An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Robert Weil: Rieslinge aus dem Rheingau genießen und Weltklasse erleben
In Zeiten der sprachlichen Neuerfindungen wäre es angebracht, sich nach einem neuen Superlativ umzuschauen, denn der wird dringend gebraucht, um die Bedeutung des Weinguts Robert Weil für den deutschen Wein und in der Welt in Worten auszudrücken. Bis dahin braucht man nur eine Flasche seiner Weine zu öffnen und kann schmecken, wofür die Worte fehlen.
Es war das Jahr 1867, als der Professor für Germanistik und Kunst an der Pariser Sorbonne, Dr. Robert Weil, im Alter von 24 Jahren einen kleinen Weinberganteil in Kiedrich erwarb, wo sein Bruder August Weil an der Pfarrkirche als Chorregent tätig war. Kiedrich liegt im südhessischen Rheingau-Taunus-Kreis – es ist etwa drei Kilometer von dem am Rheinufer gelegenen Eltville und knapp fünfzehn Kilometer von Wiesbaden entfernt. Dorthin zog Robert Weil einige Jahre später und arbeitete als Journalist. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg wurde er als Professor emeritiert und ließ sich 1875 in Kiedrich nieder. Er kaufte das Wohnhaus des verstorbenen englischen Baronets und Kunstmäzens Sir John Sutton und gründete dort ein Weingut. Neben seiner Tätigkeit als Journalist entwickelte sich seine Leidenschaft für den Weinbau und er begann den Weinbergbesitz in den Kiedricher Lagen über die Jahre beträchtlich zu erweitern: So erwarb er das Weingut des späteren Chefkochs des Berliner Hotels Adlon, Nilkens, sowie Weinberge aus dem Besitz des Grafen von Fürstenberg und 1926 das Weingut Buschmann.
Nach dem 1923 verstorbenen Robert Weil waren die Weingutsbesitzer in der Familie in erster Linie Juristen und betrieben das Weingut im Nebenerwerb. Roberts Sohn Wilhelm heiratete Maria Franziska Bergweiler, geborene Prüm, Tochter von Maria Anna Prüm aus der Prümschen Weindynastie von der Mosel. Der gemeinsame Sohn hieß wieder Robert, er und seine Frau Karoline nannten ihren 1963 geborenen Sohn wiederum Wilhelm. Er schnüffelte schon früh im Fasskeller herum und berichtet heute immer wieder gerne, wie er mit zehn Jahren heimlich eine 1971 Gräfenberg Riesling Spätlese aus dem Verkostungskühlschrank genoss. Wer wäre davon nicht dazu gebracht worden, eine Leidenschaft für den Wein zu entwickeln. Doch ihm dürfte auch intuitiv gefallen haben, dass man als Winzer so lange einen so engen Einfluss auf sein Produkt hat wie in kaum einem anderen Beruf. Wilhelm absolvierte eine Winzerlehre auf Schloss Westerhaus in Rheinhessen und studierte in Geisenheim Önologie und Betriebswirtschaft. 1987 übernahm Wilhelm Weil in nunmehr vierter Generation das Weingut von seinem Vater. Er war seinerzeit genau so alt wie Robert Weil, als dieser seine ersten Parzellen kaufte. Er machte den Betrieb zum deutschen Spitzenweingut, das weltweit als eine Art Referenz für deutschen Wein angesehen wird und zu den 50 besten Weingütern der Welt gehört. Wilhelm wusste aber auch, dass die familiären Traditionen des Weinmachens allein den Weltrang nicht für alle Ewigkeit erhalten können. So setzte er auf neue Ideen, unternehmerische Ambitionen und die Entwicklung eines unverwechselbaren Markenkerns. Er führte das heute legendäre Tiffany-blaue von goldenem Laub umkränzte Etikett ein und begann mit einer radikalen Umstellung des Sortiments: Die lieblichen Sorten wurden durch trockene Pendants aus demselben Weinberg ergänzt und wieder Säure in die etwas müde Struktur der Rheingaurieslinge der 80er und 90er gebracht.
Wilhelm Weil hat das Weingut über die Jahrzehnte zu einer Institution gemacht und den Namen Robert Weil zur einer Marke mit Grand Cru Status, die weit über den Rheingau hinaus internationales Renommee genießt wie kaum eine zweite im deutschen Wein. Immer wieder rangiert Robert Weil als deutsche Luxusmarke in Gesellschaft von Porsche, Leica, Bechstein und Montblanc. Damit hat Wilhelm Weil mehr getan für das Ansehen des deutschen Weins in der Welt als irgend sonst jemand. Wäre das Weingut Robert Weil eine Aktiengesellschaft, täte man gut daran, sich einige Papiere als Value-Titel ins Depot zu legen.
Heute bewirtschaftet das Weingut Robert Weil, an dem der japanische Getränkekonzern Suntory 1988 ein Mehrheit erwarb und das Wilhelm Weil als Gutsdirektor und Önologe leitet, gut 90 Hektar Rebfläche, auf denen ausschließlich Riesling angebaut wird und zwar nur in den drei Kiedricher Lagen Klosterberg, Turmberg und Gräfenberg. Das Sortiment reicht von trocken über feinherb bis zu den berühmten Edelsüßen von Auslese bis Trockenbeerenauslese. Es ist in die Klassifikation des VDP, des Verbands deutscher Qualitätsweingüter, eingestellt, also von VDP.Gutswein über VDP.Ortswein und der VDP.Ersten Lage Klosterberg und Turmberg bis zum Großen Gewächs aus der VDP.Großen Lage Gräfenberg. Es werden auch Sekte nach traditioneller Methode mit Flaschenvergärung produziert. Der neueste und zugleich älteste Wein des Weinguts ist der seit April 2021 angebotene Monte Vacano. Es ist der Name eines alten lombardischen Geschlechts, das im 17. Jahrhundert in die Kurfürstentümer Pfalz und Trier einheiratete und später auch in Koblenz und Wiesbaden ansässig war. Ihm entstammte die Ehefrau von Dr. Robert Weil, Emilie, deren Mitgift er 1875 zum Ankauf der Gräfenberg-Parzellen, der sogenannten Lay (Schieferfelsen) ausgab. Zur Würdigung dieser Verbindung wurde die Lay Monte Vacano genannt, die daraus erzeugten Weine als Monte Vacano erhielten bis 1921 ausschließlich die Familien Weil und Vacano.
In den Weinbergen, für die Clemens Schmitt und Philipp Bicking verantwortlich sind, wird gnadenlos qualitätsorientiert gearbeitet. Selten ist die Erkenntnis, dass die Identität eines Weines im Weinberg entsteht, so evident wie bei Wilhelm Weil. Er ist überzeugt davon, dass die Natur bewahrt und gepflegt werden muss, damit sie die Trauben mit einzigartigen Eigenschaften ausstattet. Dabei werden die Maßgaben des umweltschonenden Weinanbaus auch ohne ideologischen oder esoterischen Hintergrund geachtet. Mindestens jede zweite Rebzeile ist begrünt, es wird ausschließlich organischer Dünger verwendet, Mittel für einen nützlingsschonenden Pflanzenschutz werden nur im Notfall eingesetzt, auf den Einsatz von Herbiziden wird generell verzichtet. Ertragsbeschränkung durch restriktiven Anschnitt, zweifaches Ausdünnen des Traubenbehangs, Entblättern und frühe grüne Lese sind selbstverständliche Methoden. Geerntet wird so spät es irgendwie geht, wobei das Mikroklima in den drei Rieslinglagen oftmals eine erst im November beendeten Lese erlaubt, ohne dass die notwendige Säure schon schlapp macht. Bei der Ernte kann man eindrucksvoll erleben, was selektive Handlese bedeutet, geht das Leseteam doch acht bis zehn Wochen lang bis zu siebzehn Mal durch die Weinberge, um tadelloses Lesegut auf dem schmalen Höhepunkt zwischen öchsleschwerer Vollreife und fortschreitendem Säureabbau einzubringen. Zuletzt werden die edelfaulen Trauben getrennt nach drei Fäulnisgraden selektiert. Das Lesegut wird mit speziellen Vibrationswagen zur Kelter transportiert, um einen gleichmäßigen Traubenaustrag ohne mechanische Verletzungen und Quetschungen zu erhalten und damit die ungewollte Freisetzung von Gerb- und Bitterstoffen insbesondere aus der Beerenhaut und die sofort einsetzende Oxidation zu vermeiden.
Im Keller agieren und regieren als Kellermeister Christian Engel und Fabian Kretschmer. Fast alles bewegt sich mit schonender Schwerkraft. Die Trauben werden bei Ankunft noch einmal nachselektiert und ganz unterschiedlich behandelt. Teils kommen sie ohne Entrappung leicht angemahlen und angequetscht in die Ganztraubenpressung oder werden angequetscht mit Standzeiten zwischen 6 und 18 Stunden eingemaischt. Manchmal wird auch für ein Großes Gewächs eine Partie auf der Schale vergoren. Der Most wird durch Sedimentation vorgeklärt, bevor er je nach Weinrichtung zur sechs- bis zwölfwöchigen Gärung in temperaturkontrollierte Edelstahltanks oder in Holzfässer aus Eiche oder Akazie kommt, unter anderem in traditionelle rheingauer Stückfässer mit 1.200 Litern, Doppelstück mit 2.400 Litern oder Gebinde mit 4.800 Litern. Hier wird für die trockenen Stilrichtungen die Mikrooxidation durch das Holz genutzt und durch Bâtonnage, dem Aufrühren der abgesunkenen Feinhefe, gesteigert, um mehr Komplexität in die Weine zu bringen. Eine malolaktische Gärung ist allerdings nicht erwünscht, um das Frucht-Säurespiel nicht zu gefährden und die Eleganz zu erhalten. Bei der Gärung wird zunehmend auf die wilde, natürliche Hefeflora gesetzt, um den Herkunftscharakter bestimmter Weine noch deutlicher hervorzuheben. Am kühlsten und damit am längsten wird der Most für die Edelsüßen vergoren, um das notwendige Säuregerüst zu erhalten und gleichzeitig die natürliche Fruchtsüße nicht plötzlich in einem Alkoholschub untergehen zu lassen. Die Lagerung im Edelstahl ohne Holzeinsatz hebt bei den frucht- und edelsüßen Weinen die Eleganz und Finesse hervor. Generell wird modernste Technik eingesetzt, damit die Authentizität der Weine gewährleistet und die Qualität der Trauben erhalten wird, um die sich die Natur in den Weinbergen das Jahr über intensiv gekümmert hat. Alles dem Zufall zu überlassen, hieße, die Ressourcen der Natur verschwenderisch aufs Spiel zu setzen.
Es spricht für ein geniales Zusammenspiel zwischen Weinberg, Keller und handwerklicher Kompetenz, dass seit 1989 in ununterbrochener Folge Weine aller Qualitätsstufen bis zur Trockenbeerenauslese geerntet und gekeltert werden konnten – nahezu eine Sensation im deutschen Weinbau, die Maßstäbe setzt – weltweit. Die Lagerfähigkeit der Weine ist legendär. Die Beeren- und Trockenbeerenauslesen gelten gar als Weine für die Ewigkeit. Immer wieder öffnet Wilhelm Weil Weine aus der Schatzkammer und versetzt die Weinwelt in Euphorie mit der Frische und Eleganz eines Gräfenberg-Weins von 1921 oder 1937. Es heißt, dass man nur wirklich begreifen kann, wofür das Weingut Robert Weil steht, wenn man einen Wein der alten Jahrgänge probiert hat. Die Zugehörigkeit des Weinguts Robert Weil zum VDP erscheint gleichsam angeboren, gehörte Wilhelm Weil der Erste doch 1910 zum Gründungsmitglied der VDP-Vorgängervereinigung VDNV (Verband deutscher Naturweinversteigerer). Der gegenwärtige Wilhelm Weil ist Vorsitzender des VDP.Rheingau, Sprecher vom Rheingau Tisch und Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des VDP.Deutschland.
Mit dem Jahrgang 2016 begründete Wilhelm Weil in Rheinhessen auf der gegenüber liegenden Rheinseite, dem „rive gauche“, für seinen Sohn Robert das Weinhaus Weil Junior. Hier liefern Vertragswinzer hochwertige Trauben der Burgundersorten Chardonnay, Grau-, Weiß- und Spätburgunder. Daraus entstehen beschwingte, unkomplizierte, elegante und charaktervolle Weine hoher Qualität. Von den weißen Sorten werden über 200.000 Flaschen und vom roten Pinot über 150.000 Flaschen abgefüllt, Tendenz steigend. Der Vertrieb erfolgt hierzulande über Edeka und international über den Lebensmittelhandel, Airlines und Dutyfree-Kunden.
Wenn bei einem deutschen Weingut das große Wort von der Weltklasse angebracht ist, dann beim Weingut Robert Weil. Die Weine werden regelmäßig am maximalen oberen Ende jeder Bewertungsskala gewürdigt, sei es mit einem Sternenhagel im Eichelmann und Johnson, seien es Trauben im Gault-Millaut oder Punkte von Weinpapst Robert Parker und renommierten Magazinen wie Wine Spectator und Wine Enthusiast. Bei Parker rangiert Robert Weil übrigens schon seit fast zwanzig Jahren auf dem ersten Platz der deutschen Weingüter.
Wir konnten sechs Weine des Weinguts Robert Weil verkosten.
2020 Weingut Robert Weil Rheingau Riesling trocken
Im Glas schaukelt der Gutswein in einem hellen Gelb mit leichten grünen Reflexen. Er lässt eine überraschend vielschichtige, kühle Duftigkeit heraus, bei der sich die typischen Zitrustöne eher zurückhalten und Apfel, Birne, aber auch reifem Pfirsich, Aprikose und Charente-Melone den Vortritt lassen. Der Auftritt ist umrahmt von frischen klaren mineralischen Noten, einer gewissen Kräuterwürze, einem Hauch Feuerstein und feinen weißen Frühlingsblüten, auch vom Flieder. Im Geschmack fällt sofort seine herrliche mineralische Frische und seine dezent süßliche, ausdrucksstarke Fruchtigkeit auf, die ein raffiniertes Puzzle aus den Bukettaromen bildet. Die Bodenauflagen über dem Schiefer haben dem Wein einen starken Körper verschafft, der Dichte und Kraft in die Spritzigkeit bringt und eine lebhafte, saftige Energie erzeugt. Das wäre ohne die selbstbewusste, filigran eingebundene Säure nicht denkbar, die wesentlich zu der finessenreichen Harmonie beiträgt. Der Eindruck eines Gesamtkunstwerks bestimmt auch den langen, druckvollen, mineralischen Abgang, der von einem feinen Schmelz aus dem Feinhefelager abgerundet wird. Ein gut durchstrukturierter Rheingau-Klassiker mit dem unendlichen Charme seines Terroirs: klar, hell, knackig, frisch, trocken, fruchtig mit fein austarierter Fülle und hoher Eleganz. So ein perfektes Zusammenspiel mag man gerne als unkomplizierten Hochgenuss Schluck für Schluck ohne eine Speisebegleitung genießen, auch zu festlichen Anlässen. Der Robert Weil Rheingau Riesling schämt sich aber auch nicht neben einem gut bürgerlichen Zürcher Geschnetzeltem oder neben mexikanischen Enchiladas.
Die Trauben für diesen VDP.Ortswein stammen aus der botrytisfreien Vorselektion in den Ersten und Großen Lagen des Klosterbergs, Turmbergs und Gräfenbergs in Kiedrich. Der Ortswein rangiert nach dem Gutswein auf der zweiten Stufe der an das burgundische Modell angelehnten VDP-Qualitätspyramide. Was schon mit dem Gutswein deutlich wurde, bestätigt der Ortswein: Selbst im Basisbereich vinifiziert Wilhelm Weil beste Rieslingweine, wie sie anderswo nicht einmal auf einer Premiumstufe gelingen. Der Wein bildet das Format des kiedricher Terroirs mit den Phyllitschiefer- und Lösslehmböden und den geschützten, windumspielten und sonnenverwöhnten Höhenlagen perfekt ab.
Das spontan zugängliche Bukett offeriert helle und klare, expressiv reife Fruchtaromen von Limette, grünem Apfel und Pfirsich. Es kommt ein Touch von Mineralität und später auch von Kräuterwürze hinzu. Immer weht ein Lüftchen von Frische aus dem Glas. Im Mund vereinen sich geschliffene Zitrus- und Steinobstnuancen mit einer subtilen Mineralität und feinen floralen Anklängen zu einer animierenden Saftigkeit und vornehmen Finesse. Die vitale, präzise, harmonisch gekonnt eingebundene Säure begleitet den nachhaltigen, intensiv fruchtigen Abgang und unterstützt den trockenen, reichhaltigen Charakter des Weins. Ein ganz großer Ortswein, der noch über Jahre reifen kann, doch es lohnt sich, seinen jugendlichen Charme und seine vielschichtige Eleganz schon jetzt als köstliches Erlebnis auszukosten.
2019 Kiedrich Klosterberg Riesling trocken
Im Glas entfaltet er ein pikantes Bukett mit frischen Fruchtaromen von Zitrus, reifen Aprikosen, Nektarinen und Weintrauben und zeigt auch tropische Anklänge. Ab und an tauchen feine Spuren von so unterschiedlichen Tönen wie Mandeln, Heu, Minze und Cassis auf. Immer ist eine anfeuernde Mineralik dabei, die erstaunlicherweise manchmal das Kreidegestein der Champagne assoziiert. Im Mund bis ins Finale saftig frisch und extraktreich mit vollendeter Harmonie und einer geheimnisvollen Komplexität und Spannung: Die intensive, attraktiv süßliche Fruchtigkeit trifft eine straffe, zart salzige bis leicht herbe, zupackende Mineralität sowie eine knackige Säure und lässt auch ganz leicht kräutrige Noten zu. Alles ist genial ausbalanciert und machtvoll verwoben, niemand drängelt hervor, nichts stört den mundfüllenden, seidigen Trinkfluss voller kühler, sanfter Finesse und schwereloser Eleganz. Diese expressive Harmonie spricht für ein enormes Alterungspotenzial, schmälert aber nicht sein schon jetzt präsentes Verführungspotenzial. Wenn Sie ihn unbedingt pairen möchten, dann zu einem Hummergericht oder zu einem milden Curry vom Lammfilet.
2019 Kiedrich Turmberg Riesling trocken
Schon in der Nase unterscheidet sich der Turmberg deutlich vom Klosterberg und Gräfenberg. Noten von Zitrus- und Orangenzeste vermählen sich mit Nuancen von Mirabellen, Pfirsichen, weißen Johannisbeeren und blumigen Richtungen vom Lavendel nebst tropischen Träumen im Hintergrund. Er öffnet sich mit zunehmender Belüftung immer weiter mit herben Gewürzkräutern wie Rosmarin und einem vegetabilen Touch von Jasmin mit Assoziationen von Waldboden. Dabei duftet er unverdrossen strahlend frisch und steinig-mineralisch. Am Gaumen imponiert seine feste, dichte, stoffige und intensiv mineralische Struktur mit einem zärtlich adstringierenden Gerbstoff-Griff. Durch die Frische aus der Mineralität wirkt die Textur schlank und nie aggressiv. Das und die weniger süßliche Fruchtigkeit, die samtig-herbe Kräuterwürze, der Touch von Feuerstein und die höchst aktive Säure machen den Wein so einzigartig. Er vereint alles in einem dichten Spannungsbogen, der in ein langes, saftiges, pikantes und druckvolles Finale führt. Das ist ein Wein mit einem kristallklaren Charakter Richtung cool climate und einer saloppen, kernig-kraftvollen und zugleich karg-vornehmen Eleganz. Ein rassiger Riesling, der alle Eigenarten eines ganz besonderen Terroirs mit gewagten, herrlich puristischen Zügen ausdrückt. Er wird sich über viele Jahre so stark weiterentwickeln, dass man manches Große Gewächs von anderswo dahinter verstecken muss. Verwöhnen Sie ihn und sich schon jetzt mit einem Wiener Backhendl oder einem indischen Fischcurry mit Kokossoße.
2019 Kiedrich Gräfenberg Riesling trocken VDP.Großes Gewächs
Um es schon mal vorweg zu sagen: Das ist der Wein, mit dem man die Welt retten könnte. Im Bukett schleicht er sich under cover an und explodiert dann wild in der Nase und betört alle Sinne. Ein intensiv frischer mineralischer Duft begleitet komplexe, hellstrahlige Aromen von Zitrusfrüchten, Äpfeln, Pfirsichen, Birnen – fest, kühl und dezent blumig-vegetabil mit einem zart würzigen, aber auch exotischen Hauch von Passionsfrüchten und ihrem ambivalenten süßlich-säuerlichen Charakter. Auf der Zunge tobt er keineswegs ungezügelt herum, sondern zeigt unaufgeregt, aber selbstbewusst und facettenreich eine präzise Spannung zwischen geschliffener, konzentrierter Frucht, einer intensiven Mineralik, einem guten Tiefgang und dem extrem dichten, süßlichen Extrakt. Er entzieht sich auch nicht schamhaft dem Griff reifer Gerbstoffe und zeigt extrovertiert eine aktive Weinsäure in einem mutigen Säure-Restsüße-Verhältnis vor, das dank des Terroirs des Gräfenbergs und der genial komponierten Weinstilistik zu einer außergewöhnlichen, unangestrengten Harmonie führt. Alles ist kompakt verbunden mit viel Saft und Kraft und fließt in einen endlosen, charakterstarken und fest strukturierten Abgang mit einem samtigen, süßlichen Schmelz. Ein grandioser Riesling, brillant, enorm frisch, belebend und unglaublich vielschichtig. Auch wenn man ihn noch Jahrzehnte genießen und jedes Jahr neu entdecken können wird - selbst wenn man ihn wegschließt, wird man ihn nicht vergessen können. Es gibt wenige Weine, die in der Seele hängen bleiben und die man immer noch einmal erleben möchte. Der 2019 Kiedrich Gräfenberg Riesling trocken gehört dazu.
2019 Kiedrich Gräfenberg Riesling Auslese VDP.Grosse Lage
Spontan und intensiv schickt er aus dem Glas feine, reife und reichhaltige Fruchtaromen von Aprikose, Mango, Ananas und Passionsfrucht nebst einer Nuance von kandierter Zitrusfrucht und von Limettensaft. Ein Hauch von Holunderblüte und Wiesenhonig schwebt herum, einige getrocknete Mittelmeerkräuter mit Anis passieren die Nase, kristalline Schiefertöne sind auch dabei. Dank der rigorosen Traubenselektion fehlt dieser Auslese die sonst so allgegenwärtige Botrytislast, so dass der Wein sich schon in der Nase hell, klar und mit einer fesselnden kühlen Eleganz präsentiert. Im Mund erleben wir eine kraftstrotzende Aromenexplosion, die intensive Wellen von Frische und Energie verbreitet. Ein konzentrierter, köstlich süßlicher Frucht-Tsunami überrollt mühelos die an sich gewaltige, kristalline Säure und treibt mir ihr ein filigranes Wechselspiel bis ins traumhafte überschwängliche Finale. Ein Pfirsich-, Mandarine-, Grapefruit- und Tropic-Serum konkurriert mit Karamell, Honig und dem Griff feiner Schiefermineralik. Eine vibrierende Auslese mit einer raffiniert ausgesteuerten Opulenz, die sich einer unglaublichen Frische, Tiefe und Saftigkeit unterordnet und daher mit einer feierlichen Eleganz auftritt. Mit diesem Wein kann man seine dummen Vorurteile gegenüber edelsüßen Weißen pflegen oder sich bis zur Sucht verführen lassen – und das jetzt und noch mindestens 20 Jahre lang. Genuss pur, zu schade, um sich ablenken zu lassen von den üblichen Blauschimmel- und Apfeltarte-Orgien.
21.05.2021
alle Fotos: © Weingut Robert Weil