An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Christoph Bauer im Retzer Land in Niederösterreich: Beste Bioweine von einer fröhlichen und innovativen Winzerfamilie
Südwestlich von Retz in der Gemeinde Haugsdorf liegt der kleine, idyllische Weinort Jetzelsdorf. Wir sind hier in der Kleinregion Retzer Land ganz im Nordwesten des Weinviertels rund eine Autostunde nördlich von Wien und acht Kilometer von der Grenze nach Tschechien entfernt. Zwar ist das Weinviertel, das zum Weinanbaugebiet Niederösterreich gehört, als Weißweingebiet bekannt, doch in der warmen Kessellage des Flüsschen Pulkau reifen neben den gebietstypischen weißen Sorten traditionell auch rote Reben und machen die Gegend zu einer berühmten Rotweininsel. Inmitten von Jetzelsdorf am Flüsschen Pulkau befindet sich das Weingut Christoph Bauer.
Das Retzer Land
Das Weinviertel in Niederösterreich ist das nördlichste Weinanbaugebiet Österreichs. Im Nordwesten des Gebiets liegt die kleinste Weinregion des Weinviertels, das Retzer Land. Sie ist eine von 71 Kleinregionen in Niederösterreich.
Das Retzer Land ist bekannt für die sanft-hügeligen Weinberge und das milde und trockene Klima, in dem sich nicht nur die Weinreben, sondern auch Kürbisfelder wohl fühlen. Berühmt sind die weiß getünchten Kellergassen mit ihren Presshäusern und Weinkellern, von denen die schönsten in Zellerndorf, Platt oder Pillersdorf zu finden sind. Aber auch im Haugsdorfer „Köllatrift“ reihen sich Dutzende weiß gekalkte, von Weinreben umrankte unterkellerte Häuser aneinander. Sie alle stehen heute unter Denkmalschutz und können oft mit einem Kellergassenführer besichtigt werden. Angelegt wurden die Kellergassen, die auch „Dörfer ohne Rauchfang“ genannt werden, im 18. Jahrhundert, nachdem Kaiserin Maria Theresia den Weinbau freigegeben hatte. In der Literatur hat der Autor Alfred Komarek der Kultur der Kellergassen im Weinviertel in seinen Kriminalromanen mit Gendarmerie-Inspektor Simon Polt ein literarisches Denkmal gesetzt.
Von der mehr als 600 Jahre alten Öhlbergkellergasse in Pillersdorf hat man einen herrlichen Blick hinüber nach Retz. In dem Weinstädtchen Retz kann der größte historische Weinkeller Österreichs besichtigt werden. Fast 20 km lang ist das historische Labyrinth aus Stollen und Kellern, in dem man drei Stockwerke und bis zu 20 m tief unter die Erde gelangt. Hier herrschen eine konstante Temperatur von 8 Grad Celsius und eine Luftfeuchtigkeit von 87 Prozent, – be- und entlüftet wird durch Dampflöcher.
Gegründet wurde der Betrieb 1935 von dem Weinhändler Hans Bauer. Sein Sohn Hans Bauer jun. erweiterte das Weingut von 1970 bis 2000 in Richtung der heutigen Größe. Er war lange Jahre auch Bürgermeister von Haugsdorf. Seit 2003 wirkte sein Sohn Christoph Bauer im elterlichen Weinkeller mit und übernahm das Weingut 2008 im Alter von 35 Jahren in dritter Familiengeneration gemeinsam mit seiner Frau Heidi.
Dass Christoph Bauer während seiner Ausbildungs- und Praxisjahre viel herumgekommen ist, bemerkt man an seiner Pflege auch internationaler Rebsorten. Nach Abschluss der Weinbauschule in Klosterneuburg 1992 war er in Südtirol in der Kellerei Kurtatsch, in Südafrika bei Saxenburg in Stellenbosch und in Australien bei BRL Hardy und dann einige Zeit im Weinhandel tätig und engagierte sich im Regional-Marketing als Obmann der Weinstraßen Niederösterreich. Quasi nebenberuflich ist er auch heute noch Kellergassenführer in Jetzelsdorf.
Das Weingut Christoph Bauer bewirtschaftet rund 20 Hektar Rebfläche in den Rieden (Einzellagen) Alte Haide, Bergsatz, Felderbergen, Galgenberg, Gerichtsberg, Haidsatzen, Hofweingarten, Straßhaide und Znaimer Haide. Zum Teil stehen dort bis zu 40 Jahre alte Veltlinerrebstöcke. Es sind beste Lagen für Weißwein und perfekte warme Kessellagen für Rotwein – eine glückliche Verbindung, über die im Weinviertel nicht viele Winzer verfügen. Dort, wo die Rieden zur Laaer Formation gehören, sind die Böden leicht quarzsandig und haben Tonschichten, ansonsten besteht das Ausgangssubstrat aus schluffig-tonigen Ablagerungen und einer dünnen Meeressandlage, dem sogenannten Schlier. In etlichen Parzellen gibt es auch Lössböden. In den besten Lagen des Weinguts sind die Böden mit viel Kalk angereichert. Das malerische Tal der Pulkau ist windgeschützt und hat ein hervorragendes, wenn auch in manchen Jahren recht regenarmes Mikroklima: Die Sommer sind heiß und trocken, die kühlen Nächte des Spätsommers und des Herbstes begeistern die Reben und bringen Frucht und Würze in die Trauben. Angebaut werden zu rund 60 % weiße und 40 % rote Rebsorten. Bei den weißen sind es Grüner Veltliner, Rivaner, Welschriesling, Neuburger, Grauburgunder und Sauvignon Blanc, bei den roten Blauer Portugieser, Zweigelt, Pinot Noir, Blauburger, Cabernet Sauvignon und Merlot.
Die sorgfältige Arbeit im Weingarten mit Schnitt, Laubsteuerung und dichter Bestockung steht für Christoph Bauer auch heute noch an erster Stelle, weiß er doch, dass hier die großartigen Weine initiiert werden. Er erntet die Trauben möglichst vollreif und verarbeitet sie schonend. Im Keller tüftelt er ständig an neuen Weinen herum. Der Ausbau seiner Rotweine erfolgt zielgerichtet entweder im Stahltank oder im großen Holzfass oder Barrique. Für die besten Weine kommt die Maische zur Vergärung in den offenen Bottich. Dabei wird wie in alten Zeiten regelmäßig per Hand der Tresterhut untergetaucht. Jedenfalls die Rotweine durchlaufen die zweite – malolaktische – Gärung zum Säureabbau und reifen in ausgewählten großen oder kleinen Holzfässern. Filtriert wird nur bei der Abfüllung. Die Weißweine werden teilweise ganztrauben-gepresst, der Most wird vorgeklärt und anschließend vergoren, mit möglichst langer Lagerung auf der Feinhefe. Schwefelung ist im Weingut vor der Gärung tabu, nur im fertigen Wein wird damit die Lagerfähigkeit und Frische gesichert.
Mit der Betriebsübernahme 2008 bekamen alle Weine ein neues Etikett, auf dem auch Christophs Ur-Großvater Hans abgebildet ist. Es wird auch heute noch für etliche Weine des Sortiments benutzt. Eine witzige Abweichung vom Weingutlabel gestaltete 2017 Stephanie Sutanto mit ihrer Designfirma Mundoku: Weil ein Praktikant statt Orange Wine immer Ohrenschwein verstand, bekam der Wein den Namen OhrenschWein und das Etikett ein fliegendes Schweinchen nebst einigen Vögeln, die vielleicht sogar Ortolane sein sollen, die einst Beethoven zu seiner 5. Symphonie inspiriert hatten.
Wer bei den Bauers zu Gast ist, staunt über das außergewöhnliche architektonische Ensemble des Weinguts: Das Stammhaus war früher eine alte Mühle, die trotz der umfassenden Renovierung noch die alten Lehmmauern und Kastenfenster vorzuweisen hat. Vor allem aber schließt sich als passender Kontrapunkt ein Anbau aus Glas an, von dem man einen ungehinderten Blick auf den romantischen Innenhof mit den alten Obstbäumen und den Sommerblumen hat. Zentrales Element in dem Glasanbau ist ein imposantes Raum-Regal, geplant von Andi Breuss. Ein Blick in den traditionellen Sandkeller mit der Kellerröhre gibt nicht nur die geologischen Gesteinsschichten preis, sondern vermittelt auch eine Ahnung von der Geschichte des Weinbaus im Weinviertel. Hier ist das Retzer Land nach wie vor ein Reiseziel für Genießer, die keine Alpengipfel und Gletscher brauchen, sondern im sanft geschwungenen Hügelland ihre Wege in die Natur finden und den Tag mit Köstlichkeiten aus der traditionellen Küche und einem Glas des guten Weins ausklingen lassen möchten.
Wir konnten erneut fünf Weine und einen Sekt vom Weingut Christoph Bauer verkosten.
2014 Blanc de Noirs Sekt brut nature
Im Glas funkelt der Sekt uns an mit einer sehr hellen, überraschend gelbgrünen Tönung, die zum Rand hin silbern blitzt. Er lockt mit einer feinen Perlage, die pikante und kühle Noten in vegetabile Richtungen mit frischen Blüten und einem kleinen, fein gereiften Hefepeak freigibt. Mit zunehmender Öffnung entfalten sich duftige Noten von Erdbeeren und roten Waldbeeren nebst Wiesenkräutern. Am Gaumen offenbart der Blanc de Noirs Sekt sich mit einem kühlen, pinot-fruchtigen Charakter, der in einem komplexen Zusammenspiel der Aromen mit der quicklebendigen Mousse und der frischen, unaufdringlichen Säure eine mundfüllende und überaus harmonische Sensorik entwickelt. Man vermisst bei diesem Brut Natur das süße Naschwerk der Versanddosage gar nicht, weil man gut beschäftigt ist mit den vielseitigen pflanzlichen Tönen, den Apfelnoten und dem leichten Zitrustouch. Die angenehm mineralischen Komponenten kommen besonders im weichen, cremigen Abgang gut zur Geltung. Ein hochwertiger, eleganter Sekt, der nicht nur das Terroir der Retzer Rotweininsel schmackhaft abbildet, sondern auch eine sehr individuelle und charakterstarke Stilistik mit der Handschrift von Christoph Bauer vorzeigt. Der Falstaff Wein Guide 2018/19 hat den Sekt zu recht mit 90 Punkten bedacht. Servieren Sie ihn in einem großen Weißwein- oder sogar in einem Rotweinglas, damit er seine sensorischen Eigenarten großzügig anbieten kann.
Ein Weinviertel DAC ist immer ein Grüner Veltliner. Im Retzer Land ist er nicht nur sortentypisch wie überall, sondern bringt oftmals auch das besondere regionale Terroir gut zum Ausdruck. Der Weinviertel DAC von Christoph Bauer ist es ein zertifizierter Biowein, den das österreichische Weinmagazin Falstaff mit 90 Punkten gewürdigt hat.
Im Glas sehen wir einen gelbgrünen Wein mit hellen Reflexen. Er outet sich sofort mit einer sortentypisch würzigen Nase von Mangos, Grapefruit, Ananas, einheimischen Äpfeln, einigen Lorbeerblättern und einer kleinen Prise von weißem Pfeffer. Die exotischen Lüftchen bekommen Gesellschaft von einer leichten Mineralik und flüchtigen floralen Anklängen. Am Gaumen fällt die kühle Fruchtigkeit auf, die das Ensemble der Bukettaromen durch Noten von frischen Klaräpfeln und feine vegetabile und hefige Nuancen ergänzt. Die spritzige Saftigkeit des Weins wird von der straffen Säure und einer dezenten Mineralik umspielt. Der sortentypische, hier sehr feine Touch von weißem Pfeffer begleitet den langen, griffigen und fruchtstarken Abgang. Das ist der klassische Grüne Veltliner in einer coolen, fast leichtfüßigen Variation. Er kann fast jede Speise eindrucksvoll eskortieren – genießen Sie ihn mal zu einem Schweinsbraten vom regionalen Biobauern.
2019 Grüner Veltliner Alter Schatz Weinviertel DAC Reserve bio
In der Nase laden markante, teils exotische Fruchtnoten von Mango und Papaya ein, dazu ein frisch gebundenes Gewürzsträußchen. Mit einiger Luftzufuhr gewinnt der Wein an mineralischer Tiefe und gibt auch einen Duft von fein gehackten Kräutern frei. Am Gaumen breitet er sich füllig und mit einem extraktreichen Frucht- und Würzspektrum aus, in dem sich auch Töne von Quitten und Nüssen schmecken lassen. Er deckt seine knackigen 14,5 % Alkohol erstaunlich gut zu. Die aktive Säure, der leichte Gerbstoff und ein mineralischer Hintergrund schaffen locker eine handwerklich solide Abrundung mit einer hocharomatischen, dezent cremigen Textur. Im langen, stabilen Abgang verabschiedet er sich mit einem zärtlichen Biss. Sein kraftvoller Trinkfluss und der sanfte, aber vollmundige Charakter bilden das Retzer Land authentisch ab. Es ist ein Schatz, der die Tradition geschmacksstark und mit Energie ins Glas bringt – Urgroßvater Hans hätte seine Freude an ihm gehabt. Genießen Sie den Wein als Solisten an jedem schönen Abend und schmecken Sie seine Herkunft. Natürlich hat dieser Wein noch vier oder fünf Jahre Zeit, aber Sie bestimmt nicht, also machen Sie ihm und sich eine Freude und öffnen Sie jetzt schon eine Flasche zu einer mit Laugenknödel, Kalbsleber und Liebstöckl gefüllten Kalbsbrust.
2018 Riesling Wachstum Fuchs
Riesling ist laut österreichischer Weinstatistik inzwischen die Nummer drei der im Weinviertel angebauten Rebsorten und hat damit den Müller-Thurgau=Rivaner knapp überflügelt. Herausragende Weine bringt die Rieslingrebe hier ganz besonders dann hervor, wenn spät gelesen wird, was das trockene Klima fast jedes Jahr ermöglicht. Die Trockenheit und der Wind schützen zudem vor Botrytis, die zwar andernorts erwünscht ist, im Retzer Land jedoch die terroirgeprägte Aromatik zu stark verändern würde. Die Riesling-Reben für diesen Wein stehen in den Weingärten von Familie Fuchs in Untermarkersdorf, sozusagen stromaufwärts der Pulkau in der Gemeinde Hadres nicht weit von der tschechischen Grenze entfernt.
Wir haben einen sehr lebendigen Riesling im Glas, der Düfte von Marillen, weißen Pfirsichen, Zitrus und ganz dezent auch pflanzlich-würzige Noten verströmt. Um die Zunge herum verteilt sich eine fruchtig kühle und präzise geschliffene Struktur mit cool climate Charakter, die durch eine zärtliche Restsüße verführt und deren knackige Säure ordentlichen Griff liefert. Eine schöne, ganz leicht salzige Kalkstein-Mineralik rundet die Sortentypizität ab. Im Finale steckt noch einmal Kraft und Saft, ja geradezu eine gewisse cool-zischige Süffigkeit, die das Terroir sensorisch erleben lässt. Der Riesling Wachstum Fuchs hat Energie genug für einen Tafelspitz mit Apfelmeerrettich und liebt auf jeden Fall einen in Butter langsam gebratenen Saibling mit Estragon.
2017 Zweigelt Reserve bio
In dem in einem schwarzdunklen Rubingranat ausgeleuchteten Glas entwickelt der 2017 Zweigelt Reserve kernige Aromen von reifen Hedelfinger Kirschen, Brombeeren, schwarzen Johannisbeeren und dunklen Gewürzen. Im Mund genießen wir die fruchtbetonte Kirsch- und Beerenstilistik, die mit einem Touch von hellem Tabak, Schokolade und einem Hauch von Orangenzesten abgerundet ist. Die Würze, die zurückhaltende Säure und eine gewisse Mineralität sind feinsinnig kombiniert mit angemessenen, gut eingebundenen Tanninen. Dass der Reserve im Barrique ordentlich vom Holz profitierte, drängt sich nicht aggressiv in den Vordergrund, vielmehr verbinden sich die Röstaromen vollendet mit dem Fruchtkontrast, was uns im gut strukturierten Finale noch lange nachschmatzen lässt. Dieser Reserve ist ein dichter, komplexer und eleganter Zweigelt. Servieren Sie ihn zu jenen heimseligen, geschmorten Fleischrouladen, die es gab, wenn man früher am Sonntag bei Oma zum Mittag war – also gigantische Fleischseiten aus der Oberschale der Keule, in die Gewürzgurke und Speck mit reichlich Senf eingerollt sind.
2017 Zweigelt Privat bio
In dem Spitzenzweigelt aus der Privat-Linie des Weinguts ist alles drin, was die besten Weingärten, die besten Barriques und die beste Winzerkunst von Christoph Bauer hergeben. Kein Wunder, dass er international nachgefragt wird. Seine Aromanoten von Weichselkirschen, vom Brombeerenconfit, von Heidelbeeren und roten Beeren sind unverkennbar, er präsentiert der Nase aber auch feine erdige Anklänge und einen intensiven Duft nach Kräutern und Gewürzen bis hin zu Nelken. Im Mund macht er richtig Druck mit seinem strammen Körper und seiner dichten Stoffigkeit. Offensiv prahlt er mit seinen rauchig-röstigen Holzaromen und der schönen Kirschfrucht plus Rote und Schwarze Johannisbeeren. Dezent grüßen Nuancen von dunkler Schokolade und herbwürzigen Kräutern. Schon jetzt kündigt sich darüber hinaus eine Anmutung von reifen Zwetschgenaromen an. Das lange, saftig-süffige Finish wird von festen, kompakten Tanninen umrahmt. Der Wein hat alles im Griff und lässt die Zunge nicht los. Ein sehr charaktervoller, harmonischer und eleganter Zweigelt mit einer Ausstrahlung, die zwei Stunden nach der Dekantierung noch an mineralischer Tiefe und aromatischer Expression gewinnt. Servieren Sie ihn zu edlen Lammlachsen oder ganz wild zu einem gebratenen Karpfenfilet, idealer Weise mit Zweigeltsoße.
27.11.2020
Fotos: © Weingut Christoph Bauer