, aus dem nun ernst wurde. 1988 begann er gemeinsam mit dem texanischen Freund Kevin Hielscher das Weinberg-Erbe zu reaktivieren, wurde sein eigener Kellermeister und benannte das Weingut nach dem Hügel in Falkenberg, auf dem es liegt: Dürnberg. Er kaufte und pachtete im Eiltempo immer mehr Rebflächen hinzu, bis es heute knapp 60 Hektar sind, davon ganz grob jeweils die Hälfte Eigentum bzw. Pacht.
2009 stiegen zwei alte Freunde im Weingut ein und beflügelten die Entwicklung zu einem modernen Wirtschaftsbetrieb und einer erfolgreichen Weinkellerei mit professionellem Management, österreichischer Gelassenheit und höchsten Qualitätsansprüchen: Matthias Marchesani ist Gastronomieexperte und übernahm das Marketing. Georg Klein ist Jurist und kümmert sich um den Vertrieb. Er hatte nach 20 Jahren in der Finanzindustrie genug von seinem Hedgefond-Unternehmen in Frankfurt. Ihm gefiel es besser, etwas Reales und noch dazu Trinkbares zu produzieren, als immer nur mit Dingen zu handeln, die es eigentlich gar nicht gibt.
Das Weingut Dürnberg zählt heute zu den besten des Weinviertels, und ist vor allem durch seine Grünen Veltliner berühmt – speziell von der Lage Rabenstein. Das offene Geheimnis des vielprämierten Erfolgs ist das harmonische Zusammenspiel der Weinbereitung, die im Weinberg mit dem Respekt vor der Natur anfängt und im Keller behutsam und sorgfältig vollendet wird. Das Weingut Dürnberg ist eines der Pioniergüter, die das Potenzial der Region entdeckt und den „Neuen Weinviertler Stil“ entwickelt haben. Dieser Stil hat mit dem Cool Climate zu tun und bringt hochwertigste Weine hervor, die frisch, ausgewogen, kristallklar und komplex sind.
Im Weinberg soll der von der Natur spendierte Boden lebendig bleiben. Also werden Humusaufbau, Bodenstruktur und Kleinlebewesen mit gezielter Begrünung gefördert. Gleichzeitig verhindert man mit der Bepflanzung der Rebzeilen die Auswaschung des Bodens und eine unerwünschte Verdichtung. Es werden nur Hilfsmittel verwendet, die zur „kontrolliert integrierten Produktion“ zugelassen sind. Mit einem eigens erstellten Ökomanagement wird auf eine nachhaltige Bewirtschaftung gesetzt.
Das Weingut Dürnberg hat Weinberge in verschiedenen Einzellagen, die in Österreich den weinbaulichen Nutzflächen Rieden vergleichbar sind: Eckartsberg, Ebersleiten, Kolmleiten, Rabenstein, Neuberg, Birnthal, Rosenberg und Rösselgarten. Wie alle Weingüter im Weinviertel baut Dürnberg ganz überwiegend Weißwein an, in erster Linie Grünen Veltliner, aber auch Chardonnay, Weißburgunder, Gelben Muskateller, Pinot Blanc, Riesling und Welschriesling. Von den roten Rebsorten sind es Zweigelt, Cabernet Sauvignon, Blauburgunder und Merlot. Die jährliche Flaschenabfüllung strebt auf eine halbe Million zu, davon werden fast 70 % exportiert, unter anderem bis nach China, Japan oder den USA.
Die Weine von Dürnberg werden in drei Produktlinien produziert.
Die Linie „Weißes Trinkvergnügen“ umfasst fruchtige Weine im leichteren Alkoholbereich. Das sind der Grüne Veltliner L+T und die Cuvée Falko. In der Linie „Select“ werden sortentypische, im Stahltank ausgebaute Weine mit kühlem, mineralischen Falkensteiner Terroir vermarktet. Dazu zählen zum Beispiel Weinviertel DAC, Neuberg Grüner Veltliner, Rosenberg Riesling und Zweigelt Rösselgarten. In der Toplinie „Prime Wine“ schließlich werden Einzellagenweine aus Altanlagen erzeugt, die traditionell in großen Holzfässern reifen. Dazu zählt Alter Gemischter Satz Kirchberg. In witterungsmäßig geeigneten Jahren werden auch Eisweine gekeltert.
Wir konnten sechs Weine des Weinguts Dürnberg verkosten.
Falko Muskatellercuvée 2015
Aus dem Glas quillt ein intensives, Frische signalisierendes, pflanzliches und fruchtiges Bukett. Es sind Hollunderblüten dabei, Veilchen, frische Gewürze, dazu Zitrusnoten, grüne Äpfel und der typische, traubige Muskatduft. Im Geschmack treffen wir erneut auf die pflanzlichen Aromen mit einem fülligen, frischen Fruchteindruck und einer lebendigen Säure. Die süßliche Frucht erinnert uns ein wenig an Honig, was vom Welschriesling kommen dürfte. Der Wein erscheint immer als saftig, selbst noch im Abgang.
Der Falko Muskatellercuvée 2015 ist ein schlanker, süffiger Wein mit einer glasklaren Kühle, ein typischer Cool Climate Wein mit aromatischer Frucht und frischer Säure, der ein universelles Trinkvergnügen beschert. Solch ein einfach strukturierter, schöner Saufwein gilt als der ideale frische Frühlings- und Sommerwein für alle Fälle und für alle Gelegenheiten. Eine jener Gelegenheiten könnte ein Artischocken-Rupfen plus Sauce Vinaigrette sein, aber auch Honigmelone mit Parma Schinken.
Jetzt haben wir den klassischen Weißwein des Weinviertels im Glas aus bis zu 25 Jahre alten Reben. Er schimmert hellgelb und sendet weißliche Reflexe aus. Die Trauben lagen kurz in der Maische bevor sie gepresst wurden. Der Ausbau erfolgte im Edelstahl mit kontrollierter Temperatur unter 20 Grad Celsius, um die Fruchtigkeit des Weins zu fördern. Bis Februar dieses Jahres blieb er auf der Feinhefe, bevor er abgefüllt wurde. Das ist ein Wein, der im Keller wahrlich zärtlich behandelt wurde.
Wir nehmen einen Duft von Birnen und exotischen Früchten wahr, dahingehauchte Ananas, Passionsfrucht und Litschis. Hinzu kommen Grapefruit und frische Kräuter. Im Mund überrascht es, wie selbstbewusst die Aromatik der Birne auftritt, etwa in der Sorte Frühe aus Trévoux. Oben drauf sitzen Apfelnoten und eine Veltliner-typische Pfeffrigkeit mit einem leicht erdigen Anklang. Die herrlich prägnante Mineralität und die stabile Säure stützen das lange, birnenfruchtige Finish, in dem wir klitzekleine, angenehme Gerbstoffe wahrnehmen. Ein knackiger, saftiger, cremiger Wein mit Schmelz und einer hervorragenden Balance. Er dürfte einen Hecht aus dem Ofen mit einer deftigen Kräutersoße erfreuen oder leicht gewürzte asiatische Gemüse aus dem Wok.
Falkenstein Weißburgunder Reserve 2015
Wir erleben eine fruchtige Duftigkeit wie von einer reifen, gelben Oberösterreicher Weinbirne. Dazu pflanzliche Töne und sogar schon ein eindeutiger Eindruck von der Mineralik. Am Gaumen kommen grüne Äpfel und Kräuter an, auch Nüsse, Ananas und ein Hauch Aprikose nebst Bittermandel, alles umgeben von einem vollfruchtigen Rahmen und einer ausgeprägten Mineralität. Der Wein hat eine interessante, süffige Schmelzigkeit mit winzigen Tanninen und etwas Karamell. Er ist komplex und kann eine zarte Säure vorweisen, die mit den Mineralen und den kleinen Gerbstoffen gut harmonisiert. Im vollen, mineralischen Abgang frischen noch einmal die pflanzlichen Nuancen auf, eine Erinnerung an weiße Johannisbeeren kommt hinzu. Ein Wein, den sie locker noch drei bis fünf Jahre lagern und ab und an mit einem Fläschchen die spannende Entwicklung beobachten können. Oder sie lassen ihn und sich begleiten von einem klassischen Gericht von weißem Spargel mit luftgetrocknetem Schinken oder einem mittelalten Camembert aus der Normandie.
Rabenstein, Grüner Veltliner, Weinviertel DAC Reserve 2013
Im Glas sehen wir einen gelbgrünen Wein mit hellgrünen Reflexen schimmern. Er hat eine exotische, sortentypisch würzige Nase mit Mangos, Grapefruit, einheimischen Äpfeln, Vanille und weißem Pfeffer. Zuweilen kommt auch eine gewisse Blumigkeit aus gelben Rosen hinzu. Wir schmatzen auf zarten Noten herum: Birne, Ananas, Mirabelle, etwas Tabak, etwas Toast, etwas Kardamon. Die starke Mineralität und der dichte Extrakt bleiben in einem langen, von präsenter Säure gestützten Finish erhalten und lassen den ausdrucksvollen Wein nur ungern vom Gaumen.
Der Rabenstein, Grüner Veltliner, Weinviertel DAC Reserve 2013 ist ein Veltliner im großen Format mit einem stetigen Hauch der Kühle und Frische, dessen Eleganz und dichte, cremige Textur noch lange nach dem letzten Schluck beeindrucken. Das ist der passende Tropfen für einen Tafelspitz mit Apfelmeerrettich oder Saibling mit Estragon in der Folie gegart.
Auf der Flasche befindet sich übrigens – wie auf allen Flaschen der besten Lagenselektionen von Dürnberg – ein Etikett mit einem Textauszug aus dem Bergtaidingbuch, dem ältesten Weingesetzbuch von 1309 – eine Hommage an die alte Weinkultur von Falkenstein.
Ortolan Cuvée Prestige 2013
Der Großteil der Trauben wächst auf dem legendären Falkensteiner Kirchberg, einer exponierten Südlage direkt unter der Ruine Falkenstein. Hier beherrschen Muschelkalkfelsen das terroir. Ein weiterer Teil kommt aus dem Eckartsberg, dem von Wald geschützten, nach Süden gerichteten, steilen Talkessel mit tief lehmigen Böden.
Im Glas blitzt der Wein silbrig auf mit einem stroh- bis grünlich-gelben Grundton. Er vereint im Bukett die Fruchtnoten der Rebsorten zu einem süßlichen Potpourri aus Birne, Mirabelle, Banane, Heidelbeere, Mandarine und gelber Honigmelone. Im Mund kommen würzige Noten von Vanille, Karamel, Ananas, Röststoffen, Nüssen und Pfeifentabak an. Wahrscheinlich war hier sowohl amerikanisches als auch französisches, vielleicht sogar slowenisches Holz im Spiel. Ein fülliger, vollmundiger, dennoch kühl und gradlinig wirkender Wein mit einem mineralisch angereicherten starken, dahinschmelzenden Ausklang. Die griffige Säure und der leichte Gerbstoff geben dem Wein noch einmal einen Schub an Reife und Gediegenheit. Der Ortolan Cuvée Prestige 2013 ist ein nachhaltiger, eleganter Solist, der sich aber auch an ein spanisches Kalbsfilet Ternera Gallega oder schwarze Penne-Pasta mit Lachsstückchen gewöhnen könnte. Sie können ihn ohne Anstrengung auch noch drei bis fünf Jahre lagern und sich alljährlich seiner wachsenden Ausdrucksstärke erfreuen.
Nun noch ein gerade abgefüllter Rotwein der legendären österreichischen Rebsorte Zweigelt, der sehr aufwändig ausgebaut wurde: Die physiologisch reifen, aufgebrochenen Trauben wurden zwei Wochen lang auf der Maische in Bottichen vergoren, zweimal täglich aufgerührt und der Tresterhut untergedrückt. Nach der Pressung kam der Wein fünf bis acht Monate lang teils in 500 Liter-Eichenfässer, teils in Stahltanks. Er enttäuscht uns nicht hinsichtlich der erwarteten Aromen und belohnt uns mit süßen Kirschen, Schattenmorellen und zerdrückten Schwarzen Johannisbeeren. Darauf schmatzen wir lange und intensiv herum, um keine Nuance dieses kraftvollen weinviertler Roten zu verpassen, der im Cool Climate der Rebsorte ganz neue Dimensionen abgewinnt: Voll von Extrakt, schmelzig im Mund, mit einem vornehmen Tanningerüst, einer stabile Säure und frischen, qualitativ hochwertigen, sortentypischen Fruchtaromen. Ein authentischer, pointierter, eleganter Wein aus dem hitzigen Tag und der Kühle der Nacht.
Der Wein wird jedes Jahr an Qualität gewinnen, mindestens noch fünf Jahre lang. Sie können ihn natürlich schon jetzt genießen und sein außergewöhnliches terroir erkunden. Wenn es unbedingt ein Food-Pairing sein soll, dann möchte man sich gerne einen Gänse- oder einen Hasenbraten vorstellen.
08.07.2016
alle Fotos: © Weingut Dürnberg