An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Cantzheim: Leidenschaft für Riesling-Steillagen, Saar-Terroir und Kultur in jeder Flasche
Der kleine Weinbauort Kanzem schmiegt sich von Süden her an den wildromantischen Arm der Saar. Gleich nebenan krümmt sich der Wiltinger Saarbogen etwa 10 Kilometer nördlich von Saarburg entfernt im Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Luxemburg. Noch eine Schleife muss die Saar machen und noch schlappe sieben Kilometer zurücklegen, dann vereint sie sich bei Konz endlich mit der Mosel. Früher, das heißt bis 2007, wurde die Region in der Gebietsbezeichnung Mosel-Saar-Ruwer wenigstens noch an zweiter Stelle erwähnt. Heute, wo die Moselaner in der Gebietsbezeichnung Mosel alle Regionen vergemeinschaftet haben, müssen und dürfen die Winzer hier stolz und trotzig korrigieren: Unsere Weine sind von der Saar, nicht von der Mosel. Die Saar-Weine wachsen auf einer Strecke von gerade mal 30 Kilometern von Konz bis Serrig und gehören zu Rheinland-Pfalz, während die einzigen Weinberge des Saarlandes in der Großgemeinde Perl nahe der französischen Grenze zur Obermosel gehören – alles klar?
Eine der beiden registrierten Weinberglagen von Kanzem ist der Altenberg, wo mehrere Winzer Parzellen haben. Er liegt gegenüber dem Örtchen Kanzem auf der anderen Seite der Saar und klettert hinter den Gleisen der Regionalbahn von Trier nach Merzig, beziehungsweise Homburg, bis auf 250 Meter Meereshöhe. Hier gibt es keine von Wegen oder Mauern abgestuften Terrassen, sondern die Weinberge wachsen in einem Stück wie die Eiger-Nordwand empor. Von oben am Waldrand hat man einen dieser atembeeinflussenden Blicke auf den Saarbogen und auf das Örtchen Kanzem bis rüber nach Wiltingen und zum Saarkanal. Blickt man von hier oben hinunter Richtung Bahnhof, sieht man das Weingut, das scheinbar senkrecht unter einem, direkt am südwestlichen Fuß des Altenbergs und am Ufer der Saar gegenüber von Kanzem liegt: Das Weingut und Gästehaus Cantzheim.
Den Namen hat es sich aus dem Jahr 1381 geliehen, als die Ortschaft noch Cantzheim hieß, bevor es über Canzem zu Kanzem wurde. Es gibt hier allerdings nichts, woran eine allseits so beliebte Story von jahrhundertealten Familientraditionen im Reich des Weinbaus anknüpfen könnte, denn das Weingut Cantzheim wurde erst im Jahr 2016 gegründet. Anna und Stephan Reimann erfüllten sich damit ihren Lebenstraum. Ihre Begeisterung für das Winzerhandwerk, für die Rebe als einzigartige Pflanze und für das Terroir der Saar konnte nun einmünden in die Leidenschaft, all das in eigenen Weinen erlebbar zu machen. Und das ist Familie Reimann mehr als gelungen.
Wie es dazu kam, hört sich viel spannender an als der Gang durch eine Familienchronik, weil die Entscheidung, Wein zu machen, aus Liebe entstanden ist, der Liebe zueinander und der zum Wein. Hinzu kam die gemeinsame Passion für Architektur, Kultur und für die einzigartige Weinregion der Saar.
Wie es dazu kam
Anna und Stephan Reimann lernten sich beim Gartenbaustudium im bayerischen Weihenstephan in Freising kennen. Ihr Weg dahin war unterschiedlicher, wie er wohl nicht sein könnte.
Anna ist in Bonn geboren und aufgewachsen in der Godesberger Rheinallee, bis sie als Kind mit den Eltern nach New York und London ging und schließlich nach Neuss bei Düsseldorf zurückkehrte, wo sie die Schule besuchte. Nach dem Abschluss verabschiedete sie sich nach Florenz, um Italienisch zu lernen und Kunstgeschichte zu studieren. Es war wohl der erste kleine Dreh in Richtung Zukunft, dass sie damals ausgerechnet im Palazzo Antinori wohnte, in dem die Cantinetta der berühmten Winzerfamilie für schmackhafte kleine Studienpausen und für weinselige Abende sorgte. Annas Umschwung zur Freude an Natur und Pflanzen führte sie dann zurück nach Deutschland auf jene besagte Hochschule, wo es zu dieser Zeit auch Stephan hingezogen hatte. Stephan war in einem Gartenbaubetrieb aufgewachsen und setzte auf seine Gärtnerlehre das Gartenbau-Studium drauf mit einer Promotion in Bonn über Pflanzenkrankheiten.
Nach dem Abschluss als Gartenbauingenieurin mit einer Arbeit über die Reblaus reiste Anna nach Chile und half im Rahmen eines Praktikums bei der Weinlese auf dem Weingut Santa Rita. Jetzt wurde für sie klar: Das Weinmachen ist genau ihr Ding. Ein Aufbaustudium in Weinbau und Önologie in Montpellier und die Erntezeit auf dem Weingut Joseph Drouhin im burgundischen Beaune folgten. Bei Drouhin konnte sie nicht weniger als 90 verschiedenen Appellationen kennenlernen, von denen über zwei Drittel Premier-Cru- und Grand-Cru-Lagen waren. Anna wollte dann zwar nicht höher, aber jedenfalls weiter hinaus: Sie ging nach Nelson in Neuseeland, wo sie ihre ersten eigenen Weine herstellte – einen Spätburgunder und einen Riesling. Zurück in deutschen Weinlanden organisierte sie über rund 15 Jahre für das alteingesessene Mosel-Weingut Markus Molitor in Zeltingen den Export und danach für vier Jahre den internationalen Vertrieb für die Bischöflichen Weingüter Trier, wo sie ab 2015 für Vertrieb und Marketing zuständig war. Wie es als Nebentätigkeit für Führungskräfte in Vollzeitjobs so vorgesehen ist, machte sie ihren Executive Master of Business Administration (EMBA) in Mannheim und Paris. Stephan wählte nach seinem Studium eine weitere Ausbildung, mit der er seinen Lebensweg endgültig festzurrte: eine Winzerlehre auf dem Mosel-Weingut Schloss Lieser. Danach begann er seine Tätigkeit als Berater von Weingütern, die er nie so ganz aufgegeben hat.
Was dann folgte, ist fast schon eine Art Legende im Sinne der märchenverwandten literarischen Gattung:
Bereits 2007 kaufte Anna Reimanns Vater, der in Trier geborene Neusser Rechtsanwalt und Aufsichtsrat der Deutschen Bank Georg F. Thoma, aus Liebhaberei das marode spätbarocke 700 qm-Gutshaus in Kanzem nebst 5.800 qm-Grundstück. 1740 hatte hier das Prämonstratenser Kloster Wadgassen ein Weingut einrichtet, das in den Besitz des Bischöflichen Priesterseminars Trier gelangte. Außer dem architektonischen Interesse, das Georg Thoma durch seinen Vater, dem in Trier geborenen Architekten der Bischöflichen Baukommission des Bistums Trier Fritz Thoma, in die Wiege gelegt worden war, gab es noch eine weitere, vielleicht gar nicht einmal so zufällige Beziehung zwischen der Familie und dem Gutshaus, die durchaus mit Anna Reimann zu tun hatte.
Anna Reimanns Großtante, die frühere Chefärztin am Kölner St.-Agatha-Krankenhaus Dr. Heidi Kegel, führte nämlich wenige Hundert Meter entfernt am nördlichen Fuß des Altenbergs das Weingut von Othegraven, wo Anna öfter zu Besuch war. Heidi Kegel hatte das Weingut von ihrer Tante Maria von Othegraven übernommen und 1995 von ihr geerbt. Auch Maria war eine Großtante, nämlich die von Günter Jauch, der das Weingut 2010 zusammen mit seiner Frau Thea kaufte, um es in der Familie zu erhalten.
Während sich die Renovierung und die Umgestaltung des Anwesens dahinzogen, machte Anna Reimann in ihrer zweiten Mutterschutzzeit, als die Familie noch in Lieser wohnte, mit ihrem Kind im Kinderwagen öfter Spaziergänge in der Umgebung des Gutshauses und in Kanzem. Die brach liegenden Rebflächen fachten ihre Fantasie und Neugier an und so erkundigte sie sich öfter bei den älteren Winzern des Dorfes über die aufgegebenen Weinberge. Das sprach sich schnell herum und so brachten die Erkundungsspaziergänge am Ende drei Hektar Weinbergsparzellen von zehn unterschiedlichen Eigentümern zusammen. Darunter waren zwei Hektar in der berühmten Südwestlage Kanzemer Sonnenberg. Hier ergänzte Anna die Bestockung mit ihren ersten eigenen Rieslinganpflanzungen. Außerdem hatte das Ehepaar eine verwilderte Ultrasteillage von einem halben Hektar im Saarburger Fuchs über dem Stadtteil Niederleuken ergattert.
Weingut und Architektur als Gesamtkunstwerk
Was das von Georg F. Thoma erworbene Gutshaus an der Weinstr. 4 in Kanzem anging, so sollte es nicht beim denkmalgerechten Umbau und der Modernisierung bleiben. Vielmehrt sollten auf dem Gelände auch ein Gästehaus, ein Veranstaltungsort, eine Vinothek und eine Privatwohnung Platz finden.
Durch Anna Reimanns Großvater, dem Architekturprofessor Fritz Thoma, kam ein Kreativteam zusammen, das auf dem Gelände ein Ensemble entwarf, in dem sich Weinkultur und Baukultur trafen. Federführend war das international renommierte Architektenbüro des befreundeten Schweizer Architekten Max Dudler in Berlin, das etliche Spezialisten für Bauphysik, Tragwerk und Bauleitung zuzog. Fünf Jahre dauerten die Arbeiten.
Im Gutshaus wurde die historische Bausubstanz vollständig erhalten, während man unpassende Anbauten abriss. Der historische Tonnengewölbekeller wurde zum Veranstaltungsort, während in das Hochparterre eine gewerbliche Küche mit zwei Speisezimmern einzog. Dazu wurde eine Vinothek mit Gastraum geschaffen. Gäste- und Privatwohnungen wurden im Ober- und Dachgeschoss eingerichtet. Im Raum mit der einstigen Kapelle wurde der ursprüngliche sakrale Charakter mit der eigenartigen senkrechten Beleuchtung über historische Lichtschächte wiederhergestellt. Der ehemalige Weinkeller wurde zum Lager, denn der Wein wird am anderen Ende von Kanzem gemacht.
Die beiden Neubauten Remise und Orangerie wurden mit respektvollem Abstand vom Gutshaus rechts und links asymmetrisch, aber auf einer Achse liegend angeordnet. Auf diese Weise heben sie die Wirkung des Gutshauses hervor, verbinden aber gleichzeitig Architektur und Landschaft.
Die moderne Orangerie lehnt sich mit ihrer filigranen vertikalen Gestaltung aus Stahl und Glas an den aufstrebenden Wuchs der Rebstöcke an. Die Wände sind zu Glaselementen aufgelöst und führen die senkrechten Linien der Rebstöcke visuell fort, so dass man hier zusammen mit dem Ausblick immer ein gewisses Weinberggefühl hat.
Die Remise stellt die moderne, wenn nicht futuristische Interpretation eines Weinberghäuschens dar. Die Wände, das Dach, der Schornstein und die Treppe des monolithischen Baus sind aus Stampfbeton gefertigt. Die erdfarbene Tönung, die nicht durch Zuschlagspimente, sondern durch die Auswahl bestimmter Rheinsande erreicht wurde, passt sich an die umliegenden Hügel an. Stampfbeton wird ohne Bewehrung in Schichten von 20 bis 25 Zentimetern verarbeitet, die Verdichtung erfolgt durch Druckstöße. Verwendet wird lediglich Kies, Sand, Weißzement und Wasser. Zwischen der Betonage der einzelnen Schichten muss das Material erhärten. Diese urhandwerkliche Arbeit ist zwar langwierig, das Ergebnis aber aufgrund der hohen Dichte des Betons ohne die Gefahr von Rissbildungen lange haltbar. Stampfbeton ist eine der ältesten Betonarten. Er wurde bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein insbesondere beim Bau von Fundamenten und Brückenpfeilern verwendet bis Anfang des 20. Jahrhunderts die Stahlbetonbauweise aufkam. Übrigens steht auch die Orangerie auf einem Sockel aus Stampfbeton, um den ästhetischen Bezug zwischen den beiden Erweiterungsbauten zu betonen.
Wenn auch die historische Authentizität im Vordergrund stand, wurden doch modernste Energiespareffekte genutzt wie Dreifachverglasungen, eine Art Kerndämmung der historischen Holzgefache, Wärmedämmsteine unter der Fassade der Remise oder die Beheizung des Gutshauses mit Geothermie. Dass sich das gesamte Ensemble auch noch harmonisch in die Landschaftskulisse am Altenberg einfügt, ist dem Landschaftsarchitekten Bernhard Korte zu verdanken.
Die erfolgreiche Symbiose von Wein und Architektur in Cantzheim wurde zuletzt durch den Nationalen Architekturpreis Wein 2022 und durch die Auszeichnung als eine der schönsten Vinotheken Deutschlands bestätigt.
Schon im Jahr nach der Gründung konnten die Reimanns vier Hektar Weinberge des historischen Weinguts Johann Peter Reinert mit Parzellen in den ursprünglichen Teilen des Wiltinger Klosterbergs, im Kanzemer Altenberg, Wiltinger Schlossberg und in Filzen, Ayl und Wawern übernehmen und vergrößerten sich damit auf über 7 Hektar. Anders als andere Weingüter mussten die Reimanns viele Flächen neu bestocken, was sie zu Recht als Chance ansahen, mit ausgewählten Klonen zielgerichtet auf die angestrebten Stilistiken hinzuarbeiten.
Heute besitzt das Weingut Cantzheim viele legendäre Steillagen, wo die Arbeit zum Abenteuer wird und der Winzer nicht nur Bergsteiger, sondern im wahrsten Sinne des Wortes Hand-Werker ist mit Arbeitsstunden, die sich betriebswirtschaftlich kaum mehr vernünftig rechnen. Den Rebstöcken gefallen die Steillagen, können sie sich doch ausgiebig sonnen und im Wechsel zwischen der Wärme des Tages und der Kühle der Nacht die Aromen in den Trauben anfeuern. Die meisten Weinberge sind mit Riesling bestockt, darüber hinaus wird auch Weißburgunder und Spätburgunder angebaut.
Im Keller wird mit Hefen aus den eigenen Weinbergen vergoren und je nach Rebsorte und Weinstilistik Edelstahl und Eichenholz eingesetzt. Abgefüllt werden jährlich etwa 40.000 Flaschen. Außer den Weinen macht das Weingut Cantzheim flaschenvergorene Cremants aus Riesling und Spätburgunder. Es entspricht der legendären Saar-Tradition, dass Rieslingfrucht und Terroir am besten in fein austarierten, leichten Weinen zum Ausdruck kommen, die einen guten Teil unvergorener, natürlicher Süße stolz vorzeigen. Auf Cantzheim lässt man die geliebten Grad Oechsle der Moste weder im Alkohol verschwinden noch die Säfte durchgären bis die Hefen krepieren.
Auch wenn das Weingut nicht ökologisch zertifiziert ist, so haben angesichts Familie Reimanns Liebe zur Natur und zum Garten- und Weinbau umweltschonende Bewirtschaftung und nachhaltige Unternehmensführung absoluten Vorrang. Dabei achtet man nicht nur wie viele Weingüter heutzutage auf den ressourcenschonenden Umgang mit der Natur im Weinberg, sondern geht auch innovative Schritte, die erst mal nebensächlich erscheinen: So wird derzeit bei der Abfüllung auf Naturkork umgestellt, weg von Kapsel und Drehverschluss. Auch wenn damit wieder das Risiko des Korkschmeckers zurückkehrt, ist die Verwendung eines nachwachsenden Rohstoffes, der zum Erhalt der Korkeichenwälder beiträgt, wichtiger.
Immer stand für Familie Reimann im Vordergrund, eine enge Verbindung aufrecht zu erhalten zwischen den Riesling-Steillagen, dem Saar-Terroir und alter Keltertradition, alles mit viel Handarbeit. Dabei umrahmen sie das Winzerhandwerk mit der regionalen Geschichte und Kultur durch ein literarisches, musikalisches und weinkulturelles Programm und ihre familiäre Gastlichkeit. In den regelmäßigen Veranstaltungen rund um das historische Gutshaus, den Garten und die Orangerie verbinden sie Weinkultur und Alte Musik bis hin zu Jazz und Folk, Literaturlesungen, Küchenpartys, Kulinarik, Weinproben und Tasting-Abende – alles auch ohne Partyzelte, die von der einzigartigen Location nur ablenken würden. Orangerie, Gewölbekeller und Westsalon stehen für Familienfeiern, Konferenzen oder Team-Events zur Verfügung. Auf Cantzheim kann auch geheiratet werden, denn es ist offizielle Außenstelle des Standesamts von Konz.
Jeder, der Kanzem und Cantzheim besucht, stellt darüber hinaus fest, dass hier das Leben der Menschen stets auf den Rhythmus der Reben ausgerichtet ist, den die Natur vorbestimmt. Besonders gut fühlt man das auf Wanderungen durch die berühmten Lagen oder Radtouren durch die Region oder wenn es beim SaarRieslingSommer von Weingut zu Weingut geht. Es sind nur wenige Kilometer nach Lothringen oder Luxemburg, so dass es nicht verwundert, dass in Cantzheim das französische Savoir-vivre zur Lebenskultur dazugehört. Weingut und Gästehaus haben übrigens den Bahnhof der Deutschen Bahn fast vor der Tür und bieten E-Ladestationen für Autos und Fahrräder.
Wir konnten fünf Weine und einen Crémant des Weinguts Cantzheim verkosten.
2021 der Kanzemer Ortsriesling feinherb
Im Glas legt er nach etwas Belüftung dann los mit einer komplexen Wolke aus roten Äpfeln, einem getrockneten Gewürzsträußchen und Anklängen von Mandeln und Akazienhonig. Dazu Eindrücke von Zitrus, Pfirsichen und einer modern salzigen Mineralität. Im Mund breitet er sich energiegeladen und extraktreich aus mit einer markanten Abbildung des Schieferbodens und fein süßlich umspielten Noten von Limetten, Äpfeln, Pfirsichen und schöner Würze. Saftig-süffig lässt er uns in einem von lebendiger Säure, einem winzigen Gerbstofftouch und der salzigen Mineralik gut unterstützten Abgang noch lange nachschmatzen. Ein schwungvoller Saar-Riesling, der die feinherbe Kategorie dezent und sehr ortstypisch interpretiert. Wenn Sie nett sein wollen zu dem Wein, so bieten Sie ihm eine in der Pfanne gebratene Dorade oder einen deftigen Zwiebelkuchen an.
2018 der Wawerner Ortsriesling
Aus dem Glas duftet der Wawerner Ortsriesling nach gelben Früchten, Limetten und weißen Blüten. Dazu kommen einige vegetabile Spuren und eine galante Abrundung mit schiefriger Würze – ganz leicht rauchig und steinig. Geschmacklich vereinigen sich die Bukettaromen harmonisch, rund und saftig in Begleitung von herber roter Grapefruit, von süßlichen Ahnungen von Maracuja nebst Ananas und einem Rahmen pikanter Würze. Der Wawerner hat auch im Problemjahrgang 2018 ein lebendiges Säuregerüst bewahrt, das sich im herb-trockenen und erstaunlich frischen Finale mit einer feinen Süßespur und der tiefgründigen, salzigen Mineralik vereint. Ein ausgewogener, gradlinig auf den Punkt gebrachter Saar-Riesling. Genießen Sie zu dem Wawerner einen gebackenen Bachsaibling, doch auch ein echtes Wiener Schnitzel ist mit diesem Wein gut ausgestattet, aber vergessen Sie nicht die Zitronenscheibe zum Fleisch.
2022 der Kabinett 'Schlange' Wiltinger Schlangengraben
Die Schlange kriecht mit herrlichen Zitrus- und Pfirsichnoten in die Nase. Kühl, leicht hefig und feinkräuterig verspielt mit vegetabilen und schiefersteinigen Anklängen. Im Mund konzentrieren sich dicht und fest mineralische Noten, die handwerklich gekonnt eingebunden sind in eine griffige Säurestruktur und energische Fruchteindrücke von grünen Äpfeln und Zitrus. Die alten Reben spendieren eine hochkonzentrierte Fruchtigkeit und feinsaftige Süßlichkeit, die im straffen Abgang noch lange nachhallen. Ein leichtfüßiger, eleganter Wein, der Spannung aufbaut und einen kernigen, saartypischen Genuss bietet, der die Riesling-Frucht in die richtige Szene setzt. Das ist ein Wein ohne Furcht vor Restsüße, mit dem man seine dummen Vorurteile gegenüber restsüßen Weißweinen pflegen oder sich bis zur Sucht verführen lassen kann. Es ist einer der Weine, die viele heimlich trinken, weil sie den fantastischen Genuss restsüßer Weine in Zeiten des Trocken-Trinkens nicht zugeben wollen. Wer will, kann sich auch damit beruhigen, dass die teuersten Weißweine der Welt süß sind und nicht trocken.
2021 der Fuchs Saarburger Fuchs Große Lage Riesling
Der Wein ist mit sehr moderaten 11,5 Volumenprozent Alkohol trocken ausgebaut. In der Nase entfaltet er sich mineralisch kühl und erfrischend mit einem Touch gelber Pfirsiche, mit vielen gelben Blüten, einigen grünen Äpfeln und frischen Kräutern plus einer kleinen Spur Hefe. Am Gaumen baut sich eine pointierte Spannung auf, gestützt von einer vibrierenden leicht rauchigen Schiefer-Mineralität und einem komplexen Aromenbündel voll Fruchtigkeit und Würze und dezenten vegetabilen Richtungen. Der Wein strahlt auch noch nach längerer Belüftung eine elegante Kühle aus. Die dichte, fast seidige Struktur und die präsente Säure fördern einen saftigen Abgang, der mit feinen kräuterigen und süßlichen Fruchtnuancen an das Terroir der Saar erinnert, dem staubige Trockenheit völlig fremd wäre. Ein höchst eleganter, genial strukturierter Terroir-Wein mit einer komplexen Aromatik und maximalem Geschmack. Schmälern Sie die Eindrücke von diesem Weinschatz nicht durch ein scharfsinnig ersonnenes Speisen-Pairing, das ja bekanntlich immer möglich ist. Laben Sie sich lieber in einem angemessenen Zeitfenster an diesem klassischen und kostbaren Botschafter der Saar.
2020 Saarburger Fuchs Spätlese Riesling Saar
Dieser Wein ist eine zeitlose Erinnerung an acht Jahre Erfolg mit Anna und Stephan Reimanns Weingut Cantzheim. Eine geradezu klassische Saar-Spätlese mit einer begeisternden Balance zwischen animierender Restsüße und lebendiger Säure.
Im Bukett öffnet er sich mit Aromen von weißen Pfirsichen und Zitrus, dazu einige Kräuter und ganz dezent auch frische weiße Blüten. Der Gaumen wird umspielt von eben diesem perfekten Frucht-Süße-Säure Trio, das die Zunge kraftvoll und doch ohne jegliche Schwere hochelegant verwöhnt. Die feine Mineralik reicht bis ins saftige Finish, das eine für eine Spätlese überraschend kühl-herbe Frische generiert, was die Eleganz noch einmal hervorhebt. In diesem Wein lauert eine Intensität, die sich in den nächsten Jahren noch stärker entfalten wird. Dennoch: Öffnen und mit Wohlgefühl genießen. Er pairt sich hervorragend mit einem leicht gewürzten thailändischen Hühnergemüse mit frischem Koriander und Kokoscreme.
der Crémant Blanc de Noirs Pinot Noir brut nature
Im Glas prickelt ein Crémant, der von vornherein trockener ist als die französischen Pendants, weil er als Brut Nature ausgebaut ist. Da kein roter Crémant produziert werden darf, wurden die roten Pinot Noir Trauben als Blanc de Noir gekeltert. Die Rebstöcke stehen in der Premium-Lage Saarburger Fuchs. Der Grundwein wurde spontan im Edelstahl vergoren und anschließend etwa sechs Monate in vorbelegten Eichenholzfässern auf der Feinhefe gereift. Im Keller lag der Crémant dann 24 Monate auf der Feinhefe, bevor unter Verzicht auf die Versanddosage degorgiert wurde.
Der Crémant perlt fein, aber aktiv im Glas, die Mousse hält einen feinen, dichten Schaumrand aufrecht. In der Nase imponiert er durch kühle Düfte von Äpfeln, Beeren und einem Hauch von Hefe. Im Mund trifft die herbe Frische des Brut-Nature auf distinguiert zurückhaltende Fruchtrichtungen von weißen Johannisbeeren, auf nussige Nuancen und auf eine dezente, reife Säure. Er perlt in einen erfrischenden, mineralisch pointierten, leicht schmelzigen Abgang, der noch einmal feine Spannung aufbaut und die Brillanz des Crémants nachwirken lässt. Man kann diesen echt trockenen Crémant zu einem guten Sushi oder einem Hummergericht in der Vorrunde eines Menüs servieren. Er beeindruckt aber auch als herausragender Solist bei einem festlichen Empfang.
29.05.2024
Fotos: © Weingut Cantzheim