An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Kilian Hunn in Baden: Zwei Generationen machen einzigartige Weine in Deutschlands heißester Region am Tuniberg
Wie oft schaut man sehnsuchtsvoll auf die Ecke links unten auf der Wetterkarte, in der immer die höchsten Temperaturen in Deutschland angezeigt werden. „Am Oberrhein“ heißt es dann immer. Genau in dieser Gegend zwischen Freiburg im Südosten und dem Rhein mit Breisach im Westen liegt die malerische Gemeinde Gottenheim im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. Wir sind hier im Breisgau, genauer gesagt rund vier Kilometer nördlich vom Tuniberg im Weinanbaugebiet Baden. Es erstreckt sich zwischen Schwarzwald und Vogesen mit paradiesischen Weinlandschaften und 16 Großlagen und 306 Einzellagen über 400 Kilometer von Baden-Baden bis an den deutsch-schweizerischen Bodensee. Es ist das einzige deutsche Weinbaugebiet, das in die wärmste Weinbauzone, die Zone B, eingestuft ist.
Wer nach Gottenheim kommt, sollte weniger die unvollendete Brücke ins Nichts an der L 115 besichtigen, sondern ein Weingut mitten im Zentrum besuchen: das Weingut Kilian Hunn. Hier kann man die Familie Hunn kennenlernen, die mit drei Generationen im Weingut arbeitet. Felix und Gudrun Hunn sind die erste Generation, die den Betrieb 1982 gegründet hat. Felix ist eine Art Senior-Chef, der noch immer im Weinberg aushilft. Ehefrau Gudrun managt als Universaltalent Familie und Haushalt und kümmert sich rundherum um Weingut und Büro.
Das Weingut bewirtschaftet rund 24 Hektar Rebfläche, zum größten Teil in der Lage Gottenheimer Kirchberg sowie in den Lagen Opfinger Sonnenberg, Merdinger Bühl und Waltershofener Steinmauer. Die Rebstöcke wachsen in der Gegend am Tuniberg auf einer 145 Millionen Jahre alten Kalkscholle, die während der Eiszeit mehr oder weniger mit fruchtbarem Löss und stellenweise Lehm überzogen wurde. Für die Weinberge wurden fast überall Terrassen angelegt, damit die Lössauflagen nicht vom Regen abgetragen werden. Es sind hier immer stark kalksteinhaltige Böden, die gerade von den Burgundersorten geliebt werden. Das schon erwähnte Klima startet bereits im Januar, wenn aus der Burgundischen Pforte zwischen Vogesen und Schweizer Jura die Warmluft vom Mittelmeer heranweht. Der heiße Sommer wird in Zeiten der Erderwärmung und Klimaveränderung allerdings zunehmend zur Herausforderung, nicht nur was die Rebpflege im Weinberg angeht, sondern auch hinsichtlich des Umgangs mit den Trauben im Keller. Denn schließlich will man weiterhin frische, leichte und elegante Weine vinifizieren, während die kraftvollen keine Alkoholmonster werden dürfen.
Angebaut werden im Weingut Kilian Hunn wie in Baden üblich sehr viele Rebsorten, die bis auf den roten Spätburgunder alle weiß sind: Weißburgunder, Grauburgunder, Chardonnay, Auxerrois, Rivaner, Sauvignon Blanc, Gutedel, Müller-Thurgau, Muskateller, Chasselas, Viognier und Fumé Blanc. Im Weinberg wird nach den Grundsätzen des umweltschonenden Weinbaus gewirtschaftet. Die Trauben dürfen bis zur physiologischen Reife am Stock hängen und werden selektiv geerntet.
Die Weine sind gemäß der hauseigenen Qualitätspyramide in drei konsequent strukturierte Linien eingeteilt: die »Jungen Frischen«, die »Jungen Wilden« und die »Reserve«. Die Jungen Frischen sind die Gutsweine, unkomplizierte Basisweine für jede Gelegenheit. Die Jungen Wilden bilden das Terroir am Tuniberg charaktervoll ab, jeder Schluck ein Weinerlebnis. Die Weine der Reserve-Linie werden im Holzfass ausgebaut und sollen mit ihrer Komplexität und dem Finessenreichtum beeindrucken. Es werden auch Perlweine und flaschenvergorene Sekte hergestellt. Eine Besonderheit sind die Destillate aus der hauseigenen Brennerei von Früchten aus den Obstplantagen, die von Familie Hunn seit Jahrzehnten bewirtschaftet werden. Darunter sind Brände von Kirschen, Williams-Birnen, Mirabellen und der regionalen Spezialität Zibarte, einer Wildpflaume mit einem Hauch von Marzipan. Als Weindestillate werden ein Chardonnay-Tresterbrand und ein feiner Hefebrand angeboten. Das breite Angebot an ihren eigenen Produkten hat Familie Hunn nicht gehindert aus freundschaftlichen Gründen den Weinverkauf „Strecker’s Weine“ zu übernehmen, so dass in der Verkaufsstelle im Weinhaus Hunn nun auch italienische Weine auserwählter Weingüter und italienische Spezialitäten angeboten werden.
Wir konnten sechs Weine vom Weingut Hunn verkosten.
2023 Junge Frische Spätburgunder Rosé trocken
Im Glas sehen wir wie schon zuvor in der glasklaren Flasche ein animierendes elegant helles Lachsrosa. Der Wein duftet nach Schattenmorellen, Erdbeeren, Himbeeren und Brombeeren zugleich, dazu ein winziger Hauch des Bittermandelaromas, das Oma immer aus der winzigen Glasampulle in den Kuchenteig spritzte. Im Mund legt der Wein aromatisch noch einmal zu und lockt zusätzlich mit Anklängen an rote Johannisbeeren. Die ohnehin sehr feine Säure ist ebenso wie die sortentypisch sehr dezenten Gerbstoffe noch einmal vorsichtig kaschiert und trägt im überraschend würzigen und leicht schmelzigen Abgang zu einem saftigen Frischeeindruck bei. Ein leichtfüßiger, frischer Rosé mit einiger Eleganz, der jeder Sommerparty die rosa Brille verschafft, der aber auch allein oder zu zweit in der Badewanne oder zu Lachs mit grünem Spargel und Reis ein Genuss ist.
2023 Junge Frische Grauburgunder trocken
Im Glas zeigt er sich in Weißgold und nutzt die Minuten, die man ihm geben sollte, um seine Aromen zu aktivieren. Zarte Düfte von reifen gelben Birnen, Mirabellen, Ananas und der Hauch von Äpfeln verbinden sich mit dezenten Noten von Mandeln und einigen Kräutern. Über die Zunge strömt er saftig, fruchtig, würzig und körperreich. Die exotischen Fruchtrichtungen drängen nach vorne und werden von einer pikanten Würze und einem Hauch Mineralität begleitet. Die gut integrierte Säure trägt den Grauburgunder in einen geschmeidigen, langen und gehaltvollen Abgang mit Anmutungen von der regionalen Kalkstein-Mineralilk. Dieser frische und lebendige Grauburgunder ist der unkomplizierte Begleiter für jede Tages- und Nachtzeit, der flüssige Berater im entspannten Gespräch und der universelle Helfer zu fast jedem Salat und Meeresfrüchte-Gericht.
2022 Junge Wilde Weißburgunder Alte Reben trocken
Der Weißburgunder Alte Reben entfaltet im Glas ein ausdrucksvolles Bukett: etwas Apfel, einige Birnen, Düfte von Pfirsich, Mirabellen und Nüssen. Alles wird umrahmt von einem Touch Würze, Mineralität und feinen floralen Anklängen. Im Mund tritt er vollmundig und extraktreich auf, harmonisch, ausgeglichen und elegant. Die reife Fruchtigkeit wird von interessanter Würze und schöner Mineralität unterstützt, irgendwo ganz hinten meldet sich ein Hauch Vanille. Hinzu kommen die regional typische Kalksteinmineralik und eine lebendige Säure, die in die sympathisch cremige und dichte Struktur gut eingebunden ist. Alles bleibt im Finale noch lange präsent. Der Wein untermalt das Essen mit seiner feinfruchtigen Aromatik, die zarte Säure unterstützt etliche Geschmacksrichtungen, beispielsweise leichte Pasta oder einen Kürbisquiche. Er funkelt im Glas aber auch als der gefällige und schwungvolle Sommerwein für alle Weißwein-Gäste.
2022 Junge Wilde Sauvignon Blanc trocken
Die Sauvignon Blanc Rebstöcke stehen auf Löss mit feinen Lehm-Einschlüssen. Der reinsortige Sauvignon Blanc wurde im Edelstahl vinifiziert, eine Partie reifte im großen Holzfass.
Ähnlich, wenn auch nicht so breit angelegt wie beim Chardonnay, lassen sich vom Sauvignon Blanc verschiedene Stilistiken herbeizaubern. Der Sauvignon blanc trocken vom Weingut Hunn ahmt glücklicherweise nicht die holzgeschwängerte Butterscotch-Variante der Neuen Welt nach, sondern schlägt den badischen Stil einer rebsortentypischen grün-gelben Fruchtigkeit ein – frisch und ausdrucksstark, alles ist gut abgestimmt und nicht aufdringlich.
Schon der Duft, der sich mit zunehmender Belüftung immer komplexer aufstellt, ist so verheißungsvoll, dass Freude und Erwartung auf den ersten Schluck immer größer werden. In der Nase kommen uns gleich gelbe Früchte entgegen mit einem Anklang an Hawaii-Ananas, dazu weiße Johannisbeeren und hochreife Stachelbeeren, die sich mit guter Substanz auch im Mund verbreiten. Dort treffen sie sich mit gelbfruchtigen Tönen, unter die sich Goldkiwis mischen und die kleine vegetabile Spur übertrumpfen. Im Finish schauen mal eben ein Touch grüner Paprika und eine Spur Mineralik vorbei. Lange hält der Sauvignon Blanc seine betonte, klare und mit der Säure gut ausgeglichene Fruchtigkeit in Erinnerung. Ein schöner Wein als kleiner oder großer Appetizer und zu einem Welt-Klassiker der Gourmet-Küche: Roasted chicken with honey-sesame carrots.
2022 Junge Wilde Chardonnay trocken
In der Nase offeriert er freigiebig ein fruchtiges Bukett von gelben Äpfeln, reifen Aprikosen, einigen Tropenfrüchten und klitzekleine Nuancen von Nüssen und Nougat nebst einer Brise herbstlicher Wildblumenwiese mit Kräutern. Im Mund schmeichelt er sich ein mit einer leicht kräuterigen Würze, grünweißen Delicious-Äpfeln und Stachelbeeren. Irgendwann entdecken wir geschmacklich auch eine Haselnuss, eine geröstete Scheibe Toastbrot und einen Hauch Orangen. Im langen Finale trumpft er noch einmal auf mit seiner brillanten Fruchtigkeit, seiner subtilen feinsalzigen Mineralik, der angedeuteten Rauchnote, der lebendigen Säure und der schlanken, frischen und eleganten Struktur. Wenn Sie ihn solo trinken, dann aus einem mittelgroßen Rotweinglas. Und stellen Sie sich vor, er würde mit einem Blanc de Noirs vom Pinot Noir assembliert und zu einem flaschenvergorenen Sekt gemacht werden, Wow. Kommen wir wieder runter und genießen den Chardonnay ganz irdisch zu einer Dorade in Beurre-Blanc.
2019 Pinot Noir trocken
Im dunkelrubinrot ausgeleuchteten Glas dominiert ein zartes Aroma von Sauerkirschen, Waldhimbeeren und Brombeeren, das von etwas Cassis und einem kleinen Touch von Mineralität, Mandeln und Vanille begleitet wird. Am Gaumen werden kräftige Akzente gesetzt von Schwarzkirschen, roten und schwarzen Beerenfrüchten, einigen Kräutern, dazu ein Tüpfelchen rote Pflaume – alles von samtigen Tanninen und einer kleinen schokoladigen Holznote eskortiert. Der Wein schmeichelt sich galant ein mit mürb-sandigen, seidigen Tanninen, einer freundlichen Säure und einer geschmeidigen Textur. Selbst im vollsaftigen Abgang versickert er nicht schlaff auf der Zunge, sondern zeigt extrovertiert und mit hochfeiner Holzwürze seinen Tuniberg-Charakter. Ein Spätburgunder mit Raffinement und Ausdrucksstärke, der noch über Jahre Genuss vermitteln wird. Erfreuen Sie sich und einen Fasan oder ein Rebhuhn mit einem prächtigen Rotweinerlebnis.
02.08.2024
Fotos: © Weingut Kilian Hunn