An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Klenert in Baden: Abenteuer Wein mit dem Klima-Winzer David Klenert – Sterne, Punkte und Gläser im Anmarsch
Im Norden liegt Heidelberg am Odenwald, im Osten Heilbronn mit dem Neckar, im Süden Pforzheim am Schwarzwald und im Westen fließt der Rhein – das ist der Kraichgau im Badischen. Die einen haben davon vielleicht mal flüchtig gehört, die anderen kennen und lieben die großartigen Weine der Region. Der Kraichgau ist eine Landschaft, in der sich malerische Hohlwege durch sanfte Hügel, Wälder, Felder, Weinberge und Streuobstwiesen schlängeln und der Kraichbach zum Rhein fließt. Er gab dem Gebiet den Namen, der sich vom keltischen craich ableitet, was soviel wie Lehm und Schlamm bedeutet und als Hinweis auf die Böden der Region verstanden werden kann. Der Kraichgau ist eine von neun Anbauzonen in Baden, dem südlichsten, wärmsten und sonnenreichsten Weinanbaugebiet Deutschlands. Die prähistorischen Erdbewegungen haben hier ein Terroir entstehen lassen, das für Rebstöcke zwei wichtige Annehmlichkeiten liefert: Die dicken, fetten Löss- und Lehmlössböden und das nahezu mediterrane Mikroklima. Das Klima und die Böden waren auch ausschlaggebend, dass die EU das Gebiet in die weinwirtschaftlich potente Weinbauzone B einstufte, wo es sich in bester Gesellschaft mit dem benachbarten Elsass, der Champagne und dem Loire-Tal, aber auch mit ganz Österreich oder Nord-Slowenien befindet, während alle anderen deutschen Gebiete sich mit der Basiszone A begnügen müssen.
Foto: © Christian Ernst
Heute bewirtschaftet das Weingut Klenert rund 11,5 Hektar Rebfläche in verschiedenen Lagen in der Umgebung von Münzesheim mit unterschiedlichen Böden von Lösslehm bis Keuper. In die Flaschen kommen die weißen Sorten Auxerrois, Chardonnay, Grauburgunder, Weißburgunder, Riesling, Scheurebe, Rivaner und die roten Spätburgunder, Lemberger und Dornfelder. Im Sortiment konkurriert kein internes Ranking von Einsteiger- bis Premiumlinien und noch werden auch keine Lagenweine angeboten: Es gibt klare Rebsortenweine, Cuvées und kleine, aber wertige Spielereien namens Schurkenstück oder den Rosé-Likör aus Spätburgunder Trauben. Für das von Walter Stuber und Dirk Eckart herausgegebene Buch „MUTMACHER 2 - Das Praxishandbuch von 5×5 Gründerinnen und Gründern“ hat David Klenert die Weißwein-Cuvée „Mutmacher“ kreiert.
Foto: © Christian Ernst
Im Keller gibt es im Weingut Klenert vor allem eines: Zeit. Die Trauben dürfen sich genüsslich auf der Maische oder auf dem stressfreien Hefelager rekeln und es sich manchmal auch im Holzfass gemütlich machen. Es wird mit Schwerkraft gearbeitet ohne ständiges Herumpumpen und höchsten einmal filtriert. Ansonsten wird Bio-Wein nicht ideologisch einspurig, sondern vor allem an Rebsorte, Herkunft und Ausbauziel ausgerichtet und deshalb mit allem experimentiert, was im biologischen Weinbau möglich ist. Mit dem Jahrgang 2019 erhalten die Weine des Weinguts das offizielle Zertifikat für ökologischen Weinanbau.
Eigentlich müsste David Klenert überrascht sein von dem sofortigen Erfolg, den er mit seinen Weinen vom Start an hatte und der sich mit jedem Jahrgang steigert. Dazu brauchte er nicht mal Marketingtricks, mit denen etliche Startups arbeiten, bei ihm war und ist alles echt. Es musste nichts als erreicht hingestellt werden, auf das man in Wirklichkeit noch hoffte. David hat sich mit seiner christlichen Glaubensstärke und seinem hartnäckigen Optimismus auf seine Leidenschaft für den Wein verlassen und mit großem Mut ein Weingut gleichsam aus dem Nichts geschaffen. Inzwischen kann er sich um die Feineinstellung seiner Weine kümmern, um ihnen seine individuellen Stilistiken mitzugeben in Richtung Frische, Frucht und Eleganz bei den Weißen und Frucht, Wärme und Substanz bei den Roten. Seine Weine sind nach nur fünf Jahrgängen weit über Baden hinaus bekannt und nachgefragt. Die Fachwelt staunt und schickt sich an, Sterne, Punkte, Gläser und ähnliches zu verteilen – im deutschen Wein-Guide Eichelmann gab es 2017 schon für den ersten Jahrgang einen Stern, den das Weingut auch in der neuesten Ausgabe 2020 behalten hat.
2018 Secco-Rosé
Die aus Spätburgunder und Lemberger komponierte Perlwein-Cuvée strahlt in einem intensiven Lachston und verführt die Nase mit einem strömenden Duft von Erdbeeren und Himbeeren. Im Glas prickelt seine feine Mousse munter dahin. Am Gaumen versammelt sich ein ganzer Korb mit Beerenfrüchten: Zu den Erdbeeren und Himbeeren kommen Cranberries und rote Johannisbeeren hinzu. Die feine, fruchtige Restsüße lässt genügend Raum, damit Frische und Spritzigkeit locker rüberkommen. Dafür sorgen auch die mineralischen Spuren, die dem Secco-Auftritt eine feinherbe Abrundung und coole Lebendigkeit mitgeben. Die leichtsinnigen 12 Volumenprozent Alkohol sorgen garantiert für gute Laune und lassen die Fußspitzen wippen. So muss ein Secco sein – zum Spaß machen und Spaß haben.
2019 Rosé
Die Trauben vom Lemberger und Spätburgunder lagen ziemlich lange auf der Maische, so dass die Beerenhäute für ein anständiges Rosé gesorgt haben. Er sieht nun auch so leuchtend rosé aus wie man es von einem Rosé erwartet und schmeckt angenehmer Weise auch nach etwas Rotem: Erdbeeren sind es bei diesem Sommergenuss plus Himbeeren und einige rote Johannisbeeren. Obendrein steigt ein verheißungsvoller süßlicher Duft von den roten Früchten aus dem Glas. Die muntere Säure ist ansprechend harmonisch integriert und verpasst dem Wein Spritzigkeit und Frische. Mit seiner leicht süßlichen Fruchtigkeit wirkt er äußerst sympathisch und süffig. Gleichwohl tritt er keineswegs allzu verspielt auf, sondern zeigt gerne seinen starken Charakter vor. Es ist der freche und fruchtige Wein für die rosigen Abende in einem Sommer, der gerne auch 12 Monate dauern darf.
2018 Cuvée weiß
Im Glas schimmert die Cuvée in einem klaren hellen Gelb und sendet eilige Duftnoten von Muskat, grünen Äpfeln, Aprikosen und einige Birnen aus, alles blumig floral mit zarten Fliedertupfern umrahmt. Schon in der Aromatik zeigt sich wie geschickt die Sorten assembliert wurden, bringt doch der an sich eher schlappe Müller-Thurgau=Rivaner die duftigen Muskatnoten hervor während der Riesling die klassischen Apfel- und Zitrustöne beisteuert und die zarten Birnenmomente vom Weißburgunder stammen. Auch am Gaumen spielen die Aromen der Sorten harmonisch zusammen: Rivaner und Weißburgunder freuen sich über die aktive Säurestruktur des Rieslings. Boden und Klima haben es im Jahrgang 2018 geschafft, dem Wein eine herrlich energische Frucht, eine dezente saftige Süßlichkeit und eine süffige Frische zu verschaffen, was alles noch lange nachhallt. Das ist das perfekte Easy Drinking Erlebnis, mit dem die weiße Fraktion auf der Sommerparty leicht, frisch und fruchtig abrocken kann.
2018 Weißburgunder
Im Glas leuchtet der Weißburgunder in einem hellen Strohgelb mit grünlichen Reflexen. Ein zärtliches Lüftchen von Akazien, Linden, Grapefruit und Zitrus weht herum. Auf der Zunge entfaltet sich kein unkontrollierbarer Wirbelsturm, sondern distinguiert und voller Harmonie treten feinste Aromen von Quitte, grünen und gelben Birnen, etwas Ananas und Aprikosen auf. Eine dezente Fruchtsüße spielt mit einer lebendigen Säure bis ins lange, schön cremige Finale finessenreich zusammen. Nicht nur dadurch schlägt der Wein die Richtung in eine sanfte burgundische Eleganz ein. Begleiten Sie mit ihm eine Regenbogenforelle oder ein Kalbfleischragout, er hält aber auch locker ein Steinpilzgericht in Sahnesauce aus.
Die streng selektiv geernteten Trauben dieses Grauburgunders wurden nach kurzer Maischestandzeit ähnlich vinifiziert wie die vom weißen Burgunder. Der Wein des Jahrgangs 2019 lag bis Januar dieses Jahres auf der Hefe und wurde vor der Abfüllung nur leicht filtriert.
Schon im Bukett hebt er sich deutlich ab von den schnöden Pinot-Grigio-Typen aus dem Trinkernahverkehr. Er lockt nicht nur mit Fruchtnuancen von reifen gelben Äpfeln, Williamsbirnen und Mirabellen, sondern auch mit frischen Mandeln und einem Hauch von Macadamia Nüssen. Im Mund trifft sich dieses schöne Aroma-Ensemble wieder, dazu Spuren von Ananas, Zitrus, Pfirsich und einigen Kräutern. Die Dichte der Frucht und die Präzision der gut abgestimmten Säure sind bemerkenswert. Dank geht an den warmen Lösslehm, der für ein verlässliches Wachstum der Reben sorgt und den Trauben die sonst oftmals schwächelnde Säurestruktur erhält, was sich durch rechtzeitige Ernte noch absichern lässt. Im Mund geht der Wein über in ein kühles, fast schmelziges Finish mit saftiger Kraft und Frische, die sich nicht in belangloser Lieblichkeit verliert. Dieser Grauburgunder steht richtig auf dem Tisch für ein Lachsfilet mit weißem Spargel.
2019 Auxerrois
Aus dem Glas duftet der Wein aus exotischen Richtungen mit Mango, Maracuja und Ananas, es sind aber auch einheimische Quitten und Birnen dabei. Im Geschmack kommt zu dem fruchtigen Aromenspektrum eine kleine nussige Note hinzu. Dieser Auxerrois ist ein filigraner, gut strukturierter Wein mit verhaltener, aber vom Restzucker keineswegs erschlagener Säure und einer leichten Mineralik, mit der man im Hinblick auf die Bodenverhältnisse im Kraichgau gar nicht rechnet. Im Abgang kommt sein angenehm herbes Frucht-Säure-Spiel noch einmal gut zur Geltung. Ein gehaltvoller Wein für einen unbeschwerten, köstlich-frischen Trinkfluss. Es ist der eindrucksvolle Universalgenuss für alle Fälle, gerne auch zur Eröffnung eines festlichen Empfangs.
Das S steht hier für die Rebsorte Scheurebe, die teilweise spontan vergoren im Edelstahltank ausgebaut ist. Die Scheu, wie sie salopp genannt wird, wurde 1916 aus den Züchtungen des Georg Scheu in Alzey geboren. Süß kann und macht bei der Scheurebe übrigens fast jeder. Gerade der trockene Ausbau jedoch kann alles aus der Sorte herauslocken, was sie von ihren Urvätern Riesling und Silvaner mitbekommen hat.
Im intensiven Bukett arbeiten sich die sortentypischen Aromen von schwarzen Johannisbeeren, hyperreifen grünen und gelben Birnen und gelben Pfirsichen zärtlich tastend voran und lassen manchmal auch etwas Zitrus durch. Die Zunge wird von einer feinfruchtigen Textur wohlig umhüllt, die runden Cassis-Aromen kleiden den Gaumen lüstern aus. Mit einer frischen Säure schmilzt der Wein im langen Abgang fruchtig dahin. Eine charakterstarke Scheurebe, die nicht anstrengend, sondern voller Eleganz und freundlicher Energie auftritt. Ein kulinarisch wertiger Begleiter eines Seeteufels mit orientalischen Gewürzen wie frischem Koriander, grünem Paprika oder Kokos.
2019 Chardonnay
Der Chardonnay von David Klenert hat ein leicht florales Bukett von einer herbstlichen Wildblumenwiese, dazu eine vielseitige Würze, einige gelbe Äpfel und ein klitzekleiner Dash Zitrus. Im Mund schmeichelt er erneut mit der blumigen Würze, wir entdecken aromatisch auch eine Paranuss und eine Kinderportion Schlagsahne. Im Finale geleitet uns die dezente Säure in einen cremigen Abgang mit üppiger Frucht und gefälliger Frische. Das ist ein Chardonnay, der vornehme Spannung aufbaut, ohne mit dicken Muskeln Krach zu machen im Glas. Er glänzt eher mit einer fruchtbetonten, körperreichen Nachhaltigkeit. Wenn Sie ihn solo trinken, dann aus einem mittelgroßen Rotweinglas. Als Speisebegleiter kann eine Dorade in Beurre-Blanc die erste Wahl sein.
2018 Riesling
Der kristallklare Rebsortenwein aus den kraichgauer Lagen ist im Edelstahl in der trockenen Richtung ausgebaut. Er lockt schon im weißgold ausgeleuchteten Glas unwiderstehlich mit seinen Düften von Zitrus mit viel Grapefruit, grünen Äpfeln, weißen Pfirsichen und einer sehr feinen Honigabrundung im Hintergrund. Auch geschmacklich fällt die nuancierte sensorische Vielfalt auf, die von den klassischen Rieslingfrüchten wie Äpfeln, Aprikosen und Zitrus bis zu kräutrigen Noten und einem markanten Mineralgerüst reicht. Die knackige Säure macht den gehörigen Druck und unterstützt den langen, herrlich fruchtigen und saftigen Abgang. Ein extrovertierter Riesling mit einer überraschenden Coolness und animierenden Eleganz. Pairen Sie mit ihm spontan ein Guacamole-Dip mit Maisnachos oder ein Salat-Potpourri von Geflügel- über Käse bis zu Meeresfrüchten.
2018 Cuvée rot
2018 Spätburgunder
Der Spätburgunder des Jahrgangs 2018 ist ebenso wie die Rotwein Cuvée im mehrfach belegten Holzfass ausgebaut. Er schimmert im Glas in einem verhältnismäßig hellen Rubinrot und hält sich keineswegs zurück mit seinem sortentypischen Bukett von roten Beeren wie Himbeeren und Johannisbeeren. Hinzu kommen sanfte Kirschnoten mit kleinen pikanten Spitzen. Auch im Geschmack kehrt der Spätburgunder seine vollfruchtige Seite heraus, erinnert aber auch lässig an den feinen Holzeinsatz. Die Trauben haben genug Säure weitergegeben, um eine raffinierte schlanke Frische zu erhalten. Dieser Spätburgunder ist ein nuancierter akademischer Pinot-Typ, der mit seinen samtigen Tanninen den Eindruck von Harmonie, Reife und Eleganz eskortiert. Er macht sich hervorragend zu einer geschmorten Kalbsbrust oder einem Rebhuhngericht.
Das ist kein Lemberger für schwache Gaumen. Er fließt weder dünn und charakterlos dahin noch schmeichelt er sich mit banaler Zärtlichkeit ein. Er bringt eine kräftige Substanz in Mund und Nase ohne aggressiv aufzutreten. Im Glas funkelt er leuchtend rot-violett und gibt Brombeeren, Schwarzkirschen, feine Holunderbeeren und einige saftige blaue und rote Pflaumen preis, dazu eine kräftige Würze und eine Anmutung von samtigen Röstaromen. Er holpert nicht ungelenk über die Zunge, sondern verteilt seine Aromen mit einem vornehmen Understatement langsam im Mund bis jede Geschmacksknospe bemerkt, von welcher Kraft sie umgeben ist. Eine offensiv pikante Würze mit etwas Paprika und einer kleinen Prise Pfeffer toppen das fruchtige Geschmackserlebnis. Schließlich geben die präsente, gut eingebundene Säure und die robusten Tannine dem Wein den letzten Schub in den immerhin noch luftigen Himmel eines straffen, komplexen Lembergers. Versauen Sie seinen Auftritt am Tisch nicht mit den üblichen Verdächtigen wie Hirsch oder noch wilder. Gönnen Sie dem pikanten, aromatischen Wein lieber einmal mutig ein kräftiges Fischfilet vom St. Pierre.
14.04.2020
Foto: © Weingut Klenert