An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Hans Wirsching in Iphofen: Weltklasseschätze aus Franken in 16. Generation
Es gibt Weingüter, die sind weltberühmt. Manche, wie Rothschild, Antinori oder Mondavi, mit einer Person, andere, wie Château Pétrus oder Château d‘Yquem, mit ihren Flaschenpreisen. Und dann gibt es die Weingüter, die weltweit eine Institution sind wegen ihrer Weine, die seit Generationen Jahrgang für Jahrgang Maßstäbe setzen für verlässliche sensorische Erlebnisse. Weingüter, die nicht zuvorderst auf Sommeliers oder Fachverkoster von Guides und Magazinen zielen, sondern auf diejenigen, für die der Wein gemacht wird, die mit jeder gekauften Flasche ein großartiges Geschmackserlebnis haben möchten – die Konsumenten. Zu den wenigen Weingütern, die in dieser Hinsicht in der Welt des Weines eine bewunderte Referenz sind, gehört das Weingut Hans Wirsching in Franken.
Die Geschichte des Weinguts Wirsching
Als im Jahr 1628 Hans Wirsching der Abtei Ebrach einen Weinberg stiftete, wurde er erstmals urkundlich auffällig mit seinem Engagement für den Weinbau. Es war die Zeit, als der Frankenwein der Wein der deutschen Könige und Kaiser des Mittelalters war, der Reichstage in Würzburg und der Freien Reichsstädte Nürnberg und Rothenburg ob der Tauber. Schon im 15. und 16. Jahrhundert blühte hier der Weinbau: Fast 40.000 Hektar waren in Franken mit Reben bestockt, wovon heute gut 6.100 Hektar übrig geblieben sind. Die Feudalherren und die Kirche teilten das Geschäft unter sich auf. Die hochwertigen Weine kursierten innerhalb des Adels, des Klerus und weniger wohlhabender Bürger, die einfachen Massenweine wurden für das Volk im regionalen Umkreis gemacht.
Seit dem dem 17. Jahrhundert blieb der landwirtschaftliche Betrieb der Familie Wirsching über die Generationen dem Weinbau verbunden, auch wenn Michael Wirsching, Ururgroßvater der heute aktiven Generation, noch ein florierendes Handelsgeschäft betrieb. Der Weinbau geriet allerdings ernsthaft ins Wanken, als Anfang des 20. Jahrhunderts die Reblausplage Franken erreichte. Das damalige Familienoberhaupt Andreas Wirsching starb früh und seine Frau konzentrierte sich auf das Ladengeschäft, das für die Ernährung der Kinder im Dorf wichtig war. Erst Andreas Sohn Hans, der mit 23 Jahren aus dem 1. Weltkrieg zurückkehrte, packte wieder an. Er bestockte die Weinberge mit Reben, die auf reblausresistenten Unterlagen aufgepropft waren und begann wieder Wein zu machen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erweiterte Hans Wirsching das Weingut, wurde weit über Franken hinaus für seine Silvaner bekannt und setzte sich erfolgreich dafür ein, dass die beste Iphofer Lage nach Julius Echter-Berg benannt wurde, dem Fürstbischof von Mespelbrunn und Würzburg. Als Hans im Jahr 1952 Scheurebe-Stecklinge aus dem Annaberg erhielt, pflanzte er sie in die Parzellen im Kronsberg. In den 60er Jahren fungierte sein Sohn Hans Wirsching jun. als Kellermeister, und holte seinen Bruder Heinrich, promovierter Betriebswirt, aus München nach Franken zurück. Damals begann das Goldene Zeitalter des Weinguts und begründete seinen Ruf als eines der weltbesten. 1966 übernahmen Dr. Heinrich Wirsching und der 1990 verstorbene Hans den Betrieb offiziell und stellten ihn nach und nach auf reinen Weinbau um. Durch sie und durch eine frühe Flurbereinigung entwickelte sich Iphofen zu einer der führenden Weinbaugemeinden Frankens. Für die Weine war 32 Jahre lang Werner Probst als Kellermeister verantwortlich.
Heute führt Andrea, älteste Tochter von Dr. Heinrich Wirsching, das Weingut in der 16. Generation während sich ihre jüngere Schwester Lena mit einem Weinwirtschafts-Studium in Geisenheim und einem Master in Family Business Management darauf vorbereitet, in die Geschäftsleitung einzusteigen. Andrea wollte zunächst Journalistin werden, machte den Magister in Geschichte und wurde vorübergehend Winzerehefrau, kehrte dann aber nach vielen Jahren mit einer Winzerinausbildung in das elterliche Weingut zurück. Es stimmte eben doch, dass sie nicht los kam von dem Schlüsselerlebnis, als Opa Hans sie im Alter von fünf Jahren an einer Beerenauslese nippen ließ und damit den Berufswunsch seiner Enkeltochter festlegte. 2018 wurde Andrea Wirsching auf der ProWein als Winzerin des Jahres ausgezeichnet.
Das Weingut Wirsching will Weine machen, die das terroir und die fränkischen Traditionen authentisch und langlebig vorführen und zugleich eine weit herausragende Qualität liefern. Es sind frische, fruchtige Weine mit reduktivem, klarem und mineralischem Charakter. Jeder Wein muss etwas Besonderes sein und mit Finesse, Duftigkeit, Kraft und Eleganz den perfekten Genuss fördern, manchmal auch erst mit dem zweiten Schluck. Familie Wirsching setzt weit über Franken hinaus immer wieder Maßstäbe, insbesondere beim Silvaner: Silvaner ist das, was das Weingut Wirsching aus ihm macht. Man will darüber hinaus nicht weniger als Spezialist sein für so unterschiedlichen Disziplinen wie fränkische Burgunder und Scheurebe. Dafür verzichtet man gerne darauf, sich zusammen mit aller Welt an Sauvignon Blanc zu versuchen.
Das Ergebnis wird regelmäßig mit einem Sternenhagel im Eichelmann und Johnson honoriert, vom Gault-Millaut mit Trauben und vom Feinschmecker und von Parker mit Punkten, alles in höchsten Kategorien. Hinzu kommen unentwegt Auszeichnungen wie Best of Riesling, Best of Silvaner, b. Aus alledem ragt indes der Bayerische Staatsehrenpreis 2016 heraus, die höchste Auszeichnung für Wein in Bayern. Familie Wirsching trägt die fränkische Weinkultur erfolgreich in die Welt hinaus: Wirsching Weine wurden bei Staatsempfängen oder zum Bankett des amerikanischen Präsidenten sowie 2013 zur Krönung des niederländischen Königpaars gereicht und 1980 von Papst Johannes Paul II. zu Messweinen erklärt. Es gibt kaum ein bekanntes Spitzenrestaurant, das die Weine aus dem Hause Wirsching nicht führt. Daneben erscheint es nur noch als Marginalie, dass auch in der First Class der Lufthansa und auf den großen Kreuzfahrtschiffen Weine vom Weingut Wirsching ausgeschenkt werden. Da darf man schon mal klatschen und das große Wort von der Weltklasse bewegen.
Wir konnten fünf Weine und einen Sekt des Weinguts Wirsching verkosten.
Das ist einer der beiden aktuellen Sekte des Weinguts, ein reinsortiger Silvaner-Jahrgangssekt, natürlich als Flaschengärung. Die Silvaner Trauben für den Grundwein wurden in der Vorernte aus den Silvaner-Lagen des Weinguts geerntet. Der Sekt lag nach der zweiten Gärung noch lange auf der Hefe.
Der Silvaner Extra Brut brilliert im Glas mit einer unermüdlichen, sehr feinen Perlage, der nicht mit Spezialschliff zur Mousseux verholfen werden muss. In der Nase präsentiert er sich mit einer belebenden Frische, die durch Fruchtigkeit, aber auch durch würzige und sogar einige florale Richtungen bestimmt wird. Die Früchte agieren nicht plump und drängelnd, sondern gleichsam hauchweise. Mirabellen, Zitrusrichtungen, grüne Äpfel, weiße Pfirsiche und Melonen sind dabei. Im Geschmack kommen die Fruchtaromen erneut mit außergewöhnlich gradliniger Frische zum Ausdruck. Die feste, ausgewogene Säure sorgt für Struktur und macht den Extra Brut zusammen mit der interessanten Süße so richtig saftig. Er füllt den Mund süffig aus und perlt einem cremigen und herrlich mineralischen Abgang entgegen. Das ist ein erfrischender, edler Winzersekt mit einem eleganten Silvaner Körper. Er hat eine faszinierende fränkische Eigenart, die es nicht nötig hat, mit einem Champagner verglichen zu werden.
2018 Weißburgunder trocken VDP.Gutswein
Aus dem Glas duftet der Wein trocken angenehm mit feinfruchtigen Tönen von Äpfeln, Birnen und jungen gelben Pflaumen, aber auch mit Hintergrund-Würze und einem kleinen Touch von Nussigkeit nebst einem animierenden mineralischen Hauch. Im Mund überrascht der dezent prickelnde Rahmen, der eine äußerst gradlinige Frische generiert. Das liegt an der kühlen Vergärung, die für eine gewisse Präsenz von Kohlensäure sorgt, was den Wein besonders spritzig und jugendlich erscheinen lässt. Die moderate Säure, die leicht salzige Mineralik, eine süßliche Fruchtigkeit und eine pikante Würze gestalten einen saftigen, zart schmelzigen Abgang. Schon der einfache Weißburgunder zeigt die Handschrift des Weinguts und lässt schwer zu zügelnde Trinkfreunde aufkommen. Das ist der Wein, der zur Weißweinauswahl jeder Party gehört, aber auch gerne Klassiker auf dem Teller wie Muschelgerichte begleitet.
2018 Iphöfer Kronsberg Silvaner Alte Reben trocken VDP.Erste Lage
Schon sind wir bei der Rebsorte, um die sich das Weingut Wirsching wie kaum ein anderes in Deutschland verdient gemacht hat. Selbst wenn der Silvaner von der Menge her hauptsächlich in Rheinhessen angebaut wird, so hat Familie Wirsching ihm zu neuer, landesweiter Würde und Bedeutung verholfen. Sie hat gezeigt, dass sich hochwertige Silvaner Weine keineswegs hinter Rieslingen verstecken müssen. Mit hochwertigen Qualitäten hat sie in den letzten zwanzig Jahren etliche Weingüter dazu gebracht, Silvaner zu pflanzen und auszubauen. Schließlich konnte sie auf einige Erfahrung verweisen, war Familie Wirsching doch längst in Sachen Wein tätig, bevor der Silvaner 1659 aus Österreich nach in Franken kam.
Die Lage Kronsberg nördlich von Iphofen ist klassifiziert als VDP.Erste Lage, ihre Sublage Kronsberger Kammer sogar als Große Gewächs Lage. Auf jeden Fall gehört der Kronsberg zu den Spitzenlagen in Franken. Der Name kommt von den bereits erwähnten Eichenwäldern am Schwanberg, die den nach Süden ausgerichteten, steil abfallenden Hängen gleichsam als Krone aufgesetzt sind. Der Boden besteht aus graubraunem Gipsmergel, der von Ton und Lehm durchzogen und mit Kalksandstein durchmischt ist. Die Rebstöcke der alten Reben sind teilweise über 40 Jahre alt und ziehen mit ihren tiefen Wurzeln reichlich Mineralik und Extrakt in die Trauben.
Bei dieser Exposition überrascht es nicht, dass wir einen geradezu sensationell ausdrucksstarken, terroirgeprägten Wein im Glas haben. Er präsentiert sich mit einem vielfältigen Bukett aus Früchten und vegetativen Aromen, die von der dezenten, aber gleichwohl atemberaubenden Mineralik umhüllt werden. Wir schnüffeln an Anklängen von reifen, gelben Kernobstsorten wie Äpfeln und Birnen, etwas roter Grapefruit und dann gleich an einem kleinen Strauß von Wildkräutern, Holunderblüten und an Spuren von Pecannüssen. Am Gaumen imponiert die pikante feine Säure, die einen faszinierenden Spannungsbogen zum konzentrierten Körper aufbaut und Druck macht. Sie trägt die mineralische Frische in den leicht schmelzigen langen Abgang und sorgt – bei aller Komplexität – für einen unvergleichlichen Schwung. Reintönige, leicht süßliche Frucht und Saftigkeit, Fülle und präzise Struktur – das macht diesen energiegeladenen, vollmundigen Silvaner aus, ein Repräsentant fränkischen Urgesteins, wie ihn wohl nur das Weingut Wirsching komponieren kann. Er ist der perfekte Begleiter von Fisch und Meeresfrüchten, deren Geschmack er nicht zu übertönen versucht. Er beeindruckt aber auch zu einem Kalbsragout mit Sahnesoße oder zu vielen französischen Weichkäsesorten.
2018 Iphöfer Kronsberg Scheurebe alte Reben trocken VDP.Erste Lage
Das intensive, ja berauschende Aromenspektrum dieser Scheurebe geht weit über die allgemeine Exotikausrichtung hinaus und lässt – eingebettet in eine leicht erdige Mineralität – die Mangos, Passionsfrüchte, Papayas, Grapefruits und die getrockneten Limettenschalen in einer interessanten herben Variante in der Nase Ping-Pong spielen. Diese Stilistik ist dem reduktiven Ausbau der Rebsorte zu verdanken, was diesen Wein so einzigartig macht. Auch geschmacklich könnte man fast meinen, der Wein spielt mit der Rebsorte, jedenfalls entlockt er ihr eine fulminante Scheu-Würze, die im Mund von Holunderblüten, einer feinen Süßlichkeit von braunen Kandiskluntjes und einer markanten Mineralik begleitet wird. Die gut austarierte Säure lenkt die Fruchtigkeit in eine markant saftige Richtung mit einem langen, schön schmelzigen Nachhall. Hier passt alles in perfekter Harmonie zusammen, selbst der Bocksbeutel scheint Teil des Weinauftritt zu sein. Wir verkosten wohlgemerkt den jungen Jahrgang 2018, der sich noch weiter öffnen und der Nase und dem Gaumen immer mehr Scheurebe-Reichtum verschaffen wird. Schon jetzt können Sie den 2018 Iphöfer Kronsberg Scheurebe alte Reben trocken als weißen Überraschungsgast präsentieren, er dürfte aber auch neben einem thailändischen Shrimp-Curry oder einem Thunfisch-Sashimi ein besonderes Gesprächsthema werden.
2016 Iphöfer Julius-Echter-Berg Riesling trocken VDP.Erste Lage
Im hochfeinen, belebenden Bukett dominieren Noten von Weinbergspfirsichen, reifen Zuckeraprikosen, etwas Zitrus, Töne von weißen Fresien, von Wiesenkräutern im Morgentau und von der erdigen Mineralik. Am Gaumen zeigt der Wein einen erstaunlichen Griff aus herzhafter Säure und kühler Frucht mit einem klitzekleinen vegetabilen Touch. Die Säure lässt einer adretten Süße und einer tiefgründigen Mineralik genug Raum und sorgt für ein nachhaltiges Finish. Erneut fällt uns die Passgenauigkeit der sensorischen Komponenten auf, die raffiniert und nuancenreich zusammengefügt sind. Ein Riesling mit starken Konturen, der durch sein klares Fruchtspiel und durch konzentrierte Fülle und Saftigkeit imponiert. Erfreuen Sie sich und diesen Wein mit Hummerschwänzchen an einer cremigen Soße.
2015 Iphöfer Julius-Echter-Berg Riesling VDP.Großes Gewächs
Das ist einer der Großen Gewächse, die den Ruhm des Hauses Wirsching weit in die Welt hinausgetragen haben. Die Trauben für das Große Gewächs wurden schon bei der Lese besonders selektiert und stammen zum großen Teil von alten Rebstöcken. Die Großen Gewächse des Jahrgangs 2015 hat Andrea Wirsching erstmals ein Jahr später abgefüllt, weil sie länger im Keller ruhen sollten.
2016 Iphöfer Kronsberg Scheurebe Beerenauslese
Schon das dichte, konzentrierte Bukett der 2016 Scheurebe Beerenauslese fixiert sich weniger auf die üblichen verdächtigen Pfirsiche, sondern öffnet sich mit einem großartigen komplexen Aromenpanorama: Grapefruit, Mango, Litschi, Aprikose, Minze, kandierte Orangenschale, Limone und etwas Schwarze Johannisbeere nebst einem winzigen Hauch gelber Rosen sind dabei. Den Gaumen erreichen vielfältige, hochkonzentrierte Fruchteindrücke von den Bukettfrüchten, aber auch von überreifen gelben Pflaumen, Mirabellen und Maracuja. Die Beerensüße sitzt nicht klebrig auf der Zunge fest, sondern vermählt sich mit einer stabilen Säure und tröpfelt mit angenehmer Viskosität und viel Saftigkeit in ein rundes Finale, an dem wir noch lange begeistert herumschmatzen und das aromatische Eindrücke vermittelt, die für immer bleiben. Ein Wein, nein, eine süße Magie, die gewohnte Dimensionen sprengt. Weg mit dem Blauschimmelkäse, der Apfeltarte und dem Karamellpudding – der 2016 Iphöfer Kronsberg Scheurebe Beerenauslese muss einen glanzvollen Auftritt als Solist haben.
23.08.2019
Fotos: © Weingut Hans Wirsching