An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Braunewell in Rheinhessen: Kreative Charakterweine mit höchster Qualität
10 Kilometer südwestlich von Mainz, fast in der Mitte zwischen Ingelheim und Nierstein in der Nähe des Flüsschens Selz, befindet sich das Weingut Braunewell in der kleinen Weinbaugemeinde Essenheim in Rheinhessen, Deutschlands größtem Weinanbaugebiet.
Das Selztal, in dem sich die Selz vom Donnersberg durch ganz Rheinhessen zum Rhein schlängelt, bietet nicht nur touristisch eine wunderschöne Landschaft, sondern hat auch ein ganz besonderes Terroir für den Weinbau vorzuweisen: Bei Essenheim ist der Boden an den rheinhessischen Hügeln von Kalkböden des Urmeeres geprägt, man findet Korallen, Muscheln, Turmschnecken und sogar Haifischzähne. Das Mikroklima setzt noch eins drauf mit den kühlen Nächten und dem stetigen Wind: Es ist genau das cool climate, das heute nicht nur beliebt, sondern geradezu notwendig ist, um hocharomatische Trauben reifen zu lassen, ohne dass die Alkoholwerte im Keller durchknallen.
Spätestens der Einzug der neuen Generation mit Stefan und Christian in Weinberge und Keller hat dazu geführt, dass sich die Familie einem nachhaltigen Weinbau zugewandt hat und auf moderne Weine in höchster Qualität setzt. Die Nachhaltigkeit wird als Ausgleich zwischen dem gewünschten Schutz der Natur und dem ökonomisch Sinnvollen verstanden. Die Braunewells sind keine Biofreaks, sondern sind überzeugt, dass bereits angemessen nachhaltiges Wirtschaften der Natur nützt und ein naturnahes Management in den Weinbergen ihren Reben am besten bekommt. Durch Rebzeilenbegrünung wird die Artenvielfalt gefördert, die Reben werden durch alternative Mittel geschützt. Obendrein wird das Regenwasser gesammelt und mit Sonnenlichtkollektoren der Strom für betriebliche Abläufe erzeugt. Das Weingut Braunewell ist Mitglied bei Fair'n Green, dem einzigen ganzheitlichen Ansatz in der Weinbranche. Damit ist man verpflichtet, sämtliche Weine nach den Richtlinien des FAIR and GREEN e.V. herzustellen und wird alljährlich dafür zertifiziert. In den Weinbergen werden die Erträge niedrig gehalten und die Trauben in mehreren Durchgängen möglichst spät und handselektiert gelesen. Im Keller werden alle weißen Lagenweine spontan vergoren, die Rotweine teilweise unfiltriert abgefüllt. Die großartigen Erfolge der letzten Jahre haben den Kauf neuer Parzellen, Holzfässer und Maischegärsysteme für Rotweine mehr als belohnt. Gerade hat man zwei Millionen Euro in neue Gebäude investiert: mit Räumen für Lager, Verpackung und Versand und einer Vinothek mit kleiner Gastronomie, vor allem aber mit einem Holzfasskeller für bis zu 400 Barriquefässer. Abgerissen worden sind drei Gebäude, darunter das alte Getreidelager. Die unterirdisch verbundenen Neubauten werden sich um das in den 70er Jahren erbaute Wohnhaus herum gruppieren. Noch in diesem Jahr vor der Weinlese sollen die Neubauten Ende August eingeweiht werden.
Wir haben erneut fünf Weine und einen Sekt vom Weingut Braunewell verkostet.
Ein Riesling Brut ist der Sekt-Klassiker jedes Weinguts, der bei den Braunewells die Cool Climate-Terroirnote der Kalkstein- und Kalkmergel-Böden von Essenheim hat. Die Trauben aus den besten Rieslingparzellen werden bei der Ernte im ersten Durchgang gelesen und manuell streng selektiert, um nur gesundes Lesegut zu erhalten. Bei niedrigen Temperaturen wird langsam vergoren. Bis zur Versektung im Juni 2017 ruhte der Grundwein auf der Feinhefe. Nach der zweiten Gärung in der Flasche verbleibt der Sekt auf dem Hefelager und wird laufend degorgiert, so dass er nie älter als 3 Monate ist, wenn er das Weingut verlässt. Das Degorgierdatum steht auf jeder Flasche, was sich neuerdings immer mehr verbreitet.
Im Glas zeigt sich eine feine Perlage, die stabil anhält. Es duftet nach Zitrus und grünen Äpfeln mit einer gewisse Reife. Dazu schwebt eine kleine Brioche-Richtung aus dem Glas. Im Mund perlt der Sekt unaufgeregt über die Zunge und verbreitet saftige Fruchtnoten von weißen und gelben Pfirsichen, grünen und gelben Äpfeln und einigen jungen Aprikosen. Die kräftige Rieslingsäure ist gut untergebracht und bringt zusammen mit der leichten Kalkmineralik und der feinen Fruchtsüße eine belebende Frische an den Gaumen. Natürlich ist der 2016 Riesling Brut der geborene Aperitif beim Dinner for Two oder for mehrere, er lässt aber auch gerne einen Graved Lachs schäumen.
2018 Dinter Im Namen des Rosé trocken
Das Glas leuchtet in einem hellen Kupferrosa und sendet intensive, frische Signale von Erdbeeren, roten Johannisbeeren, aber auch einigen Schwarzkirschen, Heidelbeeren und Mandeln aus. Am Gaumen kommt der Rosé feinfruchtig und energisch an. Er ist mit seinem ordentlichen Extrakt gut strukturiert und stoffig, wirkt aber keinesfalls schwer. Geschmeidig und cremig gleitet er in einen langen, saftigen Abgang, der einen überraschenden Hauch von Würze offenbart. Ein origineller Rosé voller Eleganz, der jeder Sommerparty die rosa Brille verschafft, aber auch allein oder zu zweit in der Badewanne oder zu Lachs mit grünem Spargel und Reis ein Genuss ist.
2017 Grauer Burgunder trocken
Die Trauben für den Gutswein kommen aus verschiedenen Essenheimer Burgunderparzellen mit Tonmergel, Kalkmergel und Schwarzerde. Der Most wurde langsam im Edelstahl und großen Holzfass vergoren, der Wein reifte auf der Hefe bis Februar 2018 und wurde im April 2018 abgefüllt. Es ist ein herzhafter Grauer Burgunder mit Charakter. Wir erduften uns gelbe Äpfel, reife Birnen und gelbe Nektarinen, vereinzelte Charente-Melonen und Spuren von Haselnüssen nebst kleinen vegetabilen Noten. Geschmacklich wird die reichhaltige Fruchtigkeit von Birnenaromen angeführt, die von der aktiven Säure freundlich umspielt und in ein langes Finish übergeleitet werden. Dieser Grauburgunder ist griffig und füllt den Mund mit einer aromatischen Fruchtigkeit und animierenden Frische. Das will kein großer und offensichtlicher Wahnsinn sein, sondern der unkomplizierte Begleiter für jede Tages- und Nachtzeit, der flüssige Berater im entspannten Gespräch und der universelle Helfer zu fast jedem Salat und Meeresfrüchte-Gericht. Wie hatten wir zum 2011er Grauen Burgunder geschrieben: Schon auf der Gutsweinebene haben die Braunewells hier Großartiges vollbracht – das gilt auch für den 2016er Jahrgang.
2018 Essenheim Grauer Burgunder Kalkmergel trocken
Nun haben wir einen Ortswein vom Grauburgunder aus Essenheimer Kalkmergelböden im Glas. Die selektiv und mit der Hand geernteten Trauben lagen 4 bis 12 Stunden auf der Maische und wurden spontan im alten Stückfass und in gebrauchten Weißweinbarriques vergoren. Der Wein reifte auf der Hefe bis März 2019 und wurde im April abgefüllt.
Sein Bukett lädt ein mit den üblichen Verdächtigen wie reifen Birnen und Mirabellen, lässt aber auch einige weiße und rote Johannisbeeren und angeröstete Nüsse raus nebst einem winzigen Kräutertouch. Rebsortentypisch drängeln sich die Birnen als erste über die Zunge, bekommen aber schnell eine interessant herbe, pikante Begleitung aus dem Fruchtrepertoire. Der Wein baut linearen Druck und Tiefe auf und zeigt trotz aller Energie stolz seine Frische. Das richtet die lebendige Säure aus, die im Abgang einen herrlich fruchtsüßen Schmelz, aber auch eine etwas erdige, schick salzige Mineralik eskortiert. Das ist der Wein, der alle Begierden der feschen Grauburgunderfraktion beim Grillen befriedigt, aber auch immer dann zur Stelle ist, wenn ein Weißwein zum Käse gebraucht wird.
2017 Teufelspfad Essenheim Grauer Burgunder trocken
Die Nase wird gestürmt von einer offensiven Aromenvielfalt, in der wir gelbe Birnen und junge gelbe Pflaumen, Futuro-Melonen und Ananas verorten. Das Bukett geht aber weit über Fruchtaromen hinaus und schlägt florale und kräutrige Richtungen ein, umgeben von einer kompakten Zedernwürze und Vanillelüftchen. Am Gaumen laben wir uns an der dichten Struktur aus geschickt verbundenen Fruchtnoten, unter denen sich auch Mangos und Aprikosen melden. Wir genießen die Nussigkeit, die spannende Mineralität und die expressive Würze, die mit Spuren von blondem Tabak, Kandis und von vanilligen Röstaromen mit einer pikanten Spitze abgerundet sind. Am Gaumen macht der Wein grauburgundermäßig Druck und geht mit lebendiger Säure gehaltvoll und stoffig in einen langen, tiefgründigen, durchaus schmelzigen Abgang. Das ist ein gradliniger Grauburgunder mit einer fast internationalen Stilistik, der gleichwohl das Essenheimer Terroir schmecken lässt. Mit diesem Lagenwein haben die Braunewells Teufels Beitrag zum himmlisches Vergnügen gemacht.
2015 François Rotwein Cuvée trocken
Er duftet energisch nach Schwarzen Johannisbeeren, echten Heidelbeeren, Schwarzkirschen, schwarzroten Pflaumen und Abstufungen von rohem Leder. Die Nase bekommt sogleich einen markanten Eindruck von der Mächtigkeit dieses Wein. Dazu tragen auch dezente Noten von Pfeffer, Erdigkeit und Holz bei. Im Mund explodiert eine Frucht- und Gewürzbombe und legt sich üppig und herb-saftig auf die Zunge. Pflaumen, Wacholder- und Holunderbeeren, Cassisfrucht, Brombeeren, Sauerkirschen, Mokka, dunkle Schokolade und dunkler Tabak toben über die Geschmacksknospen. Die Säure hat Biss und die geschliffenen Tannine packen zu. Alles trifft sich zu einem feinherben, feinwürzigen und feinsaftigen Abgang – alles eben vom Feinsten mit starken Konturen. Das ist der edle Power-Rotwein des Weinguts, der den Teufel vom gleichnamigen Essenheimer Pfad wiederbeleben würde. Erstmal kann sich diese Fähigkeit auf eine Rehkeule oder einen Hirschrücken richten. Man kann mit dem “François” aber auch die Geheimnisse von 350 Jahren Braunewellscher Familiengeschichte verkosten.
06.08.2019
Fotos: © Weingut Braunewell
Rosé-Etikett-Foto: © D.R.
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