An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Die Weingüter Geheimrat J. Wegeler im Rheingau und an der Mosel: Riesling-Legenden aus besten Lagen
Wenn es so etwas wie eine Riesling-Legende unter Weingütern gibt, so gehören die Weingüter Geheimrat J. Wegeler dazu. Mit familiengeführten Gutshäuser in Bernkastel an der Mosel und in Oestrich-Winkel im Rheingau rangieren sie gleich in zwei Anbaugebieten ganz oben an der absoluten Qualitätsspitze der deutschen Rieslinge aus besten Lagen. Die beiden Weingüter sind mit 60 Hektar – davon 45 Hektar im Rheingau und 15 Hektar an der Mosel – und fast einer halben Million Flaschen einer der größten deutschen Weinproduzenten in Privatbesitz. Sie produzieren tatsächlich ausschließlich Riesling-Weine und -Sekte. Beide Weingüter sind Mitglied im VDP, dem Verband der Prädikatsweingüter.
Zur Geschichte der Weingüter Geheimrat J. Wegeler
Es begann mit der Anstellung von Julius Wegeler, Sohn eines Arztes, bei dem Sekterzeuger Deinhard als Repräsentant in Großbritannien und Irland. Nach der romantischen Heirat mit Deinhards Tochter Emma und dem plötzlichen Tod ihres Vaters August Deinhard trat Julius Wegeler gemeinsam mit seinem Bruder Karl und seinem Schwager Johann Jacob Hasslacher in die Leitung des Unternehmens ein. 1862 kaufte Julius Wegeler ein Gutshaus und seine ersten privaten Weinberge in Rüdesheim, Johannisberg, Geisenheim und Oestrich-Winkel im berühmten deutschen Weinanbaugebiet Rheingau.
Zwei Jahre später übernahm er das Stammhaus Deinhard in Koblenz und wurde am Unternehmen beteiligt, die Firma hieß nun Deinhard & Co.. 1876 wurde Wegeler Präsidiums-Mitglied im Deutschen Weinbauverein, dessen erster Präsident er dann von 1893 bis 1905 war. Im Jahr 1893 wurde Julius Wegeler zum Geheimrat ernannt. Nachdem er schon 1873 zum Kommerzienrat ernannt worden war, erhielt er 1893 den Titel Geheimer Kommerzienrat, kurz Geheimrat, der später der berühmte Bestandteil des Namens der Weingüter der Wegelers werden sollte. 1892 hatte er mit Deinhard als erste deutsche Sektkellerei das Degorgierverfahren des Engländers Walford für die Sektherstellung eingeführt. Wegeler war auch beteiligt an der Schaffung der Sektmarken "Deinhard Cabinet" (1888) und "Deinhard Lila" (1910). 1904 wurde er Ehrenbürger von Koblenz. Die Ehe mit Emma blieb kinderlos, 1913 starb Julius Wegeler.
Im Jahr 1900 hatte er an der Mosel ein weiteres Gutshaus gegründet und Parzellen in der schon damals weltberühmten und heute mit 3,26 Hektar eine der kleinsten Einzellagen Deutschlands, dem Bernkasteler Doctor, für 100 Goldmark pro Rebstock gekauft. Das wären heute 800 Euro und damit die höchste Summe, die jemals für einen deutschen Weinberg gezahlt wurde. Noch heute ist das Weingut hier einer von sechs Eigentümern und fünf Produzenten.
In der Neuzeit wurden Deinhard und die Weingüter von Rolf Wegeler und seinem Vetter Hanns Christof Wegeler geführt. 1997 verkaufte man den Handelshaus- und Sektproduktionsteil des Unternehmens Deinhard an Henkell, die Weingüter blieben jedoch in der Familie. Ein Jahr später trat Rolf Wegelers Tochter Anja mit Ehemann Dr. Thomas Drieseberg in die Geschäftsführung ein. Heute wird das Weingut von Anja Wegeler-Drieseberg und Dr. Tom Drieseberg geleitet und damit in der vierten Familiengeneration fortgeführt.
Dass sich die Weingüter Wegeler angesichts des Qualitätsprofils der Weine vor Sternen, Punkten oder Gläsern in Weinführern wie Eichelmann, Gault Millau oder Feinschmecker und auch vor anderen Auszeichnungen auf höchster Stufe kaum noch retten können, erscheint nahezu selbstverständlich. Und doch gibt es einzigartige Ereignisse am Rand, die etwas von der Weltgeltung der Weingüter vermitteln, wie der gemeinsame Genuss des Geheimrat „J“ Rieslingsekts am 2. November 2004 beim Staatsempfang im Zeughaus in Berlin durch Königin Elizabeth II. von England und Bundespräsident Horst Köhler.
Wir konnten fünf Weine und einen Sekt von den Weingütern Geheimrat J. Wegeler verkosten.
Riesling Brut Gutssekt
Im Glas steigt eine feine, zarte Perlage empor und funkelt in einem hellen Strohgelb mit grünen Reflexen. In der Nase imponieren spontan Frische und Fruchtigkeit mit raffinierten, duftigen Aromen von weißen Pfirsichen, Aprikosen, grünen Äpfeln und Birnen. Am Gaumen kommen zum Fruchtpotpourri noch eine würzige Mineralität und ein saftiger Zug von Riesling-Weintrauben hinzu, was eine leichte, schöne Cremigkeit in die Mousse hereinbringt. Die Säure ist gut ausgewogen und unterstützt ein langes, fruchtiges, feines Finish. Ein herrlich spritziger, strahlender Sekt mit kühler Frucht und charmanter Eleganz. Eine charaktervolle Begleitung für jeden schönen Anlass, der weit über einen Aperitif hinausgehen kann.
2018 Bernkasteler Riesling trocken VDP.Ortswein
Der VDP-Ortswein ist aus den Trauben der besten Lagen in Bernkastel vinifiziert, also Doctor, Lay, Graben und Badstube.
2017 Oestricher Riesling trocken VDP.Ortswein
2015 Geheimrat "J" Rheingau Riesling Spätlese trocken
Im Glas brilliert der 2015er Geheimrat "J" Rheingau Riesling Spätlese trocken farblich mit einem geradezu anziehenden Strohgelb. Eine fulminante Aromatik lässt uns immer wieder schnüffeln und tief einatmen. Die frische, leicht kräutige und mineralische Duftigkeit verzaubert mit einem breiten Fruchtspektrum und feinstem Fruchtspiel: Im Bukett sammeln sich Weinbergspfirsiche, gelbe Äpfel, reife gelbe Birnen sowie Zitronen, Mirabellen, Aprikosen und Quitten bis hin zu exotischen Passionsfruchtanklängen und ein Hauch von Wiesenhonig – die dichte Intensität der Aromen macht fast süchtig. Rein und gradlinig kleiden die geschmacklichen Komponenten dann den Mund aus. Eine leicht erdige Mineralik und eine etwas vegetabile Würze begleiten die primäre Fruchtaromatik, die geschmacklich von Goldkiwis und reifen Trauben ergänzt wird. Auch bei diesem Wein zeigt sich im Hintergrund ein klitzekleiner Tanningriff, der dort mit einer ebenso kleinen süßlichen Haselnussnote konkurriert. Es ist schier unglaublich, wie harmonisch die lebendige Säure untergebracht wurde, so dass der authentische Rieslingcharakter sich im Finish mit einem kühlen, feinsaftigen zärtlichen Schmelz zeigt. Ein ungemein komplex-expressiver, extraktreicher Riesling, der stolz und selbstsicher eine fast jugendliche, perfekt ausbalancierte Kraft und gediegene Eleganz auf höchstem Niveau zeigt. Ein großartiger Solist, dem man ein Lagerpotenzial von mindesten 10 bis 15 Jahren bescheinigen kann, womit er ein Anwärter auf die Schatzkammer für die Vintage Collection sein dürfte.
Die Lage Rothenberg in Geisenheim ist nach Süden bis Westen ausgerichtet. Der Boden ist mit Ton und Quarzit angereichert und von rotem Eisenoxid gefärbt, das der Lage den Namen gab. Der Rothenberg wurde schon in der ältesten Weinklassifikationskarte von 1867 als Weinbergslage der Klasse 1 erwähnt und damit auf gleicher Stufe wie etwa Schloss Johannisberg. Das Mosel-Weingut von Geheimrat J. Wegeler besitzt Parzellen auf der nach Süden ausgerichteten Abbruchkante mit der VDP.Klassifikation als VDP.Erste Lage. Die Sonne heizt hier ungehindert den Schiefer auf, der Hang fängt auch noch die letzten Strahlen am Abend wie ein riesiger Brennspiegel ein. In diesem einzigartigen Mikroklima entwickeln die Weine Fülle, Saftigkeit und eine köstliche Fruchtaromatik. In der Lage Rothenberg entstehen auch bekannte Süßweine des Weinguts, manchmal sogar Eisweine.
Der Geisenheim Rothenberg Riesling Großes Gewächs trocken ist ein klassischer Riesling. Welch einladendes Bukett mit einem fülligen Duft, unterlegt von einer floralen, zart würzigen Ausrichtung mit Aromen von Mirabellen, Äpfeln, vollaromatischen Aprikosen, Zitrusfrüchten und einer Spur Minze, alles dezent umrahmt von einer sich im Hintergrund haltenden Mineralität. Auf der Zunge offenbart sich dann die hohe Eleganz eines hochwertigen Spitzenrieslings. Saftige Frucht und aktive Säure vereinen sich mit Kräuterwürze, floralen Nuancen, leichten Gerbstoffen und sanfter Mineralik zu einer eindrucksvollen Dimension. Energie und Saftigkeit, gradlinige Klarheit, fruchtsüße Nachhaltigkeit bis in den langen, süffigen Abgang – was für ein Weinerlebnis, welch prachtvolles Großes Gewächs. Der Wein ist der distinguierte Begleiter eines edlen Gerichts von Langusten oder Hummer.
2008 Wehlener Sonnenuhr Riesling Kabinett
„2019 der Schatzkammer entnommen“, steht auf dem Rücketikett. Der Wein gehört laut Hauptlabel zur Vintage Collection, in der Dr. Tom Drieseberg bereits seit Ende der 90er Jahre bewusst große Weine wie restsüße Kabinette, Spätlesen, edelsüße Prädikate und ausgewählte Große Gewächse im temperaturgesteuerten Keller für den späteren Trinkgenuss zurückgelegt hat. Die Collection soll sich von den üblichen rekordpreisigen Schatzkammerweinen abgrenzen und in der Flaschenzahl limitiert, aber nicht extrem rar sein. Die Linie will die Nachfrage nach reifen Weinen bedienen, um die Aussagen über die lange Lagerfähigkeit und die Reifeeigenschaften der deutschen Rieslinge sensorisch zu belegen. Die Hinweise auf den Haupt- und Rücketiketten machen dabei transparent, dass es sich keineswegs um einen Restbestand im Abverkauf handelt, sondern um einen bewusst gereiften Wein.
Jetzt also ist die Stunde des über zehn Jahre alten Kabinett-Rieslings Wehlener Sonnenuhr gekommen, den wir mit großer Spannung verkosten. Im Bukett entfaltet sich eine Aromatik, die keineswegs alt oder gedämpft wirkt, sondern für reife und verfeinerte Fruchtnoten steht. Florale Töne treten in den Vordergrund und verbreiten einen opulenten Akzent von hellem Honig. Eine kleine pikante Spur von weißem Pfeffer ergänzt die dezente Würze vom Devonschiefer. Der geschmeidige Auftritt im Mund vermittelt eine erstaunliche Saftigkeit. Sie wird von einer noch immer quicklebendigen Säure und einer feinen, tiefgründigen, präzisen und herrlich restsüßen Fruchtigkeit von Äpfeln, Pfirsichen und exotischen Südfrüchten nebst Zitrus getragen. Der Wein erscheint in keiner Weise schlaff oder antik, seine Dichte und sein süßlicher Extrakt sind dank der alten Reben vielmehr bemerkenswert präsent, wenn nicht sogar durch die Alterung deutlich gesteigert. Ein Wein, der heute weiterhin mit seiner Raffinesse begeistert. Erschrecken Sie ihn nicht mit den üblichen Verdächtigen wie asiatischen Gerichten, er hat es sich erdient, im Mittelpunkt eines neugierigen Genusserlebnisses zu stehen und alle Sinne auf sich zu ziehen.
05.07.2019
Fotos: © Weingüter Geheimrat J. Wegeler
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