An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Süße Weine aus Österreich: Mit neuem Profil zur Trendwende
Ganz Vorne dabei – Das Weingut Müller im Kremstal
Die Welt der süßen Weine als Edelsüße oder Dessertweine ist in Mitteleuropa in Bewegung geraten, auch und gerade in Österreich. Es reicht vielleicht noch nicht für eine richtige Aufbruchstimmung, aber eine Veränderung ist im vollen Gange. Da gilt es für Weinfreunde, die eng am Trend bleiben möchten, rechtzeitig aufzuwachen und den Einstieg nicht zu verpassen.
Der entscheidende Schritt auf dem Weg zum edelsüßen Genuss wurde jedoch durch die Wandlung der Weine selbst getan. Bislang waren die Edelsüßen barockmäßig klebrig und extrem botrytislastig, es waren dickflüssige Schwergewichte, die vor Süße trieften und bei denen die Säure schon auf der Flucht war. Heute wird darauf geachtet, dass die Süße auf einem stabilen Säuregerüst rumturnt und zwar möglichst grazil, jedenfalls elegant. Messerscharfe Präzision, geniale Balance und ein glasklares Profil sind gefragt. Obendrein geht es um Trinkfluss und Trinkvergnügen, nicht mehr nur um sparsam getröpfelte Einschluck-Weine.
Auch wenn die Trendwende langsam abläuft, wichtig ist es, mit besonderen Qualitäten zu überraschen und zu überzeugen. In einer Hinsicht müssen die Winzer indes nicht bangen und können Geduld aufbauen: Die Edelsüßen werden mit der Zeit nicht schlechter – im Gegenteil.
Auffällig geworden im Bereich der Edelsüßen ist besonders das Weingut Müller aus Krustetten im Kremstal in Niederösterreich. Hat es doch bei der hoch angesehenen Vinaria Trophy mit einer Trockenbeerenauslese Gold in der Süßweinkategorie geholt und damit allen anderen Anbaugebieten, insbesondere den siegabonnierten Burgenländern, den Rang abgelaufen.
Das Weingut Müller im Kremstal
Vom Weingut Müller aus blickt man hinüber zum Göttweiger Berg mit dem berühmten Stift, in dessen Kirchenbüchern die Geschichte des Hauses auf das Jahr 1270 zurückzuführen ist. Was Familie Müller angeht, so begann Großvater Leopold Müller 1936 auf 3 Hektar Land mit dem Weinbau. Ihm folgten Sohn Leopold und in der dritten Generation 2009 dessen Söhne Stefan und Leopold mit Ehefrau Martha. Heute gehören noch Martin, Laurenz, Therese, Diana, Gertrude, Fernanda, Verena und Josefina dazu – alle machen entweder in irgendeiner Weise im Weingut oder im angegliederten Obstanbau mit oder halten den ebenfalls gar nicht so kleinen Betrieb Familie am Laufen.
Die Müllers aus Krustetten gehören mit ihren hochwertigen Weinen zu den besten Winzern des Kremstals. Im Sortiment des Weinguts reicht der Grüne Veltliner, der insbesondere als Kremstal DAC angeboten wird, vom leichten fruchtigen Typ bis hin zur kräftigen Reserve und Großen Reserve. Darüber hinaus enthält das Weißweinportfolio vier reinsortige Rieslinge und einige ganz spezielle Rebsortenweine. Im Rotweinbereich werden reinsortige Zweigelt und mehrere raffinierte Cuvées angeboten. Es gibt vier Sekte und die Süßweine, die wir hier vorstellen, außerdem fünf würz- bzw. fruchtbetonte Tassilo-Weine. Vor allem für ihre Grünen Veltliner, Rieslinge und Zweigelt-Weine haben die Müllers schon unzählige nationale wie internationale Auszeichnungen bekommen. Einen großartigen Erfolg ganz besonderer Art hatte in diesem Jahr Tochter Diana: Sie ist für die nächsten zwei Jahre zur Weinkönigin von Niederösterreich gewählt worden. In ihrem zweiten Amtsjahr wird Diana zusätzlich auch das Amt der Bundesweinkönigin übernehmen.
2017 wurde der Buschenschank von Familie Müller bereits zum dritten Mal zum besten Top-Heurigen im Weinbaugebiet Kremstal gewählt. Die Speisekarte bietet Traditionelles und Außergewöhnliches vom Vorarlberger Almkäse mit Chutney über Gebirgsforellenfilet aus Tirol bis zum leckeren hausgemachten Brot.
Wir haben alle drei Süßweine des Weinguts Müller verkostet.
2017 Grüner Veltliner Ried Further Gottschelle Beerenauslese
Im Glas funkelt der Lagen-Grüne Veltliner im klassischen satten Goldgelb einer Beerenauslese. Das Bukett springt spontan und intensiv aus dem Glas: gedörrte gelbe Äpfel, eingekochter Rhabarber, ein feiner Birnentouch, eine kleine Zimtwürze, ein winziger Hauch Schwarzbrot und herrliche, zärtliche Düfte von Wiesenhonig. Im Mund entfaltet sich eine hochkonzentrierte Saftigkeit von eingelegten Pfirsichen, Mirabellentarte und Apfelfrucht sowie einigen gerösteten Pekannüssen mit einem Hauch Karamell. Ganz hinten taucht auch kurz die weiße Pfefferwürze des Grünen Veltliners auf. Ein feiner Säurebogen spannt sich zur dezenten Mineralik und integriert die spannende Süße im langanhaltenden Finish. Das ist ein sehr repräsentativer, animierender Vertreter der von uns eingangs beschriebenen neuen Süßweinstilistik, die auf eine längere Gärung mit normalisierten Alkoholwerten, dem daraus resultierenden verhaltenen Restzucker und auf bewährte Säuregrade im Mittelfeld setzt. Dieser edelsüße Grüne Veltliner ist ein exquisiter Genuss, der sortentypisch deutlich anders schmeckt als die so beliebte Beerenauslese vom Riesling.
Und schon sind wir bei der Beerenauslese vom Riesling. Die Trauben kommen aus der Riede Leiten am nördlichen Rand von Krustetten. Es ist eine nach Süd-Ost ausgerichtete Hanglage mit steilen Terrassen und bis zu 25 % Neigung. Die nahe Donau unten im Tal verwöhnt die Rebstöcke mit ihrer reflektierenden Oberfläche, aber auch mit einer gewissen Verdunstungskühle. Die Böden sind von Konglomeratgestein durchzogen, aus dem sich die Reben reichlich Mineralität holen. Die Rieslingtrauben wurden erst Mitte November geerntet und ähnlich wie die Grüne Veltliner Beerenauslese vinifiziert.
Auch diese Beerenauslese strahlt uns mit einem kräftigen Goldgelb an, diesmal mit silbernen Reflexen. Sie tritt in der Nase mit Noten von Pfirsichen, getrockneten Aprikosen, einigen Litschis und ganz wenig Zitrus auf, dazu eine typische Blütenhonigrichtung. Am Gaumen kommt die Beerenauslese fast leichtfüßig an, was dem raffinierten Zusammenspiel von hohem Restzucker und griffiger Säure mit der kleinen mineralischen Abrundung zu verdanken ist. Der lange Nachhall schmilzt mit vornehmen Honignoten sehnsuchtsvoll dahin. Das ist eine sehr zugängliche Beerenauslese, mit der man Glas für Glas hemmungslos und wonnig herumschmatzen kann, die aber auch eine österreichische Mehlspeise beeindrucken dürfte.
2017 Therese Gottweiler Berg Trockenbeerenauslese vom Neuburger
Aus dem Glas steigen animierende, vielfältige Aromen von Wiesen- und Waldhonig, von Weintraubensirup, getrockneten Aprikosen, Haselnüssen, reifen Papayas und von Botrytis-Würze. Wir schmecken eine vollmundige Frucht-Exotik, denken an Marillen- und Feigenmarmelade und frischen Apfelstrudel. Der Wein füllt den Mund dicht und extraktreich, mollig und feinwürzig aus. Bis ins lange Finale wird die Süße von einer überraschend lebendigen Säure in Schach gehalten, so dass die Reifenoten von einer scheinbar feinherben und leicht mineralischen Frische umgeben sind. Diese Trockenbeerenauslese hat einen imposanten Körper und zeigt schon jetzt eine komplexe Entwicklung mit großem Potenzial. Reichen Sie dieses beeindruckende Neuburger-Elexier als leckere Begleitung zu schokoladigen Desserts.
12.08.2019
Fotos: © Weingut Müller