An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Die Weingärtnerei Frischengruber in der Wachau: Ein Familienbetrieb aus der Liste der Top 100 Winerys der Welt
Wenn in den ersten Klassen der Grundschule nach dem Berufswunsch gefragt wird oder die Schüler ihn gar orthografisch korrekt zu Papier bringen sollen, dann äußert sich gewöhnlich der Traum vom Polizisten, Tierarzt, Piloten, Feuerwehrmann oder Profi-Fußballer. Nicht so bei Georg Frischengruber. Er wollte von Anfang an Winzer werden.
So chronologisch zielstrebig geht dann selten ein Wunsch in Erfüllung. Nach der Schule absolvierte Georg die Höhere Bundeslehranstalt für Wein- und Obstbau in Klosterneuburg und kehrte nach Praktika in Südafrika, Neuseeland und der Pfalz auf das Weingut seiner Familie zurück. Das befindet sich in Rührsdorf bei Rossatz im Zentrum des Weinanbaugebiets Wachau am Ufer der Donau, die hier mit einem engen Bogen nach Norden eine Art U-turn macht. Nicht weit entfernt liegen flussabwärts Dürnstein, Mautern und Krems, bis Wien sind es rund neunzig Kilometer. Der Name Rossatz knüpft einer Legende nach daran an, dass hier Pferde gewechselt wurden, um Schiffe donauaufwärts zu ziehen.
Die Wachau ist wohl Österreichs bekanntestes Weinanbaugebiet und nicht erst seit Mariandl-andl-andl ihre Herkunft aus dem Wachauer Landl-Landl besungen hat. Denn schon die Römer sollen hier Wein verkostet haben. Urkundlich belegt haben jedenfalls die Karolinger seit 830 in der Gegend Wein angebaut und getrunken. Die Wachau erstreckt sich geografisch vom Benediktinerstifte Melk im Westen entlang der Donau bis zum Städtchen Mautern kurz vor Krems im Osten. Es ist mit seinen 900 benannten Rieden weinbaumäßig eines der acht spezifischen Gebiete im Weinanbaugebiet Niederösterreich. Ausgerechnet bayerische Klöster haben vielerorts die Rieden terrassiert. Die Weinbauterrassen erstrecken sich heute über eine Länge von rund 16 Kilometern teilweise rechts, vor allem aber links der Donau und in das Seitental nach Viessling und Elsarn am Jauerling. Die Wachau wurde 2020 in der Kategorie „Kulturlandschaft“ von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt, nicht zuletzt wegen der Trockensteinmauern, mit denen fast die Hälfte der steilen Weingärten befestigt sind.
Die Weingärtnerei Frischengruber bewirtschaftet etwa 13 Hektar Weingärten, rund um Rossatz. Wir sind hier auf dem rechten Ufer der Donau. Das wird wie im Bordelais immer erst nach dem stets spektakulär und laut gepriesenen linken Ufer genannt und outet sich dann aber – surprise, surprise – mit stillen Geheimtipps für ganz große Weine. So ist das auch bei Georg Frischengruber. Jahrelang erschien er neben den übergroßen Weinbaufürsten vom linken Ufer als Newcomer, war aber eigentlich der ständige Aufsteiger des Jahres. Jedenfalls vermochte er mit jedem Jahrgang das Renommee des Weinguts zu steigern, seit er die Weingärtnerei übernommen hat. Das wurde mit etlichen Auszeichnungen bestätigt, vor allem 2014 mit dem Federspiel-Cup vom österreichischen Weinmagazin Falstaff. 2021 wurde die Weingärtnerei Frischengruber vom US-Branchenmagazin WINE & SPIRITS in die Liste der Top 100 Winerys der Welt aufgenommen, auf der man aus Deutschland so illustre und legendäre Namen wie Dr. Loosen, Fritz Haag, Dönnhoff und Kruger-Rumpf findet.
Was das Klima betrifft, so geht es in der Wachau mit einem einzigartigen, subtilen Mikroklima ziemlich wild zu, weil hier zwei nahezu gegensätzliche Klimaeinflüsse aufeinander stoßen. Von Osten drängt das pannonische Klima mit heißen, trockenen Sommern und gemäßigten Wintern vor. Es ringt speziell in den Monaten vor der Ernte mit den kühlen, feuchten und sauerstoffreichen Luftmassen und Fallwinden aus den kleinen, bewaldeten Steintälern, den Wachauer Gräben. Sie werden von den Höhen des Dunkelsteiner Waldes südlich der Donau und dem Waldviertel im Norden gespeist. Dazu spendet die Donau ihre feuchte Verdunstungskälte und reflektiert Sonne und Wärme. Es herrschen neben einer permanenten Luftzirkulation Temperaturamplituden zwischen Tag und Nacht, die zu den extremsten der Welt gehören. Deshalb erstreckt sich die Vegetationsperiode in etlichen Rieden bis weit in den November hinein. Das erfreut die Reben, können sie doch in Ruhe ihre physiologische Reife erreichen und sich mit einer starken Aromatik und reichlich Extrakt bedanken.
Angebaut werden in der Weingärtnerei Frischengruber nur weiße Rebsorten – selbstverständlich die Leitsorten der Wachau, also Grüner Veltliner und Riesling, aber auch Muskateller und Weißburgunder. Die Weine sind insbesondere in die Linien Federspiel und Smaragd der 1983 gegründeten Vereinigung "Vinea Wachau Nobilis Districtus" eingestellt, deren Mitglied das Weingut ist. Die Vinea Wachau führte in den 80er Jahren die drei Kategorien Steinfeder, Federspiel und Smaragd als besondere Qualitätsstufen definiert nach Mostgewicht und fertigem Alkohol ein, um die höchsten Qualitäten der Wachau herauszustellen. Der „Codex Wachau“ stellt etliche Vorgaben auf, die zu erfüllen sind, wenn ein Weingut an dem Qualitätssystem teilhaben will. Dazu gehören die ausschließliche Verarbeitung von Reben aus der Wachau, der Verzicht auf Kellertricks wie Konzentrierung des Mosts, Zuckeranreicherung (Chaptalisierung) oder Zerlegen und Neuzusammensetzung der Aromen. Ganz aktuell müssen alle Mitglieder von Vinea Wachau bis 2023 ihre Betriebe auf die Zertifizierung „Nachhaltig Austria“ umstellen und damit eine ressourcen- und umweltschonende Produktion mit ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitskriterien umsetzen.
Georg Frischengruber weiß, dass die Qualität jedes Weins im Weingarten beginnt. Dazu müssen schon mal Rebsorte und Standort miteinander harmonieren, also muss der Rebe der in der Wachau so unterschiedliche Boden gefallen. Im Weingarten wird eng mit der Natur zusammengearbeitet, ganz ohne Herbizide und Pestizide. Nicht nur die Rebstöcke, sondern auch der Boden als Basis der Rebe wird sorgfältig und nachhaltig gepflegt. Geerntet wird mit der Hand und möglichst spät auf dem Höhepunkt der physiologischen Reife. Da kann es dann schon mal November werden bis die letzte Fuhre im Keller ist. Mühsam und gnadenlos wird selektiert, nur die besten Trauben schaffen es auf die Kelter.
Im Keller wird das Lesegut schonend behandelt und nach einer je nach Rebsorte und Jahrgang unterschiedlichen Mazerationszeit über mehrere Stunden hinweg langsam abgepresst. Der Most wird überwiegend mit wilden Hefen spontan vergoren. Die Weine liegen monatelang auf der Feinhefe, damit in ihrer Textur klar und präzise das Terroir zum Ausdruck kommt. Es ist Georg Frischengruber überaus wichtig, dass seine Weine ihren Ursprung erkennen lassen und neben dem Charakter der Rebsorte auch und gerade die Eigenarten der einzelnen Rieden zum Ausdruck bringen. Aber nicht mit aufdringlicher und unangemessener Power, sondern feinsinnig und vielschichtig.
Georg Frischengruber hat wie viele Winzersöhne seiner Generation eine neue Zeit in das elterliche Weingut eingebracht. Er möchte Weine selbstbestimmt machen und sich bei aller Rücksichtnahme auf die wirtschaftliche Tragfähigkeit gerne die Weine leisten, die er und die Reben gemeinsam wollen. Und dabei agiert nicht nur er höchst lebendig, sondern gesteht das auch seinen Reben zu, die er im Weingarten respektvoll betreut und die sich Jahrgang für Jahrgang mit Höchstleistungen bedanken. Mag die Liebesbeziehung zur Natur und zum Wein noch so romantisch erscheinen, tatsächlich geht mit ihr ganz schnöde harte Arbeit einher und zwar das ganze Jahr über. Georg will mit seinen Weinen nicht dem Mainstream hinterherrennen, sondern etwas ganz Eigenes machen, das sich gleichermaßen an Tradition und Innovation orientiert – es kann auch gerne mal höchst unkonventionell sein. Und nicht nur damit will er es denen vom linken Donauufer möglichst oft mal so richtig zeigen – und der Weinwelt, dass zur Wachau mehr als nur ein einziges Donauufer gehört.
Wir konnten sechs Weine der Weingärtnerei Frischengruber verkosten.
2021 Grüner Veltliner Rossatz Federspiel Wachau DAC
Im Glas funkelt der Wein in einem sehr hellen, fast grünlichen Gelb mit silbernen Reflexen. Er schickt ein vielseitiges Bukett aus dem Glas: Einerseits eine feine kräuterige Würze mit Spuren von Fenchel, andererseits wehen superfruchtige Düfte aus den Tropen umher: etwas Mango, etwas Mandarine, etwas Papaya, dazu eine zärtliche Anmutung von Waldhonig. Geschmacklich ist er keineswegs eine schlichte Nachahmung der Bukettaromen, sondern trumpft auf mit eigenständigen Nuancen von reifen gelben Äpfeln, gelben Melonen, etwas Ananas und Zitrus. Die lebendige Säure pokert mit der feinen Fruchtsüße um die Vorhand, letzten Endes eskortiert friedlich und harmonisch eine dezente Mineralität alles in ein herrlich saftiges Finish. Ein frisch strukturierter Grüner Veltliner mit einer für einen Ortswein nicht selbstverständlichen Eleganz. Das ist der universelle Speisenbegleiter, der schon im Einstiegsbereich schmecken lässt, wie Georg Frischengruber mit der Natur umgeht.
2021 Ried Frauenweingärten Rossatz Grüner Veltliner Federspiel Wachau DAC
Es duftet aus dem Glas zärtlich nach gelben Äpfeln und feinen Wiesenkräutern mit einer sehr dezenten mineralischen Begleitung. Dazu kommt ein Hauch von Orangen und Kamille unterlegt mit winzigen Nuancen aus dem Gewürzschränkchen, da wo der Anis steht. Im Mund tritt der Grüne Veltliner Frauenweingärten sehr saftig, extrovertiert und schön rund auf – in dieser Kombination fast schon ein Markenkern für Grünen Veltliner von Georg Frischengruber. Der Wein präsentiert am Gaumen neben gelben Äpfeln auch kleine Noten von Zitrus, Birne und Mango mit einem sehr klaren und ausgewogenen Zusammenspiel zwischen angenehmer Säure und leichter Restsüße, die sich im nachhaltigen Abgang mit feinen Honignuancen outet. Ein terroirbetonter Grüner Veltliner mit einer guten Fülle, einer leicht mineralischen Frische und einer finessenreichen Struktur. Alles in allem viel Eleganz im Glas. Servieren Sie ihn zu einem Hecht mit rahmiger Kräutersoße oder zu einer Käseplatte mit Blätterteiggebäck.
2020 Riesling Smaragd Ried Goldberg Rossatz Wachau DAC
Die Riesling-Trauben werden nach der Maischestandzeit mit niedrigem Druck hydraulisch abgepresst, der Most wird mit Reinzuchthefen in Edelstahltanks vergoren und der Wein auf der Feinhefe gelagert. Auf die Flasche gebracht werden Smaragd-Weine im Mai und Juli. Sie stehen auf der höchsten Stufe der Klassifikation von Vinea Wachau. Die Trauben müssen mindestens 18,5° auf der Klosterneuburger Mostwaage haben – ungefähr 90° Öchsle – und einen Wein mit mindestens 12,5 Volumenprozent Alkohol generieren. Der Verkauf darf frühestens ab 1. Mai des auf die Lese folgenden Jahres erfolgen, die Flasche muss mit einem mindestens 49 mm langen Naturkorken verschlossen sein.
Der Goldberg Riesling duftet intensiv mit Anklängen von gelben Pfirsichen, reifen Aprikosen, grünen und roten Äpfeln und einem süßlich hinterlegten Hauch von Zitrus und Orangenzesten. Wir schmecken einen herrlich frischen und gehaltvollen, sogar recht komplexen Riesling mit einem angenehmen Trinkfluss, der schon jetzt einen eleganten Genuss bietet, aber auch Potenzial für etliche Jahre mitbringt. Seine Primärfruchtigkeit reicht von Aprikosen, Äpfeln, Zitrusfrucht und reifer Ananas bis zu Noten von Mango und reifer Papaya. Die aktive Säure verbindet sich harmonisch mit der attraktiven Extraktsüße und Spuren von Mineralik. Im Abgang hallen gerade seine Zitrusnuancen noch lange nach und unterstützen den lebendigen Frischeeindruck. Er passt sehr gut zu gedünstetem Saibling, aber auch zu einem Chicken Tandoori in nordindischem Stil.
2020 Riesling Smaragd Ried Kirnberg Rossatz Wachau DAC
Der Kirnberg-Riesling lädt ein mit einem frischen Duft von Aprikosen, weißen Pfirsichen und tropischen Anklängen von Limetten, Ananas und Mango. Dazu kommt ein dezenter Touch Würze und Mineralik. Am Gaumen bildet die reife Fruchtigkeit von Weingartenpfirsich, Zitrus und Mango einen allgegenwärtigen Rahmen, in dem sich die feine Fruchtsüße und die dezente Mineralik mit einem spannungsreichen Säurespiel zu Saftigkeit und Frische verbinden. Die finessenreiche Textur ist dichtverwoben und unterstützt mit fruchtiger Noblesse und leichter Cremigkeit einen langen Abgang. Ein gut strukturierter, eleganter Riesling mit Konzentration und Substanz, der das Terroir mit individuellem Charakter rüberbringt. Das ist der kongeniale Partner der klassischen Wiener Küche mit gekochtem Tafelspitz oder knusprigem, gut gewürzten Schweinsbraten.
2020 Ried Kreuzberg Rossatz Grüner Veltliner Smaragd Wachau DAC
Im Glas leuchtet der Wein weißgold mit silbrig-grünlichen Reflexen. Die Nase wird verführt von einem tropischen Duft nach Mango, Papaya, Apfel und Honigmelonen, dazu einige kandierte Orangenzesten und ein Tupfer Kräuterwürze. Schon mit dem ersten Schluck ist der Mund mit einem engmaschigen Fruchtspektrum gefüllt, aber nicht opulent, eher leichtfüßig, schlank und gradlinig. Frucht und Säure begegnen dem Gaumen in vorbildlicher Balance mit einer modern salzigen Mineralik und einem fast tropisch anmutenden Fruchtensemble mit Anklängen an Zitrus und einem winzigen Hauch Karamell. All das wird im vielschichtigen, angedeutet cremigen Finale von einer finessenreichen Seidigkeit umrahmt. Ein etwas anderer Grüner Veltliner, ein facettenreicher, spielerischer Wein mit kühlem und filigranen Charakter, der mit feiner Säurestruktur, einer angemessenen Tiefe und seiner leicht salinen Mineralik vornehme Eleganz ausstrahlt. Er zeigt sich als vielseitiger Partner am Tisch, der eine Dorade vom Grill wiederbelebt oder einem Knoblauch-Zitronenhühnchen Flügel verleiht.
2020 Meine Welt Grüner Veltliner Smaragd Wachau DAC
Der Wein vereint unendlich viel von dem, was die Wachau an Grünem Veltliner in der Stilistik von Georg Frischengruber zu bieten hat. Er ist hochkomplex und hat nichts mehr mit dem simplen Pfefferle zu tun, das sich allenfalls noch dazu eignet, den Ruf des Grünen Veltliners zu ruinieren. In der Nase treffen feine Fruchtnoten auf noch feinere Kräutertöne: Gelber Apfel trifft Wiese im Morgentau. Dazu etwas Wiesenhonig, Spuren von Ananas und reifer Mango und ein Hauch von blondem Tabak und irgendwo auch ein mineralisches Lüftchen. Am Gaumen tritt der Wein füllig und saftig auf, ohne schwer oder gar plump zu wirken. Seine weißen Steinobstnuancen und die tropischen Fruchtrichtungen kommen auf der Zunge gut zur Geltung und vermitteln eine feine Extraktsüße, die handwerklich eindrucksvoll mit der lebendigen Säure ausbalanciert ist und ein Touch Karamell vom Holz mitbringt, mögen die Barriques auch noch so alt gewesen sein. Im langen Finale erscheint eine pikante Mineralität mit einer leicht salzigen Komponente, wie sie jetzt so angesagt ist. Ein charakterstarker, eleganter Wein mit Verführungspotenzial für viele Jahre. Reichen Sie ihn zu einem saftigen Hummerrisotto oder zu einer mäßig gewürzten Kalbshaxe aus dem Rohr.
14.04.2022
Alle Fotos © Weingärtnerei Frischengruber