An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Krutzler: Vom Pionier der österreichischen Weinkultur zur Rotweinelite im Burgenland
Alles begann damit, dass Mitte der 1960er Jahre ein Hermann Krutzler mit 28 Jahren im österreichischen Bundesland und Weinanbaugebiet Burgenland durch zwei traditionsschleifende Eigensinnigkeiten auffiel: Zum einen füllte er als einer der ersten im Gebiet Qualitätswein in Flaschen ab, zum anderen war das blaufränkischer Rotwein mit einer ganz eigenen Stilistik. Und das in der südburgenländischen Umgebung, in der gemäß österreich-ungarischer Überlieferung zu rund 80 % der Weißwein dominierte. Das waren stets Furmint und Welschriesling auf dem Qualitätsniveau von Wirtshausweinen.
Heute sind über 80 % der Krutzler‘schen Weingärten mit Blaufränkisch bestockt, weitere etwa 15 % mit anderen roten Sorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot und Zweigelt. Der Rest sind Welschriesling zuzüglich einiger gepachteter Flächen mit Weißburgunder, Rheinriesling und Grünem Veltliner. Die rund 13 Hektar eigene Rebflächen erstrecken sich rund um den Ort Deutsch Schützen und an den ziemlich steilen Hängen des berühmten, den Ort um rund 200 Meter überragenden Eisenbergs. In dieser Gegend versuchten sich die Zisterziensermönche schon seit dem 12. Jahrhundert im Weinbau.
Im Südburgenland treffen kontinentales und mediterranes Klima aufeinander. Das pannonisch-illyrische Kleinklima mit den kühleren, feuchten Wettereinflüssen aus dem oststeirischen Hügelland und den höchsten Niederschlagsmengen im Burgenland garantiert eine lange Vegetationsperiode. Es hat zudem Temperaturamplituden zu bieten, die im Burgenland einzigartig sind: Am Tage wärmt die Sonne während in den Nächten die umgebenden Wälder für Abkühlung sorgen, so dass die Säure in den Trauben bei guter Laune gehalten wird. Das bringt den Weinen später eine einzigartige Frucht und eine stabile Säurekonzentration.
Im nächsten Jahr wird erstmalig ein von Reinhold und Sohn Clemens gemeinsam kreierter 100 % Blaufränkisch herauskommen als Ergebnis ihres Projekts „zwei Generationen am Eisenberg“ – Familiengeschichte wiederholt sich. Es ist eine Assemblage aus zehn verschiedenen Chargen, gemeinsam herausgekostet vom Eisenberg DAC bis hin zu Perwolff-Extrakten, über 24 Monate in 600-Liter Fässern ausgebaut.
Die Weingärten mit den teilweise über 50 Jahre alten Rebstöcken beginnen dicht am Weingut. Hier genießen die Reben die Freiheiten, die Reinhold Krutzler ihnen lässt, mögen aber auch seine schöpferischen Tüfteleien und seine akribische und schonende Pflege, auf die er größten Wert legt. Gelesen wird im richtigen Moment per Hand. Reinhold Krutzler weiß genau, dass der Erntezeitpunkt mitentscheidet, ob es ein eher leichtfüßiger, fruchtbetonter Blaufränkisch oder ein tanninreiches Extraktkonzentrat mit enormer Lagerfähigkeit wird. Die penible Selektion des besten, gesunden Leseguts ist sowieso Voraussetzung für seine großen Weine.
In Zeiten der Corona-Pandemie haben die Winzer aus dem Südburgenland sofort reagiert: Gemeinsam ergänzten sie den Weinverkauf durch eine digitale Absatzstrategie und richteten den Eisenberg Online-Shop mit der Adresse www.eisenberg-dac.at/shop/ ein. Jeder Winzer bietet als Botschafter der Region ein gleichsam personalisiertes Weinpaket an, in dem die unterschiedlichen Facetten des Gebiets zum Ausdruck kommen und mit dem sich ihr Weingut zumindest geschmacklich besuchen lässt. Es ist der erste winzereigene Online-Shop in Österreich, in dem sich ein ganzes Anbaugebiet gemeinsam präsentiert.
Wir konnten sechs Weine des Weinguts Krutzler verkosten.
2019 Gemischter Satz Alte Reben
Im Glas lädt der Wein mit einer prägnanten Duftigkeit von Quitten, Futuro-Melonen und Waldhonig ein plus Spuren von Akazien und von Orangenzesten nebst fein-süßlichen tropischen Anklängen. Ab und an wechseln sich ein Hauch von Kräutern und Ahnungen von blondem Tabak ab. Geschmacklich überrascht das Zusammentreffen von Saftigkeit und Dichte, das sowohl Frische als auch Energie vermittelt. Zu den Bukett-Aromen gesellen sich frische grünweiße Klaräpfel, Mandeln und kleine Brioche-Töne in einem engmaschigen, mineralischen Rahmen. Die Säure ist gerade richtig abgepasst und gibt dem Wein eine straffe, aber nicht zu spritzige Struktur. Eine gute Struktur und eine nachhaltige Energie sind Reinhold Krutzler übrigens grundsätzlich wichtiger als eine aufdringliche Primärfruchtigkeit. Im nachhaltigen, herrlich cremigen Abgang kommt die Mineralität noch einmal deutlich zum Ausdruck und wird von dezenten Grapefruit- und Limettennuancen begleitet. Ein Weißwein mit vielen Gesichtern und raffinierten Konturen, der auch einem deftigen Menü beisteht. Er bringt obendrein das Potenzial für spannende Entdeckungen in den nächsten zwei bis drei Jahren mit.
2019 Eisenberg DAC Blaufränkisch
Die Blaufränkisch Rebe steht mit ihrer Vorliebe für windgeschützte Weingärten, für ein moderates Klima und eine ruhige, lange Vegetationszeit in Reinhold Krutzlers Rieden gerade richtig. Die Trauben von den 16 bis 33 Jahre alten Stöcken wurden im Stahltank spontan vergoren und 16 Monate in vorbelegten 500-Liter Fässern und Barriques ausgebaut.
Im Glas funkeln violette Reflexe aus der tiefen Dunkelheit einer rubingranatfarbigen Umgebung. Lebendige Düfte von spätreifen Morellenfeuer-Kirschen, roten Johannisbeeren, getrockneten Cranberries, Brombeeren und Zwetschgen schweben aus dem Glas, dazu eine minimale Rauchigkeit und ein dezenter Touch Würze von Zimt und Kardamom mit einer Prise Pfeffer. Frisch, saftig und kraftvoll tritt der Wein im Mund auf. Dafür sorgt ein animierendes Zusammenspiel zwischen lebendiger Säure und einem gebändigten Tanningerüst. Das ist beim Blaufränkisch oftmals gar nicht so einfach in den Griff zu bekommen, denn was – wie im Südburgenland – lange reift, bekommt eine dicke Beerenhaut, die ordentlich Tannine spendiert. Wir schmecken die Brombeeren, die roten Johannisbeeren und Kirschen gut heraus, dazu ein Hauch Erdbeeren, eine feine Kräuterwürze, einige florale Spuren, etwas Vanille und eine schöne mineralische und dezent rauchige Abrundung. Alles erscheint gradlinig und originär, hier wird nicht verschnörkelt gespielt oder plump geklotzt, hier schwingt alles spannungsvoll, energiegeladen und belebend über die Zunge. Im Nachhall bringt sich die feine, ganz leicht salzige und sanft pikante Mineralität noch lange in Erinnerung. Ein intensiver Blauburgunder mit einer angenehm kräftig-markanten Textur, kühl, straff und frisch-saftig – mit einem Wort: herzlich herzhaft und unkompliziert. Genießen Sie ihn zu einem klassischen rheinischen Sauerbraten oder einem Schweinekrustenbraten aus dem Rohr.
2019 Eisenberg DAC Reserve Blaufränkisch
Geben Sie dem Wein mindesten zehn Minuten Luft im Glas, bevor Sie sich auf ihn stürzen. Es bedankt sich mit einem kompakten, vielseitigen Bukett mit Frucht und Würze. Heimische Weichselkirschen, Brombeeren, Heidelbeeren und Zwetschgen mit einem Hauch von roter Grapefruit bestimmen die Fruchteindrücke. Sie sind umgeben von zart angedeuteten Düften von Kräutern, Veilchen und Mineralik nebst einem Touch Röstaromen und Mokka. Im Mund verteilt sich schnell eine dunkle, herbe, schwarz-rote Fruchtigkeit mit einem überzeugenden Auftritt von Weichselkirschen und reifen Zwetschgen. Die Frucht ist engmaschig verwoben mit einer tiefen Würze und einer feinen Mineralität. Die gut integrierte Säure bringt Saft und Frische in den Geschmack und präsentiert zusammen mit dem solide gestrickten Tannin-Gerüst und der animierenden Extraktsüße eine besondere Finesse. Sie bleibt im weichen, aber festen Finish mit seinen dezent aus dem Hintergrund grüßenden röstigen Holznoten und einer kleinen Nussigkeit noch lange in Erinnerung. Eine kernige, tiefgründige, dichte und finessenreiche Reserve mit einer vollmundigen Eleganz. Ein ausdrucksstarker Blaufränkisch, wie er blaufränkischer kaum sein kann. Das ist der Klassiker zu einem Entrecôte vom Grill, zu einem Zwiebelrostbraten oder einer Europa-Auswahl an kräftig-würzigem Käse. Sie können den Wein auch zu einem doppelten Beefburger genießen – ganz heimlich, versteht sich.
2019 Alter Weingarten Ried Weinberg
Aus dem Glas schickt der 2019 Alter Weingarten Ried Weinberg warme Frucht- und Würznoten, klar und präzise – hier drängelt sich niemand angeberisch in den Vordergrund. Reife Schwarzkirschen, Brombeeren, Holunderbeeren, etwas Cassis und einige Pflaumen sind dabei, aber auch Kardamom, Süßholz, getrockneter Wacholder, blonder Tabak, süßliche Holzwürze und Mineralik. Alles mit einem Hauch von Noblesse – herrlich. Über die Zunge gleitet der Wein saftig, cremig und elegant und entfaltet eine geheimnisvolle Komplexität. Das ist kein Dörrobstwein, vielmehr zeigt er mit seiner Fruchtkomposition aus Kirschen und Zwetschgen eine imponierende Frische, die von einer perfekt austarierten, aktiven Säure, der feinen Extraktsüße und einer lang anhaftenden Mineralität getragen wird – bis ins Finale. Dabei verbirgt er auch nicht seine feinen Kräuternoten, die Holzwürze und den Touch von Schokolade. Die präsenten Tannine schmiegen sich samtig an und passen gut in die spannungsreiche Struktur dieses charaktervollen Rotweines. Mit dem 2019 Alter Weingarten Ried Weinberg ziehen Sie in die Küche mit einem riesigen Stück Wild ein oder stellen etwas kleiner dimensioniert und schön schräg eine leckere Platte verschiedener Schokoladensorten zusammen.
2019 Merlot
Das Bukett dieses Merlots gleitet sanft und samtfruchtig aus dem Glas und öffnet sich mit zunehmender Belüftung: Waldbeeren, echte Heidelbeeren und Preiselbeeren, dazu einige Kirschen und betörende Spuren von holzwürziger Vanille, Zeder, Süßholz und kühlen Röstaromen. Der Gaumen wird schon mit dem ersten Schluck verwöhnt von einem kräftigen, komplexen, hochprofessionell ausbalancierten Körper. Eine dichte Fruchtigkeit von roten und schwarzen Beeren und frühreifen Zwetschgen macht ordentlich Druck im Mund. Leicht rauchige und röstige Holzaromen, kleine Spitzen von so gegensätzlichen Gewürzen wie Pfeffer und Zimt, ein Hauch von Mokka und eine vornehme herbe Note von Kornelkirschen treffen auf eine feine vanillige Extraktsüße und eine angemessen stramme Tanninstruktur. Alles hallt mit einem Hauch Mineralität lange nach und verleitet unwiderstehlich zum nächsten Schluck.
Ein reinsortiger, manchmal sogar schlank anmutender Merlot mit großem Potenzial, mit dem Reinhold Krutzler eindrucksvoll vorführt, dass es nicht immer nur rechtes Ufer sein muss, sondern ein grandioser Merlot auch aus dem Südburgenland kommen kann. Das haben auch das Weinmagazin und der Weinguide FALSTAFF so gesehen, die den Jahrgang 2018 mit dem 1. Platz als Sortensieger bei der Rotweinprämierung 2020 und mit dem 1. Platz in der Kategorie Merlot im Rotweinguide 2021 ausgezeichnet haben. Verwöhnen Sie diesen Merlot und sich mit einer Lammkeule an einer kräftigen Fleischsoße mit Kartoffelklößen. Und nicht vergessen, ihn drei bis vier Stunden zuvor zu öffnen.
2019 Perwolff Blaufränkisch
Jetzt verkosten wir nicht nur einen Wein, sondern eine Legende des Burgenlands. Der Perwolff hat österreichische Rotwein-Geschichte geschrieben und ist seit seiner ersten Abfüllung 1992 als Zwei-Generationen-Projekt mit unzähligen Auszeichnungen aus aller Welt überhäuft worden.
Wenn es eine sensorische Blaufränkisch-Nase gibt, dann bei diesem Wein. Dunkle Früchte wie Brombeeren, schwarze Hedelfinger Kirschen, schwarze Johannisbeeren und einige Zwetschgen treffen Gewürze aus der Weihnachtsbäckerei, Süßholz, kandierte Orangenscheiben und Karamell. Auch zarte Anmutungen von Schokolade, Holunder, Haselnuss, Zeder und Tabak möchten in der Nase mitmischen, von dem fein zerstäubten Mineralnebel ganz zu schweigen. Den Mund kleidet er mit einer grazilen Fruchtigkeit, einem voluminösen Körper und einer vielschichtigen Komplexität aus. Der dichte Extrakt liefert hier nicht nur eine auf den Punkt reduzierte feine, fast süffige Süßlichkeit, sondern vor allem kraftvolle Fruchteindrücke von Waldbeeren wie Heidelbeeren, Brombeeren und Cassis und eine extrovertierte Saftigkeit. Die lange Barriquereife sorgte dazu für energisch-würzige Aromen. Gleichwohl ist das kein schwerer oder aggressiver Blaufränkisch, vielmehr strahlt er mit einer filigranen und hocheleganten Ausprägung. Das Holz lockt den Gaumen mit schönen vanilligen Röstaromen, es bleibt aber ein dezentes Hintergrundgeräusch. Im cremigen, langen Abgang gibt sich die Säure gelassen und baut mit der pikanten Mineralität und den feinkörnigen Tanninen einen temperamentvollen Spannungsbogen auf. Hier dürfen sich auch noch fast verborgene Anklänge von Wacholder, Mokka, Mandeln melden.
Ein Ausnahmewein von verführerischer Anziehungskraft, einer, mit dem man endlich einmal wieder angeben kann. Aber das war ja wohl klar: Wer, wenn nicht Familie Krutzler, kann Blaufränkisch. Das sortentypische und handwerklich gekonnt forcierte Zusammenspiel zwischen Energie und Finesse, Frucht und Würze, Extraktdichte und seidig-straffer Textur ist mit perfekter Harmonie und vollendeter Eleganz komponiert und öffnet die Tür zum Rotweinhimmel. Ein jahrgangsmäßig noch junger Rotwein, der eine spannende Zukunft vor sich hat. Vergessen Sie die Lämmer, Hirsche und Rinder auf den Tellern, laden Sie die besten Freundschaften ein und erleben Sie gemeinsam, wie ein Premiumwein mit Weltruf aus dem Burgenland nicht nur das Glas, sondern auch das Leben mit Genuss füllen kann. Geben Sie ihm immer genügend Zeit und Luft, dann bedankt er sich mit einem magischen Blaufränkisch-Erlebnis.
04.10.2021
Alle Fotos © Weingut Krutzler
Fotografen: Michael Königshofer, Herbert Lehmann