An den vier Enden der Welt
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Azienda Vigna Petrussa: edelsüße Picolit von der Signora dello Schioppettino
Eines der Weingüter, das ihre süßen Weißweine auch außerhalb Italiens und des Weinanbaugebiets Colli Orientali del Friuli stolz präsentiert, ist die Azienda Vigna Petrussa. Sie liegt in Albana, in der Gemeinde Prepotto, keine 300 Meter von der slowenischen Grenze entfernt im östlichen Teil des Gebiets Colli Orientali del Friuli in der D.O.C.G. Appellation Picolit. 1995 hatte Hilde Petrussa Mecchia das 1890 gegründete Weingut zusammen mit ihrem Mann übernommen und führt es in der dritten Generation der Familie.
Die Weinberge mit bis zu 40 Jahre alten Stöcken ziehen sich über die Hügel entlang des Flusses Judrio. Diese Gegend ist eigentlich für ihre Weißweine bekannt, doch in den Weinbergen um Prepotto stehen überwiegend rote Rebsorten, insbesondere eben die Scioppettino, deren Überlebenskampf fest in der lokalen Geschichte verankert ist. Die Böden sind bekannt für den Eozän-Mergel, Ponka genannt. Ponka ist sehr kalkreich mit maritimen Fossilen aus dem Urmeer, kann aber zerfallen und sich in entkaltem Ton auflösen. Da Ponka-Böden porös sind, speichern sie ohne die nur an wenigen Stellen vorkommenden Tonauflagen kaum Wasser. Die Rebwurzeln müssen sich also in den Untergrund strecken und nehmen durch den Kalkstein jede Menge Mineralsalze auf.
Die Weine von Vigna Petrussa sind in vier Linien eingestellt: Die „Perlen“, die Internationalen Sorten, die autochthonen Sorten und Hildes ganz persönliche Linie „Meine Launen“, die guten natürlich. Vigna Petrussa wird für die hochwertige Qualität von Hilde Petrussas Weinen regelmäßig mit Preise und Auszeichnungen belohnt, man braucht nur in den neuesten Gambero Rosso 2019 zu schauen, um zahlreiche Zwei-Gläser-Weine zu entdecken, an der Spitze der Picolit.
Wir haben zu unserem Beitrag über Colli Orientali del Friuli Picolit und Co. zwei süße Weine von Vigna Petrussa verkosten können.
2015 Picolit Colli Orientali del Friuli D.O.C.G.
Die Rebstöcke dieses Picolit stehen auf dem etwa 250 Meter hohen Hügel um die Kirche Santo Spirito über der Ebene von Albana. Die Trauben wurden nach der Ernte mehr als 40 Tage lang getrocknet, dann entrappt, vorsichtig gepresst und kurze Zeit kalt mazeriert. Die Gärung erfolgte in temperaturgesteuerten Eichenholzfässern. Der Wein reifte 18 Monate lang in neuen Barriques aus französischer Eiche und lag danach noch 6 Monate auf der Flasche.
Wir wollen nicht verschweigen, dass sich dem Picolit auch eine passende Speise zuordnen lässt, zumeist aus dem Kreis der üblichen Verdächtigen wie echte Foie Gras Patè (nicht zu verwechseln mit einer einheimischen Gänseleberpastete), Austern, Blau- und Grünschimmelvarianten, trockenes Gebäck und neuerdings auch Schokolade. Doch wer möchte schon einen einzigen Tropfen dieses Schatzes im Geschmack mit einer Speise teilen. Denken Sie an die Kaiser, Könige und Päpste und gönnen Sie sich und ihm seinen einzigartigen Auftritt als grandiosen Solisten. Genießen Sie jeden einzelnen Schluck dieser Persönlichkeit mit allen Sinnen. Ach ja, servieren Sie den Picolit nicht auf Kühlschrankniveau, sondern mit geschmackssteigernden 12° bis 14° C.
2015 Desiderio Venezia Giulia IGT
Der Desiderio ist eine Cuvée aus getrockneten Trauben der Rebsorten Tocai Friulano und der istrischen Malvasia. Die ertragsstarke Sorte Tocai Friulano hat weder mit dem ungarischen Tokajer – von dem sie sich nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs auf dem Etikett abgrenzen muss – noch mit dem Pinot Gris Typ Tokay d’Alsace etwas zu tun. Bisher galt sie als autochthone Sorte des Friaul, neuerdings wird sie als Varietät des Sauvignonasse oder Sauvignon vert angesehen. Die weiße Malvasia Istriana soll durch venezianische Seefahrer nach Friaul gebracht worden sein. Hier kommt ihr Wein oftmals derart aromatisch in die Flasche, dass er seine süßen Verwandten aus Süditalien oder Frankreich qualitativ noch übertrifft. Beide Rebsorten wurden bei Vigna Petrussa getrennt ausgebaut, was sich schon deshalb aufdrängt, weil dann der Oxidationsanfälligkeit der Malvasia Trauben durch längeres Einmaischen und Lösen der Antioxidantien aus den Beerenhäuten vorgebeugt werden kann. Vergoren wurden beide Rebsorten jedenfalls in Eichenfässern und reiften rund zwei Jahre in französischen Barriques.
Im Glas funkelt der Wein in einem intensiven Goldton mit einem bernsteinfarbenen Randschimmer. Er duftet in Richtungen von Akazienblüten, Mandeln, Äpfeln und Birnen, getrockneten Aprikosen, Haselnüssen, etwas Heu, Safran und zarten Wiesenblumen. Immer wieder drängelt sich ein leicht rauchiger Touch dazwischen. Auf der Zunge breitet sich der Wein köstlich süß und energisch würzig zugleich aus. Zu den vielfältigen Aromen aus dem Bukett kommt der Geschmack von Paranüssen, Datteln, Feigen und Akazienhonig hinzu. Der Abgang wird von dezenter Säure und einer kleinen Mineralik gestützt und lässt Assoziationen an Mandelnougat und Marzipan aufkommen. Ein wohlschmeckender Wein mit einem komplexen Aromenspektrum. Er ist ein eindrucksvoller Begleiter zu einer Sesam-Poularde aus dem Ofen oder im Dessertbereich zu einer Nusstorte.
15.01.2019
alle Fotos: © Vigna Petrussa
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