An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Ernst Triebaumer im Burgenland: nach ökologischen und ganzheitlichen Prinzipien der Nachhaltigkeit wirtschaften und leben
Es gibt inzwischen viele Weingüter, die nicht nur im Weingarten, sondern auch im Keller biologisch oder biodynamisch wirtschaften, doch nur wenige, die den überlieferten Traditionen so rigoros den Vorrang einräumen, dass sie viele moderne Methoden der Weinbearbeitung als Weinquälerei empfinden. Sie lehnen es ab, den Wein so lange mit allen Instrumentarien aus der Werkzeugkiste des Kellermeisters zu malträtieren bis er im Geschmack einer festgefügten Zielvorstellung entspricht. So etwas weisen auch die Triebaumers im österreichischen Burgenland weit von sich: Hier werden schon im Weingarten die Reben mit einer maximierten Natur verwöhnt. Im Keller haben die Trauben dann alle Möglichkeiten, um von sich aus zu zeigen, was in ihnen steckt. Die Triebaumers wissen, dass der Wein sie selten enttäuscht und sich ganz überwiegend mit außergewöhnlichen Eigenarten bedankt, die einzigartige Geschmackserlebnisse offenbaren.
Das Weingut, das so arbeitet, liegt mitten im alten, wunderschönen und winzigen Weinstädtchen Rust, wo im Sommer auf den Schornsteinen die Störche klappern. Rust ist allgemein bekannt durch den edelsüßen Ruster Ausbruch, der auf keiner Weinkarte der Welt fehlen darf. Seit 1991 beheimatet Rust zudem eine der renommiertesten Weinakademien im deutschsprachigen Raum. Vom Dach der Fischerkirche im Ortskern sieht man das Westufer des Neusiedler Sees quasi zu Füßen liegend. Die Grenze nach Ungarn ist rund 10 km entfernt. In knapp 20 Minuten ist man in Eisenstadt, dahinter beginnt das Leithagebirge, das dem Weinanbaugebiet Leithaberg und der DAC seinen Namen gab.
Seit 2010 betreibt Familie Triebaumer das Weingut wie schon vor 1980 als Teil einer gemischten Landwirtschaft, die von Richard Triebaumer und seiner Frau Beate geleitet wird. Hier konzentriert man sich auf den Anbau von Gemüse, die Imkerei und die Haltung von Freilandschweinen. Im Weingut wird nach ökologischen, ganzheitlichen Prinzipien der Nachhaltigkeit gewirtschaftet und auch gelebt – möglichst kompromisslos, möglichst unangepasst und möglichst eigensinnig und unkonventionell, aber immer ehrlich, authentisch und unverwechselbar. Inspirieren lassen sich alle vom großen österreichischen Künstler und Querdenker Friedensreich Hundertwasser und dessen Überlegungen zu einer nachhaltig geprägten, humusmehrenden Landwirtschaft. Deshalb verstehen sich die Triebaumers auch nicht als Weinmacher, sondern als Weinbauern und Meister einer Handwerkskunst, die in jeder Beziehung mit der Natur kooperiert, Wein als wertvolles Kulturgut ansieht und sich gegen die ökologische, soziale und ästhetische Degeneration unserer Zeit stemmt.
Im Keller ist die Tradition die Regel und nicht die Ausnahme, obgleich man natürlich auch moderne Methoden nicht völlig verschmäht, sofern sie zur Entschleunigung beitragen. Strom wird selbst erzeugt, das Wasser zum Kühlen während der Gärung stammt aus einem eigenen Brunnen und wird vollständig in die Natur zurückgeführt. Neben den vergleichsweise wenigen Edelstahltanks bestimmen hier vor allem die 300 bis 5.000 Liter-Holzfässer die Vergärung und Reifung. Die Weine müssen grundsätzlich schon selbst sehen, wie sie zurechtkommen. Man lässt die Weine ihre Talente entwickeln und sie durch sich selbst entstehen, man produziert nicht, sondern fördert Persönlichkeiten. Die Weine müssen im Rahmen der temperaturgesteuerten Gärung aus eigenem Antrieb die natürlichen wilden Hefen nutzen. Die Kellermeister Herbert und Gerhard Triebaumer bekennen sich zum Prinzip der systematischen Langsamkeit und wachen mit Ruhe und Gelassenheit über das, was die Natur in den Fässern und Tanks aus Trauben, Hefen, Temperatur und Zeit komponiert. Dabei halten sie jeden Stress von der Maische, dem Most und den Weinen fern. Zusätze und technische Tricks, die den Wein quälen, sind tabu. Die Weißweine werden überwiegend reduktiv ausgebaut und im Frühjahr nach der Ernte abgefüllt. Die meisten Rotweine kommen unfiltriert in die Flasche, weil sie ausreichend Zeit hatten, um die Sedimente abzusetzen. Alle Weine sollen die Eigenschaften der Rebsorte und das breite Spektrum ihrer Herkunft vom Boden bis zum jahrgangsbezogenen Klima zeigen und voll Spannung, Struktur und Tiefgründigkeit im Glas schaukeln.
Was die Triebaumers vermeiden: Schönung
Nach der Klärung sollte ein Wein stabilisiert werden, bevor er dann nach dem Endabstich und der Trennung vom Feintrub auf die Flasche kommt. Stabilisierung bedeutet in den meisten Weingütern: Es werden die organischen Verbindungen wie etwa Proteine, die den Wein irgendwann einmal negativ beeinflussen könnten, aber auch präsente Geruchs- und Geschmacksfehler ausgefällt und zwar durch den Einsatz von Bentonit (Tonerde aus Silizium- und Aluminiumoxid), aufgeschlagenem Eiweiß, Gelatine, Kohle, gelbem Blutlaugensalz oder Schlimmerem. Das wird scheinbar harmlos und positiv mit Schönung bezeichnet. Doch jeder Eingriff und jede Behandlung hat sensorisch feststellbare Folgen. Zudem sind Geruchs- und Geschmacksfehler fast immer das Resultat von Vinifikationsmängeln. Daher ist es am besten für einen hochwertigen Wein, wenn wie im Weingut Ernst Triebaumer durch die Pflege der Reben und durch kompetentes Kellermeisterhandwerk auf Schönungen und Behandlungen verzichtet werden kann.
In den Weingärten des Weinguts Ernst Triebaumer stehen zu 75 % Rotweinstöcke mit den Sorten Blaufränkisch, Cabernet Sauvignon und Merlot. Im Ried Mariental sind die Reben über 50 Jahre alt, im Ried Oberer Wald stehen sogar bis zu 70 Jahre alte Rebstöcke. An weißen Sorten werden Chardonnay, Sauvignon Blanc, Gelber Muskatteller, Traminer und Grüner Veltliner abgefüllt. In geeigneten Jahren wird der traditionelle Süßwein Ruster Ausbruch gemacht. Am ungewöhnlichsten und puristischsten sind die Weine in der Linie Urwerk, denen nicht einmal Schwefel zugesetzt ist.
Wir konnten sechs Weine des Weinguts Ernst Triebaumer verkosten.
2018 Grüner Veltliner trocken ungeschönt
Grüner Veltiner wird in Österreich stets in Niederösterreich und vor allen im Weinviertel verortet, ist er doch dort zur weißen Leitsorte geworden und hat neben dem Kremstal, Kamptal und Traisental eine DAC bekommen. Dabei ist die Beziehung des Burgenlandes zum Grünen Veltliner viel älter und enger: Im Jahre 2000 entdeckte man etwa 15 km von Rust entfernt in der burgenländischen Gemeinde St. Georgen einen uralten Rebstock mit einer unbekannten Sorte, die nach der sieben Jahre später erfolgten DNA-Analyse genetisch sich als der noch fehlende zweite Elternteil des Grünen Veltliners herausstellte und fortan St. Georgen genannt wurde. Als anderer Elternteil war schon 1998 der Traminer identifiziert worden. Um die Vater- bzw. Mutterschaftsfeststellung hatte sich der österreichische Molekularbiologe Ferdinand Regner verdient gemacht, der an der Akademie von Klosterneuburg über riesige Datenmengen von über 450 Rebsorten verfügt. Im Burgenland kommt die Grüne Veltliner Sorte wie fast überall gut klar, zumal man hier zumeist andere Klone pflanzt als etwa in Retz, Langenlois oder St. Pölten. Sie ist recht anspruchslos, was den Boden angeht, solange sie klimatisch nicht extrem trocken steht, was das Alter der Rebstöcke und die Verdunstungsströme vom Neusiedler Sees verhindern können.
Erstaunlicherweise ist der Grüne Veltliner von Familie Triebaumer sensorisch gar nicht so meilenweit vom Weinvierteltyp entfernt – er ist zwar nicht das große, aber doch das kleine „Pfefferl“. Dass er gleichwohl das Terroir des Burgenlandes und die engagierte Kreativität der Triebaumers abbildet, signalisiert er schon im Glas mit starken Fruchtaromen von reifen gelben Birnen, Äpfeln, Ananas, Cantaloupe-Melonen und Quitten, alles vor einem leicht würzigen und zur Sorte gut passenden hauchmäßig vegetabilen Hintergrund. Im Mund breitet sich eine schmackhafte, spritzige Verbindung von Fruchtigkeit und pikanter mediterraner Würze mit Fenchelspuren aus, wobei ein dezenter grüner Tupfer von Stachelbeeren unverkennbar ist, obwohl man diese Note sonst eher im Sauvignon Blanc erwartet. Zärtlich-exotische Nuancen harmonisieren in lockerem Zusammenspiel mit der aktiven Säure, die einen beschwingten, sanft cremigen Abgang stützt. Dieser Grüne Veltliner verträgt sich mit vielerlei Köstlichkeiten aus der österreichischen Küche – servieren Sie ihn also ganz klassisch zu einem Wiener Schnitzel mit Erdäpfelsalat oder einer Brettljause mit Schinken, Speck und Schweinsbraten.
2018 Chardonnay Ried Bandkräftn trocken unfiltriert ungeschönt
Schon im Bukett wird die herrlich eigenwillige Stilistik dieses Chardonnays deutlich: kein altbackener International-Neue-Welt-Typ mit allem, was der Keller Richtung Holz und Butter hergibt, und auch kein aufgepowerter Südfrüchte-Laden. Hier wird fein gewürzt und blumig veredelt. Es beginnt mit einer Bergwiese im Morgentau, geht weiter mit feinen Orangenzesten, rotgelben Alexanderäpfeln, Vanilleschoten und reicht bis zu einem Touch von Zitrus, Nüssen und Röstaromen mit einem Hauch von Karamell. Über die Zunge gleitet der Wein feinsaftig und harmonisch. Die dezente Säure ist gut untergebracht und kitzelt die Zunge mit einer fast spritzigen Frische. Sie lässt der angemessenen Fruchtigkeit, der sanften Holznote, der vielseitigen, schön herben Würze und den feinen Spuren von Mineralität im langen Finale genügend Platz für eine weiche, cremige Ausgewogenheit der Sinne. Ein sehr charaktervoller, stramm strukturierter, aber schlanker Chardonnay voller Energie und Spannung. Es ist ein Entdeckerwein, den man vor dem Essen als Apéro-Solisten genießen sollte.
2015 Beerenauslese
In der Nase präsentiert sich die Beerenauslese fruchtig kompakt und komplex. Voran eilt ein intensiver süßlicher Duft von Akazienhonig, überreifen Weintrauben, kandierten Mandarinen, weißen Rosen und ein ganz klein wenig Vanille und Safran. Am Gaumen biedert sich der Wein nicht plump und schwülstig an, sondern verteilt sich saftig und gradlinig mit einer feinen, dichten Struktur. Dabei wird er wieder von kandierten Mandarinen und reifen Mangos, aber auch getrockneten Aprikosen, Charente-Melonen, Limonen und Quitten unterstützt. Ein edelblumiger Touch von Lavendel und weißem Flieder, Mandeln, Nougat und Vanille runden den Auftritt ab. Gerade im Finish imponiert seine Frische und cremige Eleganz, die von der stabilen Säure kommt. Sie dürfen mit diesem Wein gerne von einem Apfelstrudel ablenken oder ihn gleich als Solisten reichen, Ihre Gäste und er haben es verdient.
2019 Blaufränkisch Rusterberg trocken ungeschönt
Im Glas schimmert er in einem dunklen bis randhellen Rubingranat mit violetten Reflexen. Er ist kein ungestümer Aromenpuster, sondern sendet artig und mit zunehmender Belüftung zarte und vielseitige Düfte aus von Sauerkirschen, Brombeeren, Heidelbeeren, Preiselbeeren und einem Schuss Hagebuttentee nebst einem Hauch von getrockneten Waldkräutern und Malz. Im Geschmack begegnen uns über die Aromenfrüchte hinaus auch Holunderbeeren, rote Johannisbeeren und Schlehensaft. Der Wein ist eher leichtfüßig und filigran strukturiert mit Frische und kerniger Lebendigkeit. Dafür sorgen nicht zuletzt im Abgang der integrierte Säure-Grip, ein kleiner Kick vom Pfeffer, die leicht salzige Mineralik und das feinkörnige, reife Tanningerüst. Schon jetzt ist das ein roter Muntermacher für vormittags, nachmittags, abends und nachts. Der junge Spund aus 2019 wird sich nach ein bis zwei Jahren im Gesamteindruck noch steigern.
2018 Blaufränkisch Ried Gemärk trocken unfiltriert ungeschönt
Im Glas glänzt der 2018 Blaufränkisch Ried Gemärk mit aufgehellten Rändern in einem dichten Rubingranat und blitzt dunkelviolett auf. Er trumpft mit einem intensiven Bukett auf von Schwarzkirschen, Brombeeren, Heidelbeeren, Walderdbeeren und Cassis. Dazwischen lässt er kraftvolle Gewürze von Wacholder, Sternanis und Pfeffer heraus, die viel Energie versprechen. Im Hintergrund halten sich leicht rauchige Röstnoten mit einer Spur dunkler Schokolade. Immer hat man den Eindruck, dass aus dem Glas ein Lüftchen vom Wald weht mit frisch geschnittenem Holz, satter Erde und raschelndem Laub. Mit dem ersten Schluck spülen dann jede Menge dunkler Beeren heran, dazu reife Weichselkirschen, Kornelkirschen, frühreife Zwetschgen, ein mineralischer Anklang und eine Anmutung von Mokka. Der Wein bleibt noch lange im Mund mit seiner tragenden Säure, der saftig-feinen Extraktsüße und den mürben, zupackenden, aber nicht aggressiven und vor allem ordentlich integrierten Tanninen. Ein vitaler Blaufränkisch mit ausbalancierter Fruchtstilistik und kraftvoller Harmonie, dem seine kühle Herkunft eine kernige, straffe Textur verschafft hat. Das ist der perfekte Wein zur Weihnachtsgans und in den anderen Monaten zu einer mit Thymian, Majoran und Beifuß gewürzten, langsam gebratenen Ente aus dem Rohr.
2018 Maulwurf trocken unfiltriert ungeschönt
Aus dem tiefdunklen Glas steigen duftige Klänge eines großen Konzerts auf unter Mitwirkung von reifen Schwarzkirschen, Brombeeren, Cassis, Backpflaumen, Mandeln, dunkler Schokolade, wilden Gewürzen und verhaltenen Holztönen mit einer pikant-würzigen und leicht tabakigen Schlussnote. Am Gaumen verwöhnt der Wein die Zunge mit Kraft und Dichte aus den vielfältigen Bukett-Aromen und gegensätzlichen Anklängen an Weihnachtsbäckerei und frische Walderdbeeren. Geschmacklich langt er am Gaumen ebenso energisch zu wie der Maulwurf unter Tage. Dabei bringt die triebaumersche Haussorte Blaufränkisch hier einmal nicht die extreme Extraktdichte von alten Reben ein, sondern jugendlichen Drang, der dank des kompetenten Umgangs mit neuen Barriques gleichwohl mit Fülle, Wärme und Stoffigkeit lockt, die vom Cabernet Sauvignon noch getoppt und vom Merlot herrlich rund gemacht wird. Durch dieses gekonnt austarierte Zusammenspiel arbeiten die feinen, engmaschigen Tannine freundlich und gelassen mit der Säure zusammen und sichern gemeinsam mit einer zarten Mineralik und samtigem Schmelz einen endlosen Abgang voller Eleganz. Eine edle, saftige Cuvée mit einem temperamentvollen Spannungsbogen zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang am Neusiedler See. Der Wein passt gut zu einem Gericht aus der Nachbarschaft, nämlich einem ungarischen Gulasch oder deutlich heimischer zu gedünstetem Ochsenschlepp (= Ochsenschwanz) in Rotweinsoße.
26.01.2021
Fotos: © Weingut Ernst Triebaumer
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