An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Die Fellbacher Weingärtner e.G. –Württemberger Klassik und next Generation
1. Juni 2012
Weinbau direkt vor den Toren der Großstadt, das können die Fellbacher bieten, denn die Stadt Fellbach, das Tor zum Remstal, liegt quasi direkt bei Stuttgart. Die Fellbacher bilden eine der größten Weinbaugemeinden Württembergs und sind seit Jahrhunderten durch den Weinbau geprägt. Vor 150 Jahren, genau genommen 1858, wurde hier die Weingärtnergesellschaft gegründet.
Schon damals nahmen sich die 50 Mitglieder auf Initiative von Gründervater und Pädagoge Auberlen vor, die Qualität zu verbessern. In schüchterner Anlehnung an die drei Jahre zuvor erfolgte Klassifizierung im Bordelais fand der erste Versuch der Klassifizierung der Weine statt nach Bergwein, Mittelgewächs und Niedergewächs. Großzügig betrachtet könnte man sagen, dass dies der erste Schritt zu einer Lageneinteilung aufgrund des Terroirs war. Dass früher beim Keltern zwischen weißen und roten Trauben nicht unterschieden wurde, brachte den berühmten Schillerwein hervor, der direkt „unter der Kelter“, also von der Presse weg verkauft wurde, weil die Weinbauern keine Fässer zu Lagerung besaßen. Auberlen und seine Weingärtnergesellschaft trennten in Fellbach erstmals vor dem Pressen die Reben in Rot und Weiß. Ebenso führten sie in Fellbach die Lese nach Rebsorten ein.
Die Weingärtnergesellschaft, später Weingärtnergenossenschaft Fellbach, war eine der ältesten Erzeugergemeinschaften im Südwesten. Seit 2001 firmiert sie unter dem schmucken Namen Fellbacher Weingärtner e.G., was sowohl das Flair des Winzerhandwerks als auch die Nähe zur Natur vermittelt. In der Kappelbergstraße, wo sich einst der „Alte Kelter“ der Fellbacher Genossen befand, sind heute Lager, Verwaltung und seit 2005 moderne Verkaufsräume eingerichtet. Als Kellermeister fungiert Werner Seibold.
In der Genossenschaft gibt es 20 Vollerwerbsbetriebe und eine Vielzahl von Nebenerwerbsbetrieben. Alle Mitglieder zusammen verfügen über rund 180 Hektar Rebfläche. Die Anbauflächen befinden sich im Gebiet des Kappelbergs in 300 bis 430 Metern Höhe. Das Kappelberggebiet teilt sich in die Lagen Lämmler und Goldberg auf. Wie zumeist im „Ländle“ bauen die Fellbacher überwiegend Rot an, vorneweg auf rund 85 Hektar den Trollinger, gefolgt von rund 15 Hektar Schwarzriesling, dann Dornfelder, Lemberger, Spätburgunder und Portugieser. Beim Weißen steht Riesling auf etwa 35 Hektar, Müller-Thurgau kommt auf 10 Hektar gefolgt vom Kerner. Die Rebsortenvielfalt, die quer durch das Rebsortenspektrum reicht und auch internationale Sorten nicht auslässt, ermöglicht der Fellbacher Weingärtner e.G. ein umfassendes Angebot an Weinen für jeden Geschmack. Damit ist aber nicht Vielfalt in der Masse gemeint, denn seit etlichen Jahren haben sich in den Betrieben neue Generationen durchgearbeitet und hartnäckig den Vorrang der Qualität durchgesetzt. Heute geht man mit Ehrgeiz und Leidenschaft in den Weinberg und in den Keller, um authentische und hochwertige Weine zu erzeugen, Masse kann ja schließlich jeder.
Die Weine sind für den Interessenten klar und übersichtlich in die Editionen C, S und P eingeteilt. Die Edition C bietet gebietstypische, feinfruchtige Weine mit ausgeprägtem Sortencharakter. Vollmundige Weine hoher Qualität rangieren in der Edition S, hinter der ein hoher Anspruch auf Weine aus hochreifen, aromatischen Trauben steht. In der Edition P werden Spitzenweine von internationalem Format präsentiert. Durch kräftige Ertragsreduzierung erreichen die wenigen Trauben eine hohe Reife mit ausgeprägten Fruchtaromen, eine entscheidende Voraussetzung für die geschmackliche Fülle gehaltvoller und komplexer Weine. Die Rotweine aus der Edition P reifen in der Regel im Holzfass oder im Barrique. Die Rotweinserien insbesondere aus Lemberger sind inzwischen national berühmt und einzelne Prachtweine wie Lemberger aus dem Barrique oder der weiße Chardonnay sind auch international gefragt. In der Weinbibel Gault Millau hat die Fellbacher Weingärtner e.G. inzwischen auch die erste Traube errungen.
NEXT GENERATION
Wie in anderen Württemberger Weingärtnergenossenschaften haben auch in der Fellbacher Weingärtner e.G. junge Winzer als bestens ausgebildete Nachwuchskräfte neue Ideen, Kreativität und Visionen in die Betriebe und zu Kellermeister Werner Seibold getragen. „Next Generation – Wir können auch jünger“, so lautet der Slogan der Jungwinzerinitiative der Fellbacher Weingärtner e.G. mit dem sie eigene Projekte umsetzen und bereits mit großem Erfolg Weine hoher Qualität herstellen, die ein fortschrittliches Profil zeigen sollen: jung, frisch, dynamisch. Sie wollen keine Kellerrebellion, sondern integrativ hineinwachsen in die Genossenschaft und die Erfahrung der Alten nicht missen. Jeder der beteiligten jungen Wengerter stellt aus dem heimischen Weingut einen Hektar zur Verfügung, auf dem verrückte Einfälle und Träume verwirklicht werden. Gemeinsame Essentials sind die Ernte im Stadium optimaler Reife und eine Mengenbegrenzung. Die liegt mit maximal 70 Hektoliter/Hektar zwar über der 50 Hektoliter-Marke für Premium-Weine der Fellbacher Weingärtner, ermöglicht aber durchaus gehobene Qualitäten. Seit sie 2008 mit dem Riesling „S“ aus alten Reben ihren ersten eigenen Wein unter dem Namen next Generation vorgestellt haben, gibt es jedes Jahr einen next Generation Riesling und seit 2009 auch ein Rotweincuvée next Generation.
Wir haben sechs Weine der Fellbacher Weingärtner e.G. aus unterschiedlichen Editionen verkostet.
2011 Riesling trocken, next Generation
2009 Rotwein Cuveé trocken, next Generation
Seit 2009 macht die junge Garde der Fellbacher Weingärtner e.G. das Rotweincuvée aus Acolon, Lemberger, Spätburgunder, Cabernet Dorsa. Die Rebe Acolon ist eine Neuzüchtung der Hochschule in Weinsberg, die aus Lemberger und Dornfelder gekreuzt wurde. Ebenso kommt die Cabernet Dorsa aus Weinsheim, diesmal sind Dornfelder und Cabernet Sauvignon über Kreuz gelegt worden. Beides sind junge Rebsorten, jung wie die next Generation. Im Glas funkelt das Rotwein Cuveé intensiv dunkelrot und duftet nach Brombeeren, Hedelfinger Schwarzkirsche, roten Johannisbeeren. Am Gaumen erreichen uns in einer leicht süßlichen Hülle Waldbeeren, Schwarze Johannisbeeren, Kräuter und kleine grüne Pflänzchen. Seine füllige Struktur ist durch weiche Tannine besänftigt, die einen würzig-harmonischen Abgang steuern. Öffnen Sie die Flasche zwei Stunden vorher und schwenken sie den Wein alle halbe Stunde vorsichtig, um seine Aromen zu optimieren und ein besonderes Weinerlebnis zu genießen.
Ein Sauvignon blanc, der hier regional auch mal als Muskat-Sylvaner bekannt war, ist in Württemberg noch immer etwas Neues und bestockt im ganzen Land erst rund 30 Hektar Rebfläche. Die Fellbacher Weingärtner e.G. liegt mit dem Wein ganz vorne an der Qualitätsspitze der Württemberger Sauvignon blanc-Weine. Der 2011er duftet grün-grasig nach Kräutern, Hollunder, Stachelbeere und irgendwelchen exotischen Früchten, dazu die sortentypische Spur von Brennesseln. Geschmacklich sind wir bei vegetabilen, kräuterigen und durchaus süßlichen Fruchtaromen, aber mit Augenmaß und mit feiner, spitzer Säure. Ein pikant-süffiger, trockener Sauvignon blanc, kein Schmusewein, aber auch keine Eigensinnigkeit, sondern von 13 Volumenprozent Alkohol gestützter kerniger, aromatischer Weißer, der uns mit einem Red Snapper-Filet in gut gewürzter Kokosmilch begeistert hat.
2011 Lemberger Rosé trocken, Edition C
Vielfach wird ein Lemberger Rosé im Württembergischen im Sekt-Format angeboten. Aber warum nicht auch einmal einen frischen, fruchtigen Still-Rosé machen, und zwar reinsortig. Bei der Herstellung im Keller haben die Fellbacher die Trauben laut Weinbeschreibung „sofort abgepresst“, vielleicht auch wie verbreitet üblich, die Maische leicht gewärmt, um die Farbextraktion aus der Beerenhaut beim Abpressen noch weiter zu reduzieren. Dieser Rosé hat ein lembergermäßiges, kräftiges Rosérot und duftet erfrischend nach Sauerkirschen und Himbeeren, dazu einige Brombeeren. Er schmeckt genauso fruchtig und unkompliziert wie er aussieht und duftet. Die sortentypischen Tannine sind in der Maische geblieben und erschrecken hier nicht unnötig. Genießen Sie ihn im Garten, auf der Terrasse und zeigen Sie ihm doch einfach einmal einen Teller mit Schwäbischen Maultaschen, heiß aus der Pfanne.
Der Trollinger ist bekanntlich Württembergs ureigene Traditionstraube und wächst, wo immer man ihm einen Weinberg hinhält. Dieser hier aus der Spitzenedition P stammt aus der Lage Lämmler südlich von Fellbach, die auch erste Gewächse hervorbringt. Der heutige, flurbereinigte Lämmler besteht aus drei ursprünglich getrennten Lagen: Lämmler, Hinterer Berg und der Riesling-Lage Wetzstein. Es ist eine geschützte Südhanglage, die mit einer Steigung von 35 % am Fuß des Kappelberges liegt. Das Terroir ist geprägt durch Keuper, Schilfsandstein plus Kieselsandstein und bunten Mergel, eine Mischung, die eine ausgeprägte Mineralität anbietet. Klimatisch gibt es hier thermische Luftströmungen, die den Boden tagsüber stark erwärmen, während es nachts stark abkühlt, beste Voraussetzungen für ordentliche Fruchtaromen. Im Glas haben wir das bekannte helle Kirschrot. Es steigt ein Potpourri in die Nase: Rote Beeren, Pflanzen, Holz und Tabak, dazu etwas frische Erde, auch Hefe wurde frech dazwischengerufen. Beim Trunke stößt man nicht wie sooft beim Trollinger auf ein geöffnetes Marmeladenglas, sondern auf schlanke, feinherbe Frucht, kräuterig-erdig abgeschmeckt mit einem freundlichen Gruß aus dem Barrique. Im Abgang wird bei uns obendrein noch über Wacholder, Mandeln und frische Pflanzen debattiert, jedenfalls trollingert der Wein angenehm trocken und erstaunlich dicht am Gaumen entlang.
2009 Fellbacher Lämmler, Merlot trocken, Edition P
Merlot im Ländle, noch dazu aus der berühmten Lämmler-Lage, das ist sehr ehrgeizig und spannend. Dieser reinsortige Trockene gehört zur Edition P und damit zu den Spitzenweinen der Fellbacher Weingärtner. Er leuchtet vielversprechend purpurrot und violett im Glas. Es entwickeln sich schon bald herrlich fruchtige Aromen aus Kirschen, Johannisbeergelee, etwas Pflaumen und exotische Komponenten aus süßlichen Gewürzen. Dazu schweben Noten von trockenen Pflanzen, Vanille und jungem Holz umher. Wir schmecken dezent, aber herzlich rote Beeren, frische Kräuter, Spuren von Kakao und Nüssen. Im Finale schmeichelt sich das Ensemble von Früchten noch einmal ein, getragen von einem vorsichtigen Tanningerüst und sortentypischen 13,5 % Alkohol. Ein schon jetzt edler Wein mit einem runden Geschmack und einem intensiv gefälligen Aroma. Sollten Sie ihm eine Speise hinstellen wollen, gönnen Sie ihm ein mit scharf gewürztem Cranberry-Kompott mariniertes Lammfilet oder die französischen Weichkäse, die Sie vor zwei Wochen im Keller vergessen hatten.
Im Hörerlebnis treffen Sie Ralf Bauerle, Jungwinzer, Angehöriger der GENERATION RIESLING und Leiter der Gruppe next Generation, ist Anfang 30 und Aufsichtsratsvorsitzender der Fellbacher Weingärtner e.G.. Er stellt die next Generation vor und gibt einen Einblick in die Arbeit der Genossenschaft.
Foto: © Fellbacher Weingärtner e.G.
HÖRERLEBNIS mit Ralf Bauerle
Flaschen-Fotos: © D. Rosenbaum