An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Aquila del Torre im Friaul: Authentische Weine aus biodynamischem Weinbau
Genau genommen begann alles im Jahr 1904, als Cavaliere Sbuelz ein Stück Land kaufte östlich des kleinen Dorfes Savorgnano del Torre im nördlichen Teil der Colli Orientali del Friuli. Neben zahlreichen Obstsorten standen hier einige Rebstöcke mit begrünten Rebzeilen, deren Gras Pferde, Kühe und Schafe bekamen. Schon Anfang der 20er Jahre hatte der Cavaliere den Besitz durch Zukäufe auf 111 Hektar ausgedehnt. 1996 erwarb Claudio Ciani das Anwesen bei Savorgnano, stellte den Betrieb auf Weinerzeugung um und gründete das Weingut Aquila del Torre. Der Name bedeutet Adler des Torre und bezieht sich auf das lokale Flüsschen Torre. Auch der Adler kommt nicht von ungefähr, bilden doch die von Wald umgebenen Weinberge aus der Luft gesehen die Form eines Flügels. Der Ausblick von dem auf einer Anhöhe liegenden Weingut über die Hügel ist beeindruckend – weit geht der Blick auf die Umgebung bis nach Udine.
Das Gebiet Colli Orientali del Friuli ist ein Weinanbaugebiet in der Region Friaul-Julisch Venetien. Es liegt in Nordostitalien ungefähr zwischen der Stadt Udine und der Grenze zu Slowenien. Bis zum Golf von Triest sind es rund 50 Kilometer. Der Weinbau in Colli Orientali del Friuli – übersetzt „östliche Hügel des Friaul“ – ist geprägt durch bedeutende Weißweine und durch eine große Anzahl autochthoner Rebsorten.
Familie Ciani hat ihr Leben ganz auf den Wein ausgerichtet und betreibt den Weinbau mit großer Liebe für die Natur. Die Weine sind für sie der Abdruck ihres Terroirs, das mit Respekt gegenüber den Kapriolen der Natur innovativ herausgearbeitet wird. Erkennungsmerkmale sind hierbei besonders Frische und Mineralität. Inzwischen sind die Weine von Aquila del Torre mehrfach ausgezeichnet worden. Von Decanter gab es 2011 eine Silbermedaille, im italienischen Weinführer Veronelli gab es hohe Ratings, der Gambero Rosso bewertete die Weine viermal mit zwei Gläsern und zweimal mit einem Glas.
Zum Weingut Aquila del Torre und zum Oasis Picolit Projekt gehört das B&B Oasi Picolit mit drei geschmackvoll eingerichteten Zimmern im Oberstock des Gutsgebäudes. Man hat einen grandiosen Ausblick in die Ebene und bekommt von Familie Ciani geführte Touren und Weinverkostungen angeboten.
Wir konnten sechs Weine des Weingut Aquila del Torre verkosten.
2018 Friulano Friuli Colli Orientali
Friulano war einst als Tocai Friulano aus dem norditalienischen Friaul bekannt und musste 2007 nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshof im Rechtsstreit zwischen Ungarn und Italien umbenannt werden. Grund war die Verwechselungsgefahr mit dem berühmten ungarischen Tokajerwein aus der Rebsorte Furmint.
Der 2018 AT Friulano Friuli Colli Orientali wurde aus verschiedenen Partien assembliert, von denen einige im Stahltank, andere in Betonbottichen und vorbelegten Holzfässern vergoren wurden. Danach lag der Wein noch 8 bis 10 Monate auf der Feinhefe mit vorsichtiger Battonage. Auf dem Etikett ist das Profil einer Frau zu sehen, aus deren langgestrecktem Kopf Rebwurzeln wachsen und die Verbindung mit den Ursprüngen und dem Terroir andeuten.
Aus dem strohgelb glänzenden Glas schickt der Friulano dezente Fruchtnoten von Zitrusfrüchten, Birnen und getrockneten Aprikosen. Dazu schweben Düfte von Mandeln, Wiesenblumen, Akazienblüten und kräutrige Elemente bis zu getrocknetem Heu herum. Im Mund öffnet er sich nach kurzer Zeit mit herrlich frischen Noten von Zitrus, Nüssen und etwas Marzipan. Die Säure ist mild und von einem klaren mineralischen Rahmen umgeben. Beides unterstützt einen markant saftigen, süßlich-süffigen und schön cremigen Abgang. Das ist ein Wein ohne Ecken und Kanten für alle Gelegenheiten, der aber nicht nur gradlinig und frisch, sondern auch komplex und beschwingt zugleich auftritt. Er begleitet gerne eine sommerliche Terrassenparty, aber auch eine Vorspeise mit San Daniele-Schinken oder eine gegrillte Dorade.
2017 AT Bianco Oasi Friuli Colli Orientali DOC
In der Nase tauchen samtige Aromen auf von Jasminbüten, Quitten und kandierten Limonen, dazu ein Touch Vanille, kleine Balsamico-Akzente und klitzekleine Töne von Steinen und Holz nebst einem ganz leichten Botrytis-Hintergrund. Dass die Picolit Trauben bei Vollreife sehr süß sind, bildet sich unverkennbar im Bukett ab, so dass der erste Schluck spannend wird: Der Wein ist mit seinem prägnanten Säurerahmen und der intensiven Mineralität trocken, doch auf der Zunge drängeln sich süßliche, sehr vielfältige Eindrücke von weißen Blüten und gelben Früchten wie Aprikosen und Quitten, aber auch Waldhonig und Vanille. Alles gemeinsam trägt ein langes, süffiges, zuweilen pointiert pikantes Finale. Das ist ein faszinierend janusköpfiger Wein mit einem kraftvollen herzhaften, frischen Ausdruck, der uns mit seiner raffinierten sensorischen Einzigartigkeit, Komplexität und Eleganz begeistert. Servieren Sie ihn zu einer großen Platte mit verschiedenen italienischen Käsesorten.
2017 AT Sauvignon Blanc Friuli Colli Orientali DOC
Wir schnüffeln an klaren, präzisen Aromen von tropischen Früchten, Zitrus, Aprikosen, weißen Pfirsichen und kleinen vegetabilen Spitzen. Schon dabei fällt eine frische Mineralik in Richtung Feuerstein auf, die auch geschmacklich prägnant hervortritt. Auf der Zunge gibt der Wein sich geschmeidig und harmonisch mit einer kaum zu zügelnden Frische, die von der für einen weißen Sauvignon erstaunlich lebendigen Säure und der deutlichen, leicht salzigen Mineralität generiert wird. Fruchtnoten von Ananas, Zitronen, Limetten, Stachelbeeren und weißen Johannisbeeren kommen an und werden in ein langes schmelziges Finish mitgenommen. Ein geborener Sommerwein, der auch gerne ein edles italienisches Spargelrisotto eskortiert.
2017 AT Sauvignon Blanc Primaluce
Die Trauben für diesen Wein stammen aus der nach Südosten ausgerichteten, extrem steilen Lage Vît dai Maz, dem Weinberg der Verrückten. Er ist terrassenförmig angelegt und hat einen sehr lehmigen Boden aus Mergel und Sandstein. Vergoren wurde spontan in Barriques aus französischer Eiche vergoren, in denen dann der Wein noch 12 Monate reifte.
Jetzt sind wir bei einer ganz anderen Sauvignon Blanc Stilistik. Das intensive Bukett geht in Richtungen eines großen Korbs exotischer Früchte mit Zitrus, dazu balsamische Kräuter und geheimnisvolle süßliche Gewürze. Am Gaumen kommen die exotischen Fruchtrichtungen ebenfalls expressiv zum Ausdruck, dazu eine ausgeprägte Mineralik und feine Röstaromen. Er geht mit gut integrierter Säure in einen reichhaltigen, geschmeidigen und herrlich cremigen Abgang. Das ist ein vollmundiger, sonnendurchfluteter Sauvignon Blanc, der weich und warm den Mund füllt. Er passt hervorragend zu einem edlen Hummergericht, aber auch zu Pasta mit einer Meeresfrüchte-Fisch-Soße.
2016 AT Merlot Friuli Colli Orientali DOC
Die Trauben wurden im Stahltank vergoren, der Wein kam zur malolaktischen Gärung in Zementtanks und in große Holzfässer, danach wieder ins Edelstahl für 12 Monate.
Interessanter Weise schlägt auch dieser Rotwein ähnlich wie die Weißen von Aquila del Torre eine Frische-Richtung ein, die für einen Merlot ungewöhnlich ist und die man wohl dem Terroir des Friuli Colli Orientali zu verdanken hat. Im Glas glänzt er in einem dunklen Rubinrot. In der Nase wollen rote Beerenfrüchte wie Brombeeren und echte Waldheidelbeeren die ersten sein, dann folgen reife Kirschen, einige Zwetschgen, Veilchen, wilde Kräuter und eine schöne breite Würze. Auch im Mund zeigt der Merlot eine erstaunliche Fruchtigkeit, die von einer weichen Holzwürze mit leicht rauchigen Nuancen begleitet wird. Gut strukturiert und mediterran gewürzt kommt im Finale noch eine kleine Schokoladenseite zum Vorschein. Ein runder, weicher Merlot mit einer pointierten Frische, einem distinguierten Ausdruck von Mineralik und einer zarten Eleganz. Reichen Sie ihn zu einem Fasan aus dem Rohr oder zu einem würzigen Fleisch-Eintopf.
2015 AT Refosco dal Peduncolo Rosso Friuli Colli Orientali DOC
Der 2015 AT Refosco dal Peduncolo Rosso leuchtet das Glas granatrot bis violett aus. Er verströmt eine wilde, reife Fruchtigkeit und Würze, die ungemein lebendig wirkt. Im Vordergrund erscheinen Heidelbeeren, Brombeeren, Pflaumen und süßliche Gewürze. Aus dem Hintergrund weht ein Hauch mineralischer, pflanzlicher und blumiger Düfte mit einer kleinen Nuance Kakao. Und dann im Mund: Eine saftige Dichte umhüllt die Zunge, unterlegt von Heidelbeeren, schwarzen Kirschen und Brombeeren. Obendrein erschließt sich eine pikante Würze von Nelken, schwarzem Pfeffer und Zimt. Die Säure hat Gripp und vermittelt eine intensiven Frische, ist aber gut eingebunden und passt zu den ausdrucksstarken Tanninen, die für einen Refosco als gezähmt und geschmeidig angesehen werden können. Auch im wärmenden Finish zeigt er energisch, tanninstark und herbwürzig seine starken Konturen. Das ist kein Wein, der betört oder jeden einwickelt, er ist nichts für schwache Gaumen. Aber es ist der perfekte Wein für Liebhaber von Ecken und Kanten, puristisch, ungestüm und markant. Wer sich auf ihn einlässt, genießt einen selbstbewussten eigensinnigen, charakterstarken, authentischen Refosco.
09.09.2019
alle Fotos: © Aquila del Torre
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