An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Schüller im Weinviertel: mit Frauen-Power zum Erfolg
Noch immer ist das Weinmachen eine Männerdomäne. Überall auf der Welt. Wenn dann doch mal Winzerinnen ein Weingut führen, ist die Überraschung groß. Winzer-Mann guckt dann gewöhnlich erst mal auf die äußeren Darbietungen, ist höflich und nett zu den Mädels und Damen und schüttet sie mit gutgemeinten Ratschlägen zu. So richtig ernst genommen werden die Winzerinnen aber erst, wenn sie mit Spitzen-Weinen beeindrucken und der Erfolg so manches Winzer-Weingut – oft im wahrsten Sinne des Wortes – alt aussehen lässt. Um sich in diesem beruflichen Umfeld nach oben zu arbeiten, braucht Frau zusätzlich zu einer genderfreien fachlichen Qualifikation einen starken Willen, ein klares Ziel, abenteuerliche Ideen, einen unerschütterlichen Optimismus und ein endlos strahlendes Lächeln. Dazu natürlich kleinere, bei passender Gelegenheit zu aktivierende Portionen von Zähigkeit, Großzügigkeit, Durchsetzungsvermögen und Aufmüpfigkeit. Die Frauen des Weinguts Schüller haben wahrscheinlich etwas von alledem, jedenfalls haben sie es geschafft, inzwischen zu den angesehensten Weingütern des Weinviertels zu gehören.
2015 ging der Betrieb ganz formal auf Kerstin und Nadine über, die sich nach wie vor als Team mit Mutter Helga verstehen und eine disziplinierte Arbeitsteilung praktizieren. In den Weingärten packen oftmals alle an, den teilweise schweren handwerklichen Einsatz im Weingarten wie im Keller bewältigen die Winzerinnen mit maschineller Technik. Verantwortlich für Weingärten und Vinifizierung ist Kerstin, Nadine managt Büro, Ab-Hof-Verkauf, Verkostungen und Marketing während Helga Schüller neben ihrer allseits unterstützenden Rolle die im Vertrieb überwiegende Direktvermarktung im Griff hat. Sie reist gerne und oft als „Roadrunner“ herum, um Weine auszuliefern, sie auf Verkostungen in ganz Europa zu präsentieren oder ganz einfach Kundenkontakte zu pflegen.
Wir konnten sechs Weine des Weinguts Schüller verkosten.
Chardonnay 2017
Im Glas haben wir einen tief goldgelben Wein, der rebsortentypisch die Aromatik unaufdringlich und distinguiert preisgibt. Er offeriert Anklänge von Birnen und grünen Äpfeln, etwas Zitrus, etwas Pistazie, etwas süßliche Exotik mit reifen Papayas. Am Gaumen fällt die fruchtige Komposition auf, die sich auf eine bemerkenswerte Extraktdichte stützt und hervorragend abgestimmt ist auf die leichte Mineralik und die verhaltene Säure. Das ist keiner der berüchtigten Butterfässer-Weine vom California-Typ, er hat eher eine leicht burgundische Stilistik: mit Harmonie in Richtung Eleganz. Das Fruchtspektrum spielt saftig und gehaltvoll mit tropischen Eindrücken von Mangos und Passionsfrucht oder mit Tönen von reifen Honigmelonen. Dementsprechend schmatzen wir noch lange auf dem starken, schmelzigen Abgang herum. Servieren Sie diesen Chardonnay zu einer getrüffelten Poularde aus dem Rohr oder zu einer exotisch gewürzten Languste.
Riesling 2017
Riesling ist laut österreichischer Weinstatistik inzwischen die Nummer drei der im Weinviertel angebauten Rebsorten und hat damit den Weißburgunder knapp überflügelt. Herausragende Weine bringt er hier besonders bei später Lese hervor, die das trockene Klima fast in jedem Jahr ermöglicht. Es schützt zudem vor Botrytis, die andernorts erwünscht ist, im Retzer Land jedoch die terroirgeprägte Aromatik zu stark verändern würde.
Wir haben einen noch jungen Riesling im Glas, der Düfte von Pfirsich, Marille und exotischen Früchten verströmt. Am Gaumen fokussiert sich eine Fruchtfülle von reifem weißem Pfirsich, einigen Zitrusfrüchten, jungen Aprikosen und einem Tick Ananas, dazu Kräuternoten und ein Hauch Jasmin. Die saftige Edition verwöhnt die Zunge mit einem gut ausbalancierten Frucht-Säure-Spiel, das dem Wein über die jugendliche Frische hinaus auch schon Eleganz verleiht. Es ist einer der Rieslinge, an die sich die Zunge erst langsam herantastet und von denen man dann aber bald die zweite Flasche öffnen möchte. Servieren Sie den Wein zu einem Süßwasser-Klassiker wie in Butter langsam gebratener Forelle oder Saibling, er macht sich aber auch gut zu einem Gemüse-Starter.
Viel Frucht, viel Ehr, könnte man zu dieser uralten Rebsorte sagen, die das ganze Jahr über sommerliche Lust und Laune ins Glas bringt. Wenn es im Weingarten süßlich duftet und eine leichte Muskatbrise weht, ist der richtige Erntezeitpunkt für den Gelben Muskateller erreicht. Man sagt sogar, dass die Trauben dann genau so duften und schmecken wie der Wein, der daraus gemacht wird. Die Muskateller ist eine lange Zeit unterschätzte Rebsorte, von deren rund 200 Varietäten der Gelbe oder Goldmuskateller in Österreich und Deutschland am weitesten verbreitet ist. Der Gelbe Muskateller genießt das fast schon pannonische Klima im Retzer Land, das vor hartem Frost- und vor Botrytis schützt. Die Rebe ist zu Spitzenqualitäten fähig, wenn sie lange genug im Weingarten die Sonne genießen kann.
Im Glas entwickelt der Gelbe Muskateller 2017 das erwartete intensive Muskat-Bukett rund um die Holunderblüte. Dazu schleichen sich Töne von getrockneten Orangen und Heublumen in die Nase. Im Geschmack dominieren vielfältige Fruchteindrücke voller Exotik und Würze, aber auch Basisrichtungen von gelben Äpfeln und weißer Melone. Das alles wirkt keineswegs kitschig, sondern prägt eine harmonische, kernige Struktur mit gut eingebundener Säure. Im Finale tritt er kraftvoll auf und bleibt mit seiner anhaltenden Frische lange in Erinnerung. Das ist ein fruchtiger Begleiter zu einem Geflügelsalat mit Früchten und Nüssen oder zu hauchdünn geschnittenem Serrano-Schinken.
Die Ried Hochsteinerberg hat ein Kleinklima, das nahezu Cool Climate like ist. Das liegt wohl einerseits an den umgebenden Wäldern, andererseits an der Höhe, die bis zu 55 Meter über das umgebende Terrain und 324 Meter über den Meeresspiegel reicht. In den Weingärten herrscht ein eher kalkarmes Löss-Lehm Szenario vor, das teilweise mit Rollgestein belegt ist. Die subtile Wahrnehmung der Eigenart des Terroirs im fertigen Wein fördert Familie Schüller durch ein langes Feinhefelager, bei dem der Wein alle Ruhe hat, sich so zu entwickeln, dass Herkunft und Rebsorte erlebbar werden.
Im Glas funkelt der Wein in einem hellen Strohgelb mit leichten grünlichen Reflexen. Schon bald zeigt er in der Nase die sortentypischen Veltliner-Aromen in voller Prächtigkeit. Eine fulminante Würze mit einem zarten, edlen Pfeffertouch sowie Noten von gelben Äpfeln und Grapefruit macht Appetit auf den ersten Schluck. Der signalisiert einen pikanten, saftigen Wein – spritzig, fruchtig. Mit seiner lebendigen Säure und einer im Extrakt verpackten, ganz kleinen Mineralik erfrischt er den Gaumen. Das ist ein strahlender, vibrierender Veltliner mit einem animierenden Trinkfluss und einer kühlen, fokussierten, saftigen Struktur, die auch im Nachhall noch Frucht und Würze vermittelt. Genießen Sie ihn ganz traditionell zum legendären Wiener Schnitzel oder etwas abgedreht zu einem Thunfisch-Quiche.
Die Ried Hinterleiten ist geprägt von kargen, kristallinen Urgesteinsböden mit etwas Granit und teilweise leichter Lössüberdeckung. Diese Kombination und der thermische Wechsel zwischen sommerlicher Wärme und kühlen Nächten erhält die rebsortentypische Säure auch bei verzögerter Ernte mit relativ hohen Öchslewerten. Jedenfalls hat Kerstin Schüller das Terroir genutzt, um einen eleganten, würzigen, mineralischen Wein auszubauen. Die rebsorteneigenen Komponenten fruchtig, pfeffrig, frisch haben weiter dafür gesorgt, dass ein Grüner Veltliner mit dem besonderen Charakter des westlichen Weinviertels entstanden ist.
Im Glas erfreuen wir uns an einem expressiven Bukett von etwas Zitrus, etwas grünem und weißem Pfeffer und weißgrünen und gelben Äpfeln plus einem Touch Stachelbeere. Eine winzige, interessante Rauchigkeit verbindet sich mit Tönen von Heu und Kräutern. Im Mund tritt der Wein trocken, aber saftig auf. Herrliche Fruchtigkeit paart sich mit einem energischen Extrakt, der dem Wein Körper und Dichte gibt, ohne ihn schwer oder zu opulent wirken zu lassen. Die aktive Säure und die abgerundete Mineralität erhalten seine Frische und stützen einen gehaltvollen, süffigen, schmelzigen Abgang. Das ist ein vielseitiger Speisebegleiter nicht nur zu den üblich Verdächtigen wie Spargel, sondern auch zu einem Wiener Backhendl, zu Tafelspitz oder einem Kalbfleischrisotto.
Zweigelt Exklusiv 2016
Der Zweigelt Exklusiv vom Weingut Schüller stellt sich als reinsortiger Zweigelt vor und schlägt einen eigenen Weg zum Spitzenniveau ein, eng orientiert am traditionellem Stil. Im Glas zeigt er sich mit einem kräftigen, brombeerdunklen Rubingranat. Wir schnüffeln an einem beerigen Bukett mit kräuterwürzig unterlegten tabakigen Nuancen: Brombeeren, schwarze Johannisbeeren, Heidelbeeren und Himbeeren. Am Gaumen kommen zu den Aroma-Beeren noch rote Johannisbeeren und ein Hauch von Zwetschgen hinzu. Seine körperreiche, dichte Fülle fällt angenehm auf, er gleitet ohne Aggressionen sanft über die Zunge. Gleichwohl zeigt sich eine solide Tanninstruktur, ein gezähmter Säurebogen, eine gut integrierte Würze und herrliche Fruchtigkeit, die im Finish sogar leichte Kirschnoten offenbart. Das ist ein lebendiger Zweigelt mit feiner Eleganz. Genießen Sie ihn zu Penne mit weißen Trüffeln, zu einer Fleisch-Lasagne oder zu einem gebratenen Kaninchen.
08.10.2018
Personen-Fotos: © Steve Haider Landschaftsfotos © KastnerMedia
Flaschen-Fotos: @ Bernd Weiss