An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Ein starkes und erfolgreiches Miteinander: die Weingüter Kühling-Gillot und Battenfeld-Spanier in Rheinhessen
Das gibt es nur ein einziges Mal im Weinanbaugebiet Rheinhessen: Zwei der deutschen Spitzenweingüter in einer Familie vereint und beide machen Weine, die von einer unverwechselbaren Winzerhandschrift geprägt sind, aber durch ganz eigene Stilistiken verschiedene Terroirs schmecken und erleben lassen.
An welchem Tag und an welchem Ort der Grundstein für die Verbindung der beiden Weingüter gelegt wurde, wissen wohl nur Carolin Spanier-Gillot und Hans Oliver Spanier ganz genau, denn wer vergisst schon die erste Begegnung einer großen Liebe. Dabei hatte der Weg von amourösen Beziehungen über geschäftliche Verbindungen bis hin zu familiären Fusionen durchaus eine gewisse Tradition in den bis zu 200 Jahre zurückreichenden Stammbäumen der beiden Familien.
Hans-Oliver kümmert sich im Wesentlichen um den Ausbau der Weine – mit höchstem Engagement und oftmals mit einer gehörigen Portion Eigensinn. Carolin behält mit ihrer quirligen Umtriebigkeit neben den Weinbergen und den Kindern vor allem das Marketing und den Vertrieb im Blick. Auch wenn die Weingüter konzeptionell eng verbunden arbeiten, so wird die stilistische Eigenständigkeit der Weine gewahrt. In einer Hinsicht ist die Familie aber unzertrennlich: Wenn sie gemeinsam durch die Weinberge ziehen, sind sie immer wieder begeistert von den Angeboten, die eine unversehrte Natur dem Weinbau macht. Dass die Weinberge in zwei völlig unterschiedlichen Regionen rund 40 km auseinander liegen, macht nicht nur die Beobachtung der Natur, sondern auch das Winzerhandwerk umso spannender.
Das Weingut Kühling-Gillot liegt in Bodenheim südlich von Mainz. Hier befinden sich das Verkaufsbüro für beide Güter und der Verkostungsraum in der schon heute legendären neuen Vinothek. Sie wurde 2016 aus geschliffenem Kalkstein erbaut und bildet zusammen mit der Jugendstil-Villa in dem großen Park mit den uralten Bäumen ein harmonisches Ensemble der Landschaftsarchitektur. Hierhin lädt Carolin als großzügige Gastgeberin Winzer, Sommeliers und Sterneköche aus aller Welt zu inspirierenden Treffen rund um den Wein ein. Das Weingut Battenfeld-Spanier, wo die Familie lebt, ist in Hohen-Sülzen im Wonnegau beheimatet. Der Ort liegt im Süden Rheinhessens in der Nähe der Stadt Worms unweit der Grenze zur Pfalz. Gerade ist auf dem Weingut in Hohen-Sülzen ein als Naturkeller in den Berg gebauter Reifekeller entstanden, wo die Weine auf den perfekten Reife- und Genusspunkt gebracht werden.
Nimmt man beide Weingüter zusammen sind mehr als 50 % der Flächen mit Riesling bestockt, angebaut werden aber auch Spätburgunder, Grauer Burgunder, Chardonnay, Sauvignon Blanc, Weißburgunder, Silvaner, Scheurebe, Spätburgunder und Portugieser. Im echten gemischten Satz kommen Riesling und Gewürztraminer zusammen. Die Weine sind in die Linien des VDP eingestellt und werden als Gutsweine, Ortsweine, Erste Lagen und Große Gewächse angeboten. Außerdem gibt es die Edition Hase und das Einstiegssegment Qvinterra, das mit orthografisch leicht abgewandelter lateinischer Begrifflichkeit Gutsweine von den fünf Rheinterrassendörfern Bodenheim, Oppenheim, Nierstein, Nackenheim und Laubenheim präsentiert. Auch flaschenvergorene Sekte werden erzeugt.
Als eines der besten und renommiertesten deutschen Weingüter haben Kühling-Gillot und Battenfeld-Spanier unzählige Auszeichnungen bekommen und inzwischen 5 Gault-Millau-Trauben und je 4,5 Eichelmann- sowie Vinum-Sterne erreicht. Hervorzuheben ist darüber hinaus die Kür von Carolin zur ersten weiblichen Winzerin des Jahres 2015 durch das Weinmagazin Fallstaff und 2018 durch das Magazin Vinum gemeinsam mit ihrem Mann Hans-Oliver.
Wir konnten jeweils einen Gutswein und einen Ortswein der Weingüter Kühling-Gillot und Battenfeld-Spanier verkosten.
Die Leidenschaft für Burgunderweine hat sich bei Carolin und Hans-Oliver von Anfang an entwickelt, zumal das bei den Gillots einer langen Familientradition entsprach. Mit den Burgundern fiel das Weingut Kühling-Gillot schon immer auf in der rheinhessischen Rieslinglandschaft, erst recht mit dem erfolgreichen Ausbau im großen Holz. Die streng selektionierten Trauben für den Grauburgunder R – R wie „Reserve“ – stammen aus Lagen bei Bodenheim und Oppenheim mit bis zu 30 Jahre alten Rebanlagen und reichlich Kalkmergel und Muschelkalk unter einer leichten Lösabdeckung. Der Most ist spontan vergoren, der Wein mit langem Feinhefelager in französischen 500-l-Tonneaux-Fässern gereift.
Aus dem Glas weht ein angemessen fruchtiger Duft – etwas Birne und etwas Apfel, dazu ein Hauch von Mandeln, alles zusammen in einem sehr dezenten Rahmen von leicht rauchigen Röstaromen. Im Mund lassen die burgundischen Fruchtaromen genügend Platz für eine herrliche Mineralität vom Kalkstein. Feine Zitrusnoten und ein Hauch Ananas vermitteln Frische, die präsente Säure macht den Wein schlank auf der Zunge. Mineralik und Säure geben ihm zusammen mit den Holztönen eine tiefgründige Struktur, die im langen, trockenen Abgang von einer sanften Cremigkeit begleitet wird. Ein schmackhafter, lebendiger Grauburgunder auf hohem Niveau, der als universeller Speisebegleiter glänzt.
Die Trauben für diesen Wein stammen aus den Lagen Engelsberg und Rothenberg in der Gemeinde Nackenheim, die vom VDP als Erste Lagen klassifiziert sind. Die Rebstöcke stehen hier am berühmten Roten Hang, wo der eisenhaltige rote Tonschiefer das Terrain beherrscht. Die Nackenheimer Lagen profitieren in Zeiten der Klimaveränderung zunehmend davon, dass sie keine strenge Südausrichtung haben und die Reben auf dem ohnehin wärmespeichernden Boden ohne die Gefahr des Sonnenbrands reifen können. Die teilweise über 50 Jahre alten Stöcke in den oberen, flacheren Bereichen nehmen zudem mehr Kühle mit, was dem Wein die begehrte Coolness und Frische mitgibt. Ausgebaut ist dieser Riesling im Stück- und Doppelstückfass.
In der Nase tritt er offensiv auf mit vielfältigen, aber nie zu aufdringlichen Aromen von Pfirsichen, Äpfeln, grünen und gelben Pflaumen, etwas Zitrus und einigen gelben Birnen. Dazu kommen eine schöne Würze mit vegetabilen Anklängen und ein Hauch von rauchigen Feuersteintönen. Schon die Nase wird verwöhnt mit einer geheimnisvollen Mineralik. Am Gaumen treffen reife gelbe Früchte auf die steinige Würze des Schiefers und die gut eingebundenen Holznuancen, die sich mit zarten Aromen von blondem Tabak und Kräutern schmücken. Die aktive und perfekt untergebrachte Säure stützt mit der energiegeladenen, pikanten Mineralität ein saftiges, druckvolles, gleichwohl fein schmelziges Finish. Ein kristallklarer Riesling mit dichtem, doch schlanken Körper und großem Charakter. Er passt hervorragend zu Red Snapper vom Grill oder ganz klassisch zu einem echten Wiener Schnitzel.
Das ist die Reserve Ausgabe eines rheinhessischen Weißburgunders, die es locker mit einem guten Pinot Blanc aus dem Burgundischen aufnehmen kann. Der Wein ist im 500-l-Tonneaux ausgebaut.
Schon mit der ersten Duftnote fällt auf, dass den sortentypischen Fruchtnoten von Ananas, Zitrus, Äpfeln, Birnen und Quitten eine leicht rauchige Mineralität und Töne von Nüssen und Brioche vorauseilen. Das geht auch im Mund so weiter, ohne dass die Burgunderfrucht auf der Strecke bleibt. Die zarte Säure eskortiert den stoffigen Körper, ohne ihn zu drangsalieren und geht zusammen mit der Mineralik und Frucht in einen sanft schmelzigen Abgang über. Hans-Oliver Spanier scheint die Erfahrung, dass mit der Intensivierung des oxidativen Ausbaus die Fruchtaromen reduziert werden, zur Perfektion zu bringen, was er auch bei den anderen von uns verkosteten Guts- und Ortsweinen mal stärker, mal vorsichtiger, jedenfalls handwerklich gekonnt austariert hat. Es ist etwas ganz Besonderes, die Klarheit und Tiefe des Steins und die feine Würze aus den Weinbergen gleichsam primär angeboten zu bekommen, und zwar in einer spannenden Kombination mit dem dezenten Holz und nicht mit klotzigen Fruchtnoten. Das ist Burgund fein und pur und trocken, ohne Schnörkel, aber mit Komplexität und sorgfältig gezähmter Kraft. Wann kann man einem Weißburgunder Gutswein schon soviel Eleganz und Beschwingtheit bescheinigen. Er verwöhnt gerne eine Poularde aus dem Rohr oder ein gedünstetes Zanderfilet.
Die als VDP.ERSTE LAGE klassifizierten Weinberge mit den über 15jährigen Rebstöcken erstrecken sich in West-Ost-Richtung entlang des Ortes Mölsheim in bis zu 200 Metern Meereshöhe. Hier wachsen die Reben auf hartem Kalkstein mit einer feinen Schotterauflage in einem eher kühleren Ambiente. Auch dieser Ortswein ist im großen Holzfass ausgebaut.
In der Nase drängelt sich keine stürmische Fruchtigkeit in den Vordergrund, vielmehr ist sie mit ihren Nuancen von Orangen- und Zitronenschalen und weißem Pfirsich harmonisch abgestimmt auf die wichtigeren, dennoch leisen Töne von kalkigen Mineralien, etwas Tabak und einer Ahnung von der präsenten Säure. Die tänzelt dann aber doch noch frisch und saftig über die Zunge, um schnell der markant salzigen Mineralik, einem Touch von Feuerstein und der Würze und den Wildkräutern den Vortritt zu lassen. Diese reine, trockene Lagen-Komposition mit weniger, dafür geschliffener Frucht und mehr Terroir bleibt auch im langen Finale noch frisch, seidig und mit subtiler Kraft im Mund. Ein Riesling, der eine ganz eigene Stilistik offenbart: puristische Klarheit ohne Kompromisse, aber mit innerer Spannung und lässiger Finesse, feingliedrig und charakterstark zugleich. Genießen Sie ihn als Solisten oder zu einem sahnigen Steinpilzgericht.
29.12.2020
Fotos einschließlich Flaschenfotos: © Weingüter Kühling-Gillot und Battenfeld-Spanier