An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Heinrich Eser in Oestrich-Winkel: Familientradition im Einklang mit der Natur – Feinste Weine aus besten Rheingauer Lagen
Als Weingut im Rheingau nimmt man unausweichlich an dem legendären Ruf des deutsche Rieslings teil, der seit Jahrhunderten von hier ausgeht in alle Welt, auch wenn im Gebiet nur 2,7 Prozent des Weins in Deutschland produziert werden. Noch heute wird im Rheingau auf einer Gesamtrebfläche von 3.200 Hektar zu knapp 80 % Riesling angebaut. Dabei standen am Anfang des Erfolgs weder eine Tradition noch gar Verdienste von Winzern, sondern der urzeitliche Schwenk des Rheins, den das Rheingaugebirge gezwungen hat, es auf einer Länge von rund 35 km in einer ost-westlichen Richtung zu umfließen. Dadurch entstanden die berühmten Südlagen, die der bis zu 880 Meter hohe Taunus vor kalten Nordwinden schützt und die von der Sonnenreflexion des Flusses profitieren. Obendrein hat die geologische Positionierung vor zig Millionen Jahren zu einer umsichtigen Verteilung von Schiefer, Quarzit, Sandstein, Löss und Kalk geführt, wovon die Rebstöcke sich heute verwöhnen lassen. Das Weinanbaugebiet Rheingau erstreckt sich von Lorchhausen im Westen bis Flörsheim im Osten und bis an die waldreichen Höhenzüge des Taunus im Norden. Der Rheingau schließt aber auch Rebflächen in Wiesbaden und am nördlichen Mainufer zwischen Flörsheim und der Mainmündung ein.
Der Weingutsbesitz Heinrich Eser geht zurück auf das alkoholische Treiben der Erzbischöfe aus Mainz und Fulda, die 1917 aus dem Besitz des Mainzer Domkapitels das Weingut Doosberg an Leonard Eser verkauften. Der übergab es 1947 an seinen Sohn Heinrich, der ihm seinen Namen gab und dessen 110. Geburtstag in diesem Jahr zu feiern wäre. Heinrichs Söhne Helmut und Felix Eser übernahmen das Weingut 1979. Seit 2014 führt es Geisenheim-Absolvent Tobias Eser mit seiner Frau Michaela, die bei Stodden an der Ahr und bei Wegeler in Oestrich-Winkel in die Winzerinlehre gegangen ist und dann Weinbau und Oenologie in Geisenheim studiert hatte. Sie nahm unter ihrem Geburtsnamen Hans einst auch majestätische Aufgaben wahr: 2001 bis 2007 als Johannisberger Weinkönigin und 2007 bis 2008 im Alter von 23 Jahren als Rheingauer Weinkönigin.
Wie in allen zeitgemäß handelnden Betrieben werden von Tobias und Michaela die Weichen für ihre Weine schon im Weinberg gestellt. Man arbeitet der Natur zu, nicht gegen sie. Im Keller wird moderne Technik eingesetzt, aber stets bleibt die Wahrung bewährter Rheingauer Traditionen im Blick. Ausgebaut werden die Weine je nach gewünschter Stilistik im Edelstahltank mit filigran-fruchtigen Richtungen und in Stückfässern unterschiedlicher Größe oder im französischen Barrique mit voll-kräftigem Charakter. „Mit geführter Hand der Natur ihren Lauf lassen“ – nach diesem Leitspruch der Gründer arbeitet das Weingut noch heute in nunmehr 10. Generation. Immer steht das bewusste Streben nach Qualität im Vordergrund. Dabei sollen die Weine nicht nur das Terroir und die Rebe abbilden, sondern auch noch ihren Ursprung im Rheingau und außerdem auch noch die individuelle Handschrift des Kellermeisters.
Wie konnten einen Sekt und fünf Weine des Weinguts Heinrich Eser verkosten.
2017 Oestricher Lenchen Riesling Sekt Brut
Eine feine, zarte Mousse bewegt sich im Glas und perlt nachhaltig und vorbildlich über die Zunge. Sie setzt ein prächtiges Aromenbündel frei, sehr sortentypisch und elegant mit duftigen Aromen von Zitrusfrüchten, weißen Pfirsichen, Aprikosen, grünen Äpfeln und Birnen. Am Gaumen verbinden sich die Bukettaromen und die Säure mit einem fruchtigen Zug von Riesling-Weintrauben und Quitten zu einer schönen süßlichen Saftigkeit. Ein strahlender, tankvergorener Sekt mit charmanter Frucht, leicht würziger Mineralität und animierender Frische. Er ist der swingende Opener für jeden schönen Abend und begleitet auch gerne Graved Lachs als Vorspeise.
2018 Classic Riesling
Classic ist eine Qualitätsweinbezeichnung, die im Rheingau seit dem Jahrgang 2000 für Riesling und Spätburgunder verwendet werden darf. Die Vinifizierung unterliegt relativ komplizierten Vorgaben, von denen die Anhebung des Alkohols auf ein Volumenprozent höher als üblicherweise verlangt, also mindestens 12 Volumenprozent, noch eine der einfachen ist. Interessant ist die Festlegung einer idealen Relation, wonach der Restzuckergehalt höchstens doppelt so hoch sein darf wie der Säuregehalt des Weins – maximal 15 Gramm. Doch genug der Theorie, die Praxis schmeckt jedenfalls weit weniger trocken. Denn der 2018 Classic Riesling ist ein Gutswein von Familie Eser, der pro Liter 13,1 g Restzucker und solide 7,9 g Säure bietet und mit diesen Werten und auch geschmacklich in Richtung feinherb marschiert.
In der Nase beginnt er mit einem gebietstypische Aromenpotpourri im Dreiklang Zitrus, Apfel und Pfirsich, lässt aber auch einen dezenten floralen Touch durch. Im Mund macht er erstaunlichen Druck und spannt einen kräftigen Säurebogen zur feinen, herben Fruchtigkeit von Grapefruit, Aprikosen, Äpfeln und jungen gelben Pflaumen. Dicht und pulsierend begleitet die griffige Säure die süße Frucht in ein äußerst harmonisches sensorisches Zusammenspiel mit einer herrlich saftigen Struktur. Das ist der Riesling-Typ, der auf Qualitätsniveau ein starkes weltweites Aushängeschild für den Rheingau ist, typisch und traditionell. Hierzulande kann er ein perfekter Begleiter zu pikant würzigen Gerichten bis zu geräuchertem Fleisch sein.
2018 Oestricher Doosberg Riesling Kabinett Trocken
In der Nase outen sich schnell und zupackend Aromen von Pfirsich, Äpfeln, Mandarinen und Grapefruit mit ganz leicht röstfeinen, mineralisch-würzigen Noten und dezenten blumigen Anklängen. Eine schlanke, leicht süßliche, zarte Pfirsichfrucht betört die Zunge, die von einer pikanten Säure umhüllt wird. Dazu beeindrucken knackige Zitrusnoten, die spritzige Dynamik und eine geschliffene, saftige Struktur mit einer gefälligen Kabinett-Stilistik, die sich nicht in knochentrocken erschöpft. Straff und dicht gebaut mit gutem Extrakt und deutlicher Mineralität zeigt sich das fantastische Spiel von Aromen und Säure auch im langen Finish noch mit einer ordentlichen Substanz. Ein körperreicher, moderner Kabinett-Riesling auf hohem Niveau. Ein fruchtiges Rheingauvergnügen zu einem knusprigen Maishähnchen oder einem Meeresfrüchte-Risotto.
2018 Mittelheimer St. Nikolaus Riesling Kabinett feinherb
Die Lage St. Nikolaus befindet sich im Ortsteil Mittelheim zwischen Oestrich und Winkel. Die im Wesentlichen nach Südwesten ausgerichteten insgesamt 58 Hektar erstrecken sich mitten durch den Ort vom Rheinufer bis zum nördlichen Ortsrand. Hier gibt es kalkhaltige, tiefgründige Lößboden, auf denen die Rebstöcke von den Fallwinden des Taunus profitieren. Der ursprüngliche Name „im Nikolaus“ verweist auf den Patron der Schifffahrt und den Schutzpatron der Kinder.
Ausgebaut ist der Wein nach bewährter Methode mit Vergärung im Eichenholzstückfass und Reife im Edelstahl. Er zeigt geradezu exemplarisch, wie eine aktive Säure die so entscheidende Fruchtigkeit des Rieslings beeinflusst, während die bloße Grammzahl des Restzuckers allein nicht ausschlaggebend ist. Im Bukett präsentiert er sich mit einer geschliffenen hellen Gelbfruchtigkeit und einem Zitrus-Steinobstduft mit ganz vorsichtigen floralen Noten und einem allgegenwärtigen Hauch von Mineralik. Ganz im Hintergrund schweben einige vanillige Röstaromen. Am Gaumen offerierte er eine vielseitige aromatische Fülle mit perfekter Harmonie und einem schönen Spiel von rassiger, fruchtiger Rieslingsäure. Im Fruchtspektrum toppen nicht nur die üblichen Töne von Aprikosen und Äpfeln die zitrischen Basis, sondern auch Anmutungen von Cassis und blondem Tabak. Ein angedeuteter zarter Holzfasseinfluss steigert noch die Kraft und bindet im langen ausdrucksstarken Finale den prallen, süßlichen Extrakt nuanciert ein. Ein hervorragend kalibrierter Lagenriesling, der Fröhlichkeit und Trinkfreude verheißt und leidenschaftliche Sommerabende umarmt.
2018 Oestricher Doosberg Riesling Spätlese Trocken
Die Spätlese offeriert im Duft eine Sommerwiese im kühlen Morgentau, dazu feine Würze und Töne von Pfirsich und Limetten. Sie ist am Gaumen ausdrucksstark präsent mit Saft und Kraft. Vollreife gelbe Pfirsiche, Äpfel, einige gelbe Birnen und Zitronenmelisse umrahmen eine feine Würze und leichte Blumigkeit, die gleichwohl einer dezenten kühlen Frische Platz lassen. Der Wein ist mit seiner lebendigen Säure ordentlich ausbalanciert, gut strukturiert und protzt mit einer enormen Saftigkeit und selbstbewusster Mineralität. Würzig-cremig, sanft süßlich und mit dichter Frucht hallt er noch lange nach. Eine durchaus komplexe Spätlese mit klarer Textur und Energie. Der Wein ist ein schmackhafter Genuss, den man jederzeit als Apéro anbieten oder gut zu einem Wiener Backhendl servieren kann.
2017 Spätburgunder Trocken
Im dunkelrubinrot ausgeleuchteten Glas dominiert vor allem ein zartes Aroma von Süßkirschen, das von feiner Mineralität und von roten Beeren mit einem Hauch von Würze begleitet wird. Ab und an machen auch einige Mandeln mit und kleine feine Röstnoten melden sich. Am Gaumen spürt man nicht nur Kirschen, sondern vor allem dunkle und rote Beeren einschließlich Cassis. Der Wein schmeichelt sich galant ein mit seidigen Tanninen, einer freundlichen Säure und einer geschmeidigen Textur. Selbst im vollsaftigen Abgang hängt er nicht schlaff auf der Zunge, sondern zeigt extrovertiert seinen Rheingau-Charakter. Dieser 2017er Spätburgunder trocken passt hervorragend zu einem Coq au vin, zu geschmorter Kalbsbrust oder etwas schlichter zu Chili con Carne.
06.05.2020
Fotos: © Weingut Heinrich Eser