An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Salzl Seewinkelhof: Genuss und Lebensfreude vom Neusiedler See
Der Anblick ist überraschend: mediterran, rund, harmonisch ausgeglichen. Selten führt die Architektur eines Weinguts so treffend vor, was die Familie und ihre Einstellung zum Wein prägen. Selten vermittelt eine Architektur das Gefühl für das regionale Klima und die Landschaft. Doch es geht noch weiter: Auch der Stil und der Geschmack der Weine, die in dieser Architektur entstehen, zeichnet sich durch vielschichtige Eindrücke von Abrundung und Harmonie aus. Das neue Gebäude mit der Kellerei wurde 2009 inmitten von Weingärten erbaut und erlangte durch die einzigartige Rund-Architektur einen nahezu legendären Ruf, sowohl in der Architektenszene des Landes als auch bei Winzerkollegen, Besuchern und Kunden.
Der Seewinkel zwischen dem Neusiedler See und der östlich gelegenen Grenze nach Ungarn ist geprägt durch rund vierzig salzhaltige Seen, die Laken. Sie werden von Regenwasser gespeist und sind bis mehr als 10 km² groß mit einer Wassertiefe von etwa einem halben Meter – oder sie sind ausgetrocknet, im Sommer. Etliche Lacken sind aufgrund der Entwässerungsmaßnahmen versteppt: die westlichste Salzsteppe Eurasien. Überall wimmelt es von Vögeln inklusive Stop-over-Zugvögeln, obendrein grasen hier echte Steppenrinder. Die Gegend rühmt sich des mit 114 Metern Seehöhe tiefst gelegensten Punkts Österreichs. Erstaunlicherweise gibt es in dieser flachen Gegend „brettelebene“ Weingärten bis zum Horizont. An der Rebenfreundlichkeit der Gegend ist indes nicht das Soda in den Seen schuld, sondern es sind die 2.000 Sonnenstunden und rund 300 Sonnentage pro Jahr, die den Seewinkel zur sonnenscheinreichsten Region Österreichs machen. Da können nicht einmal die Gebirgsdörfer mithalten, die der Sonne näher entgegenragen. Dementsprechend zählt der Seewinkel weltweit zu den am meisten begünstigten Weinbaugebieten.
Alle drei Winzergenerationen, Heribert, Josef und Christoph Salzl, sind sich einig, dass die Weine authentisch sein sollen. Man soll spüren, woher der Wein kommt. Er soll Genuss und Lebensfreude vermitteln und dazu gehören nun einmal nicht die Ecken und Kanten, mit denen viele Winzer glauben, auffallen zu müssen. Auf dem Seewinkelhof schmeckt man in den Weinen die Herzenswärme der Winzer und das Runde, Sanfte und Harmonische des Terroirs. Da liegt die Familie mit dem Motto „Great Wine, Great Time“ genau richtig.
Das leidenschaftliche Engagement der Familie Salzl wird seit Jahren in etlichen Weinführern mit einem Sternenhagel oder mit Trauben und Punkten in höchsten Kategorien prämiert, vor allem für die von uns nicht verkosteten High-End-Weine der Premium League. Der angesehene österreichische Weinführer Falstaff führt das Weingut Salzl seit langem mit den maximalen 3-Sternen.
Dem Weingut funktional zugehörig, aber zentral im Ort gelegen, ist die 4-Sterne-Pension Salzl Seewinkelhof. Sie hat unter anderem eine Sauna und im begrünten Innenhof einen Pool. Es ist zwar herrlich, nach einer intensiven Weinverkostung gleichsam nebenan ins Bett fallen zu können. Dennoch lohnt sich hier aber auch ein ganzer Urlaubsaufenthalt, bei dem man nicht nur das Weingut besuchen, sondern auch die typische Pussta-Landschaft in der Umgebung erkunden kann. Dazu gehören Radfahren, Reiten oder einfach nur an der Seepromenade Spazieren gehen – und im Warmsee („Darscho“), dessen salzhaltiges Wasser heilkräftig sein soll, baden gehen.
Wir konnten sechs Weine des Weinguts Salzl verkosten.
Don Bepo 2017
Im Glas verkündigt die grün-gelbe Farbe Frische und Jugendlichkeit. Es entfalten sich rasch ein exotisches Fruchtspiel und bereits ein Frischeeindruck, den wir erst im Geschmack erwartet hatten. Aromen von Litschis, grünen Äpfeln, Ananas, Birnen und vom Sauvignon Blanc die Stachelbeeren tummeln sich in der Nase. Der Wein bietet aromatisch aber auch eine vegetabile Richtung mit Minze und einer Kräuternote von Wacholderbeeren nebst einer winzigen Prise Muskat. Im Mund trumpft er mit seinen Fruchtaromen dann richtig auf: Pfirsich, Erdbeeren, Honigmelone, dazu Zitrusnoten und florale Richtungen vom Typ Frühlingswiese im Morgentau. Die fruchtsüße Süffigkeit ist von einer aktiven Säure und einer leichten Mineralität gut abgefedert und hält den Wein noch lange und fruchtschmelzig am Gaumen. Das ist ein Wein aus der Kategorie unkomplizierter Terrassenwein, der in Österreich in jeder Heurigen Stube für gute Laune sorgen dürfte. Ein süffig-frischer, spritziger, vollmundiger Leichtfuß für jede Tages- und Nachtzeit. Nehmen Sie ihn gut gekühlt mit auf einen Sommerausflug zu Kartoffelsalat und Wiener Würstchen.
Die Trauben für diesen reinsortigen Chardonnay wachsen ebenfalls im Ried Römerstein in Parzellen von Braunerdeboden mit sandigem Lehm und hohem Schotteranteil. Er ist im temperaturgesteuerten Edelstahltank ausgebaut mit fünfmonatigem Hefelager, also kein Holzfasstyp, bei dem Frische und Fruchtigkeit gedämpft wurden. Er funkelt kräftig gelb mit grünlichen Blitzen im Glas und schickt – Stahl sei Dank – eine üppige Fülle von Fruchtnoten in die Nase: weiße Pfirsiche, gelbe Pflaumen, Futuro-Melonen, Passionsfrucht, Ananas und etwas Zitronengras. Die Fruchtnoten werden ergänzt durch einen floralen Touch von Holunderblüte und Brennnessel. Im Geschmack imponieren spontan seine Frische und Süffigkeit, seine fruchtige Eleganz und seine stabile Säure. Wir freuen uns über grüne Birnen, grüne Äpfel, frühreife Bananen, Marillen und Erdbeeren und eine Spur von roter Grapefruit und von Paranüssen. Im cremigen Finish zeigt der Chardonnay seine schöne mineralische Seite vor und erinnert noch lange an den reich gefüllten Fruchtkorb. Das ist vom Stil und der Textur her ein Frische-Frucht-Chardonnay mit Biss – ohne Butterflocken und Vanillestangen. Ein Einstiegswein im Portfolio der Familie Salzl, der die Harmonie und Ausgewogenheit verströmt, für die das Weingut bekannt ist. Er macht sich am Tisch gut zu einem Kalbfleischrisotto oder zu einem Zanderfilet aus Brandenburg im Blätterteigmantel.
Neusiedlersee DAC Zweigelt Selection 2016
Die Trauben für den Neusiedlersee DAC Zweigelt Selection 2016 kommen alle aus Parzellen im Ried Römerstein mit vergleichsweise leichtem Boden aus nahezu kalkfreiem, lehmhaltigen Sand mit deutlichem Kiesanteil. Der Ausbau erfolgte über die traditionelle Maischegärung im Stahltank bei relativ hohen Temperaturen von 30° C mit einer Maischestandzeit von 14 Tagen. Der Zweigelt wurde im Stahltank weiterbehandelt und zwar mit der malolaktischen Gärung zum biologischen Säureabbau. All das hat im Ergebnis zu 3,4 g/l Restzucker und 5 g/l Säure geführt und zu 90 Punkten im Falstaff-Magazin.
Aus dem Glas strahlt uns der Wein in einem tiefdunklen Rubinrot an, das zum Glasrand in Violett übergeht. Eine noble, reife Fruchtigkeit von saftigen Kirschen, blauen Beeren, etwas Cassis und einigen Schoko-Noten begeistert die Nase. Ein zärtlich eingebundener Hauch von blauen Veilchen und edlen Gewürzen rundet die erste Begegnung ab. Während die Frucht über die Zunge vordringt, öffnet sich eine gelungene Komposition aus Weichsel und dunklen Herzkirschen, Heidelbeeren und roten Johannisbeeren, blauen Zwetschgen und edlen Gewürzkräutern. Ab und an tauchen Anklänge von Minze, dunklem Tabak und Bittermandeln auf. Die Frucht und die regionaltypische leicht salzige Mineralität unterstützen die Struktur des Weins. Zusammen mit der gezähmten Säure und den verhaltenen Tanninen wird eine geschmeidige Frische vermittelt, die dem durchgängigen Stahltankausbau zu verdanken ist. Auch im lange anhaltenden Finish gibt es keine unerwünschte Seitenbewegung, es bleibt bei der animierenden Fruchtsüße. Fazit: Welch saftige Fruchtstruktur am Gaumen, welch zart salzige Mineralität, welche Beschwingtheit auf der Zunge. Das ist immerhin „nur“ der Basis-Zweigelt aus dem Winzerhandwerk Salzl.
Zweigelt Reserve 2016
War der DAC von der süffigen Frische geprägt, so haben wir jetzt den kraftvollen, dichten und eleganten Typ, der ein unbändiges Genussvergnügen auslöst. Er präsentiert sich in einem üppigen, energischen Bukett mit einer enormen Fruchttiefe von schwarzen Herzkirschen, Weichsel, Himbeeren, Brombeeren und einem Hauch von Südsee – Vanille, Zimt und Kaffeebohnen plus ein ganz klein wenig Lakritze. Am Gaumen erscheint die Reserve als Harmoniewunder mit der Gutmütigkeit eines wahren Riesen. Früchte von dunklen Beeren, Kirsche & Weichsel, überreife Zwetschgen, rote und schwarze Johannisbeeren, all das wirkt zusammen mit den Noten von Gewürzen, Süßholz und dunkler Schokolade wie die Essenz der Traube. Die vanillig-röstigen Holznoten sind nicht schamhaft verborgen, sondern passen gut zu den dichten, feinkörnigen Tanninen, die einen schmelzigen Abgang begleiten. Ein eleganter, extraktreicher und einschmeichelnder Wein mit einer erstaunlich weichen Textur, der noch locker fünf bis acht Jahre vor sich haben kann. Genießen Sie ihn als Solisten zum Tagesausklang oder zeigen Sie ihm ein dry aged Rib Eye vom Grill, medium rare.
Grande Cuvée 2015
Aus dem in einem tiefdunklen Granat funkelnden Glas drängeln sich vielseitige Aromen, von denen die reifen Zwetschgen und schwarzen Kirschen es als erste in die Nase schaffen, gefolgt von Brombeeren und schwarzen Johannisbeeren. Dazu unternehmen wir einem kurzen Ausflug in die Weihnachtsbäckerei mit Schokolade, Zimt und Nelken. Am Gaumen explodieren dann eine mittlere Fruchtbombe und ein kleiner Gewürzladen: Kirschen, Zwetschgenkonfitüre, Beerenkonfit, Cassislikör und vielfache Nuancen etlicher blauer und roter Früchte. Über die Zunge fließen interessante Entdeckungen, etwa von Süßholz, Mokka, Rosmarin, Lakritze, Assam-Tee, Karamell und Vanille. Die schönen Röstaromen sind nicht aufdringlich, sondern ordentlich eingebunden, die Säure ist mild, die Mineralik erfrischend, die Tannine haben energischen Grip und bringen sich auch im langen, dichten und saftigen Abgang neben der Fruchtpower in Erinnerung – dazu etwas Malz, Nougat, Waldbeeren und etwas Florales nebst einer winzigen Prise vom schwarzen Pfeffer. Die große Cuvée ist ein vollmundiger Edelwein mit Energie und Eleganz, den jeder Rotweintrinker bejubeln wird. Als Speisebegleiter ist er breit aufgestellt – probieren Sie ihn einmal zu einem klassischen Rinderschmorbraten, ein anderes Mal zu einem echten Pussta-Gulasch.
Goldene Finesse 2015
Das Gebiet um Illmitz ist das Zentrum der weltberühmten Süßweinlegenden des Burgenlands. Mit verlässlicher Regelmäßigkeit tritt hier Botrytis auf und ermöglicht die Erzeugung unvergleichlicher Dessertweine von der Auslese bis zur Trockenbeerenauslese und zwar aus ganz verschiedenen Rebsorten. Die riesige Wasserfläche des nahen Neusiedler Sees schafft mit einem ganz besonderen Mikroklima die Voraussetzungen dafür.
Das berühmte Bukett der Scheurebe entwickelt sich im goldgelben Glas zu einem gar übersinnlichen Duft. Feinste Nuancen von tropischen Früchten wie Maracuja, Ananas, Mandarinen, kandierten Birnen und Holunderblüten werden von einem Hauch Waldhonig und Karamell eskortiert und vereinen sich in einem komplexen Aromenspiel. Wir schmatzen in der Hoffnung auf Endlosigkeit auf einem wuchtigen Potpourri herum von weißem Pfirsich, Charente-Melonen, wieder Hollunder, etwas Karamell und Honig, dazu eine runde Würze. Die Säure ist mit 7,6 g/l gut platziert, um der Süße ergänzt durch die Röstnoten und die Mineralik ein festes Gerüst zu geben und den Wein nicht in klebrige Marmeladigkeit abgleiten zu lassen. Im Finish verabschiedet er sich harmonisch, cremig und eben herrlich süß. Das ist ganz klar der Wein zu den üblichen Verdächtigen wie Blauschimmelkäse und warmem Schoko-Pudding. Machen Sie es einmal anders als die anderen und reichen Sie ihn zu einem süß-scharfen indischen Chicken-Curry.
31.05.2018
alle Fotos © Weingut Salzl