An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Mora&Memo auf Sardinien: Jung, territorial und modern
Seit über 3.000 Jahren wird auf Sardinien Weinbau betrieben. Die Phönizier, Karthager, Römer und ab dem 13. Jahrhundert die Spanier haben hier ihre Spuren hinterlassen, vor allem durch den Import von Rebsorten. Die indigene Ur-Rebsorte der Insel, die weiße Nuragus, knüpft an die von den Ureinwohnern aufgeschichteten, zum sardischen Wahrzeichen gewordenen Felstürme, die Nuraghi, an. Sardinien ist nach Sizilien die zweitgrößte Insel im Mittelmeer und besteht zu mehr als zwei Dritteln aus Gebirgen und Hochflächen. Die Rebflächen liegen hauptsächlich in der sanft hügeligen Campidano-Ebene zwischen Cagliari und Oristano und in der Alghero-Ebene im Norden. Das Klima ist mediterran – Frühling und Herbst sind warm, der Sommer ist heiß und der Winter mit dem starken Mistral aus Westen ist mild. Es regnet, wenn überhaupt, nur die ersten Monate im Frühling und die letzten Monate im Herbst, die Weinberge werden daher fast überall künstlich bewässert. Es gibt ein klimatisches Nord-Südgefälle, so dass die Weißweine eher im kühleren Norden und Rote und Dessertweine eher auf der warmen Süd- und Westseite angebaut werden. Rotweine überwiegen mit zwei Dritteln der Produktion.
Aktuell gibt es auf Sardinien eine DOCG, 18 DOCs und 15 IGT-Zonen, insgesamt werden etwa eine halbe Million Liter Wein jährlich abgefüllt. Nur wenige Weingüter arbeiten im selbständigen Vollbetrieb bis hin zur eigenen Abfüllung, vielmehr dominieren nach wie vor große Genossenschaften (Cantina Sociale) den Markt. Die Reben werden besonders in den Ebenen immer noch in der traditionellen Erziehungsform Gobelet (Albarello) erzogen, bei der sie ohne jegliche Unterstützung oder an einzeln stehenden Pfählen hochgebunden werden, so dass eine becherartige Form entsteht. Oftmals wachsen die Reben mit einem großen, kugeligen Kopf lediglich 20 bis 40 Zentimeter über dem Boden. Der erst vor wenigen Jahren einsetzende Trend weg von den rustikalen Alkoholbömbchen ist durch die Klimaveränderung mit den ansteigenden Durchschnittstemperaturen wie überall in Italien bereits wieder ins Stocken geraten. Allerdings werden zunehmend feinere, elegante Weißweine gemacht, vor allem aus den Rebsorten Vermentino und Vernaccia di Oristano. Bei den roten Sorten überwiegen Cannonau und Bovale. Anders als auf dem italienischen Festland baut man auf Sardinien Weine sehr oft reinsortig aus.
Im Südosten Sardiniens, etwa 20 Kilometer von der Inselhauptstadt Cagliari entfernt, liegt die kleine Ortschaft Serdiana. Mitten im Ort, unweit der Kirche San Salvatore, befindet sich das Weingut Mora&Memo.
Schon der erste Jahrgang 2013 zeigte das inzwischen legendäre Etikett mit den Bandidas, die ursprünglich als Bleistiftzeichnung von der Künstlerin Katia Marcias geschaffen wurden. Es ist eine feminine Neuinterpretation der Quattro Mori auf der Flagge der Insel, ersetzt durch vier Bandidas. Die Bandidas erinnern als Metapher daran, dass auf Sardinien schon seit der Nuragica-Zeit die Frau, die „Mora“, das Zentrum des gesellschaftlichen Lebens war. Die stilisierte Strenge und Eleganz der volkstümlichen Kostüme der Bandidas symbolisieren zugleich die Werte, auf die das Weingut setzt: Fähigkeit und Ausdauer, Tradition und Begeisterung – alles weibliche Wörter. Zu einem Markenzeichen des Weinguts ist auch die auffällige und magisch anziehende Form der Flaschen mit den in Tschechien hergestellten Glasstopfen geworden: Die kurvigen Linien der eher gedrungenen Bordolese Cubana mit dem dickem Boden, die hierzulande nahezu unbekannt ist, stellt eine enge Beziehung her zu den Figuren von Katia Marcias auf den Labels.
Heute managt Elisabetta Pala mit Leidenschaft und Begeisterung alle Aktivitäten des Weinguts von der Vermarktung bis zum Verkauf zusammen mit ihrem Vater und einem kleinen Team, zu denen Ercole Lannone als Kellermeister gehört. Elisabetta steht seit mehren Jahren außerdem als Präsidentin an der Spitze der regionalen Delegation Le Donne del Vino - einer Gruppe von 28 Winzerinnen, Gastronominnen, Sommelières und Önologinnen, die in der Rolle der Frau das Wissen und die Kultur des sardischen Weins fördern. In dieser Rolle, aber auch darüber hinaus, engagiert sich Elisabetta übrigens nach wie vor hartnäckig für die Anerkennung einer Serdiana DOC.
Mora&Memo stellt fünf Weine her, zwei reinsortige Vermentino und Cannonau, zwei Cuvées aus Vermentino mit Sauvignon Blanc bzw. Cannonau mit Cabernet Sauvignon und erst seit Kurzem einen Rosé. Eines haben alle Weine gemeinsam: Sie machen die traditionellen Rebsorten Vermentino, Monica und Cannonau bekannter und verleihen ihnen eine neue, nicht nur sardische Identität. Ihre Weine entsprechen zudem der Philosophie des Weinguts – jung, territorial und modern. Denn Elisabetta Pala möchte in den Weinen auf moderne und kreative Weise die Eigenarten des Terroirs und der einheimischen Rebsorten erlebbar machen: Man soll Sardinien riechen und schmecken und die Tradition spüren. Sie setzt kompromisslos auf Qualität, macht damit international auf sich aufmerksam und ist dabei, mit ihren Weinen die Märkte in Europa zu entern. Mora&Memo ist eines der progressivsten und wichtigsten Weingüter auf Sardinien, das viel dazu beiträgt, das Renommee der sardischen Weine zu steigern.
Wir konnten vier Weine des Weinguts Mora&Memo verkosten.
2018 Tino Vermentino di Sardegna DOC
Im Glas leuchtet der Tino strohgelb und sendet grünliche Reflexe. Er gibt intensive florale und fruchtige Aromen von Aprikosen, gelben Äpfel, reifen gelben Pflaumen und etwas Zitrus frei mit einer herben mineralischen Komponente. Einen sehr dezenten Duftrahmen mit der Erinnerung an die sardische Macchia liefern verschiedene Mittelmeerkräuter wie Salbei, Oregano, Rosmarin, Koriander und Thymian. Im Mund breitet sich die wahrgenommene Aromatik breit aus mit herrlich mineralischen Akzenten. Die klaren vegetabilen, herbalen Noten sind gut untergebracht. Die aktive Säure vermittelt eine ungemeine Frische und Spritzigkeit wie sie bei den Sardinien-Vermentinos selten zu finden ist. Im langen Abgang zeigt der Wein noch einmal seine füllige Struktur. Es ist ein vollmundiger Vermentino mit einer modernen Stilistik, der sich qualitativ deutlich von den meisten Vermentino-Varianten in Sardinien abhebt. Auch Robert Parker hat diesen Wein 2016 wahrgenommen und ihm 87 Punkte gegeben – ein großer Erfolg für Mora&Memo auf dem weiteren Weg an die Spitze. Servieren Sie den Tino als Starter zu einer Vorspeise mit mediterran gewürzten Fischen und Meeresfrüchten oder zu einem Lachstartar. Er hält aber auch in Knoblauch gegarte Muscheln oder Garnelen aus oder eine Fischsuppe mit Tomaten.
2017 Tino Sur Lie Isola die Nuraghi IGT
Der Tino Sur Lie imponiert im Glas mit einem pflanzlich-fruchtigen Bukett von Salbei und anderen Mittelmeergewürzen, dazu Akazienblüten, grüne und gelbe Äpfel, etwas Zitrus, etwas Gemüsearomen und ein leicht süßliches Lüftchen von Babybananen und Brotkruste aus den Hefen. Geschmacklich arbeitet sich eine interessante pflanzliche und würzige Dominanz heraus, mit klitzekleinen Noten von frühreifen Stachelbeeren und Aprikosen, aber auch eine moderne, leicht salzige Mineralik, die in die aktive Säure gut eingebunden ist. Ein frischer, leichfüßiger Wein, der gleichwohl mit seiner ausgewogenen Fülle und einem kräftigen, warmen Körper ein langes Finale bietet. Geben Sie ihm im Glas kurze Zeit für seine volle Entfaltung: Sie werden einen Wein der mediterranen Unbekümmertheit und Leichtigkeit entdecken, der innovativ ist, ohne die Tradition zu vernachlässigen, der an die Sonne, den Wind und das Meer erinnert. Zum Beispiel auf einer sommerlichen Grillparty oder jederzeit bei einem Meeresfrüchte-Risotto oder einem Kalbsragout.
2017 Nau Cannonau do Sardegna DOC
Der Nau funkelt intensiv rubinrot mit Purpur-Reflexen im Glas. In der Nase entfaltet sich eine konzentrierte Aromatik mit süßlichen Gewürzen und Beerenfrüchten wie Rote Johannisbeeren, Preiselbeeren, Brombeeren, aber auch Trockenpflaumen und Feigen. Ganz hinten schwebt ein kleiner Touch Mokka und Zimt vorbei. Am Gaumen überrascht die leidenschaftliche Zärtlichkeit des Weins, der nicht mit opulenter Wucht auftritt, sondern mit einem leicht süßlichen Antrunk, der sich zu einer eindrucksvollen Eleganz entwickelt mit zurückhaltender Säure und seidigen Tanninen. Die Fruchtaromen, dazu ein Hauch Zartbitter-Schokolade, eine schöne Frische und Mineralität verschaffen dem Wein eine großartige Struktur und stützen einen von dezenten Röstaromen begleiteten, saftigem Abgang. Ein hervorragend ausbalancierter Rotwein mit Finesse und distinguiertem Temperament. Ein Rehpfeffer oder ein Rebhuhn aus dem Ofen sind ein perfektes Speisenpairing. Übrigens hat der Wein – ebenso wie der nachfolgend vorgestellte Ica – im Gambero Rosso schon zwei der drei Gläser erreicht. Weiter so.
2017 Ica Monica di Sardegna DOC
Der in einem leicht transparenten Rubinrot glänzende Wein stürmt die Nase nicht so spontan wie der Cannonau, die Aromen werden subtiler entdeckt, sind aber nicht weniger attraktiv: Rote Johannisbeeren, Himbeeren, Heidelbeeren, Brombeeren und helle Kirschen, dazu etwas Mokka und Kakao. Ein Eindruck von Würze und vegetabilen Nuancen kommt hinzu. Über die Zunge gleitet der Wein geschmeidig und harmonisch. Fruchtnoten von Beerenkompott, Cranberry-Saft, Kirschen und Waldhimbeeren tauchen auf. Die sanfte Säure verträgt sich vorzüglich mit den eleganten und samtigen Tanninen. Ein Wein mit angenehm moderatem Alkohol und einer pikanten Struktur, der leicht schmelzig und animierend in ein langes Finish geht. Mit diesem Wein werden gewachsene sardische Traditionen neu und modern interpretiert. Er belegt eindrucksvoll, dass sich aus der alteingesessenen, häufig nur für Tafelwein nach rustikaler sardischer Norm verwendeten und außerhalb Sardiniens nahezu unbekannten Rebsorte Monica Nera Weine mit hohen Qualitäten kreieren lassen. Das ist ein Wein, der gerne gekochtes Rindfleisch mit Steinpilzen oder einen sardischen Pecorino begleitet.
2018 è Isola die Nurabi IGT Rosato
In der durchsichtigen Flasche mit dem rosa Glasstopfen funkelt er ebenso wie dann im Glas lachsfarben und frisch. Die Cuvée offeriert ihre intensive und vornehme Aromatik extrovertiert und stolz –jede Rebsorte trägt eine typische Nuance bei: Erdbeeren, Himbeeren, Kirschen, Brombeeren, florale Noten mit Hibiskus plus ein Touch Orange und ein Hauch salziger Mineralik. Am Gaumen präsentiert sich ein gut strukturierter Körper mit einer sehr guten Balance. Er tritt geschmacklich aromatisch und fruchtintensiv auf mit Erdbeeren, Himbeeren, Brombeeren und Kirschen. Eine leichte blumige Note steigert seine Gefälligkeit, ohne dominant zu werden. Seine Frische bezieht er aus einem lebhaften, raffinierten Frucht-Säure-Mineralik-Spiel und nicht aus einer plumpen Säurebetonung. Ein Wein, der nicht nur den Sommer, sondern auch jede andere Jahreszeit in Schwung bringt und Sehnsüchte nach der strahlenden Sonne Sardiniens, den wilden Düften der Macchia und einem romantischen Abend am Meer erweckt.
3. Mai 2019
alle Fotos: © Mora&Memo