An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Dr. Crusius: Topweine von der Nahe mit 450 Jahren Familientradition
Es gibt nur ganz wenige Weingüter in Deutschland, die eine Familiengeschichte vorzeigen können, die über Jahrhunderte mit dem Wein verbunden ist. Das Weingut Dr. Crusius in Traisen an der Nahe gehört dazu. Der kleine Ort Traisen – im Keltischen bedeutet er Fels – liegt wenige Kilometer südöstlich von Bad Kreuznach im Weinanbaugebiet Nahe.
Das seit 1971 gesetzlich festgelegte Gebiet Nahe ist mit nur 4.200 Hektar Rebfläche eines der kleinsten deutschen Anbaugebiete. Es gehört zu Rheinland-Pfalz und besteht seit 1993 aus dem einzigen Bereich Nahetal. Das Tal der Nahe erstreckt sich von der Mündung des Flusses in den Rhein bei Bingerbrück in Richtung Südwesten und gilt als eine der schönsten Weinlandschaften Deutschlands. Nach Osten grenzt es an das Anbaugebiet Rheinhessen, im Nordwesten liegt in der Ferne das Moselgebiet. Die Nahe ist ganz überwiegend ein Riesling-Wunderland mit sieben Großlagen und 328 Einzellagen, die zu 75 % mit weißen Rebsorten bestockt sind.
Was das Weingut Dr. Crusius angeht, so belegen die ersten urkundlichen Zeugnisse, dass 1576, kurz nachdem in der Gegend die Reformation Fuß gefasst hatte, Matthäus Crusius in Hüffelsheim, dem Nachbarort von Traisen, an der evangelischen St. Lambert-Kirche das Pfarramt ausübte und Wein anbaute. Hüffelsheim hatte schon damals eine sagenmäßige Beziehung zum Wein, soll doch Ritter Boos von Waldeck das Dorf durch einen Stiefeltrunk erworben haben. In Traisen machte Familie Crusius ungeachtet der Berufe der Familienoberhäupter über die Jahrhunderte hinweg Wein, üblicher Weise vor allem den Weißen Orlean. Der nach Süddeutschland verkaufte Fasswein wurde seit dem 18. Jahrhundert wahrscheinlich mit dem Fähr-Nachen in Huttental über die Nahe geschafft, noch heute ist es die einzige handbetriebene Seilzugfähre Südwestdeutschlands.
1990 übergibt Hans-Joachim Crusius den Betrieb ganz formal an seinen 1955 geborenen Sohn Peter, nunmehr also Peter V, der bereits seit 1982 im Betrieb mitgearbeitet hatte. Das Weingut heißt fortan Dr. Crusius. Peter Crusius hatte zunächst in Hohenheim das Diplom in Agrarwissenschaften gemacht, dann in Geisenheim Önologie studiert und 1982 in Gießen mit der Dissertation „Auswirkungen des Anschnitts auf Menge und Ertrag“ promoviert. Was heute önologischer Standard ist, musste damals auf wissenschaftlicher Grundlage verbreitet werden, weil es für die Winzer noch einer Sünde gleichkam, gewachsene Ranken oder sogar einen Teil des Traubenbehangs abzuschneiden.
Dr. Peter Crusius führt das Weingut zusammen mit seiner Frau Birgitta jetzt fast 30 Jahre lang, zunächst auch noch zusammen mit seinem 2009 verstorbenen Vater Hans-Joachim. Von Peter und Birgittas vier Kindern ist Paul Betriebswirt und Unternehmensberater, die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin Judith hat im Weingut inzwischen Marketing, Vertrieb und Export übernommen und Tochter Rebecca, die in Geisenheim Önologie studiert hat, arbeitet im Weinberg und im Keller mit. Es ist vorhersehbar, dass Vater Peter den Betrieb – so wie es die anderen Nahe-Ikonen Dönnhoff und Diel längst getan haben – in nächster Zeit an die Kinder übergeben wird, auch wenn er es sich nicht nehmen lassen wird, weiterhin in den Weinbergen herumzukraxeln.
Das Weingut bewirtschaftet rund 21 Hektar Rebfläche, die Weinberge liegen rundherum nur wenige Kilometer entfernt: Die besten Lagen sind Bastei und Rotenfels bei Traisen, Kirschheck in Norheim, Felsensteyer in Niederhausen sowie Felsenberg und Kupfergrube bei Schlossböckelheim. Hinzu kommen die Traiser Ortslagen Nonnengarten und Kickelskop – diese grenzt unmittelbar an die Rotenfels-Lage an. Die beiden Schlossböckelheimer Lagen und die Traiser Bastei sowie die Rotenfelser Sublage Mühlenberg sind nach dem Lagenstatut des VDP klassifizierte Große Lagen, aus denen Weine als Große Gewächse gekennzeichnet werden dürfen. Rotenfels, Kirschheck und Felsensteyer sind VDP.Erste Lagen. Die absolute Toplage Traiser Bastei gehört mit nur 1,2 Hektar zu den kleinsten Spitzenlagen Deutschlands.
Das Weingut Dr. Crusius füllt alljährlich etwa 120.000 Flaschen ab. Die Vielfalt der Rebsorten, die das Weingut auf die Flasche bringt, ist bemerkenswert: Bei den Weißen sind es zu 70 % Riesling, gefolgt von Weißburgunder, Grauburgunder, Müller-Thurgau, Sauvignon Blanc, Chardonnay, Auxerrois und in manchen Jahren sogar Grüner Veltliner. An roten Sorten wird Spätburgunder und Frühburgunder, aber auch Schwarzriesling abgefüllt. Im Keller läuft die Vergärung temperaturgesteuert ab, sowohl mit Spontan- als auch mit Reinzuchthefen oder einer Kombination aus beidem. In dieser Hinsicht gibt es ebenso wie bei der Entscheidung, ob Edelstahl, großes oder kleines Holz und mit welcher Belegung eingesetzt wird, keine dogmatische Vorgabe, jedes Jahr wird für jede Rebsorte, Lage oder Gebinde neu entschieden, mit welchen Methoden ausgebaut wird. Neben den Weinen werden auch flaschenvergorene Sekte hergestellt, von denen aktuell ein Riesling und ein Weißburgunder angeboten werden.
Die Auszeichnungen für die Weine vom Weingut Dr. Crusius lassen sich inzwischen kaum noch zählen, jedenfalls vergeben Eichelmann, Gault Millau, Feinschmecker und Vinum jedes Jahr Topbewertungen mit Höchstmengen an Sternen, Trauben, Gläsern und Urkunden. Besonders die Edelsüßen von Dr. Crusius werden von allen Autoren als nicht mehr konkurrenzfähig angesehen, weil sie – weit über die Nahe hinaus – kaum noch zu überbieten sind.
Wir konnten neun Weine des Weinguts Dr. Crusius verkosten.
2017 Von den 13 Morgen Cuvée trocken
Im Glas schaukelt der Wein hellgelb mit grünlichen Reflexen. Er lockt mit Düften von jungen Äpfeln wie Klaräpfeln, von fruchtig herben Quitten und mit kleinen Nuancen von grüner Melone, Nüssen und Zitrus. Im Mund schmatzen wir auf einem fruchtigen, süffigen und mineralisch ausgeprägten Körper herum, der mit Süße und Säure Ping-Pong spielt. Er ist füllig, aber nicht schwer, und gleitet saftig in einen langen, fruchtigen Abgang. Diese Cuvée hat von allem etwas: Sie ist anschmiegsam wie ein Weißer Burgunder, dezent duftig wie ein Müller-Thurgau, füllig, aber filigran wie ein Auxerrois und mächtig aromatisch wie ein Riesling. Das Besondere aber ist die beeindruckende Harmonie von Rebsorten, Säure, Restsüße und Mineralik, wie man sie im Literformat kaum findet. Wer ihn vorschnell als einen der berühmt-berüchtigten Zechwein-Typen einordnet, die säuerlich-herb von der Bahndamm-Schattenseite angeboten werden, wird geschockt sein: Diese Cuvée rangiert im Bereich hoher Qualitäten und kann nur als köstlich gelobt werden. Es ist der feine und allseits gefällige Einschmeichler für Genießer und zwar für vormittags, nachmittags, abends und nachts.
2018 Traiser Weissburgunder trocken
Die Trauben für diesen Wein stammen aus der Spitzenlage Rotenfels und der Traiser Ortslage Nonnengarten. Hier fühlt sich die Weißburgunder Rebe in trocken-warmer Umgebung wohl und bedankt sich bei langer Reifung mit hohen Mostgewichten. Die Trauben wurden nach selektiver, manueller Ernte jeweils teilweise im Edelstahl und großen Holz vergoren.
Die Aromatik des Ortsweins ist sortentypisch distinguiert und zeigt grünrote Birnen, rotgelbe Äpfel, einige Nüsse und Aprikosen, ein Hauch von Zitrus und von weißen Blüten. Am Gaumen tritt die Fruchtigkeit mit einer überraschend kuscheligen Zärtlichkeit auf – die feine Säure ist enorm eingebunden, meldet sich aber durch eine extrovertierte Frische zurück, die gut im Saft steht und im Abgang von einer feinen Mineralik und ordentlichem Extrakt noch lange unterstützt wird. Der Wein ist perfekt austariert, sein dezentes Frucht-Säure-Spiel und seine Frische generieren eine ganz besondere Eleganz. Das ist ein hochwertiger Begleiter für einen klassischen Lachs vom Grill oder etwas schräg zu einem bayerischen Leberkäs.
Die renommierte Cuvée von Dr. Crusius aus 51 % Weißburgunder und 49 % Auxerrois ist in dieser Sorten-Assemblage eine gewisse Rarität. Sie vereint die gehaltvolle Aromatik des Auxerrois wunderbar mit der feinen Eleganz und Frische des Weißburgunders. Namensgeber der Rebsorte Auxerrois ist übrigens die ehemalige Grafschaft Auxerrois zwischen Nordburgund und der Champagne. Vermutlich wurde die Rebe bei der Vertreibung der Hugenotten von Winzern nach Deutschland mitgenommen, wo sie hauptsächlich an der Obermosel, an der Saar, in der Südpfalz, im Kraichgau und im Markgräflerland angebaut wird. An der unteren Nahe wachsen die zur Familie der Burgundersorten gehörenden Reben nicht auf Kalkstein wie in Burgund, sondern auf Porphyrverwitterungsböden und laden sich durch das leicht erwärmbare Gestein mit Energie auf.
In der Nase drängelt sich die Cuvée nicht mit Explosivstoffen, sondern offeriert vornehm dosiert Nuancen von Pfirsichen, frischen Birnen, Quitten, Ananas, Mango und Zitrusfrüchten. Im Geschmack kommt zu dem fruchtigen Aromenspektrum eine leichte würzige, nussige Note mit etwas Holunder und Mandeln hinzu. Hier wirkt der Wein weich und geschmeidig und bringt neben einer charakterstarken Mineralität im Finish auch einigen Schmelz mit. Es ist eine filigrane Cuvée mit gezügelter Säure, die weingutstypisch ideal ausbalanciert ist. Wir genießen einen lustvollen Sommerwein von großer Klasse für alle Fälle. Er brilliert aber auch völlig risikofrei zu weißem Spargel mit Kartoffel-Drillingen.
Der VDP.Ortswein ist der Dr. Crusius-Klassiker, der die erste, bereits hochqualitative Stufe auf der Riesling-Leiter des Weinguts darstellt und dringend anregt, in der Rieslingkollektion aufzusteigen gen Weinhimmel. Die Trauben kommen aus dem Rotenfels und den Traiser Ortslagen Nonnengarten und Kickelskopf. Hier beherrschen außer dem vulkanischen Porphyr auch sandiger und von feinkörnigem Zerfallsgestein durchsetzter Lehm das Terrain, das sich an den Hängen zu Schuttdecken formt.
Das Bukett bringt bereits diese berühmten feinen Spuren der Mineralität herüber, die so traumhaft zum Riesling passen. Sie werden von Pfirsich-, Papaya- und Zitrusnoten ausgefüllt. Geschmacklich betört die prägnante, süßliche Fruchtigkeit des Weins, die zusammen mit der gut eingebunden, quicklebendigen Säure einen Riesling-Charakter hervorhebt, der für seine Herkunft vom Terroir der unteren Nahe steht. Im dynamischen Abgang erleben wir noch lange diese markante Fruchtigkeit und die animierende Frische. Ein Wein mit Kraft und Saft und einem unkomplizierten, beschwingten Trinkfluss, der eine deutlich elegante Richtung einschlägt. Er ist ein vielseitiger Speisebegleiter, der weder Fisch noch Fleisch scheut. Für den Anfang können sie ihn passgerecht zu einem echten Wiener Kalbsschnitzel mit Kartoffelsalat servieren.
2017 Traiser Riesling Porphyr
Auch das ist ein Ortswein, dessen Trauben aus den Lagen rund um Traisen kommen, die durch Porphyr-Gestein geprägt sind. Es ist gleichsam der Einstiegsriesling auf der halbtrockenen Seite. Wie es sich für einen halbtrockenen Lockwein gehört, ist er frisch, fruchtig, aromatisch. Er führt mit seiner Stilistik gerade junge Leute und Weininteressierte im Anfangsstadium an Wein heran und das auf dem bewundernswert hohen Niveau von Dr. Crusius. Es ist wichtig, dass gerade ein VDP-Weingut daran mitwirkt, dem jungen Weinpublikum die Erfahrung zu vermitteln, dass Wein unendlich viel mehr ist als der 2,95er aus dem Discounterregal.
Hellgelb funkelt der 2017 Traiser Riesling Porphyr im Glas. Es duftet stark nach reifen grünen Äpfeln, Quitten und Aprikosen mit einem Touch Zitrus, ganz ganz hinten flüchtet noch eine klitzekleine Spur weißer Pfeffer. Eine im wahrsten Sinne des Wortes eigen-artige mineralische Note gibt den primären Fruchtaromen einen spannenden Rahmen. Am Gaumen kommt sofort eine starke mineralische Ausprägung an. Man mag ja nicht gleich an fließende Lava denken, doch irgendwie feuert die leicht süßliche, feurig-mineralische und säurefrische Komponente die Sinne an. Es ist erstaunlich, wie es gelungen ist, diesen ganz speziellen Geschmack vom Vulkangestein herauszuarbeiteten, der sich deutlich von einer Schiefer-, Muschelkalk- oder gar Buntsandstein-Mineralik unterscheidet. Vielleicht ist der Wein gerade deshalb halbtrocken ausgebaut, weil eine quarzitarme Porphyrbasis im Gegensatz zum quarzitreichen Rhyolith mit ihrem niedrigen pH-Wert viel Äpfelsäure mitbringt und im trockenen Ausbau die Harmonie stören könnte, falls man nicht auf die schräge Idee einer malolaktischen Gärung käme. Die charmante Restsüße des 2017 Traiser Riesling Porphyr ist kantenlos in der lebendigen Rieslingsäure untergebracht. Die rebsortentypische Fruchtrichtung von Aprikosen, Pfirsichen, grünen Birnen und Zitrusvarietäten ist vertraut und steht auch im Mittelpunkt des langen Finales. Ein Wein, der seine ganz spezielle geologische Herkunft in einem ganz besonderen sensorischen Format abbildet, das am ehesten noch in die Richtung einer Granit-Stilistik weist. Riesling-Eleganz mit kerniger Struktur und einer fruchtigen Frische, die dem Cool Climate entsprungen zu sein scheint. Stellen Sie diesen besonderen Gesteinswein zu einem Kalbsragout hin oder zu einem vorsichtig gewürzten Hähnchencurry. Er lockert aber auch Schluck für Schluck und Flasche für Flasche jeden geselligen Gesprächsabend auf.
Die Weinlage Rotenfels
Der spektakuläre Rotenfels bildet mit mehr als 1,2 Kilometer Länge und 327 Meter Meereshöhe die größte zusammenhängende Steilwand nördlich der Alpen. Sie ragt 200 Meter am linken Nahe-Ufer empor. Der Felsen ist 260 Millionen Jahre alt und besteht aus rötlichem und weißen Rhyolith-Vulkangestein, das sich leicht erwärmt. Der Begriff Rhyolith kommt aus dem Griechischen und steht für "fließender Stein", angelehnt an das Fließgefüge, das er als Magmagestein abbildet. Rhyolith enthält viel Quarz und wird deshalb auch als Quarzporphyr bezeichnet, im Weinbau kurz Porphyr genannt, obwohl diese Bezeichnung sich eher auf quarzitarme Vulkangesteine bezieht. Rhyolith ist hauptsächlich feinkörnig, wird aber durchsetzt von gut sichtbaren größeren Kristallen. Spaltet man einen Stein, sieht er innen fast wie Beton aus.
Das Rotenfelsmassiv ist das Wahrzeichen der Region, der Aussichtspunkt Bastei ist ein beliebtes Wanderziel mit Ausblick zur Ebernburg und weit hinein in das Pfälzer Bergland. Das Felsmassiv ist Naturschutzgebiet und beheimatet eine Vielfalt von seltenen Pflanzen und Tieren.
Auf den Schultern des Rotenfels-Massivs an der Westseite der Steilwand liegt mit etwa 7 Hektar die größte und bedeutendste Einzellage des Weingutes Dr. Crusius. Die Lage Rotenfels ist unterteilt in die Sublagen Mühlberg und Steinberg. Die Parzellen sind nach Süden ausgerichtet, die Hänge durch das Felsmassiv witterungsgeschützt. Hier scheinen die Riesling-Rebstöcke direkt aus dem Fels zu wachsen. Eine Lage, die in überragenden Jahren sogar Eisweine hervorbringt.
Das ist ein VDP.Erste Lage-Wein vom berühmten Rotenfels mit den steilen Südhängen und den Porphyrverwitterungsböden. Hatte schon der Porphyr-Riesling einen besonderen Charakter, so ist der Rotenfels-Riesling geradezu sensationell, was die Verbindung von rarer Fülle und kühler Saftigkeit angeht. Er ist im Edelstahl ausgebaut, wobei einige Partien in großen Eichenholzfässern waren.
Einerseits strömen die überschwänglichsten Fruchtaromen von Pfirsichen, Aprikosen, Holunder, Litschis und Zitrus aus dem Glas. Andererseits aktiviert der Wein die sensorischen Sinne auch sofort durch seine starken mineralischen Konturen. Wir laben uns an dem exotischen und einheimischen Fruchtpotpourri, arbeiten mit der Zunge den Geschmack reifer Weintrauben heraus und freuen uns über die feine Restsüße, die sich neben der reifen Säure und der vibrierenden Mineralität noch selbstbewusst und lecker bemerkbar machen darf und uns auch im langen Nachhall nicht verlässt. Ein filigraner Riesling mit vollem Körper, aber ohne Schnörkel, ohne Versteckspiele, der klar und gradlinig ein unvergessliches Genusserlebnis verschafft und den man locker als Wahnsinnsstoff anbieten kann. Zurück in der Küche begleitet er gerne gut bürgerlich einen Spanferkel-Rollbraten oder ein Sonntagskaninchen aus dem Rohr. Ganz verwegen können Sie ihn ja auch einmal zu einem Erdbeertörtchen probieren.
Die VDP.Erste Lage-Spätlese aus dem Rotenfels ist ein klassischer restsüßer oder wie man früher mit einem Anflug von Verachtung oder zumindest Überheblichkeit sagte: lieblicher Wein. Bei der Handlese wurde in drei bis fünf Durchgängen gnadenlos selektiert. Er ist im großen alten Eichenholz vergoren und gereift.
Es fängt mit einem klaren, feinen und eleganten Bukett an: Mangos, Passionsfrüchte und Limonen verbreiten ein tropisches Flair, Pfirsiche, Mirabellen, weiße Johannisbeeren und ein Hauch gelber Rosen kommen hinzu. Die mineralischen Noten begrüßen wir jetzt schon als alte Bekannte. Auf der Zunge entfaltet sich der Wein extraktreich und konzentriert, zugleich rein und direkt. Die fruchtige Textur, in der sich reife und kandierte Trauben hervortun, wird von einer knackigen, aber wieder einmal perfekt eingebundenen Säure verteidigt und mit einem dichten Extrakt davor bewahrt, in irgendeine beliebige Marmeladigkeit abzugleiten. Ein Wein voller Harmonie mit unglaublicher Finesse und Eleganz. Zu diesem Wein dürfen Sie mal wieder ein gutes Buch aufschlagen, in netter Zweisamkeit kuscheln oder mit Hühnchen gefüllte Enchiladas genießen.
Die zwischen Felsmassiv und der Landstraße 236 liegende Rotenfelser Sublage Mühlberg ist ein Filetstück an der Nahe, in dem nur das Weingut Dr. Crusius Parzellen besitzt. Die Rebstöcke sind nach Süden ausgerichtet und stehen auf rötlichem Vulkangestein. Die Sublage Mühlberg ist als VDP.Große Lage klassifiziert, der Wein ist etwas schüchtern nur mit GG gekennzeichnet, wohinter sich das VDP.Große Gewächs verbirgt.
Er öffnet sich im Glas feinschichtig mit reifen Früchten vor allem aus dem Pfirsich- und Zitrusspektrum, aber auch mit Spitzen von weißen Honigmelonen und Mangos. Sofort eilen würzig-mineralische Töne und sanfte Düfte von weißen Blüten hinzu. Am Gaumen sammeln sich Noten von reifen grünen Äpfeln, weißen Pfirsichen, roter Grapefruit und nassen Steinen plus kleine Kräuternuancen. Die griffige Säure ist gereift und gut integriert, sie gibt dem Wein zusammen mit einer pikanten, manchmal sogar leicht salzig erscheinenden Mineralik und dem guten Extrakt eine stabile Struktur. Der Wein ist vollmundig und knackig, erfrischt ungemein und bringt viel von der großartigen rassigen Eleganz des Rieslings mit, die ihn im kraftvollen Finish noch lange in Erinnerung hält. Eine traumhafte Finesse mit Open End auf der nach oben offenen Genussskala. Suchen Sie nicht die üblichen Verdächtigen zu diesem Wein, genießen Sie ihn lieber als prachtvollen Solisten zu einer besonders schönen Gelegenheit, die auch im Öffnen einer Flasche dieses Nahe-Schatzes bestehen kann.
2016 Traiser Spätburgunder trocken
Der Wein fließt rubin- bis himbeerrot in Glas. Seine facettenreichen Aromen strömen offensiv und lebendig in die Nase: Darunter sind dunkle Hedelfinger Knorpelkirschen, Waldhimbeeren, Brombeeren, etwas Cassis und ein kleiner Touch von Orangen, Marzipan und Vanille. Am Gaumen werden zarte Akzente von roten Beerenfrüchten mit einigen Mandeln und einer winzigen Spur Karamell gesetzt – alles von samtigen Tanninen und einer schönen kleinen Holznote eskortiert. Die verführerische Seidigkeit wird von dem ordentlichen Säuregerüst nicht im Geringsten beeinträchtigt, denn es ist trotz extrem geringer Restsüße mit professioneller Harmonie eingebunden und sorgt für den langen, aromareichen Nachhall. Ein Spätburgunder mit Raffinement und Ausdrucksstärke, der noch über Jahre Genuss vermitteln wird. Erfreuen Sie sich und einen Fasan oder ein Rebhuhn mit einem prächtigen Rotweinerlebnis.
30.04.2019
alle Fotos: © Weingut Dr. Crusius