An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Vermut Catalán: „Fem un Vermut“ – der neue Trend aus Katalonien in Bars und Gläsern
Ob kleine, düstere Bodegas mit viel dunklem Holz, Hipster-Bars, die gleichzeitig als Buchläden oder Nähzimmer dienen, oder Kiez-Kneipen mit einheimischen Live Bands – jeden Sonntag strömen die Katalanen in die belebten Viertel von Barcelona und dort in die vermuterías, um „den Vermut zu machen“: „Fem un vermut?“ – Lasst uns einen Vermut trinken. Ausgerüstet mit kleinen Tellern und einer großen Auswahl an Tapas wie frittierte Sardinen, gesalzene Mandeln, zartem Confit-Thunfischfilet, rustikalen frittierten Kartoffelchips, Sardellen, Berberechos (Herzmuscheln), Jakobsmuscheln mit scharfer Sauce, Hartkäse oder salzigen Wurstwaren geht es nicht selten ins open end, das begleitet wird von stundenlangen Plaudereien und Diskussionen und schon mal bis in den Abend reicht. Mindestens passt ein Gläschen aperitiu in die hora del vermut zwischen Gottesdienst und Mittagessen gegen 14 oder 15 Uhr.
Foto © Priorat B&D Lab
Die Geschichte des Wermuts (deutsche Schreibweise)
Die Geschichte des Wermuts ist genau genommen kein exakter Zeitstrahl, sondern eher eine Evolution des Geschmacks und der Herstellung. Wer dennoch nach den Ursprüngen des Wermuts sucht, landet beim griechischen Arzt Hippokrates, der als erster den Wein mit Kräutern aromatisiert haben soll, insbesondere mit Wermutkraut, das schon im alten Ägypten verwendet wurde. Hippokrates setzte das Kraut gegen Gedächtnisschwäche ein und tatsächlich ist nachgewiesen, dass es einen Rezeptor im Hirn aktiviert, der ein Nachlassen der Hirnfunktion blockiert. Abgesehen davon feuert es die Verdauung an und stärkt das Immunsystem. Über die Jahrhunderte war der Wermut in ganz Europa und Asien bei Alchemisten, Ärzten, Apothekern und Mönchen sehr beliebt, konnte man doch die nachgesagten Heilkräfte mit dem eigenen Genuss verbinden.
Den Rang als medizinisches Tonikum verlor der Wermut dann im Italien des 18. Jahrhunderts. In Turin begann 1786 der Destillateur Antonio Benedetto Carpano auf kommerzieller Basis Weißwein mit Zucker, über 30 aromatischen Kräutern und Wurzeln plus einem Schuss Brandy zu mixen. Carpano sorgte dafür, dass sich der Wermut als exquisites, gesundheitsförderndes und vor allem kommerzielles Getränk verbreitete. Die Bezeichnung wurde von der deutschen Schreibweise des Wermutkrauts übernommen, die französische Ableitung Vermout und die englische Vermouth folgten kurz darauf. Der König von Sardinien-Piemont und Herzog von Savoyen brachte den neuen Vermut mit dem Status eines Hofgetränks auch nach Frankreich. 1813 kreierte Joseph Prat in Marseille aus Languedoc-Weinen einen weißen Vermut, den Noilly Prat, der wesentlich trockener war als die italienischen Vorbilder. Später konzentrierte sich die Wermutproduktion in Frankreich auf Chambéry. Die italienischen Brüder Luigi und Giuseppe Cora begannen 1838 mit der industriellen Produktion, als deren Folge Marken geschaffen wurden wie 1850 Gancia, 1860 Cinzano und 1863 Martini. Die industrielle Wermutproduktion begann in ganz Italien und Frankreich zu explodieren. Aus den Zentren des Wermuts im 19. Jahrhundert stammen auch die zwei einzigen Wermutsorten mit geschützter Herkunftsbezeichnung: Vermouth di Torino und Vermouth de Chambéry.
In Spanien verbreitete sich Vermut vor allem von Katalonien aus: 1876 wurde in Barcelona die Wermutmarke Peruchi gegründet und 1892 in Tarragona die Marke Yzaguirre. Zum Zentrum des Vermuts wurde damals die weltbekannte Brandy-Stadt Reus, der Geburtsort Gaudís. Hier produzierten um die Jahrhundertwende dreißig Unternehmen über fünfzig Sorten Vermut. Die Lagerhallen des Betriebs von Rofes waren sogar durch spezielle Tunnel mit der Bahnstation verbunden, um den Absatz zu beschleunigen. Noch heute ist der Ausbruch des Wohlstand in Reus an den Jugenstil-Gebäuden berühmter Architekten wie Casa Navàs, Casa Rull, Casa Gasull, der Klinik Institut Pere Mata von Lluís Domènech i Montaner und an der Casa Anguera von Pere Caselles zu besichtigen. 1902 fand der boomende Vermut-Genuss in Barcelonas sozialer Elite mit der Eröffnung des sagenumwobenen Café Torino an der Ecke Passeig de Gràcia und Gran Vía de Les Corts Catalanes einen Stammplatz.
Natürlich hat auch bei uns jeder den Namen schon einmal gehört: deutsch Wermut, englisch Vermouth. Aber viel zu selten weiß man, was Wermut eigentlich ist. Das hat nämlich nicht allzuviel zu tun mit den bekannten wermutähnlichen Aromagetränken wie Martini, Cinzano, Lille oder Dubonnet.
Foto © Priorat B&D Lab
Was ist Wermut
Wermut ist, kurz gesagt, ein Getränk, das aus Wein, Kräutern, Süßungsmittel und Alkohol hergestellt wird. Für Wermut gibt es weder ein festes Rezept noch ein Disziplinar, aber die EU- Verordnung 251/2014, die den Basis-Wermut ganz profan und so allgemein beschreibt, dass darunter auch Glühwein oder Sangria eingeordnet werden könnten. Von Portwein und Sherry unterscheidet sich Wermut jedenfalls dadurch, dass diese zwar auch aufgespritet sind, aber nicht zusätzlich aromatisiert werden. In Katalonien ist Vermut eine sehr individuelle Komposition, deren Alkoholgehalt je nach Sorte zwischen 15 bis 22 Volumenprozent liegt. Die Kreation des Vermuts ist so vielfältig und unterschiedlich, dass über die Grundstruktur aus aromatisiertem Wein, Süßungsmittel und Alkohol hinaus fast alles erlaubt ist, was gefällt.
Grundwein
Der ganz überwiegend aus weißen Trauben erzeugte junge Grundwein, aus dem Vermut zu 75 % besteht, erfordert im Bukett und Geschmack keine spezifischen, einheitlichen Richtungen. Allerdings hängt die Qualität des Vermuts ähnlich wie beim Schaumwein maßgeblich vom Grundwein ab. Der wird in Holzfässern gelagert und hat regelmäßig zwölf Volumenprozent Alkohol. In Katalonien verwendet man meistens die Rebsorten Viura, Macabeo, Xarel·lo oder Parellada. Macabeo und Xarel·lo sind übrigens auch der Grundstein für in Katalonien hergestellten Cava.
Aromen und Alkohol
In den Wein kommen nun allerlei Zutaten, deren hochkomplexe Zusammensetzung das gut gehütete Geheimnis eines jeden Produzenten ist. Es heißt, dass einige Rezepturen nur drei bis vier Personen bekannt sind und hinter dicken Tresortüren Schweizer Banken aufbewahrt werden. Die Zutaten bestimmen die Farbe des Vermuts, der in Katalonien rot bis fast schwarz ist, manchmal auch hell oder rosé. Immer steht absinth artemisia, das Wermutkraut, als Kräuterbasis des Getränks ganz oben auf der Zutatenliste. Es bringt die prägenden Bitterstoffe in den Vermut. Weitere Kräuter und Pflanzen sind je nach Rezeptur Orangenschale, Zitrone, Bergamotte, Bitterorange, Ingwer, Vanille, Thymian, Oregano, Muskatnuss, Nelken, Zimt, Kardamom, Majoran, Rosmarin, Engelwurz, Enzian, Kamille, Hopfen, Chinarinde, Süßholz oder Lavendel. Durchschnittlich werden 30 bis 50 verschiedene Botanicals zugefügt, deren Anteil, aber auch deren Qualität den Geschmack beeinflussen.
Beim Vermut Catalán werden die Aromatisierungsstoffe mazeriert, und zwar in einer hydroalkoholischen Lösung aus Alkohol und Wasser zu gleichen Teilen. Hierbei wird oftmals 96-prozentiger reiner Ethylalkohol verwendet, hauptsächlich als Stabilisator, um zu verhindern, dass der Wein während des Mazerationsprozesses zu Essig wird. Manchmal findet die Mazeration in mit Wein oder Spirituosen vorbelegten Eichenholzfässern statt, in denen die Mixtur über Tage und Wochen bis Monate ruht, um die Bitterkeit und die Geschmacksaromen zu harmonisieren.
Marriage
Die mazerierte Mixtur wird manchmal noch zu einer Art Tinktur abgepresst, auf jeden Fall gefiltert und mit dem Grundwein verheiratet, also assembliert. Je nach Kategorie des Vermuts – von Extra-Dry (unter 30g Zucker pro Liter) bis süß (über 130g) – wird er mit karamellisiertem, also mit Wasser eingekochtem Zucker gesüßt. Einige Produzenten verwenden auch teilvergorenen Most, Rohr- oder Rübenzucker und vor allem Mistela, einen mit neutralem Alkohol versetzten Likörwein von unvergorenen, gepressten Trauben. Es ist schwer, allein durch Oxidation eine konsistente Farbe zu erzielen. Letztendlich ist es die perfekte Balance zwischen Süß- und Bitternoten, die zu hochwertigen Qualitäten führt. Am Ende des ganzen Prozesses ruht der Vermut noch einige Wochen oder Monate bis zur Abfüllung.
Foto © Priorat B&D Lab
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Wir stellen vier Vermut-Häuser aus Katalonien und ihre Vermuts vor.
Fotos © Padró y Familia
Bei den Zutaten für den Vermut wird auf eigene Zitronenplantagen zurückgegriffen, aber auch auf den selbst angereicherten Wein Tarragona Clásico oder den Likörwein Mistelas. Bei der Reifung des Vermuts spielen altehrwürdige Holzfässer eine besondere Rolle: Wenn die Eichenfässer nach 30 bis 80 Jahren Belegung keine Tannine mehr in die Weine transportieren, schlägt die Stunde bestimmter Vermut-Sorten. Die über Jahrzehnte vollgesogenen Wände geben immer noch hochkomplexe Aromen ab und verleihen dem Vermut einen einzigartigen Charakter, besonders wenn es sich um alte Sherry-Fässer handelt wie beim Vermut Reserva Especial. Als Vermut-Kellermeister agiert Mario García, der insbesondere darüber wacht, dass jedes Produkt der 2016 eingeführten Premium-Linie Vermuts Pradró & Co ein Vermut de autor, also ein charakteristischer Vermut ist.
Wir konnten drei Vermuts der Premium-Linie Vermuts Pradró & Co verkosten.
Rojo Clásico
Farblich tritt der Rojo Clásico in einem dunklen, edlen Mahagoniton auf. Er schickt ausdrucksstarke bitter-süßliche Gewürznoten in die Nase, die es allerdings schwerlich ermöglichen, dem hochgeheimen Rezept auf die Spur zu kommen. Das geht es geschmacklich schon etwas konkreter zu: Aus dem intensiven mediterranen Eindruck lösen sich Töne von Zimt, Gewürznelke, Kräutern und kandierten Früchten heraus. Im leicht cremigen Abgang dreht die herbe Richtung durch den gut erhaltenen Säuretouch in eine überraschende Frische.
Blanco Reserva
Grundlage des weißen Vermuts ist Mistela aus der Rebsorte Macabeo. Er offeriert fruchtbetonte, zitrische Aromen, dazu verschiedene Kräuterrichtungen, bei denen wohl Enzian, Engelwurz und Sternanis mitmischen. Im Mund zeigt er eine schöne Frische vor – saftig und kraftvoll. Der Hauch von Süße mit einer Anmutung von Rosinen ist gut eingebunden in die klaren Bitternoten. Im Finish betont er noch einmal seine Zitrusaromen und kommt leichtfüßig, animierend und elegant herüber. Ein gut ausbalancierter, geschmeidiger und hochkomplexer Vermut. Servieren Sie ihn als trockenen Aperitif: pur, auf Eis mit einer Zitronenscheibe oder mit einer Olive. Er passt auch schlückchenweise zu einem indischen Currygericht.
Rojo Amargo
Wir erschnüffeln im Glas prägnante Noten von Orangenschalen, Zimt, Nelken, getrockneten Aprikosen mit leichten balsamischen Tönen. Am Gaumen kommen zu den Bukettaromen Bitterorangen, Süßholz, Honig, Karamell und einer Spur von blondem Tabak hinzu. Gemeinsam mit den vielschichtigen bitteren Nuancen scheinen die Aromen dank der doppelten Kräuterinfusion auf der Zunge fast zu explodieren. Ein trockener, sehr samtiger und vollmundiger Vermut als Genuss pur oder in raffinierten Cocktails – für den beschwingten Genuss und leidenschaftliche Momente.
Fotos © Priorat B&D Lab
Das Unternehmen ist keine der historisch gewachsenen Uraltproduzenten mit endloser Tradition, sondern eine Art Start-Up, das 2019 als Mikrobrennerei, Weingut und Kellerei öffnete, um mit unbegrenzter Fantasie originelle Destillate und Getränke herzustellen. Der Name weist auf das Selbstverständnis als experimentelles Labor hin, als Product Search Center, das nach alten Rezepten recherchiert, um sie in einem modernen Momentum-Produkt der Neuzeit anzupassen. Das hört sich technokratischer an als es ist: Innovation steht zwar vorne drauf, aber dahinter steht durchaus der Respekt vor der Tradition, um Vermuts herzustellen, die mit einem einzigartigen Charakter eine neue Geschmacksrichtung und damit einen völlig anderen Vermut-Genuss ansteuern – möglichst untrennbar verbunden mit Katalonien, aber mit Blick in die heutige Zeit.
Bei Priorat B&D Lab wird möglichst viel Handarbeit geleistet, von der Destillation über den Mazerationsprozess bis hin zur Vorbereitung der Abfüllung. Experimentiert wird mit Vermut nach der Sol-Y-Serena-Methode in Korbflaschen oder mit der oxidativen Reifung in jeder Art von Fässern, darunter Sherry-Fässer und Priorat-Fässer vom berühmten Weingut Scala Dei. Ganz vorne im Sortiment rangiert der Vermut Dos Déus, der 2012 auf den Markt kam und seitdem eine Vielzahl von Preisen und Auszeichnungen gewonnen hat.
Wir konnten fünf Vermuts von Priorat B&D Lab verkosten. Jeder Vermut wird von drei der Hauptgötter der griechischen Mythologie repräsentiert, die alle aufgrund ihrer Bedeutung und Macht ausgewählt wurden: Zeus, der König der Götter, Poseidon, der Gott der Meere und Athene, die Göttin der Weisheit und des Krieges.
Dos Deus Origins White
Der Grundwein des weißen Dos Deus kommt von lokalen Muskateller-Trauben. Er hat eine Infusion von 38 Kräutern und Gewürzen erhalten, darunter Ingwer, schwarzer Pfeffer, Salbei, Kamille, Vanille und Angelikawurzel. Der Vermut reifte in Priorat-Fässern. Er ist wie ein ruhiges Meer, daher steht er mit Poseidon, dem Gott des Meeres, in Verbindung.
Im Glas entwickelt sich ein intensives, würziges Bukett von Zimt, Muskat und Nelken, aber auch Anklänge an Holunderblüten, Thymian und Muskateller-Weine sind wahrnehmbar. Geschmacklich entfaltet er mit Kraft, Süßlichkeit und Volumen mediterrane Aromen wie Thymian und Majoran. Eine kraftvolle Säure, präzise Bittertöne und herrliche Muskatellernoten begleiten ein langes, frisches Finale. Der Deus Origins White hat bei der San Francisco World Spirits Competition 2021 die Silbermedaille gewonnen.
Dos Deus Origins Red
Das ist ein sehr raffinierter Vermut, denn es sind aus der Region stammende Grundweine der Sorten Macabeo, Parellada und Xarel·lo aus verschiedenen Jahrgängen verwendet worden. Er hat 40 mazerierte Botanicals als Infusion bekommen, darunter Sandelholz, Aloe Vera und Wacholder. Er reifte für sechs Monate in alten Sherry- und Priorat-Rotweinfässern. Aufgrund seiner strategisch ausgeklügelten Produktion ist er Athena, der Göttin der Weisheit und des Krieges zugeschrieben.
Aus dem Glas outet der dunkelrote Dos Deus Origins Red seinen Holzausbau mit feinen Zügen von Gewürznelken und Muskat. Er umhüllt die Zunge voluminös und herrlich feinherb. Die aktive Säure von den Parellada- und Xarelo-Trauben unterstützen einen energischen, akzentuiert bitteren Abgang. Ein dunkler, dennoch jugendlich wirkender Vermut, vollmundig, herzhaft und komplex.
Dos Deus Estrelles
Nach einem alten Rezept wurden 80 % Vermut Reserva mit 20 % nach der Solera-Methode gereiften Vermut für ein Jahr in 650-Liter-Barriques ausgebaut, die mit Sherry vorbelegt waren. Knapp zwei Drittel blieben drei Jahre in den Fässern, der Rest für mindestens ein Jahr. Die Grundweine kamen vom Garnacha und Macabeo. Das hört sich erst mal routiniert an, ist aber eine recht moderne Interpretation des Vermuts.
Im Glas fällt er durch einen markanten Farbton zwischen rotbraun und bernsteinfarben auf. In der Nase drängeln sich Wildkräuter, vegetabile Spuren und ein ganzer Gewürzschrank, dazu einige oxidative Noten. Im Mund verbreitet er deutlich mehr Bitteraromen, deutlich weniger Süße, dennoch alles gut integriert mit einem Touch Süßholz, Kräutern, einer floralen Komponente und einer Ahnung von trockenem Sherry, was alles noch lange nachhallt.
Dos Deus Nordic Calent-Mulled
Im Glas präsentiert der Nordic sich in einem extrovertierten Kirschrot. Wir schnüffeln neugierig herum an würzigen Aromen von Zimt, Kardamom und Nelken mit leicht balsamischem Einschlag. Sogar ein Hauch von Weihrauch schwebt herum. Im Mund verteilt der Nordic sich rund und süßlich mit dem üblichen bitteren Akzent. Dabei offenbart er Nuancen von Orangen, eine Anmutung von Kaffee und erreicht den Gipfel mit einer unendlichen Vielfalt von Weihnachtsaromen. Ein sehr harmonischer, entspannender Vermut, der ein sensorisches und seelisches Gleichgewicht vermittelt. Wie andere Vermuts trinkt man ihn kalt, doch erhitzt wie Glühwein ist er der katalanische Vermut-Knaller – dafür ist seine Stilistik ja auch gedacht. Als heißer Winter-Vermut legen die Aromen noch zu, die Säure wird breiter, die Süße wird dezenter. Einen weiteren Genussgipfel erreicht, wer eine Zimtstange eintaucht und abschleckert.
Dos Deus DIP Fumat-Smoked
Bereits in der Nase macht der Dos Deus DIP mit Eigenschaften auf sich aufmerksam, die noch nie zuvor in einem Wermut kombiniert wurden: Jede Menge karamellige, röstige und rauchige Noten mit einem ganz leichten salzig jodierten, maritimen Anklang. Am Gaumen treffen sich erneut extravagante Partner: Zimt, Süßholz und kandierte Früchte vermählen sich mit rauchigen Tönen, einigen Mokkanoten und karamelligen Röstaromen, die auch den langen Abgang prägen. Ein kraftvoller, gut strukturierter Vermut mit toller Harmonie. Trotz aller Eigenwilligkeiten und geheimnisvoller Komplexität lässt sich dieser teuflische Höllenhund-Vermut richtig gut trinken, pur mit Eis oder in einem feinen Cocktail.
Fotos © Casa Mariol
Hergestellt werden die Casa Mariol Vermuts in Batea in der fruchtbaren Hochebene der Comarca Terra Alta im Südwesten von Katalonien nahe der Grenze nach Aragon. Hier hat die Erzeugung von Wein und Vermut eine Jahrhunderte alte Tradition und wird mit fast religiöser Leidenschaft aufrechterhalten. Das trockene mediterrane Klima, die überwiegend kalkhaltigen Böden und die zwei kreuzenden Winde aus dem trockenen Norden (el cierzo) und dem feuchten Südosten (el garbí), bieten optimale Bedingungen für den Weinbau. Für die Grundweine kann man auf 50 Hektar eigene Rebflächen zurückgreifen, es wird aber auch zugekauft, womit die Herstellung der Vermuts auch einen sozialen Aspekt für die Region erhält. Auf den schicken Flaschen, die der deutsche Art-Director Mirko Borsche designt hat, findet sich unten links eine kleine Beschreibung für die optimale Genussart von Casa Mariol Vermut, nämlich mit Olive und Zitrusfrucht.
Ach ja, sollten Sie mal in Barcelona sein, verpassen Sie nicht die hora del vermut in der Weinstube Casa Mariol gegenüber der Llibreria Xamfrà in der Carrer del Rosselló, rund 200 Meter von der Sagrada Familia entfernt.
Casa Mariol Vermut Blanco
Von Anfang an, also seit 1945, wird bei Familie Mariol dunkler Vermut hergestellt, einen Blanco gibt es erst seit etwa sieben Jahren.
Im Glas bietet sich der Blanco erstaunlich hell an, fast zitronenfarben. Mit seinen ausströmenden Aromen macht er gleich neugierig. In der Nase, erst recht am Gaumen vermählen sich süßliche und bittere Gewürz- und Kräuternoten mit dezenten Fruchtrichtungen von Zitrus, reifen gelben Äpfel und Honigmelone plus Vanille. Das ist ein ganz besonderer eleganter und ausgeglichener Vermut-Eindruck, der da herumschwebt und die Zunge anhaltend und liebevoll verwöhnt.
So markant hell wie der Blanco, so schwarz ist der Negro. Die extrem dunkle Farbe kommt in erster Linie von unreifen grünen Walnüssen. Der Grundwein ist aus Macabeo-Trauben hergestellt. Die Kräuter und Gewürze kommen aus der Comarca Terra Alta in der Provinz Tarragona und der Comarca Matarraña in Aragon. Der Vermut reifte im Solera Verfahren in alten Holzfässern über längstens sechs Monate.
Im Bukett dringen neben den würzigen und kräutrigen Nuancen auch fruchtige und blumige Noten vom Macabeo durch. Im Geschmack treffen ätherische Richtungen von Thymian und Rosmarin auf zarte Anklänge von Zimt, Kardamom und Orangenschalen. Immer spielen auch Spuren von Zitrus und ein Hauch von Walnüssen mit. Der lange, samtige und erfrischende Abgang wird von einer gut austarierten Säure gestützt und imponiert durch das lebendige Zusammenspiel von bitteren und süßlich-karamelligen Noten. Genießen Sie diesen Vermut als Solisten oder seien Sie ihr eigener Barkeeper und kreieren mit dem Casa Mariol Vermut Negro einen unvergesslichen Cocktail.
Fotos © Antonio Mascaró
Wir konnten einen Vermut von Antonio Mascaró verkosten.
Vermut Siset
Im Glas funkelt der Vermut in schillernden Farben von Mahagoni bis Bernstein. Das Bukett vermittelt einen trockenen, aromatischen Eindruck mit Orangenzesten, balsamischen Aromen und Spuren von Lakritze, dazu ein Hauch von Fruchtigkeit. Im Mund präsentiert er eine dezente Süße und eine solide Balance zwischen Säure und Bitterstoffen. Wachholder, Lakritze, Orangenschalen und eine gewisse Mineralität sind gut wahrnehmbar. Das Finale ist tiefgründig, intensiv, hat eine schöne zitrische Frische und ist angemessen bitter.
23.09.2022
Foto © Padró y Familia
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