Wenn es etwas zu feiern gibt, greifen die Deutschen besonders gerne zu Sekt. Auch nach dem 31.12. wird eine Flasche Sekt oftmals ohne jeden Anlass aufgemacht, allein, um sich an dem Produkt zu erfreuen. In Deutschland wird zwar schon seit den 1950er Jahren reichlich Schaumwein konsumiert, den lieferten aber über Jahrzehnte mit massenhaftem, süßen Billigschaum die Industriemarken. Inzwischen präsentieren immer mehr Winzer ein oder zwei Weingut-Sekte und versuchen sich auch im eigenen Weingut zunehmend an der Versektung nach dem klassischen Flaschengärverfahren. Etliche Sektgüter, die oftmals in einer Nische arbeiteten und vor allem der Gastronomie bekannt waren, erhalten neuerdings eine immer stärkere Nachfrage von privaten Sekt- und Weintrinkern. Sogar im Ausland wächst die Vorliebe für German Sekt, weil nirgendwo sonst auf der Welt der Riesling diesen einzigartigen Geschmack hat, den man auch im Sekt wiederfindet. Zunehmend gefallen den Winzern und Sekthäusern auch Experimente angefangen bei eigenwilliger Zero Dosage bis zu rustikalen Pet Nat Exzessen.
Es gibt in den
deutschen Weinbaugebieten nicht allzu viele reine
Sektkellereien und nur eine
einzige an der
Nahe: die
SM SektManufaktur. Der
Name ist kein rhetorischer Pleonasmus, sondern die
Kombination des
Tätigkeitsbereichs mit den
Namen der
Gründer und
Inhaber:
Matthias Schreml und
Kai Maschtschenko.
Beide haben sich
zusammengetan und im
Dezember 2015 einen
Betrieb gegründet, der wie bei keinem anderen die
fachlichen Kompetenzen für die
Sektherstellung mit der
Leidenschaft für das
Metier zusammenführte. Der
32jährige Matthias Schreml hatte eine
Ausbildung zum
Chemisch-technischen Assistenten absolviert
und jahrelang
Erfahrungen in der
Weinanalytik gesammelt. Als er von seinem
Vater die
1992 gegründete Sektmanufaktur Schreml erbte, übernahm er
2014 das seit über 20 Jahren
amtlich zugelassene Labor für alle deutschen Weinanbaugebiete für Wein, Schaumwein und Spirituosen. Der
48jährige Kai Maschtschenko war
staatlich geprüfter Weinhandelsküfer und unter anderem
siebzehn Jahre Betriebsleiter beim hochrenommierten
Sekthaus Raumland in Flörsheim-Dalsheim, wo er
maßgeblich die
stationäre Versektung und den
Geschäftszweig der
Secco-Produktion aufbaute.
Obgleich Matthias und Kai in der Region quasi Nachbarn waren, begegneten sie sich eher zufällig und gründeten unter Einbeziehung der ehemaligen Sektmanufaktur Schreml die SM SektManufaktur GmbH im Gewerbegebiet von Waldlaubersheim. Der Ort liegt nur wenige Kilometer südwestlich von Bingen unweit des Nahetals. Beide stimmten überein in dem Ziel, eigene Sekte mit unvergleichlichen Geschmackserlebnissen zu machen. Sie wussten, dass der Sekt nie besser sein kann als der Grundwein und wollten daher sowohl das extrem vielseitige Terroir der Nahe als auch die Eigenarten jeder Rebsorte bereits in hochwertigen Grundweinen zum Ausdruck bringen. Die hohe Kunst des Sektmachens sollte dann dem Sekttrinker möglichst alles in der Flasche bieten: Frische, Finesse, Eleganz und Komplexität.
Von Anfang an legten sie
besonderen Wert auf
traditionelle handwerkliche Methoden im Rahmen
modernster Technik. Alle Sekte werden im
traditionellen Verfahren der
echten klassischen Flaschengärung hergestellt, also
nicht im
Transvasier-Verfahren mit kurzer Gärung in der Flasche, Tankumsetzung und Abfüllung in neue Flaschen. Bei
SM geht es
echt klassisch zu, mit
Gärung in der
Verkaufsflasche auf dem
Rüttelpult,
chargenweiser Degorgierung und
je nach Sorte dem
Zusetzen der
Versanddosage. Die
Sekte liegen dabei
zwischen 12 und 24 Monate auf der
Hefe. Darüberhinaus
versekten sie im Wege der
Lohnversektung Weine für andere Winzer in ihrer
Kellerei in
Waldlaubersheim oder sogar
direkt beim Winzer und
bieten alle Möglichkeiten der
Flaschengärung an, die eine
professionelle und
anerkannte Sektkellerei zu bieten hat. Dabei ist man in der Lage ganz
unterschiedliche Geschmacksrichtungen zu
bedienen: vom Stil der
Champagne, der
Franciacorta oder
fruchtbetont deutsch. Man bietet auch die
Abfüllung und
Herstellung von
Perlweinen,
Säften,
Cider,
weinhaltigen Getränken und sogar
Bier an. Letztlich können
Matthias und
Kai alles verperlen,
schließlich haben sie für einen
dänischen Kunden bereits ein sprudelndes
Bio-Tee-Wein-Mischgetränk hergestellt.
Die eigenen Premiumsekte kommen von den klassischen Rebsorten Riesling, Weißburgunder, Chardonnay, Spätburgunder und Schwarzriesling. Die Rebstöcke stehen unter anderem in den Toplagen “Abtei Rupertsberg“, “Klostergarten“ und “Römerberg“ in Weiler bei Bingen auf schweren Lehmböden. Das Sortiment umfasst derzeit über 20 Variationen von einfacher Schorle und Perlwein über 13 sortenreine Sekte und raffinierte Cuvées bis hin zu zwei Stillweinen in der Wein-Linie Großes Kino. Jahrgangssekte werden noch nicht gemacht bzw. sind auf den Etiketten nicht ausgewiesen. Die schwarzen Vorderlabels sind bei allen Sekten gleich und zumeist nur durch die Angabe der Rebsorten zu unterscheiden.
Im Keller wird mit allem experimentiert, was die Wein- und Sektbereitung in Edelstahl-Tanks, großen Holzfässern und Barriques zulässt und hergibt. Mit ungebrochener Begeisterung und innovativen Ideen kreieren Matthias und Kai laufend Neues und Ausgefallenes, um auch das letzte Opfer der abklingenden Prosecco-Manie mit der besseren Alternative zu verführen. Dabei werden sie fortwährend mit hervorragenden Auszeichnungen belohnt: mehrfach Gold bei der „Berliner Wein Trophy,“ Gold und Silber bei „mundus vini“ und Auszeichnungen beim Deutschen Sektpreis des Meininger Verlags. Der vorläufige Höhepunkt ist der Gewinn der Sonderauszeichnung „Bester Produzent Deutschland“ in der Kategorie Schaumwein der Berliner Wein Trophy 2020, was sie in die Spitze der deutschen Winzersekte aufrücken lässt.
Wir konnten sechs Sekte der SM SektManufaktur verkosten.
Riesling Brut
Die
Grundweine für diesen Sekt stammen aus dem
Jahrgang 2016. Zur
Flaschengärung und
Reife lag der Sekt
30 Monate auf der
Hefe. Das hat nicht nur das
helle Strohgelb gebracht, sondern auch ordentlich
Energie und eine ganz
eigene Stilistik, die man sonst
eher in der
Richtung von
Burgundersorten findet. Mit einer feinen, sehr langlebigen
Mousse zeigt sich der
Riesling Brut total lebendig. Sortentypische, sehr reife Riesling-
Aromen nehmen mit angemessener Zitrusfrische einen Drive in gelbfruchtige Richtungen zu Äpfeln und Mirabellen mit einem Hauch von frischer Brioche – alles dezent und vielschichtig. Im
Mund tritt er
kraftvoll und
saftig, aber nicht plump oder schwer auf, sondern
animierend,
sauber und
schön mineralisch. Trotz seiner
zupackenden und
nicht zu trockenen Art bleibt er
elegant und setzt noch einmal eins drauf mit einem kleinen Touch von Äpfeln und reifen gelben Stachelbeeren im saftigen, belebenden
Finish.
Pinot Blanc Brut
Der frankophil bezeichnete 100 % Weißburgunder Sekt ist ein 2018er Jahrgang. Die sehr reif geernteten Trauben bzw. der Most wurden teilweise im Holz ausgebaut. Der Sekt lag 15 Monate auf der Hefe.
Im
Glas überrascht er mit einem edlen hellen Marillenton und zeigt stolz seine feine
Perlage vor. In der
Nase wird es gelbfruchtig, croissantartig und leicht nussig – weißburgundermäßig eben. Aromen von Birnen und Äpfeln, aber auch Weinbergpfirsich und Aprikosen strecken sich aus und verbinden sich mit floralen weißen Blüten, alles sehr opulent und großzügig. Am
Gaumen imponiert spontan die Mineralität mit ihrer modern leichten Salzigkeit. Jetzt kommen eher weiße Früchte zur Geltung mit zarten Nussaromen, die der Holzkontakt vermittelt haben dürfte. Im langen cremigen
Finale toppt der Sekt die schöne Mineralik und Würze mit einer Spur Muskatnuss noch durch eine witzige pikante Nuance, die ihm eine erstaunliche Frische verschafft. Das ist ein
vollmundiger Pinot Blanc mit einer
ausgesucht schmelzigen Textur, der
feine Eleganz verbreitet. Er ist der perfekte, schäumende Begleiter einer geräucherten Lachsforelle.
Pinot Blanc de Noirs Brut
Der
Blanc de Noirs nimmt in
Deutschland gerade im
Sektbereich an
Bedeutung zu, kann man doch auf
hohem Niveau sämtliche
Kellermeisterkünste spielen und die
Sektgläser rosa schimmern lassen statt nur schnöde einen Saftabzug zum Rosé zu verwandeln. Die
Bezeichnung Blanc de Noirs kommt aus der
Champagne, wo die
roten Sorten Pinot Noir und
Pinot Meunier zu
Weißwein gekeltert werden, um von den
Rotweinaromen zu
profitieren,
ohne übermäßige Tannine oder
Säureexplosionen befürchten zu müssen. Die
Spätburgunder Trauben für den
Grundwein kommen aus dem
Jahrgang 2016, der
Wein wurde zu einem
Viertel im
großen Holzfass ausgebaut. Im Rahmen der
Flaschengärung lag der Sekt
30 Monate auf der
Hefe.
Er funkelt uns an mit einer feinen, vornehmen Perlage und einem intensiven Lachsrosé. In der Nase entfalten sich mit zunehmender Öffnung und ohne Krawall duftige Noten von Erdbeeren, roten Waldbeeren und frischen Blüten. Auf der Zunge tobt der Sekt nicht stürmisch herum, sondern gibt sich feinsinnig mit einem herzhaft trockenen und sehr frischen pinot-fruchtigen Charakter, angenehm mineralischen Komponenten und einer wunderbar cremigen, samtigen Textur. Es ist ein präziser, vollmundiger Typ, ein schmackhafter Schäumer mit einem sorgfältig angelegten milden Säureniveau und schwungvoller Eleganz.
Chardonnay Brut
Chardonnay
ist bekanntlich die dritte
und einzige weiße Rebsorte
, aus der neben Pinot Noir und Pinot Meunier der Champagner kreiert
wird. Ob im Weingarten
oder im Keller
, stets lässt die Chardonnay-Rebe mit sich machen
, was dem Winzer
so einfällt
. Matthias
und Kai
haben in dem auch an der Nahe schwierigen Jahrgang
2017
glücklicherweise nicht
die fast schon altbackene Bananen-Butter-dressierte International-Stilistik
gewählt
, sondern trotz eines 20monatigen Hefelagers
die leichte
, aromatische Variante
.
Der Sekt ist feinperlig und geriert eine nachhaltige Mousse. Er bezieht seine Kraft nicht aus einer knackigen Säure – die jedoch keineswegs übermäßig schwächelt – sondern vor allem aus einem cremigen, filigranen Körper voller nahezu geheimnisvoller Komplexität. In welchem Chardonnay-Sekt entdeckt man schon solche Duft- und Geschmacksnoten von Futuro-Melonen oder exotischen Rambutan-Früchten neben den üblichen Verdächtigen wie Blumen und Nüssen. Die abgerundete Mineralität verleitet dazu, immer wieder ins Glas einzutauchen. Ein köstlicher perlender Schmelz aus dem Nahetal: Gold bei der Berliner Wein Trophy 2019.
Cuvée Dosage Zero
Zero gleich Null oder
non dosé oder
brut nature oder
brut de brut oder, oder – alles bedeutet
Verzicht auf die
zweite Dosage, die
Versanddosage, und auf die damit verbundene
Zuckeranreicherung. Das ist oft
nichts für schwache Zungen, aber eine
Offenbarung für viele
Trockentrinker. Diese Sekte sind
zunehmend nachgefragt, vor allem von
Sektliebhabern, die meinen, sich
schon an alles gewöhnt zu haben. Diese
Cuvée ist
ein
reinsortiger Weißburgunder mit einem
Grundweinblending aus dem
Edelstahl- und
Barrique-Ausbau. Die
SektManufaktur hat sich aufgrund dieses Blendings für die
Bezeichnung Cuvée entschieden, die
auch in anderen Ländern nicht immer eine
Asssemblage verschiedener Rebsorten voraussetzt, obwohl wir das so gewohnt sind. Die
Trauben für die
Grundweine wurden
2016 geerntet, der
Sekt reifte
30 Monate auf der
Hefe.
Die Cuvée zeigt im Glas feine, lange anhaltende Bläschen in einer weißgoldenen Umgebung. Die Nase wird belebt von Äpfeln, Quitten, gelben Birnen und etwas Zitrus, dazu einige versteckte Röstaromen und ein Hauch Ozean-Mineralik. Im Mund schießt ein gebündelter Laserstrahl mit Aromen von Zitrus, Äpfeln, Kräutern und einigen Nüssen umher. Das ist kein karger, aggressiver Sprudler, vielmehr perlt er zwar trocken, mit knackiger Säure und aktiver Kohlensäure, aber cremig und weich über die Zunge, einem langen, voluminösen, herben Abgang entgegen. Ein vibrierender Weißburgunder-Sekt, ein Zero mit der handwerklichen Exzellenz der SektManufaktur, der Spannung aufbaut und niemals langweilig wirkt.
Grande Cuvée Reserve Brut Nature
Das ist eine klassische Champagner-Cuvée aus Schwarzriesling=Pinot Meunier, Spätburgunder=Pinot Noir und Chardonnay. Die Grundweine kommen aus dem Jahrgang 2016 und wurden vollständig im Barrique ausgebaut. Der Sekt bekam ein Hefelager von 30 Monaten, auf die Versanddosage wurde verzichtet.
Eine sehr fein gereifte Hefenote begrüßt uns im
Bukett, es duftet nach frisch gebackenem Brioche, Wiesenkräutern und gelben Früchten mit einer Spur Zitrus. Am
Gaumen vermisst man gar nicht das süße
Naschwerk der Früchte, weil das komplexe Zusammenspiel der Aromen mit der
quicklebendigen Perlage und der
aktiven und
gut austarierten Säure ein
mundfüllendes grandioses und überaus
harmonisches Sensorik-Feuerwerk entzünden. Dazu faszinieren die winzig kleinen dezent-vanilligen Holznoten, die subtilen Spuren von Mineralik und die Anklänge von Gerbstoffen im Hintergrund. Da
Verzicht auf Versanddosage nicht Verzicht auf die übliche
Sauerstoffanreicherung bedeuten muss, machen sich schöne
oxidative Noten mit Tiefgang bemerkbar, wie sie von
Zero-Liebhabern durchaus
geschätzt werden. Ein
hochwertiger Sekt, der auch ohne Kreide-Terroir locker
etliche Champus-Sorten übertrifft. Servieren Sie ihn in einem großen Weißweinglas, damit er seine Eigenarten großzügig entfalten kann. Er spielt natürlich am besten eine Hauptrolle als Solist.