An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Wein-Wunder Ungarn
Ungarn hat eine Jahrhunderte alte Weinbaukultur mit einer Vielzahl von autochtonen Rebsorten und traditionellen Weinanbaugebieten. Im Sozialismus durften Privatleute nur einen halben Hektar Rebfläche bewirtschaften - zur Selbstversorgung. Für die Masse waren die Kombinate und Genossenschaften zuständig. Sie waren Quelle süß-klebriger Massenweine, die den Ruf des ungarischen Weins ruinierten und noch heute in den Regalen der Discounter als Imitation ungarischen Weinhandwerks auftauchen. Doch selbst bei Weinfreunden sind Weine aus Ungarn noch mit der Vorahnung von vulgärer Süße und erschlagener Wucht verbunden. Eine fatale Fehleinschätzung, die belegt, wie wenig man über ungarische Weine weiß und wie selten gute ungarische Weine verkostet und angeboten werden.
Seitdem Ungarn den Sozialismus hinter sich gelassen und zwischen 1990 und 1994 eine Privatisierung der staatlichen Weingüter vollzogen hat, machen engagierte Winzer in einigen Gebieten Ungarns hervorragende Weine, die auf der internationalen Bühne vielbeachtete Auftritte haben. In Ungarn wächst inzwischen so manche Rebe, aus denen internationale Spitzenweine gemacht werden. Eines der fortschrittlichen und zugleich traditionellen Qualitätszentren des ungarischen Weins ist das Gebiet Villány-Siklós mit seinen 11 Ortschaften im Karpatenbecken südlich des Plattensees an der Grenze zu Kroatien. Obgleich in Ungarn insgesamt überwiegend Weißweine angebaut werden, ist Villány-Siklós das aufstrebende Rotweingebiet. Hier entstanden seit 1990 eine Vielzahl 30-60 ha große, mittelständische Betriebe, die häufig schon über die Kategorie der Familienbetriebe hinausgingen.
Die liebliche, von weiten Ebenen und sanften Hügeln geprägte Landschaft von Villány-Siklós im Südwesten Ungarns ist die Heimat der Donauschwaben, und die sprechen Deutsch - zumindest eine altertümliche Abart davon. Ihr Engagement ist der wesentliche Grund für den steilen Aufstieg eines Ungarischen Weins, der bei den Spitzenqualitäten Europas mitredet. Donauschwaben wurden die Aussiedler genannt, die seit dem Ende des 17. Jahrhunderts nach Südungarn gelangten. Sie waren von der Österreichisch-Ungarischen Regierung zur Niederlassung angeworben worden, um ein nach 100 Jahren türkischer Besetzung verwüstetes Gebiet zu besiedeln. Ihre Bezeichnung rührt von ihrer Einschiffung in Ulm an der Donau her, obgleich sie nicht nur aus Baden-Württemberg kamen, sondern auch aus Bayern und aus dem Hessischen, insbesondere der Region um Fulda. Nach dem 2. Weltkrieg verringerte sich ihre Zahl in Ungarn um rund ein Drittel auf etwa eine halbe Million.
Die klimatischen Rahmenbedingungen in Villány-Siklós sind hervorragend für den Weinanbau: Ungarn hat ein ausgeprägtes Kontinentalklima mit kalten Wintern und warmen Sommern. Die Durchschnittstemperaturen bewegen sich zwischen -1 °C im Januar und 21 °C im Juli. Das Gebiet Villány-Siklós ist mit einer durchschnittlichen Jahrestemperatur von 11,4 °C das wärmste und sonnenreichste der ungarischen Anbaugebiete. Die Jahresdurchschnittsmenge des Niederschlags beträgt 662 mm. Der Sommer ist mittelmäßig trocken und meistens heiß, demzufolge sind die Trauben bei früh reifenden Sorten schon im Juli fertig und können im sonnigen Frühherbst voll gereift geerntet werden. Zu diesen klimatischen Verhältnissen trägt auch die Umgebung des Villányer Gebirges mit dem 442 m hohen Szársomlyó bei. Die kahlen Steinflächen des Szársomlyó erwärmen sich und heizen die umliegenden Hügel sowie die geschützten, tief eingeschnittenen Täler wie einen Kachelofen auf. In dem hügeligen Gebiet wächst der Wein umso schlechter, je höher die Rebstöcke stehen; dort oben bringen sie aber eine ausgezeichnete Qualität. Die Fläche ist von Steingeröll bedeckt und von weitem bietet sie das Bild eines gepflegten Ackers. So entstand auch unter dem Volk die Sage, dass der Teufel den Berg umgepflügt habe. Dem Volksmund nach hat Villányer Wein seinen mediterranen Charakter, die herrliche Farbe, das kräftige Tannin und die hervorragende Fruchtigkeit dem „Szársomlyó" zu verdanken. An den Hängen des „Szársomlyó", in der „Kopár-Flur" und im „Szarkás" liegen große Rebflächen von Ede Tiffán und Gere Tamás & Zsolt. Das terroir ist geprägt von schweren Lössböden und rotem Lehm mit reichlich Kalk, alles Voraussetzungen für die Entstehung von wahren Kraftpaketen.
Auf rund 2.400 ha werden im Gebiet von Villány-Siklós überwiegend Blauer Portugieser (Kékoportó), Blaufränkisch (Kékfrankos), Cabernet franc, Cabernet Sauvignon, Zweigelt, Welschriesling (Olaszrizling), Lindenblättriger (Hárslevelû), Chardonnay und Traminer (Tramini) angebaut – womit wir bei den bekanntesten ungarischen Rebsorten im Gebiet von Villány sind:
Blauer Portugieser (Kékoportó):
Der Blaue Portugieser ist die weit verbreitete Sorte der Region. Die deutschen Siedler hatten sie im 18. Jh. aus ihrer Heimat mitgebracht. Es gibt kaum einen Weinbauern in Villány, der seinen Gästen nicht ein Gläschen feinen Blauen Portugiesers vorsetzen könnte. Diese früh reifende Sorte bringt auf dem fruchtbaren Boden des sonnigen Villányer Berges reiche Ernte und eine Qualität, die in keiner anderen Gegend erreicht wird. Den Blauen Portugieser benutzt man auch zur Herstellung feiner Roséweine.
Blaufränkisch (Kékfrankos):
Der Blaufränkische fällt durch seine rubin- oder dunkelrote Farbe auf. Er liefert einen markanten, schweren und aromatischen Rotwein mit hohem Gerbsäuregehalt und ist sehr beliebt. Die Weinbauern nennen ihn auch Burgunder. Der Wein reift ziemlich langsam, die Süße wird nach etwa einem Jahr von einem feinen, samtigen Geschmack abgelöst. Der daraus hergestellte Rosé erfreut sich zunehmender Beliebtheit.
Welschriesling (Olaszrizling):
Der Welschriesling erreicht in der zweiten Oktoberhälfte die volle Reife. Der feurige und trotzdem milde, harmonische Weißwein duftet leicht nach Reseda und erinnert an den Geschmack bitterer Mandeln. Aus den überreifen Trockenbeeren kann ein hervorragender Dessertwein bester Qualität hergestellt werden.
Lindenblättriger (Hárslevelû):
Das Lindenblatt ist eine uralte ungarische Sorte, die auf sonnigen Hügeln auf fruchtbarem Boden wächst und Ende Oktober die volle Reife erreicht. In guten Jahrgängen duftet der daraus hergestellte säurehaltige, körperreiche Wein intensiv nach Lindenblüten, schmeckt angenehm und ein wenig herb. Aus den Trockenbeeren wird ein unnachahmlich feiner, nach Honig duftender, süßer Dessertwein hergestellt.
Die Weine Ungarns werden nach dem ungarischen Weinrecht in fünf Qualitätsstufen auf den Markt gebracht: Tafelweine, Regionale Weine oder Landwein, Qualitätsweine, Qualitätsweine mit Prädikat und Weine aus überreifen oder edelfaulen Trauben sowie mindestens 5 Jahre alte Jahrgangsweine.
Die Winzer aus dem winzigen Städtchen Villány haben – im Gegensatz zu den Betrieben um Siklós – schon seit langem eine Vorliebe für Cabernet Franc und Sauvignon. Nicht zuletzt deshalb gilt dieses Gebiet auch als Bordelais des Ostens. Neben der bekannten roten Sorte werden auch auf insgesamt 1601 ha Blaufränkisch, Merlot, Pinot Noir, Kékoportó und Kadarka angebaut, bei den weißen Sorten sind Chardonnay, Welschriesling und Riesling bevorzugt. Über Ungarn hinaus ist Villány-Siklós aber inzwischen als Rotweingebiet bekannt, wo einige individuelle Winemaker neben der Tradition auf Qualität setzten und die europäische Weinwelt aufhorchen ließ. Dazu trugen auch die frisch ausgebildeten Önologen der zweiten Generation bei, nachdem sie die elterlichen Weingüter zumindest als Kellermeister übernommen hatten. Villány hat übrigens 3000 Einwohner, von denen 600 Winzer sind.
Wir haben Weine der Weingüter von Ede und Zsolt Tiffán und von Gere Tamas & Zsolt verkostet. Besuchen Sie in der Erlebnis-Lounge die Weingüter, die zu den bekanntesten von Villány-Siklós und von Ungarn gehören.
10.02.2012
Foto: Copyright Hungarian National Tourist Office
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Blick über das Gebiet Villány-Siklós